1525 das Domkapitel die beibehaltenen Neuerungen - Historicum.net
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286 Winfried Schulze Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte 287<br />
men bäuerlichen Widerstands," auch wenn <strong>das</strong> Ausmaß <strong>die</strong>ses Spielraums<br />
nicht definitiv festgelegt wurde. Im Gegenteil war man bemüht, den Untertanen<br />
selbst Fälle möglichen Widerstands (etwa gegen ungerechte Behandlung<br />
und Amtsmißbrauch) zu verheimlichen, um so den möglichen Spielraum<br />
nicht einzugrenzen.<br />
Der Verlauf des oberösterreichischen Bauernaufstands vom Ende des<br />
16. Jahrhunderts kann uns <strong>das</strong> neue Ausmaß <strong>die</strong>ses Spielraums sichtbar<br />
machen. 31 Den aufständischen Bauern, <strong>die</strong> nach der Auskunft eines Agenten<br />
des Hauses Fugger „von ihren Oberen über <strong>die</strong> Maßen mit neuen Auflagen,<br />
<strong>die</strong> sie nicht erschwingen können, sehr bedrängt" wurden, bot sich<br />
nach der Ausweitung der Bewegung auf drei der Viertel des Landes <strong>die</strong><br />
Möglichkeit, ihre Beschwerden gegen <strong>die</strong> Herrschaften vor einer kaiserlichen<br />
Kommission verhandeln zu lassen. Am Kaiserhof sah man in <strong>die</strong>sem<br />
quasi gerichtlichen Schiedsverfahren zwischen den Beschwerden der Bauern<br />
und den Interessen der Grundherrschaften <strong>die</strong> einzige Möglichkeit, in<br />
<strong>die</strong>ser Zeit der äußeren Gefährdung und des Angewiesenseins auf <strong>die</strong><br />
Erträge der Landwirtschaft den offenen Konflikt beizulegen und einen<br />
Ausgleich zwischen den Parteien herbeizuführen. Diese Form der Bereinigung<br />
des Konflikts muß unser besonderes Interesse erregen. Bauern wie<br />
Obrigkeiten wurden wie Parteien vor Gericht nach Prag vor <strong>die</strong> kaiserliche<br />
Kommission gebeten, um dort ihre Sache zu vertreten.<br />
Am 8. Mai 1597 hörten in Prag 37 Bauernvertreter und <strong>die</strong> ständischen<br />
Gesandten <strong>die</strong> kaiserliche Interimsresolution, mit der Abgaben und Dienste<br />
der Bauern auf <strong>die</strong> in den Urbaren fixierten Größen festgesetzt wurden.<br />
Eine Reihe anderer Geld<strong>die</strong>nste der Bauern wurde auf <strong>das</strong> rechtlich zulässige<br />
Maß zurückgeschraubt, andere wurden ganz gestrichen. Die Robotverpflichtung<br />
wurde gegen scharfen adligen Protest schließlich auf 14 Tage<br />
festgelegt. Ohne hier auf <strong>die</strong> weiteren Reaktionen der oberen Stände einzugehen,<br />
<strong>die</strong> erhebliche Bestechungsgelder für ihre Interessen einsetzten,<br />
soll nur auf <strong>die</strong> Äußerungen zweier der beteiligten Adligen und Prälaten<br />
feudale Herrschaft im späten 16. Jahrhundert, in: Südost-Forschungen 33. 1974,<br />
S. 15-61, bes. S. 50 ff.<br />
30 Blickle (Bauer u. Staat in Oberschwaben, S. 111) spricht im Zusammenhang mit<br />
dem Bauernkrieg davon, daß <strong>die</strong>ses Beispiel deutlich macht, „wie labil <strong>die</strong><br />
herrschaftlich-staatliche Basis in Oberschwaben in Krisensituationen war. Das<br />
bedeutet, daß auch <strong>die</strong> Herrschaften auf Ausgleich bedacht sein mußten, um sich<br />
selbst nicht zu gefährden." (Meine Hervorhebung.) Das bedeutet zugleich, daß<br />
<strong>die</strong> hier gemeinten Formen des Widerstands im allgemeinen unter der Schwelle<br />
des Aufruhrs blieben und sich im wesentlichen als unterschiedliche Formen der<br />
Rentenverweigerung und Angriff auf vermeintliche Rechtstitel der Herrschaften<br />
äußerten.<br />
31 Das Folgende nach A. Czerny, Der zweite Bauernaufstand in Oberösterreich<br />
1595-1597, Linz 1890 und G. Grün, Der Bauer im Lande ob der Enns am Ausgang<br />
des 16. Jahrhunderts. Abgaben und Leistungen im Lichte der Beschwerden<br />
und Verträge von 1597-98, Wien 1969.<br />
verwiesen werden. So äußerte sich Georg Erasmus Tschernembl, einer der<br />
späteren Führer der ständischen Opposition in Oberösterreich, entrüstet<br />
über <strong>das</strong> für ihn unwürdige Antichambrieren am Hofe, um bauernfreundliche<br />
Entscheidungen des Hofrates möglichst zu verhindern. Diese seiner<br />
Ansicht nach aller adligen Freiheit spottende Gleichbehandlung mit den<br />
Bauern mußte dem ständischen Verständnis absolut zuwider laufen. Ebenso<br />
empörte sich der spätere Kardinal Khlesl in einem Gutachten, daß man<br />
mit den rebellischen Bauern lange „parlamentiere", anstatt zu den bewährten<br />
Mitteln zu greifen. 32 Der gesamte Vorgang zeigte freilich auch — doch<br />
<strong>das</strong> steht hier nicht im Zentrum unseres Interesses — <strong>die</strong> Verknüpfung<br />
der Geschichte des landständischen Adels und der bäuerlichen Aufstandsbewegung.<br />
Angewiesen auf den Schutz des Landesfürsten gegen aufständische<br />
Bauern blieb den Ständen nichts anderes übrig, als sich der für sie<br />
entwürdigenden Gleichbehandlung zu beugen.<br />
Für <strong>die</strong> Bauern bedeutete <strong>die</strong>se Veränderung des Verfahrens der Konfliktlösung<br />
freilich noch keinen weitreichenden Gewinn. Wenn auch <strong>die</strong> Festsetzung<br />
der Robot einen entscheidenden Fortschritt darstellte, so mußte<br />
<strong>die</strong> Strafexpedition, <strong>die</strong> zwischen Interimsresolution und der darauf erfolgten<br />
Ablieferung der bäuerlichen Waffen und der Fortführung der Kornmissionsverhandlungen<br />
in Linz durchgeführt wurde, alle Illusionen über<br />
eine grundlegende Veränderung der Beziehungen zwischen Obrigkeit und<br />
Bauern zunichte machen. Hier konnte sich noch einmal <strong>die</strong> kurzsichtige<br />
ständische Auffassung von der Lösung sozialer Konflikte durchsetzen, <strong>die</strong><br />
mit der kaiserlichen Schlichtungspolitik zu Lasten des Adels höchst unzufrieden<br />
war.<br />
Diese im oberösterreichischen Bauernaufstand zwar nicht neu entwickelte,<br />
so doch erstmals in größerem Rahmen praktizierte Taktik der Konfliktlösung<br />
durch Schiedsverhandlungen wurde durchaus zu einem üblichen<br />
Mittel der Bereinigung von Konflikten im Verhältnis zwischen bäuerlichen<br />
Untertanen und ihren Obrigkeiten. 33 Ohne freilich ganz <strong>die</strong> traditionell<br />
32 Dazu H. Sturmberger, Georg Erasmus Tschernembl. Religion, Libertät u. Widerstand.<br />
Ein Beitrag zur Geschichte der Gegenreformation u. des Landes ob der<br />
Enns, Graz 1953, bes. S. 69 ff. — Von Interesse für <strong>die</strong> offensichtliche Veränderung<br />
der Lage ist <strong>die</strong> mehrfache, jedoch vergebliche Forderung der oberösterreichischen<br />
Stände, den Aufstand genau wie <strong>1525</strong>, d. h. durch eine aus Ständemitgliedern<br />
besetzte Kommission, beilegen zu lassen, um somit <strong>das</strong> Recht auf erste<br />
Instanz zu wahren, vgl. Czerny, Der zweite Bauernaufstand, S. 300, 302f. — Die<br />
Bemerkung Khlesls bei J. von Hammer-Purgstall, Khlesl des Cardinals, Directors<br />
des geheimen Cabi<strong>net</strong>s Kaiser Mathias Leben, Bd. 1, Wien 1847, S. 317.<br />
33 Dabei muß betont werden, daß es sich hei <strong>die</strong>ser Art von Konfliktlösung durch<br />
Schiedskommissionen keineswegs um ein Verfahren handelt, <strong>das</strong> erst im späten<br />
16. Jahrhundert genützt wird. Gerade <strong>die</strong> Konflikte im oberschwäbischen Raum<br />
wurden seit dem späten 15. Jahrhundert vielfach durch kaiserliche Kommissionen<br />
oder Schiedsgerichte des Schwäbischen Bundes beizulegen versucht. Gerade <strong>die</strong><br />
Landschaft Kempten versucht noch <strong>1525</strong> in mehreren Versuchen mit dem Schwäbischen<br />
Bund, <strong>die</strong> Differenzen mit dem Abt zu bereinigen. Auch <strong>die</strong> von Waas