Karl Borromäus - Kirchenblatt
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Thema<br />
<strong>Karl</strong> <strong>Borromäus</strong><br />
4 KIRCHENBLATT 22 2010<br />
URBAN FINK-WAGNER<br />
Am 1. November 1610, vor genau 400 Jahren, wurde<br />
der Mailänder Erzbischof und Kardinal Carlo Borromeo,<br />
deutsch <strong>Karl</strong> <strong>Borromäus</strong>, heiliggesprochen. Wer sich für<br />
kirchliche Kunst interessiert, begegnet dem auch für die<br />
Schweiz wichtigen Reformer fast auf Schritt und Tritt: eine<br />
mit dem roten Kardinalsgewand bekleidete, im Gebet versunkenen<br />
asketische Gestalt mit einer markanten Nase,<br />
die meistens auf dunklem Hintergrund abgebildet ist.<br />
Carlo Borromeo ist zum Markenzeichen für die Reform<br />
der maroden katholischen Kirche nach der Glaubensspaltung<br />
geworden.<br />
Urban Fink-Wagner,<br />
Dr. theol. und lic. phil., 1961 geboren.<br />
Matura in Solothurn. Studium von Geschichte,<br />
Philosophie, Theologie und Kirchenrecht in<br />
Freiburg und Rom. Weiterbildung an der Uni<br />
Zürich mit Abschluss als Executive MBA.<br />
Nationalfonds-Forschungsstipendium für das<br />
Vatikanische Geheimarchiv.<br />
1995 bis1999 Sekretär und Infobeauftragter<br />
des Zürcher Weihbischofs Peter Henrici.<br />
Seit 2004 Redaktionsleiter der «Schweizerischen<br />
Kirchenzeitung». Präsident der Redaktionskommission<br />
«Jahrbuch für Solothurnische<br />
Geschichte», Vizepräsident des «Historischen<br />
Vereins des Kantons Solothurn», Mitglied des<br />
Redaktionsteams «Solothurner <strong>Kirchenblatt</strong>».<br />
ein ferner Heiliger<br />
ganz nah<br />
Das Leben des Heiligen<br />
Carlo Borromeo, geboren am 2. Oktober<br />
1538 in Arona in Italien, entstammte einer<br />
aufstrebenden Familie. Seine Mutter,<br />
Margarita de Medici, war die Schwester<br />
des späteren Papst Pius IV. (1559 –1565).<br />
Als Negativbeispiel verkörperte der Bischof<br />
von Konstanz, Kardinal Mark Sittich<br />
von Hohenems, ein Cousin von Carlo<br />
Borromeo, auf seine Zeit bezogen das<br />
Bild eines kirchlichen Pfründenjägers, der<br />
seinen Amtspflichten nicht nachkam.<br />
Dieser nämlich residierte nicht in seinem<br />
Bistum, das damals den gröss ten Teil der<br />
Deutschschweiz umfasste, sondern lebte<br />
in Rom, im Zentrum der kirchlichen<br />
Macht und der kirchlichen Pfründenvergaben.<br />
Auch bei Carlo Borromeo sah es anfänglich<br />
nach solch einer primitiven Pfründenjagd<br />
aus. Als sein Onkel 1559 den Papstthron<br />
bestieg, ernannte er 1560 Carlo,<br />
der noch keine Weihen empfangen<br />
hatte, zum Kardinaldiakon, zum Staatssekretär,<br />
sozusagen also zur «politischen<br />
Hand des Papstes» und zum Verwalter<br />
des Erzbistums Mailand, womit auch klar<br />
war, dass Carlo seine zuletzt genannte<br />
Aufgabe nicht persönlich wahrnehmen<br />
konnte.<br />
Reifung und Reform<br />
Der plötzliche Tod seines Bruders im Jahre<br />
1562 führte aber zu einer Wende in seinem<br />
Lebenslauf. Dieser Schicksalsschlag<br />
löste bei ihm eine Krise und entscheidende<br />
Entwicklung aus, die ihn in die religiös-spirituelle<br />
Dimension seiner kirchlichen<br />
Aufgabe hineinwachsen liess. Die<br />
Folge davon war der Empfang der Pries -<br />
ter- und Bischofsweihe, was für ein<br />
kirchliches Amt der damaligen Zeit keinesfalls<br />
eine Selbstverständlichkeit war.<br />
1565 schliesslich, mit 27 Jahren, fasste<br />
Carlo den Plan, sich definitiv in Mailand<br />
niederzulassen, um seinen bischöflichen<br />
Aufgaben persönlich nachkommen zu<br />
können.<br />
Schon bald begann er, die weitläufigen<br />
Pfarreien seines grossen Bistums zu visitieren<br />
und Diözesansynoden durchzuführen,<br />
um die Reformbeschlüsse des<br />
Konzils von Trient (1545–1565) als Bischof<br />
umzusetzen. So gelangte er auch<br />
auf Schweizer Boden, denn weite Teile<br />
des heutigen Kantons Tessin gehörten<br />
damals zum Erzbistum Mailand. Auf Antrag<br />
der katholischen Orte wurde Carlo<br />
bereits 1560 zum «Protector Helvetiae»<br />
ernannt. Ab 1566 nun füllte er diesen Begriff<br />
in seinem Bistum und ab 1570 darüber<br />
hinaus mit Leben, was keineswegs<br />
eine Selbstverständlichkeit war. Seine Hirtenbesuche<br />
und diplomatischen Reisen in<br />
die katholischen Orte der Schweiz erlaubten<br />
es ihm, sich ein persönliches Bild<br />
über die oftmals kläglichen moralischen<br />
und materiellen Lebensumstände des<br />
Schweizer Klerus und der Bevölkerung zu<br />
machen. Schon 1570, während seiner