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Psychotherapeutenjournal 2/2006 (.pdf) - medhochzwei Verlag GmbH

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Ein Konzept zur psychosozialen Notfallversorgung<br />

den. Der direkte Vergleich von KVT und<br />

EMDR ergab keinen Unterschied (NICE,<br />

2005).<br />

5. Schlussfolgerungen<br />

Gemäß diesem Versorgungskonzept üben<br />

Psychotherapeuten nicht nur ihre heilkundliche<br />

Tätigkeit in der sekundären Prävention<br />

aus, sondern werden auch zur selektiven<br />

sowie indizierten Prävention eingesetzt.<br />

Leider muss die Akzeptanz in<br />

Deutschland unter etablierten Helfern und<br />

ihren Führungskräften trotz fachwissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen und guten internationalen<br />

Erfahrungen mit den beschriebenen<br />

Maßnahmen als gering eingeschätzt<br />

werden. Zwar grenzen die Empfehlungen<br />

für ein Netzwerk der PSNV die<br />

Handlungslogiken verschiedener Berufsgruppen<br />

ab, behandeln aber die praktischen<br />

Kompetenzen etablierter Helfer denen<br />

heilkundlich tätiger Psychotherapeuten<br />

gleichrangig (Beerlage et al., <strong>2006</strong>).<br />

Eine Analogie zur Notfallmedizin soll den<br />

Konflikt in der PSNV verdeutlichen: Lebensrettende<br />

Sofortmaßnahmen sollten medizinische<br />

Laien, Rettungssanitäter sowie<br />

Feuerwehrleute durchführen können; bestimmte<br />

notfallmedizinische Maßnahmen<br />

sind dem Notarzt vorbehalten. Welche Stellung<br />

soll der heilkundlich tätige Psychotherapeut<br />

in der psychosozialen „Rettungskette“<br />

übernehmen? Es besteht gegenwärtig<br />

die Gefahr, dass der Status quo festgeschrieben<br />

und die Expertise einer Berufsgruppe<br />

letztlich kaum genutzt wird. Umgekehrt<br />

müssen sich Psychotherapeuten<br />

in der hierarchischen Struktur des Rettungsund<br />

Katastrophenwesens unter- und in die<br />

etablierten PSU-Kräfte einordnen. Dies<br />

kann nur mit ausreichender organisatorischer<br />

Kenntnis sowie annehmbarer Feldund<br />

Methodenkompetenz gelingen, die zu<br />

Recht bei einer zukünftigen Akkreditierung<br />

zu einer PSU-Kraft gefordert werden wird.<br />

Aus den heterogenen Erfahrungen der Vergangenheit<br />

mit psychosozialen Interventionen<br />

sollte eine begleitende Forschung<br />

selbstverständlich unterstützt werden. Unmittelbar<br />

im Anschluss an das traumatische<br />

Ereignis sollen gezielte Informationen die<br />

individuellen Ressourcen und die soziale<br />

Unterstützung betroffener Personen aktivieren.<br />

Die Akzeptanz und Wirkung der Flyer,<br />

insbesondere der für Kinder und Jugendli-<br />

114<br />

che, sollten in einer breiteren Kampagne<br />

überprüft werden. Unter gesundheitsökonomischen<br />

Gesichtpunkten sind personalintensivere<br />

Maßnahmen nur gestuft und bei<br />

Vorliegen einer Indikation durchzuführen.<br />

Aus der Fürsorgepflicht für berufsbedingte<br />

Risikogruppen und Personen mit persistierender<br />

Symptomatik ergibt sich die Einführung<br />

der beschriebenen Schulungs- und<br />

Arbeitsschutzmaßnamen sowie einer effektiven<br />

Frühintervention. In einer Pilotphase<br />

sollten adaptierte Curricula-Entwürfe von<br />

geschulten Einsatzkräften und Psychotherapeuten<br />

unter wissenschaftlicher Begleitung<br />

umgesetzt werden. Der Einsatz der<br />

kognitiv-behavioralen Frühintervention einige<br />

Wochen nach dem traumatischen Ereignis<br />

hat sich international als Erfolg versprechendes<br />

Verfahren erwiesen. Daher sollten<br />

Psychotherapeuten in dieser Intervention<br />

geschult werden und ein schnell aktivierbares<br />

Netzwerk in Deutschland bilden.<br />

Die Empfehlungen für Standards und den<br />

Aufbau eines Netzwerk der PSNV decken<br />

sich in vielen Punkten mit den Empfehlungen,<br />

die nach dem Zugunglück im niedersächsischen<br />

Eschede ausgesprochen wurden<br />

(Bengel, 2001, S. 200). Hervorgehoben<br />

wurde damals auch die Information<br />

und Aufklärung von Vorgesetzten, die Implementierung<br />

und die Evaluation von wissenschaftlich<br />

begründeten Konzepten zur<br />

Organisation von psychosozialer Nachsorge<br />

im internationalen Austausch. Nur durch<br />

eine gemeinsame Anstrengung eines Netzwerks<br />

aus Hilfsorganisationen, staatlichen<br />

Einrichtungen der Länder und des Bundes,<br />

der Unfall- und Krankenkassen bzw. den<br />

Berufsgenossenschaften sowie Experten<br />

im Bereich der Psychotraumatologie kann<br />

es gelingen, diese Empfehlungen für Standards<br />

zu konkretisieren und umzusetzen.<br />

Ansonsten werden weiterhin Opfer wie<br />

Helfer unnötig geschädigt und Gelder für<br />

ineffektive Maßnahmen verschwendet.<br />

Literatur<br />

Alexander, D. & Wells, A. (1991). Reactions<br />

of police officers to body handling after<br />

a major disaster: A before and after<br />

comparison. British Journal of Psychiatry,<br />

159, 547-555.<br />

Beerlage, I., Hering, T., Nörenberg, L. &<br />

Springer, S. (<strong>2006</strong>). Entwicklung von<br />

Standards und Empfehlungen für ein<br />

Netzwerk zur bundesweiten Strukturierung<br />

und Organisation psychosozialer<br />

Notfallversorgung. (Schriftenreihe<br />

Zivilschutzforschung – Neue Folge 57).<br />

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und<br />

Katastrophenhilfe. Bonn: BBK.<br />

Bengel, J. & Carl, C. (1997). Psychologische<br />

Aus- und Fortbildung. In J. Bengel<br />

(Hrsg), Psychologie in Notfallmedizin<br />

und Rettungsdienst. (S. 387-393).<br />

Berlin: Springer.<br />

Bengel, J. (2001). Psychologische Maßnahmen<br />

für Einsatzkräfte bei Katastrophen:<br />

Das Zugunglück in Eschede. In A. Maerker<br />

& U. Ehlert (Hrsg.), Psychotraumatologie.<br />

Jahrbuch der Medizinischen Psychologie<br />

(S. 186-199). Göttingen:<br />

Hogrefe.<br />

Brewin, C.R., Andrew, B. & Valentine, J.D.<br />

(2000). Metaanalysis of risk factors for<br />

posttraumatic stress disorder in traumaexposed<br />

adults. Journal of Consulting<br />

and Clinical Psychology, 68, 748-766.<br />

Bisson, J., Jenkins, P., Alexander, J., Bannister,<br />

C. (1997). Randomised controlled<br />

trial of psychological debriefing for<br />

victims of acute burn trauma. Journal<br />

of British Psychiatry, 171, 78-81.<br />

Bryant, R.A. (2003). Early predictiors of<br />

Posttraumatic Stress Disorder. Biological<br />

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Sackville, T. & Basten, C. (1998). Treatment<br />

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comparison of cognitive-behavioral therapy<br />

and supportive counselling. Journal<br />

of Consulting and Clinical<br />

Psychology, 66, 682-866.<br />

Bryant, R.A., Sackville, T., Dang, S.T., Moulds,<br />

M. & Guthrie, R.M. (1999). Treating acute<br />

stress disorder: an evaluation of cognitive-behavioral<br />

therapy and supportive<br />

counselling. American Journal of Psychiatry,<br />

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(2003a). Cognitive behaviour therapy<br />

of acute stress disorder: a four-year<br />

follow-up. Behavior Therapy and Research,<br />

41, 489-494.<br />

Bryant, R.A., Moulds, M., Guthrie, R.M. &<br />

Nixon, R.V. (2003b). Treating acute<br />

stress disorder following mild traumatic<br />

brain injury. American Journal of<br />

Psychiatry, 160, 585-587.<br />

Caplan, G. (1964). Principles of preventive<br />

psychiatry. New York: Basic Books<br />

<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2006</strong>

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