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Marlene Dietrich - Leni Riefenstahl Doppelbiografie - Neue Zürcher ...

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Porträt<br />

Die israelische Soziologin Eva Illouz hat ein grossartiges Buch über<br />

Beziehungen zwischen Männern und Frauen im 21. Jahrhundert<br />

geschrieben. Jenny Friedrich-Freksa hat sie in Frankfurt getroffen<br />

Auf dem freien<br />

Markt der Liebe<br />

Es ist nicht leicht, in einer zwei mal zwei Meter<br />

grossen Box über die Liebe zu sprechen. Eva<br />

Illouz sitzt auf einem weissen Stuhl vor einem<br />

weissen Tisch. Von der offenen Decke dringt<br />

das Geraune der Frankfurter Buchmesse in das<br />

Hinterzimmer des Verlagsstands herein. Die<br />

Soziologin aus Jerusalem ist hier, um über das<br />

Lieben und das Leiden zu reden, das Thema<br />

ihres neuen Buchs «Warum Liebe weh tut». Sie<br />

untersucht darin, wie Männer und Frauen ihr<br />

eigenes Leben gestalten und Liebesbeziehungen<br />

mit anderen Menschen haben. Beides zu<br />

wollen ist offenbar schwierig. Es verursacht<br />

sogar Schmerz. Über diesen denkt Illouz nach.<br />

Schmerz und Leidenschaft<br />

Das Buch scheint einen Nerv zu treffen. In<br />

Deutschland, wo es im Oktober erschien, steht<br />

es bereits auf der Bestsellerliste. Alle wollen<br />

wissen, was Eva Illouz über unser Gefühlsleben<br />

herausgefunden hat. Als ob der Buchmarkt<br />

nicht mit Büchern über die Liebe überschwemmt<br />

wäre. «Eine soziologische Erklärung»<br />

nennt Illouz ihre Schrift. Von aussen<br />

sieht diese Erklärung aus wie ein Beziehungsratgeber<br />

für die etwas klügere Frau: Der Umschlag<br />

magentafarben, also fast pink. Und auf<br />

der Rückseite steht: «Leidenschaftliche Liebe<br />

ist ohne Schmerz nicht zu haben, aber dieser<br />

Schmerz sollte uns nicht ängstigen.» Ach ja.<br />

Soll man dieses Buch kaufen? Man sollte, unbe-<br />

Eva Illouz<br />

Eva Illouz, geboren 1961 in<br />

Fès, Marokko, studierte in<br />

Frankreich, promovierte in den<br />

USA und ist heute Professorin<br />

für Soziologie an der Hebrew<br />

University in Jerusalem. Sie<br />

forscht zu den Wechselwirkungen<br />

von Konsumkultur,<br />

sozialen Beziehungen und<br />

Individuum und zur Soziologie<br />

der Emotionen. Bisher sind<br />

von ihr erschienen: «Der Konsum der Romantik»<br />

(2003), «Gefühle in Zeiten des Kapitalismus»<br />

(2006), «Die Errettung der modernen Seele»<br />

(2009) und nun: «Warum Liebe weh tut»<br />

(Suhrkamp, Berlin 2011. 467 Seiten, Fr. 35.60).<br />

16 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

dingt. Illouz’ Werk ist weder mit Theorie überfrachtet,<br />

noch will es eine Gebrauchsanweisung<br />

für das gelungene Leben zu zweit liefern. Es ist<br />

ein Buch über die Liebe, das ganz ohne psychologisches<br />

Geschwätz auskommt. Und gleichzeitig<br />

Gefühlen in der Wissenschaft einen selbstverständlichen<br />

Platz einräumt.<br />

Illouz hat für ihr Buch viele Interviews geführt:<br />

mit heterosexuellen Männern und Frauen<br />

zwischen 25 und 67 Jahren, aus Europa, den<br />

Es ist ein echter Gewinn des<br />

Buchs, dass Männer nicht als<br />

emotionale Trottel und<br />

Frauen nicht als bessere<br />

Menschen gesehen werden.<br />

USA und Israel, alle mit Hochschulabschluss.<br />

Ein Gespräch ist ihr besonders in Erinnerung<br />

geblieben: «Eine Frau erzählte, dass ihre Beziehungen<br />

alle schlecht geendet hatten. Sie würde<br />

so gerne heiraten, aber es sei ihr peinlich, das<br />

zuzugeben. Man stünde dann als dumme Frau<br />

da. Sie weinte furchtbar und ich spürte, dass<br />

man sich diesen Schmerz ansehen muss. Wenn<br />

jemand so weint, ist das nicht einfach eine persönliche<br />

Angelegenheit. Es ist politisch.»<br />

Sehr ernst spricht Eva Illouz in der sterilen<br />

Messebox über das Seelenwohl anderer Menschen.<br />

Sie macht keinen Hehl daraus, dass ihr<br />

das Thema ihres Buchs ein echtes Anliegen ist.<br />

Vor allem: dass Leid nicht privat sein sollte. Illouz<br />

ist eine zierliche Frau. Ab und zu zupft sie<br />

den tiefen Ausschnitt ihrer Bluse zurecht, der<br />

von grossen Silbernieten eingefasst ist. Die<br />

Bluse ist schwarz, der Rock und die Schuhe<br />

auch. Doch über das Schwarz und das Metall-<br />

Dekolletee hinweg schauen einen zwei weiche,<br />

braune Augen an, manchmal betrübt, manchmal<br />

amüsiert. Eva Illouz hat etwas von einem<br />

freundlichen Punk, der gewillt ist, die Welt aus<br />

unkonventioneller Perspektive zu betrachten.<br />

Unkonventionell an ihrem Buch ist, wie die<br />

Soziologin soziologische, ökonomische und<br />

psychologische Erkenntnisse zusammendenkt.<br />

Dass es mit der Liebe klappt, wenn wir uns nur<br />

genug mit unserer Psyche auseinandersetzen,<br />

daran glaubt Illouz nicht. Sie hält Psychotherapien<br />

für hilfreich, aber nicht für ein Allheilmit-<br />

tel. Anders gesagt: die weinende, von den Männern<br />

enttäuschte Frau, die unbedingt heiraten<br />

will, müsste nicht einfach zum Therapeuten.<br />

Wenn zu viele Menschen die gleichen Beziehungsprobleme<br />

haben – so ihr Befund –, reicht<br />

es nicht, dass jeder sich allein mit seinem Gefühlsleben<br />

beschäftigt.<br />

Die Soziologin analysiert Liebesbeziehungen<br />

als ökonomischen Handel, als einen Markt, auf<br />

dem sich Männer und Frauen tummeln. Attraktivität<br />

und Status sind die beiden Währungen,<br />

die am meisten zählen. Auf den ersten Blick<br />

scheint es, als seien Männer und Frauen auf<br />

diesem Markt gleichberechtigt. Beide Geschlechter<br />

haben schliesslich heute die gleiche<br />

Freiheit zu wählen. Doch Illouz konstatiert eine<br />

neue Ungleichheit: «Die heterosexuellen Frauen<br />

der Mittelschicht befinden sich in der merkwürdigen<br />

historischen Lage, so souverän über<br />

ihren Körper und ihre Gefühle verfügen zu<br />

können wie nie zuvor und dennoch auf neue<br />

und nie dagewesene Weise von Männern dominiert<br />

zu werden.»<br />

Emotionale Dominanz der Männer<br />

Illouz spricht von einer «emotionalen Dominanz»<br />

der Männer, die zum einen darauf beruht,<br />

dass Frauen, wenn sie sich Kinder wünschen,<br />

nicht ewig warten können, bis sie sich<br />

für einen Mann entscheiden. Das macht sie auf<br />

dem freien Markt der Liebe abhängiger. Zum<br />

anderen stärken Männer ihr Selbstwertgefühl<br />

durch Unabhängigkeit, während Frauen sich<br />

ihrer selbst durch Nähe vergewissern – zwei<br />

völlig verschiedene Strategien, um sich vor<br />

emotionalen Verletzungen zu schützen.<br />

Illouz behauptet nicht, dass sich alle Männer<br />

und Frauen so einfach kategorisieren lassen.<br />

Doch sie stellt in ihrer Forschung wiederkehrende<br />

Verhaltensmuster fest und kulturelle Ideale,<br />

die definieren, was einen Mann und was<br />

eine Frau ausmacht: «George Clooney ist ein<br />

attraktiver Single, genauso attraktiv wie Brad<br />

Pitt, der verheiratet ist. Bei unverheirateten<br />

Frauen im selben Alter denkt man, sie hätten<br />

keinen abgekriegt.» Es ist ein echter Gewinn<br />

des Buchs, dass Männer nicht als emotionale<br />

Trottel pathologisiert und Frauen nicht für die<br />

besseren Menschen gehalten werden.<br />

Eva Illouz ist 50, sie hat einen Mann und drei<br />

Söhne. Über die Frage, ob man sie als Leser anders<br />

wahrnehmen würde, wenn sie allein leben<br />

würde, muss sie lächeln: «Völlig richtig. Alle

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