Heft 4/2001 - Pro Tier
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Alle Fotos: Ruedi Suter<br />
Verzweifelt versuchen sie zu<br />
fliehen. Hilflos pressen sie<br />
sich an die hintere Wand ihrer<br />
erdrückend kleinen Gitterkäfige.<br />
Aus ihren Augen flackert die nackte<br />
Angst. Einige springen in Panik<br />
die Drahtgitter hoch, andere kauern<br />
wie erstarrt in einer Ecke auf dem<br />
Gitterboden. Dies, obwohl wir uns<br />
den <strong>Tier</strong>en langsam und behutsam<br />
nähern. Wir wollen die <strong>Tier</strong>e nicht<br />
erschrecken und ängstigen, aber<br />
vor allem dürfen wir nicht von den<br />
Farmern entdeckt werden. Wir stehen<br />
in einer «Fuchsfarm» im tschechischen<br />
Milevsko unweit der Stadt<br />
Pisek. Hier vegetiert auch Svobo,<br />
der Polarfuchs, zusammen mit Hunderten<br />
von Leidensgenossen – alle<br />
eingepfercht in völlig verdreckten<br />
Käfigen.<br />
VON RUEDI SUTER<br />
Tomas Popp und Roman Krejèí,<br />
zwei engagierte Mitglieder der<br />
tschechischen <strong>Tier</strong>schutzorganisation<br />
«Svoboda zvirat» (Freiheit für<br />
die <strong>Tier</strong>e), haben uns auf Umwegen,<br />
durch Dickicht, über Mauern<br />
und Zäune in das gerade unbewachte<br />
Gelände einer der schlimmsten<br />
Pelztierfarmen Tschechiens<br />
geschleust. Rund 1000 Polar- und<br />
Silberfüchse sind hier eingesperrt,<br />
in unendlich lang erscheinenden<br />
Käfigreihen.<br />
Leben im Drahtgeflecht<br />
Bis zu drei <strong>Tier</strong>e vegetieren in den<br />
nur 150 cm breiten und 100 cm<br />
hohen Käfigen. Darunter türmt sich<br />
Kot bis hinauf zum Gitterboden. Die<br />
stinkenden Haufen wimmeln von<br />
Maden. Der Grund, weshalb die <strong>Tier</strong>e<br />
zu einem Leben auf Gitterrosten<br />
verdammt sind: Die Käfige müssen<br />
nie gereinigt werden, da Kot und<br />
Urin automatisch durch den Rost<br />
auf den Boden fallen. Über dem<br />
Gelände lastet ein übler Gestank. Es<br />
ist heiss an diesem Oktobertag,<br />
doch die Trinkgefässe der <strong>Tier</strong>e<br />
enthalten kein Wasser. Einige Füchse<br />
sind krank, haben Wunden und<br />
tränende Augen. Trotz der permanenten<br />
Unruhe wirken viele <strong>Tier</strong>e<br />
gebrochen. Andere rennen stereo-<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 4/01<br />
Zur «Pelzmaschine» verdammt. Warten auf den Tod.<br />
typ und halb wahnsinnig von einer<br />
Ecke in die andere. Hin und her, vor<br />
und zurück. Kein Zweifel: Wir stehen<br />
in einem Konzentrationslager<br />
für Wildtiere.<br />
Beim Abschreiten der Käfigreihen<br />
treffen wir auf Svobo. Der junge<br />
Polarfuchs fällt auf, weil er im<br />
Gegensatz zu seinen Käfiggenossen<br />
Blick von unten:<br />
Drähte schneiden in die Pfoten.<br />
«Svoboda zvirat» (SZ) heisst «Freiheit<br />
für die <strong>Tier</strong>e» und hat sich in der Republik<br />
Tschechien als eine engagierte, klug<br />
und besonnen vorgehende <strong>Tier</strong>schutzorganisation<br />
Respekt verschafft. Ihr<br />
Hauptquartier mit Geschäftsführer<br />
Tomas Popp ist in Pilsen. Zweigstellen<br />
existieren in Prag und Hradec Kralove.<br />
SZ sammelt Daten, betreibt Aufklärung,<br />
arbeitet mit Behörden und Persönlichkeiten<br />
zusammen, organisiert Demonstrationen<br />
und zurzeit auch folgende<br />
Kampagnen: für eine Verbesserung der<br />
Nutztierhaltung; gegen die Pelztierzuch-<br />
«Freiheit für die <strong>Tier</strong>e»<br />
etwas Vertrauen fasst und sich –<br />
hin- und hergerissen zwischen<br />
Fluchtreaktion und Neugier – langsam<br />
und vorsichtig dem Fotografen<br />
nähert. Svobos Augen wirken treuherzig.<br />
Seine weichen Pfoten mit<br />
den zu langen Krallen suchen Halt<br />
auf den Maschen des Gitters. Der<br />
Draht schneidet ihm tief in die Pfoten.<br />
Diese werden ihr Leben lang<br />
weder einen Waldboden noch eine<br />
Wiese berühren. Svobo wird auch<br />
nie rennen, nie jagen, nie etwas<br />
Festes essen oder in einem Fuchsbau<br />
Junge aufziehen können.<br />
Gefangener in Folterhaft<br />
Svobo ist, wie Millionen anderer<br />
Pelztiere, ein Gefangener in Folterhaft.<br />
Etwa ein halbes Jahr lang, eingesperrt<br />
in einen Käfig, der weder<br />
ten, <strong>Tier</strong>versuche und den Einsatz von<br />
Zirkustieren. Mitglieder von «Svoboda<br />
zvirat» halten zudem Vorträge in Schulen,<br />
setzen sich gegen den Fleischkonsum<br />
ein und lancieren aufseherregende<br />
Plakataktionen. Leute wie Tomas<br />
Popp und Roman Krejèí sind gut informiert<br />
und hoch motiviert, obwohl ihre<br />
Mindestsaläre kaum zum Leben reichen.<br />
<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> wird in Zukunft eng mit «Svoboda<br />
zvirat» zusammenarbeiten und dabei<br />
seine finanzielle Unterstützung in erster<br />
Linie auf die Abschaffung der tschechischen<br />
Pelztierzucht konzentrieren.<br />
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