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Edgar Hofschen - Zeit Kunstverlag

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aus einem ausgedehnten Mittelstück sowie rechts und links je<br />

einem breiten Streifen aus Segeltuch. Oben und unten fehlt die<br />

visuelle Begrenzung. Der Keilrahmen liefert sie. Das Material<br />

des Mittelstücks ist Papier. In der Malerei ein ungewohnter<br />

Werkstoff. Der Leim sorgt für die Stetigkeit des Papiers und verbindet<br />

es mit dem Segeltuch zu einer festen Fläche. Ein Schleier<br />

aus dünn aufgetragener grau-grüner Farbe liegt auf dem rotockeren<br />

Fond und ballt sich an den Rändern zusammen. Die<br />

diaphane Farbe verläuft in senkrechten Bahnen über die Fläche,<br />

versetzt sie in leichte Schwingungen, während auf den breiten<br />

Rändern Flecken unbekannter Herkunft an die ursprüngliche<br />

Funktion des Materials gemahnen. Aufgebaut ist das Gemälde<br />

von seiner Rückseite. Sie bildet das Rückgrat. Die Form des Bildes<br />

fällt mit seiner Struktur zusammen. Deren Gefüge veranschaulicht<br />

die geleistete Arbeit. Nach einem Wort des<br />

Künstlers23 leuchtet die Form aus dem Gemälde hervor. Die unscheinbare<br />

Naht zwischen Segeltuch und Papier hat er mit einem<br />

Quast übermalt. Sie zieht zwar eine Grenze, akzentuiert<br />

durch den nuancierten Hell-Dunkel-Kontrast, gleichzeitig läßt<br />

sie aber den Übergang der heterogenen Materialen als organische<br />

Verbindung erscheinen.<br />

In ›Modifikation E 23‹ (1977; Abb. 2), einem Ölbild auf Leinwand,<br />

verdichtet sich die Farbe, so daß sich bei oberflächlichem Blick<br />

der Eindruck einer beinahe monochromen Fläche in braunschattiertem<br />

Grün ergibt. Nach intensiverem Betrachten nimmt<br />

man innerhalb der hochrechteckigen Bildtafel die von einem<br />

kaum merklich weiß gehöhten Rahmen umrandete Innenfläche<br />

wahr, formales Echo auf die äußeren Umrisse des Gemäldes.<br />

Ein Dialog der Flächen ist das Ergebnis, wobei der »zeugende<br />

Rand« (<strong>Hofschen</strong>) des inneren blinden Fensters, der dieses wie<br />

ein Rahmen umfängt, in der farblichen Eindringlichkeit und in<br />

bezug auf die Oberfläche, namentlich an den Kanten, wegen<br />

der unterschiedlichen Spannungsdichte der Leinwand, eine davon<br />

abweichende Körperlichkeit aufweist. <strong>Hofschen</strong> meidet das<br />

Demonstrative der Monochromie, reduziert die Farbqualität zugunsten<br />

ihrer materiellen Essenz, neutralisiert sie, und umgeht<br />

die Falle eines Farbillusionismus.<br />

Die scheinbar homogene Bildfläche reißt in ›Modifikation G 16‹<br />

(1980; Cover) eine von der linken Seite hineinragende und mit<br />

einer Doppellinie oberhalb ihrer Spitze versehene Dreiecksform<br />

wieder auf. Segeltuch, Ponal und Papier erzeugen sie. Die Nähte,<br />

aus denen sich der Bildgrund zusammensetzt, kaschiert der<br />

Künstler diesmal nicht, sondern verdeutlicht sie. Er kontrastiert<br />

eine reale mit einer gemalten Naht. Innerhalb des Dreiecks finden<br />

sich winzige Pigmentpunkte, ferner weitere Gebrauchsspuren<br />

in unregelmäßiger Verteilung. Die beiden Grenzlinien des<br />

Dreiecks haben unterschiedliche Gestalt. Die obere ist ein<br />

10<br />

scharf gezogener Umriß, die untere fasert aus. Aus blau eingefärbtem<br />

Material ist die Leinwand gewebt, ein Produkt der Massenfabrikation.<br />

Die Farbe ist ihr selbstverständlicher Bestandteil.<br />

Lebendige Materie<br />

Nach einem Besuch <strong>Hofschen</strong>s in New York und einem längerem<br />

Aufenthalt auf der Insel Santorin öffnen sich die Bildflächen<br />

in die Höhe und die Weite. In ›Modifikation H 43‹ (1983; Abb. 3),<br />

einer Mischtechnik aus Ölfarbe, Segeltuch, Ponal und Papier,<br />

einem eher untypischen Gemälde, dringen sämtliche Bildkräfte<br />

über die äußeren Begrenzungen der Leinwand hinaus. Der Charakter<br />

des Zusammengesetzten, der Montage, des Gemachten,<br />

bricht sich stärker Bahn als vorher, und die Nähte verwandeln<br />

sich in Bildstrukturen. Der neutrale, fast farblose Fond der Trägermaterialen<br />

mit vereinzelten kompakten und umrandeten<br />

Flecken befördert das noch. Es ist, als ziehe <strong>Edgar</strong> <strong>Hofschen</strong> eine<br />

Art Fazit und bereite durch die äußerste farbliche Reduktion<br />

die Vergegenständlichung der Farbe in seinem Werk vor, die<br />

bislang vorwiegend als Nicht-Farbe sowie Dennoch-Farbe in Erscheinung<br />

getreten ist.<br />

Eine Gruppe von zehn Gemälden identischen Formats mit der<br />

Bezeichnung ›Modifikation P 8‹ (1992; Abb. 7), Ölfarbe, Papier<br />

und Leinwand, zeigt beispielhaft seine Annäherung an die Farbe.<br />

Zwischen den Polen Rot und Schwarz erstreckt sich die<br />

Vergegenwärtigung der Farbe, die wie die Bildträger als Material<br />

begriffen wird. Der Künstler schichtet die Farbe, und die Prozedur<br />

des Farbauftrags repräsentiert das, was in den früheren Bildern<br />

eine Konsequenz ihrer ›Geschichte‹ gewesen ist. Die<br />

Schichten rekrutieren sich aus verschiedenen Farben, und jede<br />

Farbe der unteren Schicht bestimmt, in unterschiedlichen Intensitäten<br />

zwar, die Farbqualität der darübergelegten. Farben verdichten<br />

sich zur Farbe. »Was bleibt, ist die farbliche Essenz.«24<br />

Die Farbe als solche, erklärte der Maler, interessiere ihn weniger,<br />

ihm sei sie ein Material wie Ton dem Plastiker. Ausschlaggebend<br />

sei nur »das Machen«.25<br />

Die folgenden Werkgruppen loten das Problem Farbe in beziehungsreichen<br />

Varianten und Modifikationen aus und vergegenständlichen<br />

Farbe als ›lebendige‹ Materie. Mit dem Mischen von<br />

Pigmenten und Leinöl in einem bestimmten Verhältnis hebt das<br />

Machen der Farbe an. Anschließend schlägt er die Mixtur mit einem<br />

Besen kräftig durch, so daß die Farbmasse eine stumpfere<br />

Wirkkraft erhält und wie »aufgeschlagen« (<strong>Hofschen</strong>) anmutet.<br />

Bei den Ölfarben für die unteren Schichten der Gemälde fügt er<br />

Quarzsand hinzu. Weil die Pigmente je nach Volumen – Blau<br />

benötigt ein vielfaches an Leinöl als Erdfarbe – in unterschiedlich<br />

langer <strong>Zeit</strong> die Malmittel absorbieren, läßt <strong>Hofschen</strong> die Ölfarbe<br />

über Nacht ruhen. Danach trägt er sie in kleinen, recht-

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