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12 Titel – Attraktiv bleiben Was ist Attraktivität im Alter ? „Unter Attraktivität versteht man die von einem Objekt ausgehende Anziehungskraft . Sie kann sowohl auf äußerlichen Eigenschaft en (Schönheit) als auch auf Wesenseigenschaft en (Charakter, Geist, Charisma, soziale Stellung, materieller Wert) beruhen. Je angenehmer oder vorteilhaft er etwas eingeschätzt wird, desto attraktiver wirkt es.“ (Wikipedia, 2007) Danach kann die von einer Person ausgehende Anziehungskraft sowohl durch die äußerliche Erscheinung als auch durch Wesenseigenschaft en begründet sein. Von daher gesehen kann ein alter Mensch, auch wenn Aussehen und Körpermaße nicht gerade einem derzeit gängigen Schönheitsideal entsprechen, durchaus attraktiv sein, kann Anziehungskraft – und vor allem Ausstrahlung haben. Vor einigen Jahren wurden an der Universität Regensburg Untersuchungen durchgeführt und veröff entlicht unter dem Titel „Beauty: Ursachen und Folgen von Attraktivität“ (Braun, C., Gründl, M., Marberger, C. & Scherber, C.). Hier hat man attraktive Gesichter am Computer erstellt. Sie alle haben glatte, makellose, braune Haut, ein schmales Gesicht, wenig Fettansatz, volle gepfl egte Lippen, einen weiten Augenabstand, dunkle, schmale Augenbrauen, volle, lange und dunkle Wimpern, hohe Wangenknochen, eine schmale Nase, keine Augenringe und dünne Augenlider. Bei attraktiven Männern wird zudem der symmetrische Mund betont, der markante Unterkiefer und das markante Kinn und die obere Gesichtshälft e sollte im Verhältnis zur unteren breiter sein; es sollten keine Ge- heimratsecken und keine Falten zwischen Nase und Mundwinkel festzustellen sein. – Wir sehen, manche der gefundenen Kriterien sind altersunabhängig, viele jedoch unterliegen Alternsveränderungen. Sicher ist das herausgearbeitete „Schönheitsideal“ von kulturellen und zeitlichen Strömungen mit beeinfl usst. Dennoch: Wenn es nur nach dem Äußeren ginge, hätte der ältere Mensch schlechtere Karten, zumindest was die glatte, makellose Haut und den vollen Haarwuchs betrifft . Doch Attraktivität ist mehr als makellose Schönheit. Attraktivität ist Ausstrahlung, ist Anziehungskraft . So gesehen, kann auch der alte Mensch durchaus „gepfl egt“ und attraktiv sein – ja vielleicht sogar noch interessanter und anziehender als in jungen Jahren. Oft hat ein faltiges Gesicht, sofern es Zufriedenheit, Gelassenheit und vielleicht sogar Weisheit erkennen lässt, weit mehr Ausstrahlung als ein makelloses, faltenfreies, junges Gesicht. Es ist zumindest interessanter, es spricht mehr aus ihm. Sagen wir doch JA zum Älterwerden, sagen auch JA zu den mit den Jahren gegebenen Veränderungen unseres Aussehens. Freilich, eine entsprechende Körperpfl ege, gesunde Ernährung, körperliche Aktivität, Bewegung und Sport – aber auch geistige Interessiertheit und Aufgeschlossenheit tragen mit dazu bei, dass wir auch mit unserer äußeren Erscheinung einigermaßen zufrieden sein können, selbst wenn wir vor 20, 30 Jahren einmal „besser aussahen“. Unzufriedenheit und Verhaf- BAGSO Nachrichten • 3/2007
tetsein im (heute vielleicht sogar verklärt erscheinenden) Vergangenen macht hässlich! Grämen wir uns doch nicht wegen Entwicklungen, die sich nun einmal nicht rückgängig machen lassen. Wir werden eben älter. Was ist die Alternative? Also: Verdrängen wir nicht das Alter, sondern setzen wir uns für ein PRO-AGING ein, für ein Älterwerden bei möglichst großem körperlichem und seelisch-geistigem Wohlbefi nden. Wir wollen ja gar nicht „ewig jung“ bleiben, wie es der Slogan „forever young“ verspricht. Wir wollen gesund und kompetent alt werden! Wir Senioren wenden uns auch gegen eine heutzutage übliche „Anti- Aging-Kampagne“, denn Anti-Aging setzt voraus, dass Altern etwas Schlimmes ist, gegen das man angehen muss, das man fürchten muss. Wir sind nicht gegen das Altern, das wir ohnehin nicht verhindern können und wollen, wir sind aber für ein möglichst gesundes und kompetentes Älterwerden! Und wir wollen auch im Alter nicht gerade unansehnlich wirken; wir legen durchaus Wert auf eine gepfl egte Erscheinung. „Ich möchte noch mal 20 sein...“ – so ein alter Schlager, ein Wunsch, den sicher die meisten der heutigen Seniorinnen und Senioren nicht teilen. Denken Sie einmal zurück, als Sie 20 waren: …Kriegszeit, Nachkriegszeit, Hunger und Kälte, schlechte Wohnverhältnisse, danach: Familiengründung, Kinder, die sicher viel Freude gemacht haben, aber auch manche Sorgen! Wie hat man gebangt, als sie krank waren, wie hat man mit ihnen bei Prüfungen gezittert. Was gab es in Ihrem ganz persönlichen Leben für Höhen und Tiefen, für Freuden und Sorgen, für angenehme Erlebnisse und Erfahrungen – und für Enttäuschungen. Das alles hat Sie geprägt und zu dem gemacht, was Sie heute sind. „Leben ist Lernen“, ist Verhaltensänderung aufgrund von Erfahrungen! Und ein langes Leben bringt viele Erfahrungen mit sich, trägt bei zur Reife, zur Gelassenheit, vielleicht auch zu einer gewissen Abgeklärtheit und Weisheit – bei manch einem allerdings auch zur Verbitterung. BAGSO Nachrichten • 3/2007 Und diese kann zum Verlust der Attraktivität führen. Im Alter können wir heute toleranter sein – uns selbst gegenüber, aber auch anderen gegenüber. Wir sollten uns mit unserer Vergangenheit, mit unserem bisherigen Leben und Älterwerden aussöhnen, nicht nur nach möglicherweise Misslungenem fragen, sondern uns am Gelungenen freuen! Wenn wir rückblickend unser eigenes Leben betrachten, sehen wir heute manches anders als damals, als es geschah. Unsere biografi schen Studien an den Universitäten Bonn und Heidelberg zeigen: Manche Begebenheit, über die man vor Jahren fast verzweifelt wäre, die damals als großes Unglück erschien, einen vielleicht sogar beinahe aus der Bahn geworfen hätte, die einen damals sehr, sehr traurig stimmte – sieht man heute vielleicht in einem anderen Licht und sagt sich: „Wer weiß, wozu das gut war!“ Güte, Abgeklärtheit und Gefasstheit sind Anzeichen für das Maß des Off enbleibens für neue Entwicklungen, auch noch im höheren Alter. Doch dieses Erinnern, dieses Zehren von der Vergangenheit, sollte nicht auf Kosten des Erlebens der Gegenwart gehen und erst recht nicht den Blick in die Zukunft versperren. Seien wir dankbar für schöne Erlebnisse, integrieren wir sie in unser Sein – und seien wir nicht verbittert über manche unangenehmen Erfahrungen und Schicksalsschläge, die uns auch zu dem gemacht haben, was wir sind, doch bleiben wir off en für neue Erfahrungen! Aufgaben, Herausforderungen, Probleme, Konfl ikte, manchmal auch Krisen gehören nun einmal zum menschlichen Leben, zum Älterwerden dazu. Freuen wir uns, dass wir sie gemeistert und überstanden haben! Kürzlich fi el mir hierzu ein Spruch von Ingeborg Albrecht in die Hand, der das treff end beschreibt: Schönes habe ich erlebt – goldfarben der Teppich des Lebens durchwebt. Auch dunkle Fäden sind manchmal dabei. Doch, wollt ich sie entfernen, der Teppich riss’ entzwei. (Ingeborg ALBRECHT: Weit spannt sich der Lebensbogen; Puchheim; Idea Verlag, 2001) Sagen wir JA zu unserer Vergangenheit, zu unserem Älterwerden – und zu unserer Zukunft ! Sehen wir im Älterwerden eine Chance! � Zur Person Die renommierte Alternsforscherin Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Lehr gründete 1986 in Heidelberg im Auftrag der Landesregierung das Institut für Gerontologie und 1995 das Deutsche Zentrum für Alternsforschung (DZFA), eine Stiftung des Bundes und Baden-Württembergs. Von 1988 bis Anfang 1991 war sie im Kabinett Helmut Kohl Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Heute engagiert sich die 77-Jährige u.a. als Ehrenvorsitzende des BAGSO-Fördervereins. Prof. Dr. Ursula Lehr Am Büchel 53 b 53173 Bonn 13
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