Ausgabe 1304 als PDF zum Download - Kulturportal West Ost
Ausgabe 1304 als PDF zum Download - Kulturportal West Ost
Ausgabe 1304 als PDF zum Download - Kulturportal West Ost
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Literatur, von Menschen über Menschen gemacht<br />
Herta Müller erfährt leidvoll, wie ihr großer Roman<br />
plattester Aktenevidenz gegenübergestellt wird<br />
Eine Ausstellung über Leben und Werk einer<br />
lebenden Schriftstellerin – kein leichtes<br />
Unterfangen. Als Dr. Reinhard Wittmann, Leiter<br />
des Literaturhauses München, Ernest<br />
Wichner fragt, ob er, langjähriger Freund und<br />
Begleiter Herta Müllers sowie Leiter des<br />
Literaturhauses Berlin, eine Ausstellung über<br />
die Nobelpreisträgerin kuratieren würde,<br />
braucht dieser etwas Bedenkzeit. Zu Recht.<br />
Erinnert sich doch jeder an Literaturhaus-<br />
Ausstellungen, sehr gelungene zwar, aber<br />
über verstorbene Persönlichkeiten. Ausstellungen<br />
über Paul Celan beispielsweise, jenen<br />
Poeten, von dem man auch sagen kann:<br />
Er stand neben sich und wäre sich am liebsten<br />
nicht begegnet – um einen Müllerschen<br />
Titel zu paraphrasieren.<br />
Ernest Wichner entscheidet sich für die Ausstellung,<br />
kuratiert sie und beschreibt sein<br />
Anliegen kurz und knapp so: Die Ausstellung<br />
will die Stationen auf dem Lebensweg<br />
Herta Müllers „von einem Kind, das Kühe<br />
„Ich ist eine andere“,<br />
titelte die<br />
„Kulturpolitische<br />
Korrespondenz“ zu<br />
Herta Müllers<br />
Roman „Atemschaukel“.<br />
Daß<br />
auch dessen<br />
Hauptgestalt ein<br />
anderer ist <strong>als</strong><br />
Oskar Pastior und<br />
selbst Oskar<br />
Pastior vielen ein<br />
anderer werden<br />
würde <strong>als</strong> noch vor<br />
einem Jahr, das<br />
alles bleibt Herta<br />
Müller noch zu<br />
erzählen<br />
Bild: Hanser<br />
hütet im Tal“ bis zu jener Frau, die in Stockholm<br />
den Nobelpreis für Literatur entgegenimmt,<br />
beleuchten.<br />
Die Umstände der Premiere in Berlin waren<br />
kurios bis bedeutungeschwer. Kulturstaatssekretär<br />
Dr. André Schmitz hieß die<br />
Gäste im Garten des Literaturhauses mit einem<br />
heiteren Lächeln willkommen und widmete<br />
sich den angenehmen Erinnerungen,<br />
wann, wo und unter welchen Umständen er<br />
Herta Müller das erste Mal erlebt habe – man<br />
merkte sofort, er gehört zur Fan-Gemeinde<br />
–, und war sogar so charmant hinzuzufügen,<br />
selbst wenn Herta Müller ihm das Telefonbuch<br />
vorläse, würde er ihr zuhören, da<br />
er das Timbre ihrer Stimme so sehr möge.<br />
Das Publikum nahm dem bemühten Staatssekretär<br />
die wohlmeinenden Sätze dankend<br />
ab – man freute sich, daß es eine geschafft<br />
hat, trotz fremdländischen Akzents nicht<br />
mehr <strong>als</strong> „Ausländerin“ betrachtet zu werden<br />
–, doch die schweren grauen Wolken<br />
KK <strong>1304</strong> vom 25. Januar 2011<br />
25