Edgar Hofschen - Zeit Kunstverlag
Edgar Hofschen - Zeit Kunstverlag
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Klaus Honnef<br />
über <strong>Edgar</strong> <strong>Hofschen</strong><br />
Am 9. Oktober 1308 versicherte der berühmte Maler Duccio in<br />
einem Vertrag über die Herstellung eines Hochaltars der Sieneser<br />
Domopera, er werde, so gut er könne und es verstehe und<br />
Gott ihm beistehe, die Tafel »malen und machen«.1 Wenn <strong>Edgar</strong><br />
<strong>Hofschen</strong>, mehr als 600 Jahre und viele ikonologische2 Häutungen<br />
später geboren (1941 im ostpreußischen Tapiau) sowie ein<br />
<strong>Zeit</strong>alter entfernt vom Selbstverständnis des Malers auf der<br />
Schnittstelle zwischen spätem Mittelalter und früher Neuzeit,<br />
über seine Arbeit spricht, zieht er das Verb ›machen‹ der Aussage<br />
›malen‹ vor. Dabei gehört sein Werk gar nicht zur Kategorie<br />
der Ende des 20. Jahrhunderts verbreiteten Verkoppelungs-<br />
Künste von der Art der Montage, Assemblage oder Installation,<br />
kurzum des Hantierens mit heterogenen und zuvor kunstfremden<br />
Materialien.<br />
Schlicht Maler<br />
<strong>Hofschen</strong> ist Maler; in dem Sinne, daß als Maler schlechthin ihn<br />
zu charakterisieren nicht verfehlt ist. Auf das an- und abschwellende<br />
Gerede vom Tode der Malerei hat er nie etwas gegeben.<br />
Gleichwohl bekundet sich in seinen Bildern eine ungewohnte<br />
und bis zum Auftritt seiner Gemälde unbekannte Praxis des Metiers.<br />
Sie gründet in der künstlerischen Resonanz auf eine heteronome<br />
Moderne. In seiner Malerei verwendet der Künstler<br />
viele traditioneller Auffassung von Malerei nicht konforme Mittel,<br />
Materialien und Techniken. So bilden Zeltplanen neben der<br />
Leinwand ein Basiselement seiner Kunst und statt Pinsel auch<br />
spezifische Werkzeuge zum Auftragen und Abschleifen der Farbe.<br />
Doch die Zeltplanen liefern nicht wie die Leinwand allein den<br />
Träger seiner Gemälde. Sie verkörpern als Fundstücke zudem<br />
einen wichtigen Teil ihrer Bedeutung. Da sie häufig schon in Gebrauch<br />
waren und dessen Spuren verraten, haben sie als Bühne<br />
des sichtbaren Geschehens zwar die gleiche Funktion wie die<br />
noch unbehandelte Leinwand. Aber durch ihre außer-künstlerische<br />
Vornutzung verschiebt sich in phänomenologischer Hinsicht<br />
hier das Problem vom Gemachten zum Gewordenen. Die<br />
Einflüsse der Witterung und die Male infolge ständiger Inanspruchnahme<br />
wären darunter zu begreifen. Daß der Maler auch<br />
zielgerichtet fotografiert und seinen Ausstellungen gelegentlich<br />
fotografische Bilder zugesellt hat, spielt eine untergeordnete<br />
Rolle. Obwohl die Fotografien im Zusammenhang der Bildfindung<br />
nicht unwesentlich sind, treten sie hinter den Gouachen<br />
als Experimentierfeld zurück.3<br />
Nichts desto weniger weist die Bezeichnung ›Modifikationen‹,<br />
die der Künstler seit dem Jahr 1971 für seine Gemälde wählt,<br />
auf den Aspekt des Machens hin. Die Frage, in welcher Weise<br />
<strong>Hofschen</strong> den Begriff in Stellung bringt, erregte das Interesse<br />
der Kunstkritik. Übereinstimmung herrschte, daß er eine Abwandlung,<br />
eine Veränderung im Vergleich zu einem bestimmten<br />
Modifikationen in der Malerei<br />
Modus (oder einem Modul gemäß der Informatik oder auch einem<br />
Modell) im Auge hatte. Subkutan könnte er auch die biologische<br />
Definition der Modifikation mitbedacht haben: Sie umschreibt<br />
die Veränderung eines Erscheinungsbildes kraft<br />
äußerer Faktoren, ohne daß die Kernsubstanz (im konkreten Fall<br />
die Gene) beeinflußt werden. Die Kernsubstanz wäre im Lichte<br />
der Kunst die Essenz der Malerei; in philosophischer Hinsicht<br />
die Malerei ›an sich‹, in künstlerisch-pragmatischer die materielle<br />
Seite. Die äußeren Faktoren würden in den Einwirkungen des<br />
Künstlers bestehen.<br />
Was den Maler tatsächlich zur Wahl des Begriffs der Modifikation<br />
bewogen hat, ist letztlich unerheblich. Wahrscheinlich ist ihm<br />
als gebildetem und hinreichend neugierigem Kopf die Vielfalt<br />
der Konnotationen bei gleichzeitiger perspektivischer Zuspitzung<br />
nicht entgangen. Ehe er ein Studium der Malerei an der<br />
Kunstakademie in Düsseldorf (1972-1975) anfing, hatte er in<br />
Wuppertal Pädagogik (1961-1964) und in Köln Kunstgeschichte<br />
sowie Philosophie (1965-1971) studiert und sich einen umfangreichen<br />
Fundus an Wissen rund um die Kunst angeeignet. Er<br />
wird die Wahl für die zentrale Bezeichnung seiner Malerei erst<br />
nach sorgfältigen Überlegungen getroffen haben; ebenso wie<br />
die Entscheidung, sich trotz verlockender Angebote von anderwärts<br />
als einfacher Hauptschullehrer im Bergischen Land, wo er<br />
aufgewachsen ist, in Radevormwald zu engagieren.<br />
Werkgruppen<br />
Seine Malerei treibt <strong>Edgar</strong> <strong>Hofschen</strong> in einzelnen Werkgruppen<br />
voran. Sie ordnet er unter dem Oberbegriff der Modifikation in<br />
der Reihenfolge des Alphabets. Mit dem Buchstaben A beginnend<br />
ist er Anno 2005 bei dem Buchstaben V angelangt. Die<br />
Ziffern hinter den Buchstaben in den Bildtiteln markieren die<br />
Position des jeweiligen Gemäldes innerhalb der Jahreszählung.<br />
Die Bezeichnung der Bilderfolge als Modifikation signalisiert,<br />
daß der Maler sein Werk a priori als einen sich vollziehenden<br />
Prozeß, tendentiell unabschließbar, angesehen hat. Darüber<br />
hinaus spiegelt sich darin auch die entschiedene Absage an die<br />
Vorstellung eines Fortschreitens in Richtung einer wie auch immer<br />
gearteten Vervollkommnung, eines ›work in progess‹ mit teleologischer<br />
Bestimmung. »Bereits im Dyptichon ›Modifikation 0<br />
1‹ wird der Betrachter mit der Engführung divergierender künstlerischer<br />
Mittel in einem (wenn auch zweiteiligen Werk) konfrontiert.<br />
Aus der linken Tafel erhebt sich allmählich deutlich sichtbar<br />
aus der Bildfläche ein Binnenfeld schwarz in schwarz,<br />
zusätzlich akzentuiert lediglich durch eine als Naht vorgegebene<br />
mittlere Vertikale – ein asketisches Bild anscheinend, jedenfalls<br />
solange man nicht genau hinschaut. Dagegen ist das hellgraue<br />
Feld der rechten Tafel mit rosafarbenen Senkrechtbalken bestückt<br />
und ebensolchen Kreiselementen durchsetzt, die Lein-<br />
3