Jahresbroschüre der DGIM 2009 - Deutsche Gesellschaft für Innere ...
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52 Aus <strong>der</strong> Bundesärztekammer<br />
Deklaration von Helsinki: Neueste Revision von 2008<br />
Der Weltärztebund (World Medical Association,<br />
WMA) verabschiedete 1964 in seiner Generalversammlung<br />
die Deklaration von Helsinki – und damit<br />
eine seiner bedeutendsten normativen Vorgaben.<br />
Darin sind ethische Richtlinien zur medizinischen<br />
Forschung festgehalten. Seit ihrer Verabschiedung,<br />
<strong>der</strong> bereits langwierige Verhandlungen vorausgingen,<br />
gab es mehrere, teils grundlegende Revisionen.<br />
Zu den kritischen und heftig diskutierten Punkten<br />
gehört beispielsweise die Forschung mit Plazebos.<br />
Aber auch grundlegende Fragen: Für wen gilt die<br />
Deklaration? Was ist die Rolle <strong>der</strong> Ethikkommissionen?<br />
Fragen zur Forschung an benachteiligten<br />
Bevölkerungsgruppen o<strong>der</strong> an nicht einwilligungsfähigen<br />
Patienten. Die Generalversammlung verabschiedete<br />
die aktuelle Revision <strong>der</strong> Deklaration <strong>der</strong><br />
WMA im Oktober 2008 in Seoul. Eine Arbeitsgruppe,<br />
bestehend aus Vertretern <strong>der</strong> Bundesärztekammer<br />
und Vertretern <strong>der</strong> brasilianischen, japanischen,<br />
schwedischen und südafrikanischen Ärzteschaft,<br />
bereitete diese vor. Darin konzentrierte sie sich<br />
auf die unmittelbar ärztlichen Aspekte <strong>der</strong> Forschungsethik.<br />
Die nachfolgenden Details zur Revision<br />
orientieren sich an dem Bericht von Professor Dr.<br />
med. Dr. phil. Urban Wiesing und Dr. med. Ramin<br />
W. Parsa-Parsi, erschienen im <strong>Deutsche</strong>n Ärzteblatt<br />
<strong>2009</strong>; 106: A 503–506.<br />
Umfang und Charakter <strong>der</strong> Deklaration<br />
Mit <strong>der</strong> Festlegung, dass <strong>der</strong> Weltärztebund nur <strong>für</strong><br />
Ärzte sprechen kann und nicht <strong>für</strong> an<strong>der</strong>e Berufsgruppen,<br />
ist in § 1 eine begrüßenswerte Begrenzung<br />
vorgenommen worden. Entsprechend nutzt die neue<br />
Deklaration das Wort „physician“ und grenzt diesen<br />
Bergriff klar von „health care professional“ in an<strong>der</strong>en<br />
Bereichen des Dokuments ab. Der zusätzliche<br />
§ 2 ermutigt gleichwohl an<strong>der</strong>e Berufsgruppen, sich<br />
diesen ethischen Prinzipien anzuschließen.<br />
Die Rolle <strong>der</strong> Ethikkommissionen<br />
Der neue § 15 schreibt Ärztinnen und Ärzten vor,<br />
vor Beginn einer Studie einer Forschungsethikkommission<br />
(FEK) ein Studienprotokoll vorzulegen. Das<br />
Recht <strong>der</strong> Zustimmung (approval) vor Studienbeginn<br />
steht nicht im Einklang mit Studien, die nach<br />
(Muster-)Berufsordnung in Deutschland durchgeführt<br />
werden. Außerdem sollen auch nachträgliche<br />
Än<strong>der</strong>ungen des Studienprotokolls nur mit Zustimmung<br />
<strong>der</strong> FEK möglich sein.<br />
Forschung an benachteiligten o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s<br />
gefährdeten Bevölkerungsgruppen<br />
Während bisher vorgeschrieben war, dass <strong>der</strong> Nutzen<br />
klinischer Forschung an einer Bevölkerungsgruppe<br />
genau dieser Zielgruppe zukommen müsse<br />
(§ 19), grenzt die neue Version im § 17 dieses Prinzip<br />
auf Forschung mit benachteiligten o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s<br />
gefährdeten Bevölkerungsgruppen ein. Demnach gilt<br />
dieses Prinzip nach wie vor <strong>für</strong> diese spezifizierte,<br />
aber nicht mehr <strong>für</strong> alle Bevölkerungsgruppen. Man<br />
darf also zum Beispiel weiterhin in Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
keine Forschung am Menschen durchführen,<br />
von <strong>der</strong> die dortige Bevölkerung nicht profitiert<br />
und <strong>der</strong>en Ergebnisse nur <strong>für</strong> entwickelte Län<strong>der</strong><br />
bestimmt sind. Forschung in entwickelten Län<strong>der</strong>n<br />
ist allerdings auch dann zulässig, wenn diese Bedingungen<br />
nicht erfüllt sind (sofern nicht benachteiligte<br />
o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s gefährdete Bevölkerungsgruppen<br />
involviert sind). Die neue Formulierung lockert die<br />
alte For<strong>der</strong>ung zwar etwas, bewahrt aber den Schutz<br />
<strong>für</strong> benachteiligte o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s gefährdete Bevölkerungsgruppen<br />
uneingeschränkt.<br />
Publikation in einem öffentlichen Studienregister<br />
Der zusätzliche § 19 sieht eine Registrierung aller<br />
Studien vor dem Einschluss von Studienteilnehmern<br />
in einer öffentlich zugänglichen Datenbank vor.<br />
Damit greift er eine vielfach erhobene For<strong>der</strong>ung<br />
auf, jedoch in breitester Form: Ein Ausschluss von<br />
Phase-I-Studien von <strong>der</strong> Pflicht zur Registrierung ist<br />
nicht vorgesehen. Dies wi<strong>der</strong>spricht den For<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> pharmazeutischen Industrie.<br />
Forschung mit identifizierbaren Körpermaterialien<br />
In den meisten Instituten, die seit Jahren Körpermaterialien<br />
sammeln, lagern Präparate, die zu einer<br />
Zeit entnommen wurden, als die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an das informierte Einverständnis nicht so explizit<br />
waren wie heute, o<strong>der</strong> bei denen das Einverständnis<br />
nur <strong>für</strong> ein enges Forschungsgebiet vorliegt. Diese<br />
Präparate dürften entsprechend gar nicht o<strong>der</strong> nur<br />
begrenzt untersucht werden. Um dies zu än<strong>der</strong>n,<br />
müssten die Forscher ein neues informiertes Einverständnis<br />
einholen, was häufig nicht mehr möglich<br />
o<strong>der</strong> unverhältnismäßig aufwendig ist. Indem die<br />
Deklaration von Helsinki <strong>für</strong> diese Fälle den Verzicht<br />
auf das informierte Einverständnis erlaubt und<br />
die Zustimmung <strong>der</strong> FEK for<strong>der</strong>t, hat sie eine wichtige<br />
Vorgabe <strong>für</strong> die Praxis gemacht.