Vision
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<strong>Vision</strong><br />
M06<br />
Hildegard:<br />
Denn als ich das Buch Scivias schrieb, hegte ich eine vollkommene Liebe zu einer adligen Nonne,<br />
(…) so wie Paulus zu Timotheus, die sich mir während all dieser Ereignisse in Liebe und Freundschaft<br />
verbunden hatte, und in meinen Leiden mit mir litt, bis ich dieses Buch vollendet hatte.<br />
1<br />
Hildegard:<br />
Danach aber strebte sie aufgrund ihrer vornehmen Herkunft nach der Würde eines größeren Namens,<br />
um die Mutter einer vornehmen Kirche genannt zu werden. Das begehrte sie aber nicht um<br />
Gottes, sondern um weltlicher Ehre willen.<br />
2<br />
Hildegard an Erzbischof Heinrich von Mainz:<br />
Der klare Quell, der nicht trügerisch ist, sondern gerecht, spricht: Die Gründe, die für die Bevollmächtigung<br />
dieser jungen Frau angeführt wurden, sind vor Gott wertlos, denn ich, der Erhabene, (…)<br />
habe sie nicht geschaffen und gewählt, sondern sie ergaben sich aus der ungeziemenden Verwegenheit<br />
unwissender Gemüter.<br />
3<br />
Hildegard an Markgräfin Richardis von Stade (die Mutter von Richardis):<br />
Ich beschwöre und ermahne dich: bringe meine Seele nicht derart in Aufruhr, dass du meinen Augen<br />
bittere Tränen entlockst und mein Herz mit grausamen Wunden verletztest wegen meiner<br />
vielgeliebten Töchter Richardis und Adelheid, die ich jetzt leuchten sehe im Morgenrot, geschmückt<br />
mit einem Perlengeschmeide von Tugenden.<br />
4<br />
Hildegard an Erzbischof Hartwig von Bremen:<br />
Meine Seele ist betrübt, weil ein gewisser schrecklicher Mensch in der Angelegenheit unserer geliebten<br />
Tochter Richardis meinen Rat und Willen und den meiner Schwestern und Freunde missachtet<br />
und sie durch seinen verwegenen Willen aus unserem Kloster entführt hat.<br />
5<br />
Hildegard an Erzbischof Hartwig von Bremen:<br />
Jetzt höre mich, da ich unter Tränen und Drangsal zu deinen Füßen hingestreckt liege. (…) Schicke<br />
meine geliebte Tochter wieder zu mir zurück.<br />
6<br />
Hildegard an Richardis, Äbtissin von Bassum:<br />
Schmerz steigt in mir auf. Der Schmerz tötet das große Zutrauen und den Trost, den ich an einem<br />
Menschen besaß. (…) der Mensch (soll) sich nicht nach einer hochgestellten Persönlichkeit richten,<br />
der wie eine Blume vergeht. Das habe ich aus Liebe zu einem edlen Menschen außer Acht gelassen.<br />
(…) Nun sollen alle mit mir klagen, die Schmerz erleiden, der meinem Schmerz gleicht, die aus Gottesliebe<br />
solche Liebe im Herzen und in ihrem Gemüt zu einem Menschen trugen, wie ich sie dir<br />
gegenüber hegte. Er wurde ihnen in einem Augenblick entrissen, wie auch du mir abwendig gemacht<br />
wurdest. (…) Gedenke deiner unglücklichen Mutter Hildegard, damit dein Glück nicht versiege.<br />
7<br />
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