Mitteilungen 80 - Geschichte in Schleswig-Holstein
Mitteilungen 80 - Geschichte in Schleswig-Holstein
Mitteilungen 80 - Geschichte in Schleswig-Holstein
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
traktivem Ausflugsziel“. Er versucht pauschales ehrendes Gedenken der deutschen<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Seekriegstoten, wissenschaftliche Darstellung der<br />
Mar<strong>in</strong>egeschichte, Vermittlung „deutscher See<strong>in</strong>teressen“, sowie touristische<br />
Ausrichtung mite<strong>in</strong>ander zu verknüpfen. Diese Multifunktion erschwert e<strong>in</strong>e<br />
wissenschaftliche Darstellung <strong>in</strong> hohem Maße.<br />
H<strong>in</strong>zu kommt, dass die Offenheit des Fragehorizonts durch die Grundprämisse<br />
des Ehrenmals stark e<strong>in</strong>geengt ist: „E<strong>in</strong>e kritische Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
mit der deutschen Mar<strong>in</strong>egeschichte bedeutet dabei nicht, dass die Er<strong>in</strong>nerung<br />
an die Mar<strong>in</strong>eangehörigen, die <strong>in</strong> beiden Weltkriegen ihr Leben<br />
verloren haben, herabgewürdigt wird – im Gegenteil: Das Gedächtnis an<br />
die Gefahren beider Weltkriege zu erhalten bleibt die Aufgabe des Mar<strong>in</strong>e-<br />
Ehrenmals“. E<strong>in</strong>e solche Sicht führt von vornhere<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er nachträglichen<br />
und historisch höchst zweifelhaften Verwischung von Täter- und Opferperspektiven.<br />
Messen wir nun die Ausstellung an ihren selbst gesetzten Zielen: E<strong>in</strong>e<br />
fachwissenschaftlich „moderne“ Ausstellung versteht <strong>Geschichte</strong> als Konstruktion.<br />
Es kommen verschiedene Ansätze zu Wort, etwa <strong>Geschichte</strong> von<br />
„oben und unten“, Sozialgeschichte, Kulturgeschichte, <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall nur<br />
Militär- und Politikgeschichte. <strong>Geschichte</strong> muss zudem „offen“ se<strong>in</strong>. Das<br />
schließt e<strong>in</strong>en geschlossener Narrativ aus. Für die Mar<strong>in</strong>e könnte das heißen:<br />
Es gibt nicht nur Offiziere, sondern auch Mannschaften, nicht nur<br />
Gefechte, sondern auch das Leben an Bord, nicht nur Fakten, sondern<br />
auch Kontroversen und dementsprechend nicht nur „richtige“, sondern<br />
auch „alternative“ Interpretationen.<br />
Fachdidaktisch wiederum muss das Ziel dar<strong>in</strong> bestehen, bei den Besuchern<br />
e<strong>in</strong> reflektiertes Geschichtsbewusstse<strong>in</strong> zu fördern, für das Kontroversität<br />
und Multiperspektivität, nicht aber Überwältigung durch<br />
Aussteller und Ausstellung stehen. Der Besucher sollte die Ausstellung<br />
mit mehr Fragen als Antworten verlassen. Gestalterisch könnten Personifizierung,<br />
Vielfältigkeit der Ansätze, also Berücksichtigung des „ganzen<br />
Lebens“, Mischung verschiedenster Ausstellungsstücke (nicht nur Schiffe<br />
und Texte) und Handlungsorientierung diese Zielsetzung unterstützen.<br />
E<strong>in</strong>e „attraktive Komb<strong>in</strong>ation aus Texten, Bildern und gegenständlichen<br />
Ausstellungsstücken“ sowie „multimediale Angebote“, - wie versprochen<br />
– reichen nicht aus, sie müssen vielmehr didaktisch s<strong>in</strong>nvoll <strong>in</strong>szeniert<br />
werden.<br />
Fazit: Die neue Ausstellung ist demgegenüber e<strong>in</strong>dimensional, weitgehend<br />
unkritisch und fachdidaktisch nicht auf dem neuesten Stand.<br />
Sie ist suggestiv, die Konstruktion von <strong>Geschichte</strong> wird nicht sichtbar,<br />
im Gegenteil, es dom<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong> allwissender Erzähler, der Diskussionen<br />
geradezu ausschließt. Dies soll im Folgenden an e<strong>in</strong>igen Textbeispielen<br />
verdeutlicht werden.<br />
18.04.<strong>Mitteilungen</strong>_<strong>80</strong>_ Innenseiten.<strong>in</strong>dd 77 20.04.11 12:06<br />
77