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1525 das Domkapitel die beibehaltenen Neuerungen - Historicum.net

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278 Winfried Schulze Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte 279<br />

bäuerlichen Erbuntertanen" in Brandenburg-Preußen kann nicht voll<br />

überzeugen, wenn es darum geht, eine Erklärung für <strong>die</strong> begrenzten Aufstandsbewegungen<br />

zwischen Bauernkrieg und „Bauernbefreiung" zu entwickeln.3<br />

Generell läßt sich feststellen, daß <strong>die</strong>se Aufstandsbewegungen vor allem<br />

unter landesgeschichtlichen Aspekten Interesse gefunden haben. Erst kürzlich<br />

sind <strong>die</strong> wichtigsten in der Geschichte des deutschen Bauernstandes<br />

von Günther Franz zusammengestellt worden.' Eine systematische Analyse<br />

des damit angesprochenen umfassenden Themas: „soziale Konflikte in der<br />

ständischen Gesellschaft" hat im Gegensatz etwa zur französischen und<br />

englischen Forschung keine eigene Tradition, wenn wir einmal von den<br />

relativ summarischen Ausführungen der Handbücher und Gesamtdarstellungen<br />

der Wirtschafts- und Sozialgeschichte absehen.6<br />

Eine Interpretation mit dem Anspruch auf umfassende Erklärung wurde<br />

bisher nur von der marxistischen Forschung vorgelegt. Sie mißt den bäuerlichen<br />

Aufstandsbewegungen und anderen Formen des Widerstandes vom<br />

16. bis zum 18. Jahrhundert <strong>die</strong> Funktion zu, den Übergang von der<br />

ständisch beschränkten zur absoluten Monarchie dadurch bewirkt zu haben,<br />

daß der Feudaladel gezwungen wurde, sich bei der Abwehr der Gefahr<br />

bäuerlicher Aufstände auf <strong>das</strong> Machtpotential des Landesfürstentums<br />

zu verlassen. ? Die in der DDR relativ intensiv betriebene Forschung zur<br />

Agrar- und bäuerlichen Sozialgeschichte der Frühen Neuzeit hat in <strong>die</strong>sem<br />

3 0. Hintze, Kalvinismus u. Staatsräson in Brandenburg zu Beginn des 17. Jahrhunderts,<br />

in: Gesammelte Abhandlungen, Bd. III, Göttingen 1967 2, S. 264. Der<br />

Hinweis auf Hintze mag hier für eine Vielzahl ähnlich argumentierender Autoren<br />

stehen.<br />

4 G. Franz, Geschichte des deutschen Bauernstandes, Stuttgart 1970, S. 179 ff.<br />

5 Ohne auf einzelne Autoren einzugehen, begnüge ich mich hier mit dem Hinweis<br />

auf den instruktiven Aufsatz von C. S. L. Davies, Peasant revolt in France and<br />

England. A comparison, in: The Agricultural History Review 21. 1973, S. 122-34<br />

mit weiteren Literaturangaben und <strong>die</strong> vergleichende Arbeit von B. Moore, Soziale<br />

Ursprünge von Diktatur u. Demokratie. Die Rolle der Grundbesitzer u. Bauern<br />

bei der Entstehung der modernen Welt, Frankfurt 1969.<br />

6 Auszunehmen ist davon <strong>die</strong> in Anm. 4 erwähnte ausführlichere Behandlung der<br />

Aufstände nach <strong>1525</strong> bei Franz, der (S. 196) <strong>die</strong>sen Aufständen <strong>die</strong> Wirkung zuspricht,<br />

<strong>die</strong> „weitere Verschlechterung der bäuerlichen Lage" gehemmt und „<strong>die</strong><br />

bestehende feudale Ordnung" untergraben zu haben. Zur Auffassung von Franz<br />

vgl. jetzt <strong>die</strong> Bemerkungen bei Blickte, Revolution, S. 17, Anm. 56. — Erst Veröffentlichungen<br />

der letzten Zeit greifen <strong>das</strong> Problem der Bauernaufstände im<br />

Zusammenhang auf, vgl. z. B. H. Wunder, Der samländische Bauernaufstand<br />

von <strong>1525</strong>. Entwurf für eine sozialgeschichtliche Forschungsstrategie, in: R. Wohlfeil<br />

(Hg.), Der Bauernkrieg 1524-26, München 1975, S. 143-76, bes. S. 163 ff.<br />

7 Diese im Rückgriff auf B. Porschnew formulierte These bei G. Heitz, Der Zusammenhang<br />

zwischen den Bauernbewegungen u. der Entwicklung des Absolutismus<br />

in Mitteleuropa, in: ZfG (Sonderheft) 13. 1965, S. 71-83, hier S. 72.<br />

Ähnlich auch H. Schultz, Bäuerliche Klassenkämpfe zwischen frühbürgerlicher<br />

Revolution u. dreißigjährigem Krieg, in: ZfG 20. 1972, S. 156-73.<br />

Zusammenhang bemerkenswerte Ergebnisse gezeitigt, deren Entwicklung<br />

hier besonders zu verzeichnen ist. Ging Percy Stulz 1955 noch von der<br />

Engels'schen Forderung aus, <strong>das</strong> „aufgeklärte Vorurteil", „es müsse doch<br />

seit dem dunklen Mittelalter ein stetiger Fortschritt zum Besseren stattgefunden<br />

haben", zu widerlegen, 8 so betonen neuere Forschungen demgegenüber<br />

<strong>die</strong> positive Rolle des erstarkenden absolutistischen Staates,<br />

der „<strong>die</strong> freiwillige Anerkennung der Massen" dadurch gewann, daß er<br />

„vernünftige nationale, dem Allgemeinwohl <strong>die</strong>nende Interessen vertrat".9<br />

Dieser Staat, so formulierte es der auf <strong>die</strong>sem Gebiet führende Gerhard<br />

Heitz, „förderte, teils aus ökonomischen, teils aus militär-politischen Motiven,<br />

<strong>die</strong> Entwicklung der Bauern, indem er sie als Klasse in ihrem zahlenmäßigen<br />

Bestand und hinsichtlich ihrer Verfügungsgewalt über <strong>die</strong> Produktionsmittel<br />

gegen den Adel schützte; keineswegs aus humanitären Erwägungen,<br />

aber objektiv wirksam". 19 Auch <strong>die</strong> von Historikern der Bundesrepublik<br />

vorgelegten Untersuchungen zur Entwicklung der Herrschaftsbeziehungen<br />

zwischen Grundherren und Bauern laufen in ihren Ergebnissen<br />

in <strong>die</strong> gleiche Richtung.11<br />

Dieser so skizzierte Forschungsstand bietet m. E. einen Ansatzpunkt, <strong>das</strong><br />

Problem des sozialen Konflikts in der Frühen Neuzeit aufzugreifen und<br />

durch <strong>die</strong> Formulierung einiger Thesen weiterzuführen. 12 Dieser Versuch<br />

muß mit der allgemein methodischen Schwierigkeit fertig werden, <strong>die</strong> sich<br />

8 P. Stultz u. A. Opitz, Volksbewegungen in Kursachsen zur Zeit der Französischen<br />

Revolution, Berlin 1956, S. 9, hier Friedrich Engels zitierend, der Maurer kritisiert.<br />

Vgl. Marx-Engels, über Deutschland u. <strong>die</strong> deutsche Arbeiterbewegung,<br />

Bd. 1, Berlin 1961, S. 613.<br />

9 So formuliert M. Reißner, Bauer u. Advokat im spätfeudalen Kursachsen, in:<br />

Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, GSR, 21. 1972, S. 38.<br />

10 Heitz, Bauernbewegungen, S. 83. Vgl. auch <strong>die</strong> rhetorische Frage von Karl Czok,<br />

ob nicht „<strong>die</strong> bescheidene Entwicklung von Handwerk, Manufaktur und Handel"<br />

im Rahmen der Territorialstaaten „nicht immer noch vorteilhafter als der Sturz<br />

in <strong>die</strong> feudale Anarchie" war? K. Czok, Charakter u. Entwicklung des feudalen<br />

deutschen Territorialstaates, in: ZfG 21. 1973, S. 925-49, hier S. 949.<br />

11 So etwa H. Hirschfelder, Herrschaftsordnung u. Bauerntum im Hochstift Osnabrück<br />

im 16. u. 17. Jahrhundert, Osnabrück 1971, S. 111, 182 u. 191 oder F. W.<br />

Henning, Herrschaft u. Bauernuntertänigkeit. Beiträge zur Geschichte der Herrschaftsverhältnisse<br />

in den ländlichen Bereichen Ostpreußens u. des Fürstentums<br />

Paderborn vor 1800, Würzburg 1964, z. B. S. 105 oder P. Blickte, Bauer u. Staat<br />

in Oberschwaben, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 31. 1972,<br />

S. 104-20.<br />

12 Der hier verwendete Begriff des „sozialen Konflikts" bedarf für <strong>die</strong>sen Zusammenhang<br />

keiner weiteren konfliktsoziologischen Präzisierung. Er <strong>die</strong>nt lediglich<br />

zur generellen Kennzeichnung manifester Interessendivergenzen zwischen verschiedenen<br />

sozialen Gruppen, hier zwischen Grundherren, untertänigen Bauern<br />

und den jeweils betroffenen Landesfürsten. Bei der Anwendung <strong>die</strong>ses Begriffs auf<br />

<strong>die</strong> Verhältnisse des 16. u. 17. Jahrhunderts scheint der Hinweis Schelskys beachtenswert,<br />

wonach <strong>die</strong> Korrelation von „Schutz und Gehorsam" auf beiden Seiten<br />

des Herrschaftsverhältnisses Konflikt ebenso wie Kooperationstendenzen voraussetzt:<br />

H. Schelsky, Die Bedeutung des Klassenbegriffes für <strong>die</strong> Analyse unserer

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