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beide wie ein selbstgenügsames einfaches Sozialsystem sich nach außen hermetisch<br />
abschließen, gewissermaßen wie eine gespaltene Person in sich arbeitsteilig han-<br />
deln. Dieselbe „interne Differenzierung“ scheint im übrigen auch für Delacroix<br />
charakteristisch gewesen zu sein. In ihm paarte sich körperliche Schwäche und<br />
Auffälligkeit <strong>mit</strong> höchster Zähigkeit, Disziplin und entwickeltem Durchsetzungs—<br />
und Beherrschungsvermögen!<br />
Bei großem Abstand zwischen Nachzüglern und älteren Geschwistern ist zwar die<br />
individuelle Differenzierung im Gegensatz zum Zwillingsfall überdeutlich anschau-<br />
lich gegeben, sie muß nicht erst als solche, wie bei den Zwillingsgeschwistern,<br />
durch besondere Anstrengungen hergestellt werden, aber sie wirft das Folgeproblem<br />
auf, daß sie bezogen auf den Normalfall deshalb schwierig zu handhaben ist, weil<br />
die älteren Geschwister von ihrem Entwicklungsstand her aus der Perspektive des<br />
Nachzüglers eher zur Eltern— als zur Geschwister—Generation gehören und ein am<br />
Geschwister—Status sich orientierendes Interaktionshandeln <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Nachzügler<br />
sich an <strong>dem</strong> Generationsabstand bricht. In einem dialektischen Gedankengang ergibt<br />
sich <strong>dem</strong>nach, daß die radikale Differenz zwischen der Zwillingssituation einer-<br />
seits und der Situation des Nachzüglers andererseits auf der nächsthöheren,<br />
strukturellen Stufe der Betrachtung zur Gemeinsamkeit der Abweichung vom Normal-<br />
fall <strong>mit</strong> vergleichbaren Bewältigungsproblemen für die Beteiligten führt. Diese<br />
Gemeinsamkeit kommt anschaulich auch darin zum Ausdruck, daß in beiden Situatio-<br />
nen relative Retardierung und Schwäche des später Geborenen häufig stark ausge-<br />
prägt sind und Erbfolgefragen wie Fragen der angemessenen Fortsetzung der Fami-<br />
lientradition deshalb besonders prekär sind, weil sie <strong>dem</strong> Schwächeren, Nachzügler<br />
oder Benjamin zukommenden elterliche, insbesondere mütterliche Aufmerksamkeit,<br />
häufig gesteigerten Anlaß für den Neid der Stärkeren und Älteren sind, so daß<br />
daraus wiederum ein Motiv für die Geschwister entsteht, den Schwächeren oder den<br />
Nachzügler zu bekämpfen, zurückzusetzen oder zumindest an seinen Status zu erin-<br />
nern, wodurch im Sinne einer positiven Rückkoppelung das Problem unter den Ge-<br />
schwistern sich verstärkt.