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Psychotherapeutenjournal 2/2006 (.pdf) - medhochzwei Verlag GmbH

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wendig, weil es in der Psychotherapie einen<br />

nicht unerheblichen Anteil von Fehlindikationen<br />

und dadurch verursachten Therapieabbrüchen<br />

und Mehrfachbehandlungen<br />

gibt. Der Anteil von Mehrfachbehandlungen<br />

wird mit 30 bis 45 % angegeben<br />

(Brockmann u. a., 2002, Maschke & Otto,<br />

2003, Grawe, Donati & Bernauer, 1994<br />

u. a.), der Anteil von Patienten, die sich<br />

schon im Vorfeld wegen fehlender „persönlicher<br />

Passung“ gegen eine Behandlung entscheiden,<br />

mit ca. 25 % (Grawe, Donati &<br />

Bernauer, 1994, Schütte, Peschken &<br />

Friedrich, 2003, Jacobi, 2002 u.a.).<br />

Allein aus diesen Gründen ist die Aufnahme<br />

vor allem verfahrensspezifisch differentieller<br />

Indikationsfragen in das Forschungsförderungsprogramm<br />

Psychotherapie sehr<br />

zu begrüßen. Die letztgenannten Zahlen<br />

und die sich dahinter verbergenden Tatsachen<br />

machen darauf aufmerksam, dass es<br />

ganz offensichtlich notwendig ist, bei Indikationsentscheidungen<br />

sowohl in der Praxis<br />

als auch in der Forschung die Patientenperspektive<br />

wesentlich stärker zu berücksichtigen,<br />

als das in der Vergangenheit üblich<br />

war und auch gegenwärtig geschieht.<br />

Konkretes Wissen über therapeutisch relevante<br />

„Passgenauigkeiten“, ihre Voraussetzungen<br />

und ggf. ihre Herstellungsbedingungen<br />

muss jedoch im einzelnen noch<br />

erarbeitet werden.<br />

... betr. Forschungsschwerpunkte<br />

und -methodik<br />

Künftige Forschungsarbeiten zur Indikationsthematik<br />

müssen den heutigen Stand<br />

<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

der wissenschaftlichen Kenntnisse berücksichtigend<br />

auf biopsychosoziale Krankheitsmodelle<br />

bezogen werden. Damit ist für<br />

Indikationsentscheidungen nicht nur die<br />

diagnostizierte Störung, sondern eine größere<br />

Anzahl von Indikatoren in Betracht zu<br />

ziehen.<br />

Nach den bisherigen Forschungs- und Praxiserfahrungen<br />

dürften am sichersten und<br />

am ehesten probatorische Indikationsmodelle<br />

unter Einbeziehung des Konzeptes<br />

„Passung von Patient und Therapeut“ und<br />

unter besonderer Beachtung der „Ansprechbarkeit<br />

des Patienten durch das gewählte<br />

Therapieverfahren“ weiterführend<br />

sein. Die Methodik zur Feststellung der<br />

„Passungen“ bzw. der „Ansprechbarkeit“<br />

wird allerdings für den Einsatz in der Alltagspraxis<br />

noch verbessert und optimiert werden<br />

müssen.<br />

Solche Forschungsvorhaben machen zugleich<br />

erhebliche Korrekturen in den bisher<br />

üblichen bzw. anerkannten Forschungsstrategien<br />

und -methoden zur Bedingung.<br />

RCT-Studien und reduzierende Effektstärken<br />

dürften (wie bisher) wenig theoretisch<br />

ertragreichen und praktisch nutzbaren Erkenntnisgewinn<br />

mit sich bringen. Sinnvoll<br />

scheint vielmehr eine Erweiterung des methodischen<br />

Arsenals durch dialogische Forschungsmethoden,<br />

die Patientenperspektiven<br />

stärker einbeziehen und Expertenwissen<br />

und klinische Erfahrungen der Therapeuten<br />

umfangreicher nutzen. Konzepte,<br />

Vorstellungen und Empfehlungen dazu<br />

sind bereits mehrfach entwickelt worden<br />

(Buchholz, 2003, Legewie, 2000, Neukom,<br />

I. Frohburg<br />

2003, Revenstorf, 2003 u. a., siehe auch<br />

Aufbau eines Forschungsnetzwerkes unter<br />

www.experiential-researchers.org).<br />

Last, but not least: Indikationsentscheidungen<br />

und insbesondere empirische Forschungsuntersuchungen<br />

zur Indikationsproblematik<br />

haben sich bislang vorrangig<br />

von der Frage nach den Bedingungen positiver<br />

Indikation und damit von der Frage<br />

nach den Bedingungen wahrscheinlicher<br />

Behandlungserfolge leiten lassen. Erfolg<br />

versprechend dürfte es darüber hinaus<br />

sein, der komplementären Frage nach Kontraindikationen<br />

und den Bedingungen gescheiterter,<br />

d. h. abgebrochener und mit<br />

unbefriedigenden Ergebnissen „aufgegebener“<br />

Therapien verstärkt nachzugehen.<br />

Auch solche „Fehleranalysen“ werden unser<br />

Indikationswissen erheblich erweitern<br />

können.<br />

Prof. Dr. Inge Frohburg<br />

Fachspsychologin der Medizin,<br />

Appr. Psychologische Psychotherapeutin<br />

Humboldt-Universität zu Berlin, Institut<br />

für Psychologie/Lehrstuhl für Psychotherapie<br />

(bis 2003)<br />

Ehrenfelsstr. 41<br />

10318 Berlin<br />

inge.frohburg@psychologie.hu-berlin.de<br />

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