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diakonie regensburg aktuell - dw-regensburg.de

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Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser<br />

Lassen Sie sich auf ein kleines Gedankenspiel mit mir<br />

ein: Sie haben eine interessante Arbeitsstelle. Von <strong>de</strong>ren<br />

Einkünften können Sie einigermaßen gut leben. Zu<strong>de</strong>m<br />

gehören dazu auch nette Kollegen und Sie arbeiten seit<br />

zwanzig Jahren im selben Betrieb. Gänzlich unerwartet ver-<br />

lieren Sie diese Stelle, die Firma musste Konkurs anmel-<br />

<strong>de</strong>n. Um <strong>de</strong>n beruflichen Anschluss nicht zu verlieren und<br />

in Hartz 4 zu lan<strong>de</strong>n, sind Sie gezwungen einen Job bei<br />

einer Zeitarbeitsfirma anzunehmen. Hier verdienen Sie<br />

über ein Drittel weniger, die Kollegen wechseln so häufig<br />

wie die Arbeitsstellen und Sie sind <strong>de</strong>r erste <strong>de</strong>m gekün-<br />

digt wird, wenn die Auftragslage schlechter wird. Zu<strong>de</strong>m<br />

reicht das Gehalt nicht zum Leben und Sie müssen ergän-<br />

zend Arbeitslosengeld II beantragen. Nun zählen Sie zu <strong>de</strong>n<br />

sogenannten „Aufstockern“, ein furchtbares Wort für einen<br />

furchtbaren Zustand. Dinge wie Urlaub, Urlaubsgeld und<br />

Kündigungsfristen, die für Sie früher völlig selbstverständ-<br />

lich waren, wer<strong>de</strong>n in solch prekären Arbeitsverhältnissen<br />

schnell zum Problem. Sie müssen immer flexibel genug<br />

sein, um innerhalb kürzester Zeit neue Einsatzstellen antre-<br />

ten zu können. Dazu benötigen Sie ein Fahrzeug, das Sie<br />

sich nicht leisten können.<br />

Genug <strong>de</strong>s kleinen Kopfspiels und zurück zur keines-<br />

wegs weniger bitteren Realität, mit <strong>de</strong>r wir in <strong>de</strong>n Beratun-<br />

gen von Menschen konfrontiert sind, die zu uns kommen,<br />

weil sie ohne Unterstützung nicht mehr weiter wissen: Trotz<br />

niedriger Arbeitslosenquote und einer florieren<strong>de</strong>n Wirt-<br />

schaft suchen immer mehr Menschen mit ähnlichen Pro-<br />

blematiken Hilfe in unseren Beratungsstellen. Anträge an<br />

Stiftungen, Wi<strong>de</strong>rsprüche gegen Beschei<strong>de</strong> und Schul<strong>de</strong>n-<br />

regulierung prägen <strong>de</strong>n Arbeitsalltag von mir und meiner<br />

Kolleginnen und Kollegen.<br />

3<br />

Wir unterstützen auch bei <strong>de</strong>r Arbeitssuche, stellen<br />

dabei aber fest, dass unbefristete Stellen mit tariflicher<br />

Entlohnung die Ausnahme und Leiharbeit zum Normalfall<br />

gewor<strong>de</strong>n ist. Viele Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen han-<br />

geln sich von einem Job und von einer Firma zur an<strong>de</strong>-<br />

ren. Leiharbeit war einmal als Sprungbrett in <strong>de</strong>n regulä-<br />

ren Arbeitsmarkt gedacht. Nun zeigt sich, dass sich die-<br />

ser Bereich <strong>de</strong>s Arbeitsmarktes komplett verselbstständigt<br />

hat und ununterbrochen wächst. Um die Kernbelegschaft<br />

eines Unternehmens o<strong>de</strong>r Betriebes mit tariflicher Entloh-<br />

nung und unbefristeten Arbeitsverträgen hat sich allzu oft<br />

ein Ring von Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen<br />

gebil<strong>de</strong>t – eine Entwicklung die gera<strong>de</strong>zu zwangsläufig zu<br />

einer Zweiklassengesellschaft innerhalb von Unternehmen<br />

und in <strong>de</strong>r Gesellschaft führt.<br />

Zweifellos wird sich unsere Arbeitsgesellschaft mit ihren<br />

Standards in Zukunft weiter gravierend verän<strong>de</strong>rn. Gebro-<br />

chene Erwerbsbiografien wer<strong>de</strong>n zur Normalität und Arbeit-<br />

nehmer, die sich heute noch in gesicherten Arbeitsverhält-<br />

nissen fin<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n vielleicht schon morgen selbständig<br />

o<strong>de</strong>r arbeitslos sein.<br />

In <strong>de</strong>r Diskussion zum Thema Arbeit geht es meist um<br />

Geld, Leistung und Rentabilität. Dabei aber wird vergessen,<br />

dass die andauern<strong>de</strong> finanzielle Not sowie die fehlen<strong>de</strong><br />

Aussicht auf verlässliche Beschäftigung Spuren bei <strong>de</strong>n<br />

betroffenen Menschen hinterlassen. Stress, Resignation,<br />

häufige Erkrankungen, nicht bewältigbare finanzielle Belas-<br />

tungen und Zukunftsängste gehen oft einher mit unsiche-<br />

ren Arbeitsverhältnissen.<br />

Es ist unsere Aufgabe, das Bewusstsein zu stärken,<br />

dass Menschen mehr sind als nur Arbeitskraft und dass<br />

die Entsolidarisierung <strong>de</strong>r Gesellschaft je<strong>de</strong>n treffen kann.<br />

Heute o<strong>de</strong>r morgen.<br />

Monika Huber, stellvertreten<strong>de</strong> Bezirksstellenleiterin

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