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Der Sinn vom Ganzen - Die Gesellschafter

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10 Dezember 2008<br />

Da hilft nur der 7. <strong>Sinn</strong>...<br />

Von Christian Schmitz<br />

Rund 80 Millionen Bundesbürger<br />

werden sie bekommen.<br />

Aber kaum jemand<br />

kennt ihre Risiken<br />

und Nebenwirkungen. Und<br />

obwohl die Einführung bereits<br />

mehrfach verschoben<br />

werden musste, findet eine<br />

öffentliche Debatte nur<br />

sporadisch statt. Trotzdem<br />

steht fest: <strong>Die</strong> elektronische<br />

Gesundheitskarte (eGK), die<br />

– so Bundesgesundheitsministerin<br />

Ulla Schmidt<br />

– „kleine schlaue Karte ...<br />

für mehr Qualität, mehr<br />

Sicherheit und mehr Effizienz<br />

im Gesundheitswesen“<br />

kommt. Nach neuesten Prognosen<br />

2009. Warum? <strong>Die</strong><br />

eGK gilt nicht nur als eines<br />

der größten IT-Projekte aller<br />

Zeiten, sie ist der Schlüssel<br />

zu einer neuen Welt.<br />

Wie diese Welt aussieht, darum<br />

wird zur Zeit heftig gerungen.<br />

Meist in Fachzirkeln. Es geht<br />

um Macht, Geld und sogar ein<br />

bisschen um die Patienten.<br />

Mitgestalten sollen letztere die<br />

neue Welt der elektronischen<br />

Gesundheitsversorgung aber<br />

offensichtlich nicht. Das ist<br />

Sache von Politikern, Beamten<br />

sowie Gesundheits- und Wirtschaftslobbyisten.<br />

Congress Center Essen im<br />

September 2008, Fachkongress<br />

„IT-Trends Medizin/<br />

Health Telematics“: 30 Aussteller<br />

drängen sich im Vor-<br />

Schwerpunk t > Demokr atie<br />

abseits öffentlicher Debatten führen Politik und Lobbyisten die elektronische Gesundheitskarte ein<br />

Grundsätzlich gehe<br />

ich als misstrauischer<br />

Mensch davon aus, dass<br />

der Staat über alle meine<br />

gehabten Wehwehchen<br />

bestens im Bilde ist, nur<br />

momentan nichts damit<br />

anzufangen weiß. Womöglich<br />

klappt der Abgleich<br />

zwischen den einzelnen<br />

Ämtern noch nicht so gut,<br />

denn die Ämter wollen sich<br />

natürlich gegeneinander abschotten.<br />

<strong>Die</strong> Ämterkonkurrenz<br />

ist der einzige Schutz<br />

des Bürgers beim Datensammeltrieb<br />

des Staates.<br />

P.P.<br />

3 die<strong>Gesellschafter</strong>.de<br />

raum des Vortragsaals „Ruhr“.<br />

Darunter bekannte Namen<br />

wie Siemens und T-Systems,<br />

die meisten aber nur Insidern<br />

bekannt und schwer zu buchstabieren.<br />

<strong>Die</strong> Branche liebt<br />

das Spiel mit Abkürzungen,<br />

Bindestrichen und einzelnen<br />

Buchstaben, die zusammengezogen<br />

Firmennamen wie<br />

vita-X, ComMed oder iSoft<br />

ergeben. <strong>Die</strong> Herren tragen<br />

einheitlich dunkles Tuch, die<br />

wenigen Damen bestenfalls<br />

einen bunten Tupfer dazu.<br />

Neben Visionen verkaufen sie<br />

Hard- und Software. Jeder<br />

sein eigenes Produkt. Nicht<br />

kompatibel mit dem einen<br />

Stand weiter. <strong>Der</strong> Kampf um<br />

die Lufthoheit bei der technischen<br />

Ausgestaltung der<br />

elektronischen Gesundheitsversorgung<br />

in Deutschland<br />

kennt keine für alle zugänglichen<br />

Schnittstellen.<br />

Mehr Zeit für Beratung<br />

und Behandlung<br />

<strong>Die</strong> Vorträge ein paar Meter<br />

weiter im Saal sollen verdeutlichen,<br />

dass die Patienten Nutznießer<br />

der eGK sind. Genau wie<br />

die vielen bunten Broschüren,<br />

mit denen die Lobbyisten seit<br />

Jahren für die Einführung<br />

trommeln. Über die eGK seien<br />

bald alle gesetzlich und privat<br />

versicherten Deutschen mit<br />

allen Arztpraxen, Apotheken<br />

und Krankenhäusern vernetzt.<br />

<strong>Die</strong> Karte selbst sei sicherer als<br />

die jetzige, erschwere Missbrauch<br />

zum Beispiel durch das<br />

Foto, vermeide „unnötige, patientenbelastendeDoppeluntersuchungen“<br />

und erleichtere<br />

die Abrechung. Mit einer PIN-<br />

Nummer erlaube der Betroffene<br />

dem Arzt den Zugriff auf<br />

seine elektronische Patientenakte<br />

(ePA), in der zum Beispiel<br />

Befunde, Arzt- und Entlassbriefe,<br />

Verlegungs- und OP-<br />

Berichte sowie Bilddokumente<br />

lagern. <strong>Der</strong> Arzt könne dann<br />

schneller auf alle wichtigen<br />

Untersuchungsergebnisse zugreifen,<br />

so dass anschließend<br />

mehr Zeit für Beratung und<br />

Behandlung bleibe.<br />

Quasi als Sahnehäubchen<br />

werden auf der eGK mit<br />

Zustimmung des Patienten<br />

Notfalldaten wie Allergien<br />

oder Medikamentenunverträglichkeiten<br />

gespeichert.<br />

Foto: Techniker krankenkasse<br />

ohne kartenleser geht in 120.000 arzt- und 55.000 Zahnarztpraxen bald fast gar nichts mehr.<br />

<strong>Die</strong>se Notfalldaten „können<br />

Leben retten“, versprechen<br />

die Verantwortlichen. „Umfragen<br />

belegen“, ließ sich<br />

Ulla Schmidts Staatssekretär<br />

Dr. Klaus Theo Schröder im<br />

Fachblatt PR Report zitieren,<br />

„dass die Mehrheit der Versicherten<br />

die Einführung der<br />

eGK befürworten. Auch die<br />

Bereitschaft, freiwillige Angaben<br />

wie Notfalldaten ... zu<br />

nutzen, ist groß.“<br />

Das hört sich im Saal „Ruhr“<br />

differenzierter an. In vielen Um-<br />

fragen wird der Öffentlichkeit<br />

offensichtlich eine eGK vorgegaukelt,<br />

die es so nicht gibt.<br />

Stichwort Notfalldaten:<br />

Auf Nachfrage räumt Ulf<br />

Göres <strong>vom</strong> Bundesverband<br />

der Betriebskrankenkassen<br />

(BKK) ein, dass die Befragten<br />

wahrscheinlich im Glauben<br />

geantwortet hätten, dass ihre<br />

Notfalldaten im Notfall auch<br />

wirklich zum Einsatz kämen.<br />

Doch herrscht Konsens, dass<br />

die Daten in absehbarer Zeit<br />

zum Beispiel <strong>vom</strong> Notarztwagen<br />

aus gar nicht eingesehen<br />

werden können. Dazu bleibt<br />

das Problem, wie ein wirklich<br />

schwer verletzter oder tod-<br />

kranker Mensch seine Zustimmung<br />

per PIN eingeben soll.<br />

Stichwort zentrale Datenspeicherung:<br />

Göres räumt<br />

weiter ein, dass die meisten<br />

Menschen in Deutschland<br />

wahrscheinlich davon ausgingen,<br />

dass ihre Daten auf<br />

dem Chip und nicht auf einem<br />

zentralen Server gespeichert<br />

seien. Ein Teilnehmer berichtet<br />

von einer anderen Umfra-<br />

ge, nach der erst 5,3 Prozent<br />

der Befragten davon gehört<br />

hätten, dass die künftigen<br />

Patientenakten zentral und<br />

webbasiert seien.<br />

An der zentralen Speicherung<br />

setzt die Kritik der<br />

meisten Gegner der eGK an.<br />

Aktionsbündnisse wie „Stoppt<br />

die e-Card“ oder der Freie<br />

Verband Deutscher Zahnärzte<br />

warnen, die Gesundheitsdaten<br />

von über 80 Millionen Bürgern<br />

seien ein interessanter Datenpool<br />

für kriminelle Hacker,<br />

die die Daten dann illegal verkaufen<br />

würden. Vereinfacht<br />

zu Ende gedacht: Müssen 80<br />

Millionen Versicherte demnächst<br />

nach einem Besuch<br />

beim Augenarzt permanenten<br />

Werbeterror zum Beispiel von<br />

Brillenherstellern fürchten?

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