Jahrgang 08 | Nr. 40 - Fratz

Verein ›die Villa‹
Es ist heute komplex, das Leben
von Familien zu organisieren.
Durch Berufstätigkeit brauchen
Eltern für die Betreuung
ihrer Kinder institutionelle Unterstützung.
Die Rahmenbedingungen
hierfür will der Verein „Die Villa“ als
„Partner auf Augenhöhe“ schaffen
und unter Einbeziehung der Eltern
einen Anteil an der Erziehungsaufgabe
übernehmen. „Erziehung ist keine
Dienstleistung“, sagt Hanno Wille-
Boysen, evangelischer Pfarrer und
Vorsitzender der „Villa“, „sondern
ein partnerschaftlicher Prozess.“
„Die Villa“ unterstützt zurzeit 24
besucht den ...
Warme Mahlzeiten und pädagogische Betreuung für Schulkinder durch „Die Villa“. Links
im Bild Tawana Lortz, pädagogische Leiterin der Kindervilla.
Eltern brauchen Partner in der Erziehung. Davon sind
die Gründer von „Die Villa – Verein für innovative
Jugendhilfe“, Hanno Wille-Boysen und Kai Fischer, überzeugt.
Deshalb haben sie sich zum Ziel gesetzt, Eltern
durch pädagogische Betreuung an der Schule zu unterstützen
und zu entlasten. Ein warmes Mittagessen, ein
offenes ohr, Hilfe bei den Hausaufgaben, Rückzugsmöglichkeiten
und sinnvolle Freizeitgestaltung – das alles
will „Die Villa“ Schülern in ihrem Schulalltag bieten und
Eltern vergewissern, dass ihre Kinder in guten Händen
sind. Auch Erziehungshilfe leistet der Verein.
Schulen in Darmstadt und Groß-
Gerau sowie in den Landkreisen
Darmstadt-Dieburg und Offenbach
in deren Ganztagsangebot.
Der Verein organisiert für 1500
Kinder täglich die Mittagessenversorgung
ebenso wie die pädagogische
Mittagsbetreuung. „Die
Villa“ hat 120 Mitarbeiter: Sozialpädagogen,
Sozialarbeiter, Erzieher,
Psychologen. Fünf Angestellte sind in
der Verwaltung in der Schulstraße in
Darmstadt tätig. Hinzu kommen Honorarkräfte.
Der Name „Die Villa“ entstand, weil
fratz fratz 39 /2012 29
die Mitglieder den Verein vor zehn
Jahren in der früheren Heag-Vorstandsvilla
am Böllenfalltor gründeten.
Die gehörte damals dem Elisabethenstift.
„Die Villa“ ist dort jedoch
nie eingezogen. Was vor zehn Jahren
im Rahmen der familienfreundlichen
Schule mit einem Betreuungsangebot
für die Viktoriaschule in der „Hütte“,
dem Jugendhaus des Stadtjugendpfarramtes
in der Kiesstraße, begonnen
hat, ist inzwischen zu einer flächendeckenden
Arbeit angewachsen.
Sein Modell, dass Räume der Betreuung
als eigener Lebensraum
erkennbar und unterscheidbar
vom sonstigen Schulraum sein
sollen, hat „Die Villa“ kürzlich bei
einem Kongress in Berlin vorgestellt.
Ein Beispiel dafür sind in Darmstadt
das „Café Latino“ gegenüber dem
Ludwig-Georgs-Gymnasium und das
„Aquarium“ in der Unterführung
zwischen Liebighaus und Stadtkirche.
Hier betreut „Die Villa“ insgesamt
135 Schüler des Ludwig-Georgs-
Gymnasiums außerhalb des Schulgebäudes.
121 Schüler der Viktoriaschule
werden weiterhin in der „Hütte“
betreut.
2008 kam ein neuer Bereich hinzu:
die Hilfe zur Erziehung. Derzeit
betreut „Die Villa“ 68 Familien, die
vom Jugendamt vermittelt werden,
darunter zum Teil schwere Fälle, wo
es etwa um Gewalt in der Familie
geht. Hierfür betreibt „Die Villa“ in
Seeheim-Jugenheim eigene Räume.
in Kürze
Wer? „Die Villa“ ist ein freier Träger der
Jugendhilfe, organisiert für 24 Schulen die
Mittagsversorgung und -betreuung und
leistet Erziehungshilfe.
Infos „Die Villa – Verein für innovative
Jugendhilfe e.V.“, Schulstraße 1,
64283 Darmstadt, Tel 06151/ 3688003,
Internet: www.villa-darmstadt.de
Spenden Wer den Essensfonds der
„Villa“ unterstützen möchte, kann auf das
Konto Nr. 304004302 bei der Ev. Kreditgenossenschaft,
BLZ 520 604 10, unter Angabe
des Verwendungszwecks „Essensfonds“
spenden.
Fachleiter ist der „Villa“-Mitgründer
Kai Fischer, 16 Mitarbeiter sind hier
im Einsatz.
Außerdem bietet „Die Villa“ für neue
Schüler an weiterführenden Schulen
in den Sommerferien Vorbereitungskurse
unter dem Titel „Fit
für die Schule“ an. „Das Konzept
wollen wir ausbauen“, sagt Hanno
Wille-Boysen, „damit sich die Schüler
an ihren neuen Schulen von Anfang
an zu Hause fühlen.“ Wille-Boysen ist
Vorsitzender des Vereins und gleichzeitig
für die Fachberatung der Schulen
zuständig.
Ein Problem stellt für den Verein
derzeit die Finanzierung der Essensversorgung
dar. 130.000 Essen
gehen bei der „Villa“ nach Angaben
von Hanno Wille-Boysen jährlich
über den Tisch. Einen Fonds von
30.000 Euro braucht der Verein derzeit
allein, um nicht bezahlte Essen
weiterhin anzubieten. Hohe Zahlungsausfälle
der Elternbeiträge
seit Einführung des Bildung- und
Teilhabepaketes machen dem
Verein Sorgen. „Das ist auf Dauer
nicht zu halten“, sagt Tanja Reul,
Geschäftsführerin der „Villa“. Daher
wird über die Übergabe der Essensorganisation
an einen professionellen
Anbieter nachgedacht. Zurzeit nimmt
„Die Villa“ keine weiteren Schulen
auf. „Wir wollen die pädagogische
Qualität halten“, erklärt Tanja Reul.
(Interview: Rebecca Keller)