Ausgabe 3 2011 • Zentralfest zum 12. Mal in Sursee ... - Schw. StV
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Leserbriefe<br />
Me<strong>in</strong> «<strong>StV</strong> – quo vadis?»<br />
Als Veteran hüte ich wunderschöne<br />
Er<strong>in</strong>nerungen an me<strong>in</strong> aktives Verb<strong>in</strong>dungsleben<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em blühenden<br />
<strong>StV</strong>. Mich schmerzt daher, wie «me<strong>in</strong>» <strong>StV</strong><br />
sich mit gravierenden Problemen herumplagt,<br />
und es drängt mich, zur aktuellen<br />
Diskussion beizutragen.<br />
Zentrale Bedeutung für den <strong>StV</strong> hatten<br />
immer die Verb<strong>in</strong>dungen. Sie agierten noch<br />
zu Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er Studentenzeit an Volluniversitäten,<br />
an denen die Studierenden<br />
e<strong>in</strong> Vollzeitstudium mit akademischem Abschluss<br />
absolvierten. Das Verb<strong>in</strong>dungsleben<br />
wurde durch die Tatsache geprägt, dass die<br />
meisten Mitglieder während des Semesters<br />
ausserhalb ihrer Familien lebten. Werkstudenten<br />
waren Randständige.<br />
Innerhalb der Gesamtstudentenschaft<br />
bildeten die Verb<strong>in</strong>dungsstudenten immer<br />
e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit. Ihr bildungspolitischer<br />
E<strong>in</strong>fluss war ger<strong>in</strong>g. 1968 ff wurden<br />
sie von l<strong>in</strong>ks politisierenden neuen Studentengruppen<br />
locker an den Rand gedrängt.<br />
Auch <strong>in</strong> ihren besten Jahren haben <strong>StV</strong>-<br />
Verb<strong>in</strong>dungen höchstens 20 Prozent der<br />
katholischen Studierenden erfasst. Der<br />
Name «<strong>Schw</strong>eizerischer Studentenvere<strong>in</strong>»<br />
war immer zu hoch gegriffen.<br />
1945–1960 war der <strong>StV</strong> <strong>in</strong> der Er<strong>in</strong>nerung<br />
vieler stark. E<strong>in</strong>erseits war das katholische<br />
Milieu noch <strong>in</strong>takt, was den Verb<strong>in</strong>dungen<br />
flotten Nachwuchs bescherte.<br />
Andererseits erleichterte die zunehmende<br />
Toleranz den <strong>StV</strong>ern den beruflichen, politischen<br />
und militärischen Aufstieg. Es war<br />
aus heutiger Sicht e<strong>in</strong>e trügerische Blüte.<br />
Nach 1968 wären Erosionsersche<strong>in</strong>ungen<br />
erkennbar gewesen. Die relative Stärke e<strong>in</strong>zelner<br />
Verb<strong>in</strong>dungen hat das <strong>Schw</strong><strong>in</strong>den der<br />
gesellschaftlichen Bedeutung des Gesamtvere<strong>in</strong>s<br />
verdeckt.<br />
Wo stehen die Verb<strong>in</strong>dungen und der<br />
<strong>StV</strong> heute? Individualisierung, Entideologisierung<br />
und Destabilisierung s<strong>in</strong>d die<br />
Hauptmerkmale der aktuellen Gesellschaft.<br />
Daraus ergibt sich deren Fragmentierung.<br />
Die Zeit der grossen, e<strong>in</strong>er Ideologie verpflichteten<br />
Organisationen ist daher vorbei.<br />
Das spüren die Kirchen, die Weltanschau-<br />
46 civitas 3-<strong>2011</strong><br />
ungsparteien und die ideologisch positionierten<br />
Organisationen. Vorbei ist auch die<br />
Zeit stabiler gesellschaftlicher und wirtschaftlicher<br />
Verhältnisse. Man migriert.<br />
Dieser Trend führt, wenn es ke<strong>in</strong>e Gegenkräfte<br />
gibt, zur Auflösung der Gesellschaft.<br />
Notwendig s<strong>in</strong>d daher Menschen,<br />
die soziale Wertvorstellungen entwickeln<br />
und mit Gleichges<strong>in</strong>nten umsetzen. Diese<br />
Menschen stammen aus der Gruppe jener,<br />
die <strong>in</strong> ihren prägenden Jugendjahren positive<br />
Geme<strong>in</strong>schaftserlebnisse gemacht haben.<br />
Me<strong>in</strong>e Generation hatte <strong>in</strong> den Verb<strong>in</strong>dungen<br />
diese Möglichkeit. Wo besteht sie heute?<br />
Fragmentiert hat sich auch das höhere<br />
Bildungswesen. Universitäten s<strong>in</strong>d nicht<br />
mehr als ganzheitliche Hochschulen erlebbar.<br />
Zusammen mit den Fachhochschulen<br />
s<strong>in</strong>d sie zu Grossverteilern von Ausbildung<br />
geworden.<br />
Diese Bildungssituation berücksichtigt<br />
nicht, dass der Mensch neben Fachwissen<br />
auch Sozialkompetenz benötigt. Junge<br />
Menschen müssten lernen können, sich <strong>in</strong><br />
der Gesellschaft zu bewegen und e<strong>in</strong>en Beitrag<br />
zur Entwicklung dieser Gesellschaft zu<br />
leisten. Notwendig s<strong>in</strong>d stabile Bildungsgeme<strong>in</strong>schaften.<br />
Wo und wie s<strong>in</strong>d solche <strong>in</strong><br />
der modernen Bildungs<strong>in</strong>dustrie möglich?<br />
Was bedeutet das für uns? Gäbe es den<br />
<strong>StV</strong> und se<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dungen nicht, würde<br />
man sie heute gewiss nicht gründen. So geht<br />
es darum, das Positive unserer Tradition <strong>in</strong><br />
geeigneter Form <strong>in</strong> die Zukunft zu überführen.<br />
Das Positive <strong>in</strong> der <strong>StV</strong>-Tradition ist:<br />
das mit Freunden gemeisterte Studium, die<br />
Stammgespräche, die ermunternden und<br />
mahnenden Gespräche mit Altherren, die<br />
lebenslange Freundschaft mit Consemestern.<br />
Auf der Suche nach dem Weg <strong>zum</strong> Ziel<br />
muss man vom Bestehenden ausgehen.<br />
Aktuell gibt es Verb<strong>in</strong>dungen mit e<strong>in</strong>er<br />
guten Semesteraktivität, nebst anderen, die<br />
um das nackte Überleben kämpfen. Es gibt<br />
aktive Regionalverbände, nebst anderen,<br />
die nur noch auf dem Papier existieren, und<br />
es gibt die rauschenden <strong>Zentralfest</strong>e, deren<br />
Wirkung bald ausgeschlafen ist. Folge<br />
dieses nun seit Jahrzehnten anhaltenden<br />
Zustands s<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>kende Mitgliederzahlen,<br />
nicht mehr aktive Verb<strong>in</strong>dungen und zunehmendes<br />
Abseitsstehen vieler Altherren.<br />
Ich sehe bei den s<strong>in</strong>kenden Mitgliederzahlen<br />
das Kernproblem des <strong>StV</strong>. Dem kann<br />
nicht mit Werbeaktionen begegnet werden.<br />
Das Übel liegt <strong>in</strong> der Tatsache, dass die existierenden<br />
Verb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>e zu ger<strong>in</strong>ge<br />
Zahl der Studierenden erreichen. An vielen<br />
Mittel- und Fachhochschulstandorten s<strong>in</strong>d<br />
sie gar nicht präsent. Im Market<strong>in</strong>g-Jargon<br />
ausgedrückt: Der <strong>StV</strong> erreicht mit se<strong>in</strong>em<br />
«Produkt», farbentragende Platzverb<strong>in</strong>dung,<br />
die potenzielle Kundschaft nicht<br />
mehr. Das bedeutet, dass die Verb<strong>in</strong>dungen<br />
«marktfähiger» werden müssen. Das erfordert<br />
bei den Verb<strong>in</strong>dungen den Willen zur<br />
Veränderung. Das wiederum erfordert das<br />
Energiepotenzial für e<strong>in</strong>en mehrjährigen<br />
Prozess. Von den Saisonniers im CC und <strong>in</strong><br />
den Komitees der Verb<strong>in</strong>dungen darf dieses<br />
Potenzial nicht erwartet werden. Vielleicht<br />
könnten Aktivitas und AHB geme<strong>in</strong>sam<br />
e<strong>in</strong>e gut vernetzte, aber von bestehenden<br />
Strukturen unabhängige Projektorganisation<br />
e<strong>in</strong>setzen.<br />
Allen, die das gelesen haben, me<strong>in</strong>en<br />
freundschaftlichen Zutrunk.<br />
Theo Heimgartner v/o Roro<br />
Dr. phil I, aktiv Rotacher, Froburger, Neu-Romania