Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
— 39 —<br />
Piron, sein Freund aus Jugendzeiten und als Testamentvollstrecker, berichtet ein<br />
dazu passendes Bekenntnis, zugleich gewissermaßen eine Interpretationshilfe für<br />
die Auslegung des Ausspruches: „Dieu est en nous“: „Die Sehnsucht nach Ruhm ist<br />
ein sublimer Instinkt, der nur denen gegeben ist, die auch dazu ausersehen sind,<br />
Ruhm zu erlangen. Das Streben nach einer leeren Reputation, die nur der Eitelkeit<br />
schmeichelt, ist etwas ganz anderes . Die Begeisterung nährt sich selbst (!!).<br />
Ohne Zweifel vermag die Abstimmung der Menge zu schmeicheln, aber sie gewährt<br />
nicht jene göttliche Trunkenheit, die bei den großen Seelen ihre Quelle im siche-<br />
ren Gefühl ihrer eigenen Kraft hat. Ganz sicher haben alle großen Menschen ihr<br />
Imperium (Herrschaft) vorausgeahnt und im voraus innerlich den Platz eingenommen,<br />
den ihnen die Nachwelt erst später wirklich eingeräumt hat. Wie sollte man denn<br />
anders diese Kühnheit in der Erfindung erklären können“ (Piron, Eugène Delacroix,<br />
sa vie et ses oeuvres, Paris, 1865, S. 472)<br />
Kein Zweifel: Delacroix hat sich zu diesen großen Seelen innerlich trotz oder<br />
gerade wegen ihn quälender Zweifel und Kämpfe, die ja nur die andere Seite dieser<br />
Medaille der Berufung darstellen, gezählt.<br />
Er hat also die Weissagung, dereinst zu den „großen Seelen“, den „auserwählten<br />
Führern eines auserwählten Volkes“ zu gehören, in sich getragen und an sie ge-<br />
glaubt. Wichtig sind an dieser Äußerung vor allem zwei Elemente:<br />
1 . Das Gefühl für Größe und Auserwählt-Sein kommt <strong>dem</strong> Künstler nicht von außen<br />
zu, sondern es speist sich in einer selbstreflexiven Bewegung der Selbst-Bekräf-<br />
tigung aus der Begeisterung für die Sache, ist also selbst das Produkt einer sich<br />
vollziehenden Steigerung des künstlerischen Lebens. Plastischer läßt sich die<br />
Figur der gesteigerten Autonomie des romantischen Künstlers als einem Vorreiter<br />
der gesellschaftlichen Moderne kaum zum Ausdruck bringen. Es bekräftigt sich<br />
darin zugleich unsere Interpretation der Auffüllung einer Vorleistung (Weissa-<br />
gung) durch Eigenleistung.