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vorhang zu - Kulturmagazin

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BüHNe<br />

Desolate Dörfer, desolate seelen<br />

das Luzerner theater spielt im März «worte Gottes» des<br />

Galiziers ramón María del Valle-inclán. wir besuchten eine<br />

Probe und sprachen mit dramaturg und regisseur.<br />

Ivan Schnyder<br />

Volk kommt auf: «Wort Gottes» am<br />

luzerner Theater,<br />

probenfoto: ingo höhn<br />

ein mädchen steht unter einem holzgestell und singt eine habanera.<br />

ein anderes übernimmt, tänzelt über die bühne. Volk<br />

kommt auf. ein Typ nimmt einem blinden den hut weg und zäukelt<br />

ihn. Wir befinden uns im zweiten akt bei einer probe des<br />

Stücks «Worte Gottes», einer dörflichen Tragikomödie von Ramón<br />

maría del Valle-inclán aus dem Jahr 1920. in den publikumsrängen<br />

sitzen verteilt fünf leute. Regisseur andreas herrmann gibt<br />

anweisungen per mikrofon durch. manchmal schiesst er hoch<br />

und geht selber nach vorn, um <strong>zu</strong> demonstrieren, was er meint.<br />

am linken bühnenrand sitzt ein alter akkordeonspieler. Das Volk<br />

tanzt mit seltsam verzückten Gesichtern.<br />

Der 1866 in Galizien geborene Valle-inclán wird in seiner erneuerischen<br />

Wucht oft mit James Joyce («ulysses») verglichen. er<br />

war der bedeutendste, radikalste, schillerndste spanische Dramatiker<br />

im frühen 20. Jahrhundert.<br />

erst schlug sich Valle-inclán als Journalist durch, dann wurde<br />

er hungerkünstler. hörte auf, sich bart und haar <strong>zu</strong> schneiden,<br />

reiste nach Südamerika, um bekanntschaft mit den Rauschmitteln<br />

der indios <strong>zu</strong> machen. mit dreissig Jahren liess er sich als<br />

38<br />

Schauspieler und literat in madrid nieder und wurde dort eine<br />

art Stadtoriginal. im alter von 35 Jahren verlor er im Streit mit<br />

einem Kollegen seinen linken arm. Seine Stücke waren gross besetzte<br />

lesedramen, die sich satirisch mit dem militarismus, dem<br />

Katholizismus und der autoritätsgläubigkeit der Spanier auseinandersetzten.<br />

besonders in Galizien drückte aber durch diesen<br />

Katholizismus eine ältere, keltische Tradition. Dies zeigt sich auch<br />

am Wappen der provinz, mit dem heiligen Gral. in dieser Tradition<br />

spielen der Glaube an Seelenwanderung, der Toten- und ahnenkult<br />

wie auch übernatürliche heilkräfte eine grosse Rolle.<br />

Galizien zählt noch heute <strong>zu</strong> den ärmeren Regionen Spaniens. <strong>zu</strong><br />

beginn des 20. Jahrhunderts zog es viele in die Ferne, vor allem<br />

nach argentinien und brasilien.<br />

als erstes Schweizer Stadttheater bringt das luzerner Theater<br />

«Worte Gottes» auf die bühne. es handelt von der «erdig trüben,<br />

barfüssigen Schattengestalt» Juana del Reina, die ihren Sohn, einen<br />

wasserköpfigen zwerg, auf Jahrmärkten <strong>zu</strong>r Schau stellt. ein<br />

höchst lukratives Geschäft, denn jeder will ihn sehen, diesen Sabbernden,<br />

Fauchenden, in seinem eigenen Schmutz Schwitzenden,

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