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Das passt auf keine Kuhhaut!

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Juli/ August 2009<br />

Reporter Hubert Denk<br />

Denkwürdiger Prozess um Hakenkreuzfotos<br />

Muss ich vor diesen blauen<br />

Nazi-Augen Angst haben?<br />

Ich stand schon wegen Falschparkens vor Gericht, wegen Beamtenbeleidigung und wegen Zivilklagen von Ex-OB Zankl.<br />

Aber als Hauptzeuge gegen einen Neonazi - das ist neu. Und dass sich der Täter nach einem Aufsehen erregenden Prozess<br />

dann auch noch <strong>auf</strong> seine unschuldigen blauen Augen berufen würde, hätte ich am allerwenigsten erwartet.<br />

Am Montag, 15. Juni, sitze<br />

ich im Passauer Amtsgericht<br />

Thomas Wulff gegenüber,<br />

einem führenden<br />

Neonazi aus Hamburg, der<br />

sich wegen Verwendung<br />

ver fassu ngsfei nd l icher<br />

Symbole verantworten<br />

muss (siehe Kasten). Doch<br />

zunächst versucht sein<br />

Rechts-Anwalt Jürgen Rieger,<br />

mich in die Mangel zu<br />

nehmen. „Hatten sie eine<br />

Ausnahmegenehmigung?“,<br />

fragt er gleich zu Beginn<br />

mit Blick <strong>auf</strong> meine Beweisfotos<br />

vom Friedhof.<br />

Er weiß offenbar nicht,<br />

dass für einen Journalisten<br />

allein schon die Erwähnung<br />

solch bürokratischer<br />

Regeln provozierend<br />

klingt. „Ich habe schon oft<br />

<strong>auf</strong> Friedhöfen fotografiert<br />

und noch nie eine gehabt“,<br />

gebe ich etwas forsch zurück.<br />

Schließlich bestimmt<br />

das öffentliche Interesse<br />

meine Arbeit und nicht<br />

kommunale Paragraphen.<br />

Der Einstieg ist mir<br />

scheinbar gelungen, ich<br />

habe Oberwasser und denke<br />

<strong>keine</strong> Sekunde mehr<br />

darüber nach, dass ich ei-<br />

Staatsanwalt geht in Berufung<br />

Dieses Beweisfoto soll Wulff in den Knast bringen<br />

26. Juli 2008, Friedhof St.<br />

Korona. Vor rund 80 Spitzenvertretern<br />

der rechtsextremen<br />

Szene legt der Hamburger<br />

Neonaziführer Thomas<br />

Wulff eine Reichskriegsfahne<br />

mit Hakenkreuz <strong>auf</strong> den<br />

versenkten Sarg. Die Grabbeigabe<br />

soll der letzte Wille<br />

eines verstorbenen Altnazis<br />

gewesen sein.<br />

Die Staatsanwaltschaft<br />

lässt das Beweisstück wieder<br />

ausgraben und Einsatzleiter<br />

Alois Mannichl wird dar<strong>auf</strong>hin<br />

von rechten Fanatikern<br />

der "Grabschändung" bezichtigt.<br />

Ein Motiv für das ungeklärte<br />

Messerattentat <strong>auf</strong> den<br />

Polizeibeamten vom Dezember<br />

vorigen Jahres?<br />

Verbotene Grabbeigabe.<br />

Der Passauer Amtsrichter stützte<br />

sich <strong>auf</strong> die Beweisfotos im Bürgerblick<br />

und verurteilte Wulff wegen<br />

des illegalen Akts zu 120 Tagessätzen<br />

zu je zehn Euro verurteilt. Der<br />

Neonazi ging in Berufung und der<br />

Staatsanwalt auch: Er wollte Wulff<br />

im Knast sehen, weil dieser sich<br />

nach elf einschlägigen Vorstrafen<br />

als "uneinsichtig" zeigte.<br />

gentlich dem schärfsten<br />

Juristen der rechten Szene<br />

gegenübersitze. Ungewollt<br />

bringe ich dann die Zuhörer<br />

sogar zum Lachen. Als<br />

Rieger mich fragt, wie ich<br />

damals angezogen gewesen<br />

sei, zähle ich langsam, als<br />

sei die Frage besonders<br />

BLICK INS GERICHT<br />

knifflig, <strong>auf</strong>: „eine Hose….<br />

ein Hemd…. eine Jacke.“<br />

Tatsächlich waren die<br />

schwarzen Kleider zusammen<br />

mit meinem sowieso<br />

immer kurz geschorenen<br />

Schädel eine willkommene<br />

Tarnung. So fiel ich inmitten<br />

der versammelten<br />

rechtsextremen „Elite“<br />

nicht <strong>auf</strong>, als ich mit meiner<br />

Pressekamera die Fotos<br />

schoss. Ein Journalistenkollege,<br />

der<br />

g leich z eit ig<br />

auch zur Anti-<br />

fa-Szene zählt,<br />

hatte weniger<br />

Glück: Ihn<br />

haben die<br />

Rechten nach<br />

der Trauerfeier<br />

verprügelt<br />

und schwer<br />

verletzt.<br />

Der Amtsrichter<br />

hat<br />

sich während<br />

meines Verhörs<br />

durch<br />

Rieger in seinem<br />

Stuhl zurückgelehnt,<br />

die Arme verschränkt<br />

und<br />

geschwiegen.<br />

Auch dann,<br />

als ich, etwas<br />

ungewöhnlich<br />

für einen<br />

Zeugen, selbst<br />

eine Frage an den Angeklagten<br />

formuliere:<br />

„Mich würde zu gern<br />

interessieren, wo<br />

Sie die Fahne versteckt<br />

hatten. Ich<br />

glaube, in Ihrer<br />

linken Tasche“,hal-<br />

te ich dem Neonazi vor.<br />

Auf meinen Video<strong>auf</strong>nahmen<br />

habe ich gesehen, dass<br />

er während des Trauerzugs<br />

mehrmals prüfend an<br />

diese Jackentasche fasste.<br />

Schlagfertig reagiert Wulff<br />

im Gerichtssaal: Er greift<br />

auch jetzt in seine linke<br />

Tasche und zeigt sein Mobiltelefon:<br />

„Sehen Sie, da<br />

habe ich mein Handy immer<br />

drin“.<br />

Ich habe gar nicht gewusst,<br />

dass Rechte auch<br />

Geist haben können, denke<br />

ich. Und mir wird klar,<br />

warum Hohlköpfe zu diesem<br />

Mann begeistert <strong>auf</strong>schauen.<br />

Fanatische Ideologie<br />

geschickt verpackt<br />

hinter einer charmanten<br />

Fassade.<br />

Der Richter verurteilt<br />

Wulff letztlich zu 1.200<br />

Euro Geldstrafe. Muss ich<br />

jetzt Angst vor Vergeltung<br />

haben? Nach dem Urteil<br />

begegnen wir uns zwischen<br />

Tür und Angel. „Sie können<br />

berühmt werden, wenn<br />

Sie überall erzählen,<br />

wie Sie jetzt von<br />

Nazis verf<br />

o l g t<br />

u n d<br />

21<br />

bedroht werden. Jeder<br />

wird Ihnen glauben“, sagt<br />

er. Und fügt hinzu: „Sie<br />

sehen meine lächelnden,<br />

stahlblauen Augen – kann<br />

so einer böse sein?“<br />

Verurteilt in Passau: Hamburger<br />

Neonaziführer Thomas Wulff (46).<br />

Photos: Tobias Köhler, Hubert Denk, Alexander Eckmeier

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