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vorhang zu - Kulturmagazin

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«Vier Tage lang verführen russische und internationale Stars und<br />

newcomer sowie das luzerner Sinfonieorchester mit wundervollen<br />

Klängen bekannter Werke, aber auch selten gehörter Kleinode.»<br />

Das sind unsterbliche, da aus Schmalz gehauene Sätze, deren<br />

autor <strong>zu</strong> sein man sich lebenslang erträumt. Sie gelten einem<br />

Kleinstfestival namens «zaubersee», das sich dem «sagenhaften<br />

Repertoire russischer musik» widmet und aus dessen anlass vorab<br />

das hotel Schweizerhof seine Säle öffnet und in der Vorsaison<br />

ein publikum für diverse lunch-, Teatime- und nachtkonzerte<br />

mit oder ohne Dinner und/oder apéro riche <strong>zu</strong> gewinnen versucht.<br />

Gruppiert sind die Kammermusikkonzerte im hotel, die<br />

übrigens <strong>zu</strong> sehr demokratischen preisen besucht werden können,<br />

rund um ein programm des luzerner Sinfonieorchesters, das<br />

im KKl orchestrale russische Schlachtrösser aufgaloppieren lässt.<br />

beim luzerner orchester liegt denn auch die Verantwortung für<br />

den «zaubersee».<br />

grüne menschen und ein verdrängter text<br />

anton Tschechov hielt es für bedauerlich und irreführend,<br />

dass die Russen weisshäutig sind und nicht <strong>zu</strong>m beispiel grün.<br />

andere Völker würden bei grünhäutigen Russen besser verstehen,<br />

dass diese andersartig und nicht unbedingt mit unseren<br />

massstäben <strong>zu</strong> messen sind. in der Tat dürfen ja die gelben chinesen<br />

in unserer Wahrnehmung mit dem hinweis auf «fremde Kul-<br />

35<br />

MusiK<br />

kleinfestival erfreut<br />

hotellerie<br />

tur» stets mit mehr nachsicht rechnen als die Russen, die wahlweise<br />

besserwisserisch kritisiert oder süss verkitscht werden. So<br />

gelangen denn einige nette Kleinigkeiten und bearbeitungen von<br />

und nach Tschajkovskij, Glasunov oder prokofiev <strong>zu</strong> Gehör, <strong>zu</strong><br />

denen die Komponisten durchaus «entlang der ufer zauberhafter<br />

Schweizer Seen» hätten inspiriert werden können. aber es passiert<br />

auch Substanzreicheres. zwar fehlt erstaunlicherweise Rachmaninov<br />

fast vollständig, der in hertenstein statt inspiration <strong>zu</strong><br />

trinken bloss jahrzehntelang seine Depression fütterte. mit einigen<br />

zentralen Stücken von aleksandr Skrjabin und vor allem von<br />

Dmitryj Schostakovitsch aber gelangt ganz grosse, tiefe und eigenwillige<br />

russische musik <strong>zu</strong> Gehör. hier haben wir es möglicherweise<br />

mit «grünen» Russen <strong>zu</strong> tun. am abschlussabend, der<br />

«langen nacht der russischen musik», spielt der bratschist Juryj<br />

baschmet das letzte Werk von Schostakovitsch, die bratschensonate<br />

op. 147.<br />

lev Tolstojs allererste erzählung trägt den Titel «luzern». Sie<br />

spielt im hotel Schweizerhof. Der gallige autor brüllt darin seinen<br />

abscheu vor dem verlogenen, geldgierigen Tourismus und dem<br />

Gesocks des internationalen Jetsets herum. alle zehn Jahre hört<br />

irgendein Stadtparlamentarier von dem Werk, verlangt per Vorstoss<br />

eine subventionierte luxusausgabe und liest schliesslich den<br />

Text – worauf der Vorstoss <strong>zu</strong>rückgezogen wird. «luzern» wird<br />

auch im märz im hotel Schweizerhof nicht vorgelesen. Dabei<br />

würde es sich doch fast schon zwingend anbieten.<br />

Von Peter Bitterli<br />

bratschist Juryi baschmet, <strong>zu</strong> hören an<br />

der «langen nacht der russischen musik».<br />

Bild zvg<br />

«zaubersee». russian music lucerne: Di 20. bis fr 23. märz.<br />

Diverse sinfonie- und kammermusikkonzerte, hotel schweizerhof,<br />

kkl, st. Charles hall meggen

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