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Der Sinn vom Ganzen - Die Gesellschafter

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-selbsthilfe in Berlin zur Jubiläumstagung<br />

„10 Jahre 5. Mai“.<br />

Vernetzung war eines der zentralen<br />

Themen. Dabei wurde<br />

deutlich, dass sich ohne Absprache<br />

und gemeinsame Aktionen<br />

kein politischer Druck aufbauen<br />

lässt. Will man über die lokale<br />

Wahrnehmung hinaus bundesweite<br />

Aufmerksamkeit wecken,<br />

genügt es nicht, sein eigenes<br />

Süppchen zu kochen. Netze<br />

müssen geknüpft werden. <strong>Die</strong><br />

Aktiven in der Behindertenhilfe<br />

und -selbsthilfe verstehen dies<br />

allerdings nicht als Weckruf<br />

zur Schaffung neuer „Amigo“-<br />

Seilschaften, vielmehr wollen<br />

sie ein demokratieförderndes<br />

Geflecht von Beziehungen entstehen<br />

lassen. Denn Ute Böhnki,<br />

die Behindertenbeauftragte der<br />

Stadt Weimar, gibt zu bedenken:<br />

„Ich bin Heilerziehungspflegerin<br />

und kenne<br />

eine Menge Menschen<br />

mit Behinderungen, die<br />

ein wundervolles, selbstbestimmtes<br />

Leben haben.<br />

Traurig ist nur, dass viele<br />

Menschen von Anfang an<br />

unterfordert oder nicht als<br />

vollwertige Mitglieder dieser<br />

Gesellschaft angesehen<br />

werden. Ich bin der Meinung,<br />

dass Menschen mit<br />

Behinderung eine Bereicherung<br />

für jeden sein können.“<br />

Nicola heyn<br />

Schwerpunk t > Demokr atie Dezember 2008 9<br />

„Beim Aufbau von Netzwerken<br />

muss man darauf achten, nicht<br />

zu schnell in Abhängigkeiten<br />

– seien sie politisch, religiös<br />

oder wirtschaftlich – zu geraten.“<br />

Dennoch sei es ratsam,<br />

als Grenzgänger aufzutreten,<br />

dass heißt, verschiedene Gesellschafts-<br />

und Interessengruppen<br />

anzusprechen.<br />

Zukünftig wollen die Haupt-<br />

und Ehrenamtlichen der<br />

5. Mai-Bewegung verstärkt lokale<br />

Bündnisse mit Organisationen<br />

schließen, die aus anderer<br />

Perspektive an den selben<br />

Zielen arbeiten – zum Beispiel<br />

Seniorengruppen und Familienverbände.Überschneidungspunkte<br />

gibt es viele. <strong>Die</strong> Stufen<br />

vor dem Rathaus oder dem Kino<br />

stören eben nicht nur Menschen<br />

mit Behinderung, sondern auch<br />

„Es gibt bestimmte Schnittmengen,<br />

in denen sich alle<br />

Menschen ähneln, außerhalb<br />

dieser Schnittmengen<br />

gibt es eine ungeheure<br />

Vielfalt, in der sich die<br />

Menschen unterscheiden.<br />

<strong>Die</strong>se Unterscheidungen als<br />

inspirierend, reizvoll und<br />

gewinnbringend zu betrachten,<br />

ist die maßgebliche Herausforderung<br />

einer<br />

jeden Gesellschaft.“<br />

Peter Pichel<br />

3 die<strong>Gesellschafter</strong>.de<br />

„<strong>Die</strong> Leute sollen sich wehren“<br />

oswald Utz über mehr Rechte bei gleichzeitig schlechterer Versorgung mit hilfsmitteln<br />

<strong>Die</strong> gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

haben sich für<br />

Menschen mit Behinderung<br />

in den letzten Jahren verbessert.<br />

Andererseits beklagen<br />

Betroffene, dass die<br />

Bewilligung von Leistungen<br />

für Heil- und Hilfsmittel restriktiver<br />

geworden ist.<br />

herr Utz, stimmt es, dass<br />

es Schwierigkeiten bei der<br />

heil- und hilfsmittelversorgung<br />

gibt?<br />

Ja, das kann ich bestätigen.<br />

Ein großes Problem ist häufig<br />

die Prozedur, bis man den<br />

Bedarf nachgewiesen hat. Vor<br />

ein paar Jahren noch hat das<br />

niemanden interessiert. Warum<br />

jetzt? Mir drängt sich der<br />

Eindruck auf, dass von den<br />

Krankenkassen mehr Barri-<br />

Foto: Redaktion BB-M<br />

eren eingebaut werden, bis<br />

die Bedürftigen ans Ziel kommen.<br />

Manche Leute resignieren<br />

dann und sagen „kann ich<br />

nicht mehr, schaffe ich nicht<br />

mehr“. Ein anderes Problem<br />

stellt die mangelnde Wahlfreiheit<br />

bei den Hilfsmitteln dar.<br />

<strong>Die</strong> Krankenkassen schließen<br />

Verträge mit großen Herstel-<br />

oswald Utz, Behindertenbeauftragter<br />

der Stadt München<br />

ältere Bürger oder Eltern mit<br />

Kinderwagen.<br />

Wenngleich die gesetzlichen<br />

Rahmenbedingungen in den<br />

vergangenen Jahren durch<br />

die intensive Zusammenarbeit<br />

deutlich verbessert wurden,<br />

sind im Detail Verschlechterungen<br />

zu spüren. Anlass zur<br />

Sorge geben seit einiger Zeit beispielsweise<br />

die Bedingungen im<br />

Gesundheitswesen, vor allem<br />

im Bereich der Heil- und Hilfsmittelversorgung.<br />

Zwar sind<br />

die gesetzlichen Krankenkassen<br />

verpflichtet, zum Ausgleich<br />

einer Behinderung, entsprechende<br />

Hilfsmittel zu gewähren.<br />

In der Realität klagen<br />

Betroffene aber immer häufiger<br />

über Schwierigkeiten bei der<br />

Antragstellung und der Genehmigung<br />

von Hilfsmitteln.<br />

Foto: Peter hirth<br />

5. Mai 2008: In Leipzig demonstrierten 500 Menschen mit Behinderungen für ihre Rechte.<br />

lern von Hilfsmitteln wie zum<br />

Beispiel Elektro-Rollstühlen<br />

ab. <strong>Die</strong> Firmen sitzen aber oft<br />

ganz woanders als der Benutzer.<br />

Ist dann der Rolli defekt,<br />

warten die Menschen ewig, bis<br />

der Hersteller kommt, um eine<br />

Reparatur auszuführen, die<br />

noch unter die Garantie fällt.<br />

was raten Sie den Menschen,<br />

die auf solche<br />

Schwierigkeiten stoßen?<br />

Ich sage den Leuten, dass sie<br />

sich wehren sollen und gegenüber<br />

den Krankenkassen<br />

darauf bestehen sollen, das<br />

für sie geeignete Hilfsmittel zu<br />

bekommen. Notfalls müssen<br />

rechtliche Wege gegangen<br />

werden. Mein großer Wunsch<br />

an die Krankenkassen wäre,<br />

dass sie ganzheitlicher denken,<br />

5. MAI: gEMEINSAM ERFOLgREICH<br />

a „Niemand darf wegen sei- „In was für einer Gesellschaft<br />

ner Behinderung benach- wollen wir leben?“.<br />

teiligt werden“, heißt es a<strong>Der</strong><br />

5. Mai ist der Europäische<br />

in Artikel 3, Absatz 3, des Protesttag zur Gleichstellung<br />

Grundgesetzes. Stritten zu- von Menschen mit Behinvor<br />

verschiedene Initiativen derungen. <strong>Die</strong>ses Jahr ver-<br />

einzeln für die Umsetzung sammelten sich in Deutsch-<br />

im Alltag, sind es seit 1997 land mehr als 150.000<br />

über 100 Organisationen Menschen zu 354 Aktionen<br />

der Behindertenhilfe und für gleichberechtigte Teilha-<br />

-selbsthilfe in der von der be, Arbeit, Bildung und den<br />

Aktion Mensch ins Leben Abbau von Barrieren auf allen<br />

gerufenen „Aktion Grund- Ebenen. <strong>Die</strong> Aktion Mensch<br />

gesetz“ (AGG). <strong>Die</strong>se ging unterstützt die Veranstal-<br />

in der <strong>Gesellschafter</strong>-Initiatungen finanziell und durch<br />

tive auf. Seit 2006 steht das<br />

Engagement rund um den<br />

Materialien.<br />

5. Mai unter der Leitfrage Infos unter: dieGesellvon<br />

die<strong>Gesellschafter</strong>.de schafter.de/aktion/5mai/<br />

dass sie sagen, o.k. der Rollstuhl<br />

kostet jetzt zwar 100 €<br />

mehr, aber dafür ist dieser<br />

Mensch auch gut versorgt.<br />

Denn wenn er in einigen Jahren<br />

Wirbelsäulenprobleme bekommt,<br />

verursacht das viel höhere<br />

Kosten. <strong>Die</strong> Versorgung<br />

durch exklusive Vertragspartner<br />

der Krankenkassen, sprich<br />

Hilfsmittel nach Schema F, ist<br />

auf Dauer nicht unbedingt der<br />

kostengünstigste Weg.<br />

Sehen Sie Möglichkeiten,<br />

den widerspruch zwischen<br />

der verbesserten Gesetzeslage<br />

und der Problematik<br />

bei der Versorgung mit<br />

heil- und hilfsmitteln aufzulösen?<br />

Letztendlich ist es, wie so<br />

oft, eine Frage des Geldes.<br />

<strong>Die</strong> Menschen werden nun<br />

mal immer älter, immer mehr<br />

Menschen brauchen Hilfsmittel.<br />

<strong>Die</strong> Krankenkassen stehen<br />

jedes Jahr im Kreuzfeuer<br />

der Kritik. Beitragserhöhung<br />

wird verurteilt und gleichzeitig<br />

Leistungsausdehnung<br />

gefordert. Das ist der schwierige<br />

Spagat. <strong>Die</strong> Crux liegt<br />

bei den Menschen mit Behinderung<br />

und bei chronisch<br />

Kranken. Bei ihnen kommt<br />

die Problematik zuerst an.<br />

Für Leute, die in die Nähe<br />

der Sozialhilfe kommen oder<br />

sonstwie auf öffentliche Mittel<br />

angewiesen sind, ist es<br />

schwieriger geworden. Auch<br />

Menschen mit Behinderung<br />

sind inzwischen von Armut<br />

betroffen. Dagegen müssen<br />

wir etwas tun.

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