vorhang zu - Kulturmagazin
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zweitwohnung<br />
angst vor weiterer Zersiedlung auf der<br />
einen, Hoffnung auf selbstregulierung<br />
auf der anderen seite: die initiative<br />
gegen Zweitwohnungsbau betrifft das<br />
alpenland schweiz. aber nicht die<br />
Zweitwohnung, sondern die Beziehung<br />
zwischen Mittelland und Berggebiet<br />
steht <strong>zu</strong>r debatte. die Forderung nach<br />
mehr Mitbestimmung der urbanen in<br />
der alpinen schweiz wird in den kommenden<br />
Jahren schwerpunkt der diskussion<br />
bleiben.<br />
Von Gerold Kunz<br />
Die reserveschweiz<br />
am 11. märz wird über die initiative<br />
«Schluss mit uferlosem bau von zweitwohnungen»<br />
abgestimmt. Die initianten<br />
fordern eine beschränkung des zweitwohnungsbaus<br />
und hoffen so der zersiedlung<br />
im alpenraum einen Riegel <strong>zu</strong> schieben<br />
und die landschaftlichen Qualitäten <strong>zu</strong> erhalten.<br />
Die Gegner halten entgegen, dass<br />
die initiative den regionalen unterschieden<br />
<strong>zu</strong> wenig Rechnung trage und dass<br />
sich mit dem kürzlich revidierten Raumplanungsgesetz<br />
(als Gegenvorschlag) die<br />
auswüchse wirksam bekämpfen liessen.<br />
Tatsächlich hat in jüngster zeit der ausbau<br />
der alpen eine Dynamik erreicht, dessen<br />
Folgen längst sichtbar sind. Der lebens-<br />
und erholungsraum in den alpentälern<br />
wird zerstört und die befürchtungen<br />
der 1970er-Jahre, als die umgestaltung der<br />
Schweiz erste narben sichtbar machte,<br />
scheinen sich heute <strong>zu</strong> bestätigen. «bauen<br />
als umweltzerstörung» wird vom Schlagwort<br />
<strong>zu</strong>m Tatbestand. Die baulichen Veränderungen<br />
machen keinen halt vor Tabus,<br />
der Ruf nach einer beschränkung von<br />
Fachorganen wie der eidgenössischen natur-<br />
und heimatschutzkommission wird<br />
lauter. Wie sieht in dieser zeit der unvernunft<br />
das Rezept für eine massvolle entwicklung<br />
aus?<br />
sanierung gegen drohende massenarbeitslosigkeit<br />
um die Frage <strong>zu</strong> beantworten, ist ein<br />
blick in die Geschichte nötig – <strong>zu</strong>rück ins<br />
Jahr 1945. unter der leitung des architekten<br />
armin meili bearbeiteten damals 70<br />
Spezialisten, die mehrheit davon dem modernen<br />
bauen nahestehende architekten,<br />
die «bauliche Sanierung von hotels und<br />
Kurorten» in 31 Gemeinden, mehrheitlich<br />
mit be<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong>m perimeter des Reduits. Die<br />
<strong>zu</strong>sammenarbeit war möglich, weil sich<br />
die Schweiz im Falle einer isolation mit der<br />
Sanierung der hotels und Kurorte gegen<br />
die drohende massenarbeitslosigkeit schützen<br />
wollte.<br />
Die unterschiedlichen arbeitsgruppen<br />
befassten sich auch mit fünf Kurorten in<br />
der zentralschweiz: luzern, Vitznau, Weg-<br />
7<br />
gis, brunnen und engelberg. neue umfahrungsstrassen,<br />
<strong>zu</strong>sammenhängende Grünräume<br />
oder umplatzierungen der bahnhöfe<br />
waren die grossen Korrekturvorschläge,<br />
die von den architekten auf papier gebracht<br />
wurden. aber auch planungsrechtliche<br />
überlegungen <strong>zu</strong> zonierungen und<br />
baubeschränkungen (etwa entlang der<br />
hangflächen) gehörten in die Gesamtkonzeption.<br />
Denn «die landschaftlichen<br />
Schönheiten, die heilende Wirkung unseres<br />
Klimas und das beruhigende milieu<br />
unserer Friedensinsel legen uns besondere<br />
Verpflichtungen gegenüber der menschheit<br />
auf, welche den Fremdenverkehr weit<br />
über seine wirtschaftliche aufgabe hinausheben»,<br />
sagte bundesrat enrico celio<br />
damals. bei Veröffentlichung der untersuchungen<br />
war der Krieg <strong>zu</strong> ende. Die<br />
Schweiz sollte sich als unversehrtes land<br />
für erholungsuchende anbieten. «mehr<br />
und mehr werden die Vorteile des Fremdenverkehrs<br />
auch dem sozialen Tourismus,<br />
in dem der einfache mann des werktätigen<br />
Volkes vertreten ist, <strong>zu</strong> erschliessen sein.»<br />
Dafür wollte die Schweiz gerüstet sein!<br />
Für die planung von engelberg – von<br />
den luzerner architekten otto Dreyer, arnold<br />
Durrer und carl mossdorf bearbeitet<br />
– bedeutete dies konkret, an der Schwandstrasse<br />
eine Ferienhauszone ein<strong>zu</strong>führen,<br />
um an die bereits vorhandene Ferienhaussiedlung<br />
an<strong>zu</strong>schliessen und die palastbauten<br />
der belle epoque dem abbruch<br />
frei<strong>zu</strong>geben, denn sie verteilten sich wahl-<br />
und planlos über die rechte Talseite. Da<br />
engelberg keinerlei baugesetzgebung kenne,<br />
sei es begreiflich, dass sich der ort so<br />
negativ entwickle, lautete das klare Fazit<br />
der architekten.<br />
Die hänge sind verbaut<br />
heute, zwei Generationen später, hat<br />
engelberg ein baugesetz und die hänge<br />
sind bis weit hinauf bebaut, das ortszentrum<br />
von mehrfamilienhäusern umsäumt,<br />
der bahnhof (noch immer) mitten im zentrum.<br />
aber auch die Spuren aus der anfangszeit<br />
des Tourismus sind noch immer<br />
vorhanden. Weit von einem idealbild entfernt<br />
entwickelte sich der ort kontinuierlich<br />
weiter: mehr häuser, mehr bahnen,<br />
mehr betrieb.