21.01.2013 Aufrufe

The Rocky hoRRoR Show - Stadtimpuls Krefeld

The Rocky hoRRoR Show - Stadtimpuls Krefeld

The Rocky hoRRoR Show - Stadtimpuls Krefeld

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

GLOSSE<br />

Als ich zwanzig wurde, war ich eine tiefenentspannte<br />

Frau. Meine Augen glitzerten wie die<br />

Sonne auf dem Meer, meine Haut war pfi rsichfarben,<br />

in meinen Haaren spielten Elfen Fangen<br />

und summten fröhliche Weisen. Ich war<br />

beliebt. Ich war ausgeglichen und verständnisvoll.<br />

Über mir feierten sie bis zum Morgengrauen<br />

– kein Problem! Unter mir rauchten<br />

sie komische Dinge – passt schon. „Ich will so<br />

bleiben, wie ich bin“, sagte ich „und alle anderen<br />

sollen halt so machen, wie sie wollen.“<br />

Dies ist ein freies Land, das Leben ist schön.<br />

Es reicht. Ich rufe jetzt die Polizei an.<br />

Die sollen diese Verrückten verscheuchen, die<br />

vor unserem Haus lachen und Lärm machen.<br />

Ich gucke aus dem Fenster und beobachte die<br />

Besucher des benachbarten Kinos, die alle genau<br />

vor unserem Haus geparkt haben. „Können<br />

die nicht die Autotüre leise zumachen?“,<br />

schimpfe ich. „Und wieso müssen die so viel reden<br />

und lachen, man kann doch auch einfach<br />

mal still sein. Denen ist wohl nicht klar, wie<br />

spät es ist! Rücksicht ist wohl ein Fremdwort<br />

für die!“ „Es ist 18 Uhr und das da eine öffentliche<br />

Straße. Sag mal, seit wann bist du eigentlich<br />

so unentspannt?“, fragt mein Freund. „Es ist<br />

aber die öffentliche Straße vor unserer privaten<br />

Wohnung. Und es ist die private Wohnung mit<br />

unserem Baby im Tiefschlaf drin“, entgegne ich.<br />

8<br />

So ist es. Seit wir<br />

Nachwuchs haben, bekämpfe<br />

ich alles, was in meiner Nähe 0,25 Dezibel<br />

übersteigt. Ohne Erbarmen. Zero Toleranz. Null,<br />

njiente, nada. Wenn ein Krankenwagen mit<br />

Martinshorn an mir vorbeifährt, stecke ich mir<br />

demonstrativ beide Finger in die Ohren (was<br />

soll denn das <strong>The</strong>ater? Ich seh’ doch, dass der<br />

Fahrer lacht, sooo schlimm kann’s dann ja wohl<br />

nicht sein). Ich werfe vorbeifahrenden Motorradfahrern<br />

eisige Blicke zu. Ich fi nde, jeder sollte<br />

per Gesetz Hybridautos fahren. Besser noch<br />

Fahrrad. Mache ich ja schließlich auch.<br />

Wenn der Paketbote um 13:05 Uhr klingelt<br />

(nicht einmal, nicht zweimal, nein fünfmal!)<br />

schüttle ich anklagend den Kopf, tippe auf meine<br />

Armbanduhr und meckere: „Junger Mann,<br />

was glauben Sie wohl, warum die Mittagsruhe<br />

Mittagsruhe heißt!?“ Keinen Deut besser ist<br />

das Paar, das auf seiner großen Terrasse (die<br />

nach hinten rausgeht, genau wie unser Schlafzimmer)<br />

bis sechs Uhr früh feiert und dann bis<br />

in die Puppen in ihren Futonbetten ausschläft.<br />

Taugenichtse. Tunichtgute! Ich will, dass alle<br />

nur fünf Zentimeter Platz im Bett und die halbe<br />

Nacht lang mindestens ein Bein im Gesicht<br />

haben und dann um vier Uhr dreißig aufstehen.<br />

Mache ich ja schließlich auch so. Aufgepasst:<br />

Das hat, soweit ich weiß, noch niemandem geschadet!<br />

Herrje, höre ich mich etwa an wie Helga<br />

Beimer kurz vor ihrer Trennung von Hansemann?<br />

Ich verlange aber doch nichts Unmenschliches;<br />

von mir aus können alle zwischen 15 und 17 Uhr<br />

so laut sein, wie sie wollen. Oder zwischen zwei<br />

OHNE<br />

AUSNAHME<br />

Andrea Peters wird kompromisslos.<br />

und drei Uhr nachts. Da bin ich eh wach. Aber<br />

wer um 18 Uhr vor meiner Türe redet und dabei<br />

auch noch Freude hat, der will mich ganz offensichtlich<br />

provozieren und bekommt die Polizei<br />

auf den Hals gehetzt. Ich will, dass alles fl üstert<br />

und nach Blümchen duftet, hier in Baby-Wonderland.<br />

Deshalb mag ich Müllmänner in letzter<br />

Zeit auch so gerne. Und die Leute vom<br />

Ordnungsamt. Die sind alle immer so diszipliniert.<br />

Und so sauber. Die bestrafen jeden, der<br />

seinen Hund auf den Gehweg machen lässt.<br />

Gnadenlos. Und wenn ich hingehe und sage:<br />

„Da vorne. Haben Sie das gerade gesehen? Da<br />

hat einer seine Zigarettenkippe einfach auf den<br />

Weg geworfen“, dann gehen sie hin und weisen<br />

ihn zurecht. Und dann lächeln sie mich an. Sehr<br />

nett. Nein, ich fi nde wirklich nicht, dass das was<br />

mipetzen zu tun hat. Denn, aufgepasst: Wenn<br />

das jeder machen würde! Und nochmal aufgepasst:<br />

Wo kämen wir denn dahin!? Sekunde, ich<br />

muss mir mal eben das Verkniffene um meine<br />

Mundwinkel glätten bevor ich weiterspreche.<br />

Neulich stand mein Nachbar vor der Türe, um<br />

eine Feier anzukündigen. Es war ein schlechter<br />

Tag – zwei Blaulichtfahrten, ein Motorrad.<br />

Ich erläuterte aufgebracht, was man mit Menschen<br />

machen sollte, die zu laut sind. An dieser<br />

Stelle nur soviel: Ein Krankenwagen kam auch<br />

drin vor. Er stotterte, alle anderen täten das<br />

doch auch. Also Spaß haben im Leben. Ich erwiderte:<br />

„Und wenn alle von der Brücke springen,<br />

dann tun Sie das auch, oder was?“ Nein,<br />

ich mache keine Ausnahme – oder doch, vielleicht<br />

eine einzige: Sollten die Pinguine Meister<br />

werden, kann die Feier ruhig in meinem Wohnzimmer<br />

stattfi nden – ich werde mich nicht beschweren!<br />

Text: Andrea Peters · Illustration: Marktimpuls/Stefan Voeller

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!