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Weiße Schönheiten 96 Westphal Architekten, Bremen Die Schweiz ...

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Editorial<br />

<strong>Bremen</strong> gilt als „wohnliche Stadt“. Der Grund dafür mag in dem urbanen<br />

Flair seiner Wohnviertel mit der typischen Bremer-Haus-Bebauung aus dem späten<br />

19. und frühen 20. Jahrhundert liegen, die den Kern der Stadt umringen. Hier<br />

leben gut situierte Bürger ebenso wie Arbeiter und Studenten. <strong>Die</strong> Wege ins Zentrum,<br />

zu den Arbeits- und Ausbildungsstätten, zu den Orten der Kultur und Freizeit<br />

sind meist nicht weit. Sogar das Grün, der Landschaftsraum, zieht sich über<br />

Bürgerpark und Stadtwerder bis ans Zentrum heran. Ein Grün, das auch für die<br />

Vor- und Hausgärten der Bremer Häuser charakteristisch ist. So gesehen kommt<br />

die Hansestadt dem heutigen städtebaulichen Ideal einer „kompakten Stadt“ mit<br />

hoher Lebensqualität ziemlich nahe.<br />

Doch es gibt auch ein anderes Bild <strong>Bremen</strong>s. Aufgrund seiner topografischen<br />

Gegebenheiten zeigt die Stadt Anklänge an eine Bandstadt. Von Mahndorf<br />

im Südosten bis Farge im Nordwesten erstreckt sich <strong>Bremen</strong> rund 40 Kilometer<br />

die Weser entlang. Eine quer dazu verlaufende Siedlungsachse misst zwischen<br />

Borgfeld und Huchting immerhin auch fast 20 Kilometer. Um historisch<br />

gewachsene Ortskerne herum haben sich hier außerhalb des innenstädtischen<br />

Nahbereichs relativ starke Stadtteile von eigener Identität und mit eigenen Wohnqualitäten<br />

herausgebildet. In diesen Außenbezirken liegen überwiegend die Stadterweiterungsgebiete<br />

der 1950er bis 1970er Jahre, vor allem im Osten mit dem<br />

neuen Siedlungsband von der Gartenstadt Vahr bis nach Tenever und im Süden<br />

– als Gegenpole einer neuen Stadtbahntrasse – mit Huchting und Kattenturm.<br />

<strong>Die</strong>se Quartiere haben <strong>Bremen</strong> den durchaus positiv gemeinten Ruf einer<br />

„Stadt des sozialen Wohnungsbaus“ eingebracht. Es galt, in einer schwierigen<br />

Zeit einen dringenden Bedarf an Wohnungen, zudem modernen Wohnungen,<br />

in der durch Kriegszerstörung und rasantes Bevölkerungswachstum geprägten<br />

Stadt zu erfüllen. Dazu diente vor allem das 1956 von der Bürgerschaft verabschiedete<br />

„Gesetz zur Behebung der Wohnungsnot im Lande <strong>Bremen</strong>“. Hiermit<br />

verpflichtete sich das Land <strong>Bremen</strong>, den „Wohnungsbau durch staatliche Maßnahmen<br />

so zu fördern, dass innerhalb von vier Jahren jährlich 10.000 Wohnungen<br />

(8000 in <strong>Bremen</strong> und 2000 in Bremerhaven) errichtet werden“. <strong>Die</strong>se Hochphase<br />

des sozialen Wohnungsbaus in <strong>Bremen</strong> nahm 1976 mit dem Baustopp in Tenever<br />

ein wenig rühmliches Ende. <strong>Die</strong> späten 1970er und die 1980er Jahre brachten<br />

eine Abkehr von den städtebaulichen Leitbildern der Nachkriegsmoderne, sei es<br />

die „funktionsgetrennte“ Stadt, die „aufgelockerte“ Siedlungsform oder die „hochverdichtete“<br />

Wohnanlage. Statt auf „Stadterweiterung“ setzte man nun auf die<br />

„Nachverdichtung“ älterer und jüngerer Stadtteile.<br />

<strong>Die</strong>ser Trend hat sich bis in die Gegenwart fortgesetzt. Dabei spielen innenstadtnahe<br />

Konversionsgebiete eine besondere Rolle. <strong>Die</strong> Überseestadt und das<br />

Gelände um den historischen Wasserturm auf dem Stadtwerder nehmen in dieser<br />

Hinsicht in <strong>Bremen</strong> eine Art Schlüsselrolle ein. Noch verläuft die Entwicklung des<br />

Wohnungsbaus in den genannten Gebieten zu einseitig in Richtung eines hochpreisigen<br />

Marktsegmentes. Der sich gegenwärtig vollziehende gesellschaftliche<br />

Wandel wird aber in starkem Maß den Bedarf erzeugen, ein auch für kleinere<br />

Einkommen bezahlbares Wohnen in zentralen Lagen zu ermöglichen. Dem mehr<br />

als drei Jahrzehnte währenden Dornröschenschlaf des sozial verantwortlichen<br />

Wohnungsbaus sollte ein Ende gesetzt werden. <strong>Bremen</strong> ist eine Stadt, die et-<br />

8 9 EDiTORiAL<br />

was auf Traditionen hält. Wenn man Tradition nicht als unreflektiertes Beharren<br />

missversteht, sondern als etwas, das Identität stiftet und Orientierung auch bei<br />

innovativen Ansprüchen gewährleistet, dann muss man sich fragen: Warum sollte<br />

nicht einer Tradition der wohnlichen Stadt auch eine Tradition des sozialen Wohnungsbaus<br />

gleichgestellt sein?<br />

<strong>Bremen</strong> ist aber auch eine Stadt, in welcher das bürgerliche Engagement<br />

in Fragen der Stadtentwicklung und Architektur traditionell eine wichtige Rolle gespielt<br />

hat und immer noch spielt. Ein Beispiel dafür ist die Aufbaugemeinschaft<br />

<strong>Bremen</strong>, die vor zwei Jahren ihr 65-jähriges Bestehen feiern konnte. Gegründet<br />

wurde sie 1945 als Wiederaufbaugemeinschaft Sögestraße. Angestoßen von dem<br />

Kaufmann Gerhard Iversen, der dem Verein bis zu seinem Tod 1982 vorstand,<br />

kümmerte sich die Aufbaugemeinschaft um den Wiederaufbau des stark zerstörten<br />

<strong>Bremen</strong>s, bald schon um allgemeine städtebauliche Belange. Nicht selten<br />

bildete sie einen Gegenpol, verstanden als kritisches Korrektiv, zur Baupolitik des<br />

Senats. Durch ihre traditionell enge Bindung zur Kaufmannschaft der Stadt lag<br />

und liegt ihr insbesondere die Entwicklung der Innenstadt am Herzen. Aber auch<br />

andere Themen wie die Umwelt-, Verkehrs- und Gewerbeflächenpolitik oder, in<br />

jüngerer Zeit, der Denkmalschutz, die Entwicklungen in der Airportstadt und in der<br />

Überseestadt sowie der Blick auf das zukünftige <strong>Bremen</strong> haben den gemeinnützigen<br />

Verein bewegt, sodass man die Worte von <strong>Bremen</strong>s Altbürgermeister Hans<br />

Koschnick nur unterstreichen kann: „<strong>Die</strong> Aufbaugemeinschaft ist etwas geblieben,<br />

was lebendig ist.“<br />

Weniger lang als die Aufbaugemeinschaft agiert das Bremer Zentrum für<br />

Baukultur (b.zb) auf der baukulturellen Bühne <strong>Bremen</strong>s. Der 2003 gegründete<br />

Verein, der im Speicher XI in der Überseestadt residiert hat, hat sich als Schwerpunkt<br />

die Vermittlung von Fragen des Bauens und des städtischen Raumes in<br />

seiner ganzen Breite und Themenvielfalt, aber mit lokalem Fokus, gesetzt und<br />

versucht damit, auch bei Laien Interesse an Baukultur zu wecken und Wege der<br />

Mitgestaltung aufzuzeigen sowie die oft konträren Positionen der unterschiedlichen<br />

Akteure kritisch-konstruktiv zusammenzubringen. So etwa beim Bremer<br />

Stadtdialog, der seit 2005 sechs- bis achtmal jährlich aktuelle Fragen der bremischen<br />

Stadtentwicklung thematisiert. Darüber hinaus hat sich das b.zb als zweiten<br />

Schwerpunkt die wissenschaftliche Aufarbeitung der jüngeren lokalen Baugeschichte<br />

gesetzt. Gemäß der Erkenntnis, dass sich in der Auseinandersetzung<br />

mit der Vergangenheit in einem nicht geringen Maße auch Lösungsmuster für die<br />

Fragen der Gegenwart finden lassen, ist diese Geschichtsarbeit des b.zb immer<br />

mit dem Blick auf das Heute verbunden. Man muss die Stadt nicht neu erfinden<br />

und den Wohnungsbau ebensowenig – man muss sie nur den gegenwärtigen<br />

Bedürfnissen und Anforderungen gemäß modifizieren. <strong>Die</strong> Bauten, Projekte und<br />

Textbeiträge dieses Buches sind in dem hier angedeuteten Sinn eines Weiterdenkens<br />

der Stadt und des Wohnens zu verstehen.<br />

Uwe A. Nullmeyer (Vorstandsvorsitzender der Aufbaugemeinschaft <strong>Bremen</strong> e. V.),<br />

Eberhard Syring (Wissenschaftlicher Leiter des Bremer Zentrums für Baukultur)

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