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(27) Inhalt der Prophezeiung durch die Engel war für Jakob die Ankündigung seines<br />
charismatischen Führertums über ein auserwähltes Volk. Delacroix führte innerlich<br />
sehr früh einen Dialog <strong>mit</strong> den Großen in der Geschichte der Malerei und fieberte<br />
danach, ein großes Genie entfalten zu können und die Malerei seiner Zeit zu er-<br />
neuern.<br />
(28) Man wird nicht fehlgehen in der Vermutung, daß auch Delacroix sich vom<br />
künstlerischen Ruhm zugleich die Fortsetzung der herausgehobenen sozialen Stel-<br />
lung der beiden Linien seiner Familie erhoffte und durchaus danach strebte, ein<br />
anerkannter „Führer“ der für ihn überlegenen französischen Kultur zu werden. In<br />
<strong>dem</strong> Maße, in <strong>dem</strong> sich diese Hoffnung erfüllte, konnte er innerlich auch in den<br />
Schoß seiner Familie zurückkehren, von der er sowohl aufgrund seines Muttersöhn-<br />
chentums als auch seiner frühen Karriere als avantgardistischer Künstler (seine<br />
Schwester wurde von David, <strong>dem</strong> Anführer der „gegnerischen“ klassizistischen Mal-<br />
schule porträtiert) sich zunächst entfremdet hatte.<br />
(29) Die Ankunft im Land der Aramäer, in <strong>dem</strong> Jakob als junger Mann sofort seiner<br />
geliebten Frau Rachel begegnet und in <strong>dem</strong> er <strong>mit</strong> Geduld viele Reichtümer erwirbt,<br />
die er seinem väterlichen Stamme später wieder zuführen kann, ließe sich <strong>mit</strong><br />
Delacroix‘s Reise nach Marokko vergleichen. Dieses Land trat <strong>dem</strong> Maler ja vor<br />
allem als ein aktualisiertes, in die Gegenwart verlegtes Altes Testament und als<br />
lebende Antike vor Augen. Als Maler geriet er hier in einen wahren Sinnen-Rausch,<br />
<strong>dem</strong> als Lebensgefühl die Vergegenwärtigung jener Einheit von Lebenspraxis und<br />
Natur zugrundelag, die für ihn den marrokanischen Alltags als Möglichkeit an-<br />
schaulich machte. Unter diesen Bedingungen einer gesteigerten sinnlichen Präsenz<br />
des Lebens sog Delacroix einen reichen Schatz von malerischen und humanitären<br />
Erfahrungen in sich auf, ein Archiv, von <strong>dem</strong> er als Maler bis an das Ende seiner<br />
Tage zehrte und das insbesondere in „<strong>Jakobs</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Engel“ noch einmal in-<br />
tensiv „ausgebeutet“ wurde. Ganz ähnlich hat <strong>Jakobs</strong> Stamm von <strong>dem</strong>, was Jakob im<br />
Aramäerland angesammelt hatte, gezehrt.