100 Jahre Sächsischer Bergsteigerbund
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Bücher – Bücher – Bücher – Bücher – Bücher – Bücher<br />
Dort, wo ein Siebener zum Neuner wird – oder:<br />
die „Eiszeit“ der „Huberbuam“<br />
Als im Jahr 2007 in der Sportdokumentation „Am Limit“ (Kameramann<br />
Max Reichel) neue spektakuläre Begehungen und<br />
Überschreitungen der „Huberbuam“ in Patagonien zu sehen<br />
waren, dachte ich mir so: „Das war’s dann wohl fast im Extrembereich!“<br />
Wer wusste da aber schon, dass die Brüder<br />
Alexander und Thomas Huber seit reichlich einem Jahrzehnt<br />
innerlich mit dem Projekt „Queen-Maud-Land“ in der Antarktis<br />
beschäftigt waren?<br />
Realisiert wurde dieses Vorhaben von November bis Dezember<br />
2008 wieder mit dem kletternden Kameramann Max<br />
Reichel und dem Schweizer „Kollegen“ Stephan Siegrist. Auf<br />
der Haben-Seite stehen u. a. drei Erstbegehungen am Ulvetanna<br />
(Wolfszahn) – mit 2931 m der schwierigste Gipfel der<br />
Antarktis – und am Holtanna (Hohlzahn) sowie der Textbildband<br />
„Eiszeit“, an dem selbst ein „Extrem-Muffel“ wie ich nicht<br />
vorbei kann.<br />
Schon der Beginn ist abenteuerlich zu lesen: die Anreise von<br />
Kapstadt mit einem russischen Transportflugzeug und dessen<br />
mehrfache Landeversuche auf eisigem Untergrund. Dort im<br />
Queen-Mary-Land ragen wie nirgendwo auf dem 6. Kontinent unseres Erdballs einzigartige<br />
Pfeiler, Zähne und Türme (Nunataks) als Spitzen eines unter einer kilometerdicken Eisdecke<br />
liegenden Gebirges in die Landschaft. Für die Bewältigung einer 750 m hohen, vertikalen<br />
Granitwand am Ulvetanna (Schwierigkeit 7+ und technisch 4A) sind es letztlich<br />
24 Seillängen bei einer Durchschnittstemperatur von -30 °C und stürmischem Wetter. Es ist<br />
ein Klettern am extremsten Ort der Erde – da wird ein Siebener wahrhaftig zum Neuner!<br />
Auf Grund der eisigen Temperaturen konnten allerdings die Freikletterambitionen der Extrembergsteiger<br />
nur teilweise erfüllt werden. Die erste freie Besteigung des Nordpfeilers am<br />
Ulvetanna (Skywalk 7-) hat das Ego dann aber noch beruhigt. Kaum ein Mensch war vorher<br />
in dieser Gegend; die Stille in Fels, Eis und Schnee wird als einmalig empfunden. Doch<br />
selbst dort werden die vier von der Zivilisation eingeholt. Luxustouristen werden eingeflogen.<br />
Die Fotos zeigen Tisch (mit Tischdecke!), Stühle und Gleitschirme vor eisiger Kulisse.<br />
Skurriler kann so eine Situation nicht sein. „Im Grunde sind es Kinder, die auf Millionen<br />
sitzen und sich als Extremsportler ausgeben.“ (Thomas Huber) Hochachtung auch vor dem<br />
kletternden Kameramann. Im Ergebnis entstehen Aufnahmen,<br />
bei denen man spürt, wie wichtig langjährige Erfahrung<br />
im Metier und am Berg sein können. Alle Expeditionsteilnehmer<br />
erzählen in frischer Tagebuchform. Das liest sich<br />
sachlich, gefühlvoll, offensichtlich ohne Übertreibungen und<br />
am Schluss mit nachvollziehbarer Erleichterung. „Jetzt sind<br />
wir wieder daheim – nach 6 Wochen Eiszeit.“<br />
Ich sage dies eher selten: Es ist ein rundum gelungener Band,<br />
der eine große Stimmigkeit in sich trägt.<br />
Alexander u. Thomas Huber: Eiszeit. Expedition Antarktis<br />
Frederking & Thaler Verlag München 2011; 160 Seiten, 39,90 Euro; ISBN 978-3-89405-775-6<br />
(Bezug: Buchhandel)