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Psychotherapeutenjournal 2/2006 (.pdf) - medhochzwei Verlag GmbH

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lungen beteiligt waren. Therapieabbrüche,<br />

den Wechsel zu einem anderen Psychotherapeuten<br />

oder die Wahl eines anderen<br />

Psychotherapieverfahrens begründen diese<br />

Patienten mit nicht befriedigenden therapeutischen<br />

Fortschritten in der Erstbehandlung<br />

oder aber – und damit wahrscheinlich<br />

in Zusammenhang – mit der<br />

fehlenden Übereinstimmung von zumeist<br />

vorgegebenen therapeutischen Zielstellungen<br />

bzw. Behandlungsbedingungen und ihren<br />

persönlichen Vorstellungen, Erwartungen<br />

und Möglichkeiten. So geben sie an,<br />

dass diese Diskrepanzen sowie daraus resultierende<br />

Störungen in der Beziehung<br />

zum Therapeuten ihnen ein konstruktives<br />

Arbeiten in der von ihnen gewünschten<br />

Form und Atmosphäre unmöglich machten<br />

(Frohburg, 2003, Eckert, Frohburg &<br />

Kriz, 2004).<br />

■ Adaptives Indikationsverständnis<br />

Der Begriff „Adaptive Indikation“ kennzeichnet<br />

die Bedingungen für eine gezielte, d. h.<br />

bedingungsabhängige Optimierung des<br />

therapeutischen Vorgehens, in der Regel<br />

dessen Anpassung an situative oder beim<br />

Patienten liegende bzw. von ihm verursachte<br />

Besonderheiten oder Probleme. Indikationsentscheidungen<br />

werden damit nicht<br />

mehr allein vor Aufnahme einer Psychotherapie<br />

getroffen, sondern auch in den<br />

Therapieprozess selbst verlegt.<br />

Als Indikatoren dienen verfahrensspezifische<br />

prozessdiagnostische Daten oder implizite<br />

bzw. explizite Heuristika in Form von<br />

Konditionalregeln. Sie sollen Hinweise geben<br />

auf die bedingungsabhängige Differenzierung<br />

einzelner psychotherapeutischer<br />

Verfahren bzw. die Auswahl verfahrensspezifischer<br />

Methoden (d.h. konzeptintern)<br />

oder auf günstige Kombinationsmöglichkeiten<br />

von Therapieverfahren bzw.<br />

Verfahrenselementen (d. h. konzeptextern)<br />

(Frohburg, 1989). So hat beispielsweise<br />

Tscheulin 2000 eine basale Indikationsregel<br />

zur Optimierung der Gesprächspsychotherapie<br />

auf Grund experimenteller<br />

und ex-post-facto-Untersuchungen aufgestellt:<br />

Je nach dem, ob die Selbstaufmerksamkeit<br />

der Patienten eher selbstoder<br />

eher aktionsbezogen ausgerichtet ist,<br />

muss das therapeutische Vorgehen entwe-<br />

<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 2/<strong>2006</strong><br />

der erlebnisfördernd und evokativ oder<br />

aber handlungsaktivierend und -anleitend<br />

sein. Eine Klassifikation von Patienten in<br />

vier Gruppierungen (Tscheulin, Trouw &<br />

Walter-Klose, 2000) hilft dabei sowohl bei<br />

der Indikationsstellung als auch bei der<br />

Prozess- und Erfolgskontrolle (Tscheulin,<br />

2001, Tscheulin, Walter-Klose & Wellenhöfer,<br />

2000).<br />

Für die Gesprächspsychotherapie sind weitere<br />

Ansätze zur adaptiven Indikation und<br />

entsprechender adaptiver Interventionsstrategien<br />

(Überblick in Frohburg & Jacob<br />

1989, Frohburg 1992) ebenso wie für die<br />

tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie<br />

(Geyer 1989) und für Verhaltenstherapie<br />

(Mehl 1989) entwickelt worden.<br />

Genauere Konzeptualisierungen und empirische<br />

Überprüfungen ihrer Effekte bzw.<br />

des Effektgewinns stehen jedoch noch<br />

weitgehend aus – sicher nicht zuletzt wegen<br />

des ungeheuren, kaum zu bewältigen<br />

Forschungsaufwandes. Das gilt auch für das<br />

Allgemeine Psychotherapiemodell (Grawe,<br />

1995, 2005), in dem adaptive Indikationsentscheidungen<br />

in Bezug auf die jeweils<br />

anzustrebenden Wirkfaktoren Ressourcenbzw.<br />

Problemaktivierung, Problemklärung<br />

bzw. -bewältigung und intra- bzw. interpersonelle<br />

Fokussierung zu treffen sind.<br />

■ Probatorisches Indikationsverständnis<br />

Da sich alle Versuche, angemessene Kriterien<br />

für selektive, differentielle und adaptive<br />

Indikationsentscheidungen zu ermitteln,<br />

als außerordentlich schwierig, inhaltlich wenig<br />

befriedigend und in der psychotherapeutischen<br />

Praxis kaum nutzbar erwiesen<br />

haben, werden diese unter Berücksichtigung<br />

klinischer Erfahrungen in der Alltagspraxis<br />

häufig pragmatisch getroffen.<br />

So sehen die „Psychotherapie-Richtlinien“<br />

fünf und teilweise mehr „Probatorische<br />

Sitzungen“ vor dem evtl. Beginn einer ambulanten<br />

Behandlung vor. Sie sollen der<br />

Diagnosefindung auch unter differentialdiagnostischem<br />

Blickwinkel, der Abklärung<br />

der Therapiemotivation und Verlässlichkeit<br />

sowie der Kooperations- und Beziehungsfähigkeit<br />

des Patienten dienen (Rüger,<br />

Dahm & Kallinke, 2005, 33). Entscheidungen<br />

über die Aufnahme einer Psychothe-<br />

I. Frohburg<br />

rapie werden an das Ende der probatorischen<br />

Sitzungen verlagert. Sie sind häufig<br />

auch das Ergebnis von sozialen Aushandlungsprozessen<br />

zwischen Therapeut<br />

und Patient (Kächele & Kordy, 1992). Probatorische<br />

Sitzungen bieten damit die<br />

Chance, die angedeuteten für günstige<br />

Therapieprozesse notwendigen „Passungen“<br />

herzustellen oder, wenn das nicht<br />

möglich ist, den Patienten frühzeitig in eine<br />

geeignete Behandlung zu überweisen.<br />

Eine systematische Form, Erfahrungen aus<br />

Probesitzungen bzw. der Anfangszeit einer<br />

Behandlung zu nutzen, ist für das Vorgehen<br />

in der Gesprächspsychotherapie charakteristisch.<br />

Zum einen hat sich das Ausmaß<br />

an „Selbstexploration“, das ein Patient unter<br />

experimentell variierten Gesprächsbedingungen<br />

erreichen kann, als guter Prädiktor<br />

für das zu erwartende Therapieergebnis<br />

erwiesen (Helm, 1979, 165 ff). Zum<br />

anderen kann die „Ansprechbarkeit des<br />

Patienten“ auf das gesprächspsychotherapeutische<br />

Behandlungsangebot mit Hilfe<br />

von Klienten-Erfahrungsbogen eingeschätzt<br />

werden (KEB bzw. eine Weiterentwicklung<br />

als BIKEB und eine Gruppenform GEB). Die<br />

Itemwerte dieser zeitökonomisch einsetzbaren<br />

Fragebogen haben sich als besonders<br />

gute Prädiktoren für spätere Veränderungen<br />

sowohl nach Einzel- als auch nach Gruppentherapien<br />

erwiesen (Eckert, 1976, 2001,<br />

Höger & Eckert, 1997, weitere Literaturangaben<br />

in Biermann-Ratjen, Eckert &<br />

Schwartz, 2003, 153 ff).<br />

Die Ansprechbarkeit eines Patienten für ein<br />

spezifisches Therapieangebot hat sich – mit<br />

inhaltlich anderen Indikations- und Veränderungsmerkmalen<br />

– auch bei psychodynamischen<br />

Kurztherapien als Indikationsund<br />

Prognosekriterium bewährt (Eckert,<br />

Bolz & Pfuhlmann, 1979) und bestätigte<br />

ihre Brauchbarkeit des weiteren in einer<br />

empirischen Untersuchung mit der verhaltenstherapeutischen<br />

Reizkonfrontation zur<br />

Behandlung von Patienten mit Ängsten und<br />

Phobien (Ambühl & Grawe, 1988).<br />

Kritische Reflexion der alternativen<br />

Indikationsmodelle<br />

Das auf einem biopsychosozialen Krankheitskonzept<br />

beruhende differenzierte Indikationsverständnis<br />

entspricht dem aktuellen<br />

wissenschaftlichen Kenntnisstand in<br />

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