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Hinter der Mauer - Berliner Missionswerk

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machen, geht 1/3 ins Ausland zum Studium, nur<br />

die Hälfte von ihnen kommt zurück. Die, die hier<br />

studieren, sind in <strong>der</strong> Regel hinterher arbeitslos.<br />

Israel holt sich Spezialisten aus aller Herren<br />

Län<strong>der</strong>, nur aus Palästina wollen sie keine. 10 %<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> kommen aus <strong>der</strong> Umgebung jenseits<br />

<strong>der</strong> geplanten <strong>Mauer</strong> o<strong>der</strong> aus „Groß-Jerusalem“<br />

– was aus denen wird, wenn die <strong>Mauer</strong><br />

steht, wer weiß? Die Planung sieht vor, dass<br />

die <strong>Mauer</strong> direkt vor <strong>der</strong> Eingangstür <strong>der</strong> Schule<br />

gebaut werden soll. Nach <strong>der</strong> II. Intifada hat die<br />

israelische Armee schon einmal den Haupteingang<br />

<strong>der</strong> Schule gesperrt, daraufhin haben sie<br />

den <strong>Hinter</strong>eingang vergrößert und benutzen ihn<br />

jetzt. Inzwischen dürfen sie (vorübergehend?)<br />

auch wie<strong>der</strong> den Haupteingang benutzen. Das<br />

Hauptproblem <strong>der</strong> Schule ist Traumatisierung<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>: Maurice meint, eigentlich seien alle,<br />

die hier leben, traumatisiert, denn das Leben<br />

sei ein einziges Trauma.<br />

Wenn er nach Deutschland fährt, um von <strong>der</strong><br />

Schule zu erzählen, merkt er es umso mehr, wie<br />

ihn die plötzlich an<strong>der</strong>e Situation entlastet. Er<br />

berichtet eindrücklich von den täglichen kleinen<br />

Schikanen am Checkpoint. So war er gestern<br />

am Metalldetektor plötzlich zwischen den<br />

beiden Drehkreuzen gelandet und niemand öffnete<br />

eines; im Kontrollraum war auch niemand<br />

und so stand er da und konnte we<strong>der</strong> vor noch<br />

zurück. Irgendwann kam auf dem Laufsteg über<br />

ihm ein Polizist vorbei, den rief er an und <strong>der</strong><br />

veranlasste, dass das Drehkreuz wie<strong>der</strong> geöffnet<br />

wurde. „Solche Dinge passieren jeden Tag.<br />

Wenn wir im Checkpoint sind, dann wollen wir<br />

nur eines – schnell wie<strong>der</strong> heraus; dann sind<br />

wir freundlich und höflich zu den Soldaten, um<br />

bloß keine Probleme zu bekommen. Aber in mir<br />

kocht es und das wird jedes Mal mehr.“<br />

Für schwer traumatisierte Kin<strong>der</strong> gibt es eigene<br />

therapeutische Möglichkeiten, das ist wichtig,<br />

aber nicht ausreichend, denn natürlich än<strong>der</strong>t<br />

es nichts an <strong>der</strong> krankmachenden Situation. Beson<strong>der</strong>s<br />

belastend ist, dass es sich nicht um ein<br />

einzelnes traumatisches Erlebnis handelt, wie<br />

Palästina<br />

z. B. ein Tsunami, von dem man sich mit <strong>der</strong> Zeit<br />

distanzieren kann, son<strong>der</strong>n um ein dauerhaftes<br />

Problem, für das es auch in absehbarer Zeit keine<br />

Lösungen gibt und zusätzlich die Erkenntnis, dass<br />

die Eltern sie nicht schützen können.<br />

Konferenz zur Traumabearbeitung<br />

Ich nahm an <strong>der</strong> internationalen „Conference<br />

for Trauma counseling“ in Bethlehem teil und<br />

hörte dort einen Bericht über die Reaktion von<br />

Kin<strong>der</strong>n auf Haus-Zerstörungen. Die Referentin<br />

unterscheidet drei Phasen – zunächst vor<br />

dem Ereignis: In dieser Zeit sind die Kin<strong>der</strong> in<br />

ständiger Erwartungsangst – die Geschichte<br />

über den Jungen mit seinen Spielsachen in <strong>der</strong><br />

Schulmappe passt hierher. Das Haus ist kein<br />

Schutz und Sicherheits-Raum mehr. Dann das<br />

Erlebnis des Abrisses; ein kleines Mädchen<br />

berichtete: „Mein Großvater wurde geschlagen,<br />

meine Mutter weinte und mein Vater rauchte!“<br />

– sie hat das Vertrauen in den Vater verloren: er<br />

hat sie nicht beschützt, er hat nichts getan, er<br />

hat nur da gestanden und geraucht! – an dieser<br />

Stelle fing die Übersetzerin an zu weinen.<br />

Und schließlich danach: Werden Nachbarn in<br />

die Ruinen gehen und etwas wegnehmen?<br />

– das Gefühl <strong>der</strong> Entwurzelung, wo soll man<br />

hingehen?: „Die Schule (wo sie vorübergehend<br />

unterkommen) ist nicht mein zu Hause“ – eine<br />

Mutter machte einen Zaun um das Haus mit<br />

einer Tür und einem SCHLOSS! – das gab ein<br />

neues Gefühl von „Heim“. An<strong>der</strong>erseits die Hilfe<br />

und Unterstützung von Nachbarn, die als wohltuend<br />

empfunden wird. Und dennoch glauben<br />

mehr als 70 % <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> an eine glücklichere<br />

Zukunft.<br />

Die hilflosen Helfer<br />

Die professionellen Helfer für die Traumatisierten<br />

in diesem Land sind in einer beson<strong>der</strong>s<br />

schwierigen Situation, haben sie doch die gleichen<br />

Erlebnisse wie ihre Klienten – den Checkpoint,<br />

die Übergriffe <strong>der</strong> Armee, die Erniedrigungen<br />

– und in <strong>der</strong> Regel haben sie keinerlei<br />

Rückzugsraum für sich selber. So kommt es

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