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Edgar Hofschen - Zeit Kunstverlag

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Damit ist der Akt der Arbeit, das Machen, der physische Vollzug,<br />

Objekt und Bestandteil seiner Kunst. Roland Barthes betont,<br />

daß die lateinische Version des Wortes Arbeit ein vornehmlich<br />

agrarisches Wort ist – »bei der der ganze Körper im Einsatz<br />

ist«11 Malerei ist im Verständnis von <strong>Edgar</strong> <strong>Hofschen</strong> indes nicht<br />

nur das Ergebnis einer intensiven körperlichen Verrichtung – zugleich<br />

ist jedes Gemälde selbst ein Körper und im Gegensatz zu<br />

den Bildern der technischen und elektronischen Bildtechniken<br />

ein Gegenstand mit körperhafter Ausstrahlung. Die meisten seiner<br />

Bilder besitzen so etwas wie einen lebendigen Corpus aus<br />

Muskeln und Organen. Es sind Bildflächen, die dank in sie investierter<br />

Arbeit zu pulsieren scheinen gerade aufgrund ihrer körperlichen<br />

Dichte. In seinen Gemälden vergegenwärtigt sich »eine<br />

Konzeption der Form in dynamischen Begriffen, als Materie<br />

im Fluß [...], im Sinne des ursprünglichen, präsokratischen Worts<br />

für Form: des Rhythmus, der Prägung der Materie durch die innere<br />

Energie des Körpers in seiner vibrierenden somatischen<br />

Beweglichkeit, durch den arbeitenden Körper der materiellen<br />

Praxis.«12<br />

Die einzelnen Etappen seiner künstlerischen Arbeit, die bloß entfernt<br />

mit Entwicklungsstadien gleichgesetzt werden können, hat<br />

der Maler zunächst in komprimierten, mitunter dialektisch zugespitzten<br />

Texten verbalisiert. Zu den ersten Modifikationen heißt<br />

es zum Beispiel: »Leinwand, genäht/Felder, getrennt/Verbindende<br />

Ordnung.«13 Genauer beschrieben haben sie Johannes<br />

Meinhardt14 und Ralf Kulschewskij.15 Obwohl <strong>Hofschen</strong>16<br />

mehrfach mit Künstlern ausgestellt hat, deren künstlerischen<br />

Beitrag ich unter dem Label ›Analytische Malerei‹17 zusammengefaßt<br />

habe, unterhält sein Werk bloß oberflächliche Beziehungen<br />

zu deren Bildern. Im Focus seiner Kunst stand weniger die<br />

tautologische Demonstration malerischer Mittel und ihres Aufeinandertreffens<br />

als die entscheidendere Frage, was Malerei<br />

denn überhaupt sei nach dem Ende von Informel und Abstraktem<br />

Expressionismus sowie der aufbrechenden Krise ihres<br />

Selbstverständnisses. Da mag es einen analytischen Abschnitt<br />

gegeben haben – Meinhardt belegt eine »analytische Phase«18<br />

zwischen 1967 und 1971 –, tatsächlich ist das gesamte malerische<br />

Werk <strong>Hofschen</strong>s sowohl Gegenstand als auch Produkt des<br />

sich fortzeugenden und ständig offenen Experiments, das in und<br />

durch Malerei besteht. Insofern unterstreicht Lothar Romain mit<br />

einigem Recht: » ›Die Sachen‹ [...] stehen (in seinem Werk – K.<br />

H.) für sich selbst, vom Hersteller nach einem intellektuell nachvollziehbaren,<br />

durch Sprache aber nicht ersetzbaren Prozeß so<br />

und so angeordnet.«19<br />

»Materie als prima causa«<br />

Im Jahr 1969, noch bevor <strong>Hofschen</strong> das Studium der Malerei<br />

aufgenommen hatte, entschied er sich für gebrauchte Zeltlein-<br />

<strong>Edgar</strong><br />

<strong>Hofschen</strong><br />

wand als Basis seiner Gemälde. »Materie als prima causa«20,<br />

notierte der Künstler erläuternd. In dieser ungewöhnlichen Wahl<br />

dokumentierte sich einerseits seine Skepsis gegenüber der<br />

schöpferischen Künstlerhand, andererseits die Überzeugung,<br />

daß sich die Tätigkeit des Malens nicht zwangsläufig auf das<br />

manuelle Auftragen von Farbe auf einen Bildträger beschränken<br />

müsse. Zu seiner Auffassung von künstlerischer Praxis, durchaus<br />

im Einklang mit Maximen der Avantgarde im Fahrtwind Marcel<br />

Duchamps, zählte auch die Wahl der Materialien. Darin und<br />

nicht im ersten Pinselschwung äußert sich die primäre Entscheidung<br />

im künstlerischen Prozeß der Malerei. Um die Voraussetzung<br />

für die Realisierung seiner Vorstellungen zu schaffen, mußte<br />

der Künstler sein Werk in die Sphäre der Alltäglichkeit und<br />

Eintönigkeit stellen, des »Neutrums« (Roland Barthes).<br />

In punkto gebrauchter Zeltleinwand war das Gemalte bereits<br />

vorgegeben – weder farblos noch farbig; vorgegeben durch die<br />

›Geschichte‹ des verwendeten Materials. Schriftliche Aufdrucke<br />

bezeugen seine Herkunft. Die Spuren des alltäglichen Hantierens<br />

oder des Wetters kumulieren Geschichte. <strong>Hofschen</strong> tilgt sie<br />

nicht. Die Einschreibungen der <strong>Zeit</strong> blieben erhalten, gleichsam<br />

in ihrer originalen Schichtung. Die künstlerischen Eingriffe bestanden<br />

neben der Auswahl im »Organisieren« der Planen zu einer<br />

»verbindenden Ordnung« (<strong>Hofschen</strong>) im Rahmen eines<br />

rechteckigen Bildformats. Womöglich vorhandene Nähte integrierte<br />

er als substantielle Bildwerte. Das Machen ersetzt das<br />

Malen. Die Nähte schaffen Brücken zwischen den Bildfeldern,<br />

heben die vorige Trennung auf – und auch sichtbar hervor. An<br />

den Grenzen entstehen Energieballungen, »Spannungsmomente«<br />

(<strong>Hofschen</strong>). Sie lösen sich im Kontinuum der Bilder und kraft<br />

des Zusammenspiels mit den äußeren Umrissen der Rahmen<br />

nach und nach auf. »Nur in dem Maße, wie die Malerei oder<br />

Zeichnung diese ihr eigene materielle Bedingung reflektiert,<br />

kann sie den Illusionismus der ästhetischen Bildlichkeit und<br />

Bildräumlichkeit überwinden oder unterlaufen und ihre eigene<br />

Realität sichtbar machen.«21<br />

Außer Zeltleinen kommt Segeltuch zum Zuge. »Dem künstlerisch<br />

aktiv tätigen Augenmerk auf vorbestehende Nähte folgen<br />

›Behandlungen‹ […] von Rissen in Leinwandbahnen […]. Ein vorgefundener<br />

Riß wird durch aufgeklebtes Papier überdeckt, die<br />

Reparaturlinie von hinten mit Ponal verstärkt. Lose Papierteile<br />

werden nach dem Trocknen entfernt.«22 Ponal ist ein lösungsmittelfreier<br />

Holzleim, gedacht für Verklebungen von Holz und<br />

Holzwerkstoffen, aber auch geeignet für Karton und Papier. In<br />

zahlreichen Gemälden <strong>Hofschen</strong>s ist der Leim Gegenstand und<br />

Mittel in einem. Er verleiht der Begegnung unterschiedlicher Materialien<br />

Festigkeit, und gelegentlich prägen seine ›Kraftlinien‹<br />

Teile der Oberfläche. ›Modifikation C 23‹ (1973; Abb. 1) besteht<br />

7

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