Marlene Dietrich - Leni Riefenstahl Doppelbiografie - Neue Zürcher ...
Marlene Dietrich - Leni Riefenstahl Doppelbiografie - Neue Zürcher ...
Marlene Dietrich - Leni Riefenstahl Doppelbiografie - Neue Zürcher ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Nr. 10 | 27. November 2011<br />
<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong> – <strong>Leni</strong> <strong>Riefenstahl</strong> <strong>Doppelbiografie</strong> | Judith Schalansky<br />
Der Hals der Giraffe | Eva Illouz im Porträt | Anne Enright Anatomie einer<br />
Affäre | Südpol <strong>Neue</strong> Bücher zum Wettlauf vor 100 Jahren | Kinder- und<br />
Jugendbuch Tipps zum Schenken | Weitere Rezensionen zu Greta Garbo,<br />
Novalis, Dante, Gottlieb Duttweiler u. a. | Charles Lewinsky Zitatenlese
Weihnachtszauber<br />
Geschenkideen von buch.ch<br />
Bernard Cornwell<br />
Das Fort<br />
CHF 35.50<br />
Andreas Knecht<br />
& Armando Pipitone<br />
Käse & Wein<br />
CHF 39.90<br />
Das Spiel zum Bestseller<br />
»Ein Mann. Ein Buch.«<br />
Ein Mann. Ein Spiel.<br />
Für 2-4 Spieler<br />
CHF 39.90<br />
Annie Leibovitz<br />
Pilgrimage<br />
Pilgerreisen zu den Kultorten<br />
CHF 66.90<br />
Geschenke finden kann so einfach sein – mit dem<br />
Weihnachtsshop von buch.ch. Ganz bequem online<br />
bestellt – schnell und zuverlässig geliefert. Auf Wunsch<br />
auch mit kostenlosem Geschenkservice. www.buch.ch<br />
w w w . b u c h . c h<br />
10CFWKMQ4CMRADX7SR7ewmWVKi605XIPo0iJr_Vyh0jDyNNec5o-Dn_biex2MS8DCq5uCMjKLe5pAKvE-STSBvhNx75vjrDcxWUddubK8twlQtuNS1uNmfHCqf1_sLQfDbjYAAAAA=<br />
10CAsNsjY0MDAx1TU0Mra0MAQASSk1CA8AAAA=<br />
Damit machen Sie<br />
garantiert nichts falsch:<br />
Geschenk-<br />
Gutscheine<br />
von buch.ch<br />
15 Jahre
Inhalt<br />
Reiche Ernte<br />
für lange<br />
Winternächte<br />
<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong><br />
(Seite 23).<br />
Illustration von<br />
André Carrilho<br />
Belletristik<br />
4 Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe<br />
Von Martin Zingg<br />
6 Anne Enright: Anatomie einer Affäre<br />
Von Simone von Büren<br />
8 Dante: Commedia<br />
Von Stefana Sabin<br />
9 Tamar Lewinsky: Unterbrochenes Gedicht<br />
Von Klara Obermüller<br />
10 Jan Wagner: Die Sandale des Propheten<br />
Von Angelika Overath<br />
Olaf Otto Becker: Under the Nordic Light<br />
Von Gerhard Mack<br />
11 Paul Wittwer: Widerwasser<br />
Von Christine Brand<br />
12 Ilja Ilf, Jewgeni Petrow: Das eingeschossige<br />
Amerika<br />
Von Kathrin Meier-Rust<br />
13 Markus Bundi: Gehen am Ort<br />
Von Bruno Steiger<br />
Kurzkritiken Belletristik<br />
13 Eva-Maria Alves: Unter Engeln<br />
Von Kathrin Meier-Rust<br />
Théophile Gautier: Mademoiselle de Maupin<br />
Von Manfred Papst<br />
Wallace Stevens: Hellwach, am Rande des<br />
Schlafs<br />
Von Manfred Papst<br />
Nella Larsen: Seitenwechsel<br />
Von Regula Freuler<br />
Kinder- und Jugendbuch<br />
14 Michelle Cuevas:<br />
Columbus und der<br />
malende Elefant<br />
Von Andrea Lüthi<br />
Der Bücherherbst hat uns einen reich gefüllten Korb beschert. Im<br />
Zentrum stehen wieder einmal zwischenmenschliche Beziehungen –<br />
es ist schliesslich das wichtigste Thema, diesmal ausschliesslich von<br />
Frauen beschrieben. Der burschikose Provinzroman «Der Hals der<br />
Giraffe» von Judith Schalansky macht den Auftakt. Die erst 31-jährige<br />
Ostdeutsche porträtiert eine abgebrühte Lehrerin aus Ostpommern,<br />
die ebenso sarkastisch wie treffend ihre Schüler charakterisiert. Ein<br />
kleines Scheusal, das man aber mit zunehmender Lektüre liebgewinnt,<br />
wie Rezensent Martin Zingg verrät (Seite 4).<br />
Weiter geht’s mit Anne Enrights prickelnder «Anatomie einer Affäre»<br />
(S. 6). Zum Porträt der in Jerusalem lehrenden Kulturwissenschafterin<br />
Eva Illouz, die den ewigen Gefühlsknäuel zwischen den Geschlechtern<br />
erforscht. Ihr Buch «Warum Liebe weh tut», das ohne psychologisches<br />
Geschwätz auskommt, trifft den Nerv der Zeit. Mitarbeiterin Jenny<br />
Friedrich-Freksa charakterisiert Illouz als «freundlichen Punk, der<br />
gewillt ist, die Welt aus unkonventioneller Perspektive zu betrachten»<br />
(S. 16). Und, wenn Sie mögen, schmökern Sie in zwei <strong>Doppelbiografie</strong>n,<br />
die uns gleich vier Stars der Filmgeschichte näherbringen, die zu ihrer<br />
Zeit einen neuen Typus Frau verkörperten (S. 23 und 26).<br />
Wir wünschen Ihnen frohe Festtage und freuen uns, am 29. Januar 2012<br />
erste Novitäten des Frühlings zu präsentieren. Urs Rauber<br />
Robin Brande: Fat Cat<br />
Von Christine Knödler<br />
Angelika Waldis, Christophe Badoux:<br />
Der unheimliche Stein<br />
Von Verena Hoenig<br />
Ilsa J. Bick: Der Zeichner der Finsternis<br />
Von Verena Hoenig<br />
Jenny Valentine: Das zweite Leben des<br />
Cassiel Roadnight<br />
Von Andrea Lüthi<br />
15 Wolfgang Korn: Was ist schon normal?<br />
Von Sabine Sütterlin<br />
Kirsten Boie: Ein mittelschönes Leben<br />
Von Christine Knödler<br />
Elke Reichart: gute-freunde-boese-freunde<br />
Von Christine Knödler<br />
Dieter Vieweger: Abenteuer Jerusalem<br />
Von Geneviève Lüscher<br />
Bibi Dumon Tak: Eisbär, Elch und Eule<br />
Von Verena Hoenig<br />
Porträt<br />
16 Eva Illouz, Soziologin<br />
Auf dem freien Markt der Liebe<br />
Von Jenny Friedrich-Freksa<br />
Kolumne<br />
19 Charles Lewinsky<br />
Das Zitat von Peter Handke<br />
Kurzkritiken Sachbuch<br />
19 Urs Hafner: Heimkinder<br />
Von Kathrin Meier-Rust<br />
Thorsten Polleit: Der Fluch des Papiergeldes<br />
Von Charlotte Jacquemart<br />
An Lac Truong Dinh: Von der Fremdenlegion zu<br />
den Viet Minh<br />
Von Urs Rauber<br />
Gabriele Praschl-Bichler: Kleidung und Mode<br />
im Mittelalter<br />
Von Geneviève Lüscher<br />
Sachbuch<br />
20 Christian Jostmann: Das Eis und der Tod<br />
Diana Preston: In den eisigen Tod<br />
Reinhold Messner: Pol<br />
Robert Falcon Scott: Letzte Fahrt<br />
Von Thomas Köster<br />
22 Zsuzsa Breier, Adolf Muschg: Freiheit, ach<br />
Freiheit<br />
Von Dieter Ruloff<br />
Matthias Bernold, Sandra Larriva Henaine:<br />
Revolution 3.0<br />
Von Reinhard Meier<br />
23 Karin Wieland: <strong>Dietrich</strong> & <strong>Riefenstahl</strong><br />
Von Ina Boesch<br />
24 Wolfgang Hädecke: Novalis<br />
Gerhard Schulz: Novalis<br />
Von Manfred Koch<br />
25 Curt Riess: Gottlieb Duttweiler<br />
Von Urs Rauber<br />
26 Nicole Nottelmann: Ich liebe dich. Für immer<br />
Von Martin Walder<br />
George Steiner: Im Raum der Stille: Lektüren<br />
Von Arnaldo Benini<br />
27 Sarah Kaminsky: Adolfo Kaminsky<br />
Von Fritz Trümpi<br />
28 Simon Sebag Montefiore: Jerusalem<br />
Von Geneviève Lüscher<br />
29 Johannes Willms: Talleyrand<br />
Von Peter Durtschi<br />
30 Timothy Gowers: Mathematik<br />
Von André Behr<br />
Das amerikanische Buch<br />
Bob Lutz: Car Guys vs Bean Counters<br />
Von Andreas Mink<br />
Agenda<br />
31 Peter Geyer, OA Krimmel: Kinski<br />
Von Manfred Papst<br />
Bestseller November 2011<br />
Belletristik und Sachbuch<br />
Agenda Dezember 2011<br />
Veranstaltungshinweise<br />
Chefredaktion Felix E. Müller (fem.) Redaktion Urs Rauber (ura.) (Leitung), Regula Freuler (ruf.), Geneviève Lüscher (glü.), Kathrin Meier-Rust (kmr.), Manfred Papst (pap.)<br />
Ständige Mitarbeit Urs Altermatt, Urs Bitterli, Andreas Isenschmid, Manfred Koch, Gunhild Kübler, Charles Lewinsky, Beatrix Mesmer, Andreas Mink, Klara Obermüller, Angelika Overath,<br />
Stefan Zweifel Produktion Eveline Roth, Hans Peter Hösli (Art-Director), Kirsten Behrendt (Bildredaktion), Manuela Klingler (Layout), Korrektorat St. Galler Tagblatt AG<br />
Verlag NZZ am Sonntag, «Bücher am Sonntag», Postfach, 8021 Zürich. Telefon 044 258 11 11, Fax 044 261 70 70, E-Mail: redaktion.sonntag@nzz.ch<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 3
Belletristik<br />
SUSANNE SCHLEYER<br />
Schulroman Judith Schalansky erzählt von einer desillusionierten Lehrerin<br />
in Vorpommern, die gar nicht so grob ist, wie sie sich gibt<br />
Faustrecht im<br />
Klassenzimmer<br />
Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe.<br />
Suhrkamp, Berlin 2011. 222 Seiten,<br />
Fr. 33.50.<br />
Von Martin Zingg<br />
Das kann vorkommen: dass eine Romanfigur<br />
unsympathisch erscheint. Und<br />
dass man dennoch weiterliest und damit<br />
nicht aufhören möchte. Inge Lohmark<br />
ist eine unsympathische Gestalt, bisweilen<br />
ein kleines Scheusal – und man<br />
bleibt ihr lesend dennoch gerne auf der<br />
Spur. Lehrerin an einer Schule im Hinterland<br />
von Vorpommern, seit über<br />
dreissig Jahren, und dort zuständig für<br />
Biologie und Sport. Am Charles-Darwin-Gymnasium,<br />
wie es seit der Wende<br />
heisst, ist Inge Lohmark bekannt für<br />
einen unterkühlten Unterrichtsstil.<br />
Judith Schalansky<br />
Judith Schalansky, geboren 1980 in<br />
Greifswald, studierte Kunstgeschichte<br />
und Kommunikationsdesign. Mit dem<br />
Matrosenroman «Blau steht dir nicht»<br />
hat sie 2008 erstmals auf sich aufmerksam<br />
gemacht. Es folgte 2010 der «Atlas<br />
der abgelegenen Inseln», ein liebevoll<br />
gestaltetes, viel gefeiertes Buch, das in<br />
zahlreiche Sprachen übersetzt worden<br />
ist. Mit dem opulenten Band «Fraktur<br />
mon Amour» hat die an Gestaltungsfragen<br />
interessierte Autorin überdies<br />
eine Liebeserklärung an die Frakturschrift<br />
vorgelegt. Judith Schalansky<br />
lebt in Berlin.<br />
4 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
Frontal und «kreidelastig» geht es bei<br />
ihr zu, und alle wissen, dass sie gerne<br />
unangekündigte Arbeiten schreiben<br />
lässt. Sie schützt sich hinter einem Panzer<br />
aus Sarkasmus und hält immer auf<br />
Distanz: «Zum professionellen Verhältnis<br />
gehörten keine Nähe, kein Verständnis.<br />
Armselig, aber begreiflich, wenn<br />
Schüler um die Gunst der Lehrer buhlten.<br />
Das Kriechen vor dem Machthaber.<br />
Unverzeihlich hingegen war es, wie sich<br />
Lehrer an Halbwüchsige ranschmissen.<br />
Halber Hintern auf dem Lehrerpult. Geklaute<br />
Moden und Wörter. Um den Hals<br />
bunte Tücher. Blondierte Strähnen.<br />
Alles nur, um sich mit ihnen gemein zu<br />
machen.»<br />
Gegen derlei Versuchungen ist sie gefeit.<br />
Ihre Schüler und Schülerinnen, ihre<br />
«natürlichen Feinde», wird sie ohnehin<br />
nicht mehr lange aushalten müssen,<br />
denn Inge Lohmark steht am Ende ihrer<br />
Laufbahn. Ihre Schule soll in vier Jahren<br />
geschlossen – «abgewickelt» – werden,<br />
in der Region leben zu wenig Kinder. In<br />
der Region scheint es überhaupt an vielem<br />
zu fehlen. Judith Schalansky erzählt<br />
in ihrem Roman «Der Hals der Giraffe»<br />
nicht allein von Inge Lohmark und deren<br />
biologistischer Weltsicht, sondern indirekt<br />
auch von den schwindenden Perspektiven<br />
eines ganzen Landstrichs in<br />
der ostdeutschen Provinz, die sie – erzählerischer<br />
Schachzug von grossem<br />
Raffinement – ausgerechnet in einer<br />
Schule zur Sprache bringt.<br />
Als der Roman einsetzt, hat eben ein<br />
neues Schuljahr begonnen. Gerade einmal<br />
zwölf Jugendliche sitzen in der<br />
«Klasse neun», fünf Jungen, sieben<br />
Mädchen: «Ganz vorne hockte ein verschrecktes<br />
Pfarrerskind, das mit Holzengeln,<br />
Wachsflecken und Blockflötenunterricht<br />
aufgewachsen war. In der<br />
letzten Reihe sassen zwei aufgedonnerte<br />
Gören. Die eine kaute Kaugummi, die<br />
andere war besessen von ihrem schwarzen<br />
Hengsthaar, das sie pausenlos glättete<br />
und strähnchenweise untersuchte.<br />
Daneben ein hellblonder Knirps in<br />
Grundschulgrösse. Ein Trauerspiel, wie<br />
die Natur hier die ungleiche Entwicklung<br />
der Geschlechter vorführte.» Es ist<br />
die letzte Klasse, die es an dieser Schule<br />
geben wird, und natürlich sitzen darin,<br />
wie die Lehrerin schon längst weiss, lauter<br />
Gymnasiums-Untaugliche. Allenfalls<br />
«Nachschub fürs Rentensystem».<br />
Unablässig kommentiert Inge Lohmark<br />
in Gedanken, was sie sieht und<br />
hört und tut. Judith Schalansky lässt sie<br />
in kurzen, oft abgehackten Sätzen monologisieren,<br />
in einem Nonstoptext, der<br />
vor nichts und niemandem halt macht.<br />
Es sind meist apodiktische Sätze, Merksätze,<br />
die auf alles gepappt werden, was<br />
daherkommt.<br />
Mit dem Blick der Biologin<br />
Wir erfahren aus der allesumschlingenden<br />
Suada, dass die Lohmark verheiratet<br />
ist mit Wolfgang und mit ihm eine Tochter<br />
hat, Claudia. Wolfgang, in DDR-Zeiten<br />
Veterinärstechniker, der in einer<br />
LPG Kühe besamen musste, betreibt<br />
nun eine Straussenfarm. Neun Tiere hat<br />
er im Augenblick.<br />
Er ist damit zum Held der Ostsee-<br />
Zeitung geworden, die ihn alle paar Wochen<br />
wieder mal befragt. Leider stopft<br />
er das Gemüsefach im Kühlschrank mit<br />
den kokosnussgrossen Strausseneiern<br />
voll: «Wer sollte die denn essen? Die<br />
grössten tierischen Zellen überhaupt.<br />
Ein Omelett für eine ganze Schulklasse.»<br />
Gemeinsame Mahlzeiten des Paares<br />
sind selten, man hat sich arrangiert, und<br />
wenn sie zusammen sind, gefällt Inge<br />
Lohmark, dass sie nicht mit ihrem Mann<br />
reden muss.<br />
Tochter Claudia hat sich längst in die<br />
USA abgesetzt. Ein einziges Mal hat<br />
man sie noch besucht, aber was sie dort<br />
treibt, ist den Eltern schon lange nicht<br />
mehr klar. Sie meldet sich selten und<br />
dann nur knapp. Einmal kommt eine<br />
Mail, mit der sie, ziemlich wortkarg, ihre<br />
Eheschliessung mitteilt, «Just married»,<br />
darunter eine Foto. Dass sie noch Kinder<br />
haben wird, dass Inge Lohmark also<br />
Grossmutter werden könnte, scheint inzwischen<br />
eher unwahrscheinlich.
Aber auch dafür findet sie noch einen<br />
auf ihre Fachkenntnisse gestützten<br />
Kommentar. Inge Lohmark – darin liegt<br />
der Reiz dieses Romans – sieht die Welt<br />
nur durch die Augen einer Biologin.<br />
Jede, noch die beiläufigste Beobachtung<br />
mündet in eine kleine, biologisch grundierte<br />
Analyse.<br />
Und für alles findet sie eine Analogie<br />
in den Gesetzmässigkeiten der Natur,<br />
die sie unermüdlich auf ihre Umgebung<br />
überträgt. Mal ist es die Vererbungslehre,<br />
mal sind es die Gesetze der Evolution,<br />
immer wieder sind es Fakten aus der<br />
Tier- oder Pflanzenwelt, die sie als Interpretationsraster<br />
über ihre Umwelt<br />
legt. «Die Ameisen brauchten Tausende<br />
von Arten, um die ganze Welt zu besiedeln,<br />
der Mensch schaffte das mit einer<br />
Handvoll Varietäten.» Sätze wie diese<br />
denkt sie pausenlos.<br />
Objekte sind die Schüler und Schülerinnen,<br />
aber auch die Kolleginnen und<br />
Kollegen. Und bei allen stellt sie nur<br />
Schwäche fest: «Alles nur eine Frage des<br />
Willens.» Dass beispielsweise Ellen von<br />
ihren Mitschülern misshandelt wird,<br />
sieht sie sehr wohl, aber es kümmert sie<br />
nicht: «Es galt das Faustrecht. Wenn sie<br />
so mutlos schaute, brauchte sie sich<br />
nicht zu wundern. (…) Zum Opfer macht<br />
man sich immer nur selbst.» Nur die<br />
Judith Schalansky<br />
zeichnet den<br />
Schulalltag einer<br />
Lehrerin in der<br />
ostdeutschen<br />
Provinz. Hier Güstrow<br />
in Mecklenburg-<br />
Vorpommmern.<br />
Rudi Meisel / VisuM<br />
Stärksten setzen sich durch, das weiss<br />
Inge Lohmark. Aber sie, deren Name an<br />
den Evolutionstheoretiker Lamarck erinnert,<br />
weiss auch, dass die Evolution<br />
oft ungeahnte Wege geht.<br />
Als sie einmal, für sich selber unerklärlich,<br />
Interesse findet an der unscheinbaren<br />
Schülerin Erika, hat sie umgehend<br />
eine Parallele aus der Tierwelt<br />
zur Hand: Schnecken. Dort verläuft die<br />
Trennung «nicht zwischen den Geschlechtern,<br />
sondern zwischen Jung und<br />
Alt.» Ihre Angst, die erotisch infizierten<br />
Gefühle für die junge Frau könnten sie<br />
in Bedrängnis bringen, kann sie so gleich<br />
wieder abwehren, aber die ältere Frau<br />
gerät dennoch ein wenig ins Wanken.<br />
Alles können die biologistischen und sozialdarwinistischen<br />
Versatzstücke nicht<br />
erklären, mit denen sie um sich wirft,<br />
und hier bekommt die Welt der Inge<br />
Lohmark erste kleine Risse.<br />
Virtuos und unterhaltsam<br />
Judith Schalansky erzählt das auf subtile<br />
Weise, mit winzigen Verschiebungen im<br />
theoretischen Schutzschild, das die Biologin<br />
immunisieren und von ihren eigenen<br />
Gefühlen fernhalten soll. Und zugleich<br />
bringt sie wie nebenbei auch<br />
höchst aktuelle Themen zur Sprache:<br />
Klimawandel, Überalterung, die Folgen<br />
der Landflucht etwa.<br />
Ein ausserordentliches Buch. Ungewöhnlich<br />
ist auch die Gestaltung, die<br />
typographische Sorgfalt, mit der die Autorin<br />
ihr Buch eingerichtet hat. Das beginnt<br />
mit dem Einband aus grauem Leinen,<br />
einer gelungenen Anspielung auf<br />
das Erscheinungsbild von Schulbüchern<br />
in früheren Zeiten. Und es geht weiter<br />
mit feinen Illustrationen, die über das<br />
Buch verteilt sind, Darstellungen von<br />
Medusen, Fruchtfliegen, Föten, Pantoffeltierchen<br />
oder Fossilien. Drei Kapitel<br />
zählt das Buch, jeweils nach dem Stoff,<br />
der an drei Tagen im Unterricht behandelt<br />
wird, und auf jeder rechten Seite<br />
steht ein thematisches Schlagwort aus<br />
der Biologie, als liesse sich hier etwas<br />
nachschlagen. Entdecken lässt sich mit<br />
Gewissheit eine Erzählerin, die hier<br />
einen virtuosen und höchst unterhaltsamen<br />
Roman vorlegt. l<br />
Die erste umfassende Monographie über Gallus – rechtzeitig<br />
zum grossen Gallusjubiläum 2012!<br />
Wer war Gallus? Ein Missionar, Wandermönch, Eremit? Keineswegs! Der Historiker und<br />
10CAsNsjY0MDAx1TU0MbW0MAUALEdzpQ8AAAA=<br />
10CFWKuwqAMBRDv-iWm_amDztKt-Ig7l3E2f-ftG6GhAPh9F7p9NvatqPtFapGgbFkVhY6n2JF8S7xJUCvwAIyWrCcf74oSgwaxnRklgMUmlgaQfPAzPxI9e4-rwcWfauGgAAAAA==<br />
Theologe Max Schär gibt in seinem Buch Antworten auf beinah alle Fragen, die sich zu<br />
Gallus stellen lassen und überrascht mit neuen, teilweise auch provokativen Erkenntnissen.<br />
Max Schär: GALLUS. Der Heilige in seiner Zeit. 2011. 552 Seiten, 21 Abbildungen in Farbe.<br />
Gebunden. sFr. 48.–. ISBN 978-3-7965-2749-4 Schwabe Verlag Basel.<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 5
Belletristik<br />
Roman Die irische Erzählerin Anne Enright erforscht, wie sich Menschen in der Erinnerung ihr<br />
banales Leben zurechtlegen<br />
Alles begann auf dem Gartenfest<br />
Anne Enright: Anatomie einer Affäre. Aus<br />
dem Englischen von Petra Kindler und<br />
Hans-Christian Oeser. DVA. 320 Seiten,<br />
Fr. 28.50.<br />
Von Simone von Büren<br />
«Das Licht ist wundervoll und grundverkehrt<br />
– es ist, als müsste ich den ganzen<br />
Planeten in meinem Kopf drehen,<br />
um in diesen Garten zu gelangen, in diesen<br />
Abschnitt des Nachmittags und zu<br />
diesem Mann, diesem Fremden, neben<br />
dem ich jetzt schlafe.» Während ein<br />
Sturm im Winter 2009 Dublin lahmlegt,<br />
blickt die 39-jährige Ich-Erzählerin von<br />
Anne Enrights neuem Roman zurück<br />
auf eine Affäre, die zum Alltag wurde.<br />
Das Thema Erinnerung taucht in den<br />
Werken der irischen Autorin immer<br />
wieder auf – am eindringlichsten in<br />
ihrem Roman «Das Familientreffen»,<br />
der 2007 mit dem Booker-Preis ausgezeichnet<br />
wurde. Während jener um ein<br />
6 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
düsteres Geheimnis kreist, wissen wir in<br />
«Anatomie einer Affäre» schon nach<br />
wenigen Seiten, was geschehen wird:<br />
Die Sache wird ihren Lauf nehmen, zwei<br />
Ehen zerstören, mehrere Häuser auf den<br />
Markt bringen und einem eh schon angeschlagenen<br />
Kind hart zusetzen.<br />
Anne Enright geht es hier weder um<br />
Spannung noch um Moral. Es geht ihr<br />
nicht um das, was passiert ist, sondern<br />
darum, wie es wiedergegeben wird. Sie<br />
erforscht, wie sich Menschen die Unordentlichkeit<br />
und Willkür des Lebens zurechterzählen,<br />
wie sie sich selektiv erinnern<br />
und banale Ereignisse zu einer Geschichte<br />
formen, die sie dann fortlaufend<br />
redigieren.<br />
Geschönte Vergangenheit<br />
Gina Moynihan – eine von Enrights vielen<br />
unverblümten Ich-Erzählerinnen –<br />
steigt ein «in diese Geschichte über<br />
Seán, die ich mir selbst erzähle» mit der<br />
ersten Begegnung im Sommer 2002 an<br />
einem Fest im Garten ihrer Schwester.<br />
DER NEUE ROMAN<br />
VON WOLFGANG HERRNDORF<br />
«Wie Wolfgang Herrndorf erzählt, mit einer Sprache,<br />
nach der man süchtig werden kann, das ist brillant.»<br />
Frankfurter Rundschau<br />
10CFWKMQ6EMAwEX5Ro13HiGJeIDlEg-jSnq-__1RE6VrPNaPY9asbzdTuu7QwCKgkQp0b1msVaFPfcugZJE5ALVXu9i_LqE-itoIzZpImN26ol9WEig3PTaYfk3-f7B3ENLDyAAAAA<br />
10CAsNsjY0MDAx0jUwMLI0NAEANoh4qg8AAAA=<br />
Auch als<br />
E-Book<br />
Sie reproduziert den Moment aktiv, entscheidet<br />
über die Art des Lichts und arrangiert<br />
die Personen nach Bedarf: Ihren<br />
Verlobten Conor, mit dem sie damals gerade<br />
ein Reihenhaus in einem Vorort<br />
gekauft hatte, streicht sie aus der Geschichte<br />
und beschreibt stattdessen, wie<br />
sich eine ihr unbekannte Frau durch<br />
einen Teller Süssigkeiten futtert. Seán<br />
stellt sie «ans untere Ende des Gartens,<br />
nachmittags, zu dem Zeitpunkt, wenn<br />
der Tag sich zu neigen beginnt. Vielleicht<br />
um halb sechs.» Die Einzige, die<br />
sich in der Erinnerung nicht recht bändigen<br />
lässt, ist Seáns vierjährige Tochter<br />
Evie, «ein seltsames, gestörtes kleines<br />
Ding» mit epileptischen Anfällen, «eine<br />
Art Schmierfleck auf einem ansonsten<br />
vollkommen klaren Bild.»<br />
Der Diskrepanz zwischen Erlebtem<br />
und Erinnertem, Erinnertem und Erzähltem<br />
ist sich Gina dabei durchaus<br />
bewusst: Sie weiss, dass sie lange gar<br />
nicht in Seán verliebt war, aber: «Würde<br />
man mich heute fragen, würde ich na-<br />
www.rowohlt-berlin.de<br />
480 Seiten. Gebunden<br />
€ 19,95 (D) / € 20,60 (A) / sFr. 28,50 (UVP)<br />
© plainpicture/Glasshouse
türlich sagen, dass ich von jenem ersten<br />
Blick an verrückt nach ihm war.» Und<br />
sie gibt zu, dass sie möglicherweise<br />
«den Liebhaber, den ich heute kenne,<br />
der Erinnerung an den Mann überstülpe,<br />
mit dem ich damals geschlafen<br />
habe.»<br />
In der Folge greift sie ohne Rücksicht<br />
auf die Chronologie einzelne Momente<br />
heraus, überspringt andere «wie die<br />
Nadel auf einer alten Schallplatte» und<br />
kehrt immer wieder zu diesem Sommernachmittag<br />
zurück, an den Seán sich bezeichnenderweise<br />
nicht erinnert. Es gibt<br />
in ihrer Rohfassung der Geschichte Widersprüche<br />
und lose Enden, Exkurse in<br />
die Kindheit, minutiös gearbeitete Szenen<br />
und blosse Skizzen. Meisterhafte<br />
Bilder – Seáns Frau, die in ihren Designerkleidern<br />
«wie ein weiches Lebewesen<br />
aus einem schönen harten Panzer<br />
ragt» – stehen neben forcierten Beschreibungen<br />
wie die einer hysterischen<br />
Schwangeren als «Steckrübe mit Nervenzusammenbruch».<br />
Einsamkeit und Sehnsucht<br />
«Läppisch klingende Einzelheiten», die<br />
ernüchternden Details der Affäre, die<br />
Missverständnisse, Hotelnächte und<br />
Lügen durchkreuzen immer wieder die<br />
Behauptung grosser Liebe und Romantik,<br />
die Gina hartnäckig aufrechtzuerhalten<br />
versucht und die auch in den<br />
Popsongs anklingt, mit deren Titel die<br />
Kapitel überschrieben sind. Rückwirkend<br />
retouchiert sie entsprechend, fügt<br />
der ersten Begegnung, die, wie sie zu-<br />
Die irische Autorin<br />
Anne Enright 2008<br />
bei einem Besuch<br />
in Hamburg.<br />
gibt, «nichts Schicksalhaftes an sich<br />
hatte», «das Licht des Spätsommers und<br />
die Aussicht hinzu». Sie schwankt zwischen<br />
Ehrlichkeit und Ausflucht, betont<br />
ihre anhaltende Verliebtheit, nur um in<br />
einem «Versprecher» die tatsächliche<br />
Situation zu verraten: «Bevor unser<br />
10CFWKMQ7DMAwDX2SDlCzVisYgW5AhyO6l6Nz_T62zhTguh9v3tIr763Zc25kEmhRAApEWVuXlqRHVuyXJLiAXCq3BXR99AcMVOmZTJn1QCvXP6O6Dc9OxQer3_fkBr9-ujYAAAAA=<br />
10CAsNsjY0MDAx0jUwMLI0sAQAysXSzQ8AAAA=<br />
Peter Peitsch<br />
Leben eine Ödnis aus Langeweile, Wut<br />
und Betrug wurde, liebte ich Seán. Ich<br />
meine Conor.»<br />
Enrights harter und genauer Blick auf<br />
Alltägliches und ihr direkter, lebendiger,<br />
von der gesprochenen Sprache inspirierter<br />
Stil bringen uns die Figuren mit<br />
ihren Feigheiten und Eitelkeiten nahe,<br />
wenngleich sie uns dadurch auch nicht<br />
unbedingt sympathisch werden. Der<br />
Titel der deutschen Übersetzung nimmt<br />
diesen analytischen Blick auf: Allerdings<br />
beschreibt der Roman die Anatomie<br />
von viel mehr als einer Affäre: Eine<br />
Anatomie von Ginas Schwester, «der<br />
wunderschönen Mutter Schrägstrich<br />
Gastgeberin», die zu ihrem mustergültigen<br />
Leben eine mustergültige Vergangenheit<br />
erfindet. Eine Anatomie der irischen<br />
Mittelschicht gegen Ende der<br />
Boomjahre mit ihren Zweithäusern am<br />
Meer, ihren Markenkleidern, Schönheitsoperationen<br />
und IT-Jobs, die die<br />
Wirtschaftskrise 2009 ebenso zerfetzt<br />
wie die Affäre die Ehen.<br />
Vor allem aber präsentiert der Roman<br />
eine Anatomie der Erzählerin, ihrer Einsamkeit<br />
und Sehnsucht, ihrer Ausweichmanöver<br />
und Eingeständnisse und ihrer<br />
anstrengenden Beziehung zu Evie, dem<br />
«Kuckuckskind», das in seiner «galoppierenden<br />
Körperlichkeit» in ihrer<br />
Küche sitzt und nervt. Doch um Evie<br />
kommt sie nicht herum. Evie ist der<br />
Preis, den sie für die Liebe zu entrichten<br />
hat, und der Grund, wieso sie noch mit<br />
Seán zusammen ist. Jedenfalls hat Gina<br />
sich das so zurechtgelegt. l<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 7
Belletristik<br />
Klassiker Mit Dantes «Komödie» begann die italienische Literatur – bis<br />
heute gilt sie als ihr Hauptwerk. Kurt Flaschs Neuübersetzung zeugt<br />
von grossem sprachlichem Einfühlungsvermögen<br />
Abenteuer der Seele<br />
Dante: Commedia. In deutscher Prosa.<br />
Übersetzt von Kurt Flasch. S. Fischer,<br />
Frankfurt 2011. 2 Bände, 320 S., Fr. 129.–.<br />
Von Stefana Sabin<br />
Die Zeitläufe waren unruhig, gewaltsame<br />
politische und religiöse Kämpfe erschütterten<br />
das Land, und Sympathien<br />
waren von kurzer Dauer. So geschah es,<br />
dass der Florentiner Dichter und Philosoph<br />
Dante Alighieri zwischen verfeindete<br />
Fraktionen geriet und aus seiner<br />
Heimatstadt verbannt wurde. Im Exil in<br />
Verona und Ravenna, wo er 1321 starb,<br />
schuf Dante ein grossangelegtes episches<br />
Gedicht (14 233 Verse): eine Jenseitsvision,<br />
die er «Komödie» nannte<br />
und in der er seine Epoche religionsphilosophisch<br />
reflektierte und literarisch<br />
gestaltete.<br />
Die Handlung erzählt von der Wanderung<br />
der Dichterfigur Dante durch<br />
Hölle und Läuterungsberg und von seiner<br />
Ankunft im Paradies. Bald in kurzen<br />
Szenen und bald in ausführlichen Episoden<br />
werden Erlebnisse und Begegnungen<br />
von unterwegs wiedergegeben, wird<br />
eine Vielzahl von historischen, mythologischen<br />
und biblischen Gestalten eingeführt.<br />
Beschrieben wird ihre jeweilige<br />
Strafe, Busse oder Seligkeit, wobei Beurteilungen<br />
nicht dem göttlichen Weltenrichter<br />
überlassen, sondern mit souveräner<br />
poetischer Eigenmächtigkeit vorgenommen<br />
werden (Päpste und Krieger<br />
sitzen in der Hölle, Künstler eher auf<br />
dem Läuterungsberg und Philosophen<br />
im Paradies). Als Führer tritt zuerst der<br />
römische Dichter Vergil auf, später der<br />
christliche Dichter Statius, der an der<br />
Schwelle zum Paradies wiederum von<br />
einer Frauengestalt, Matelda, abgelöst<br />
wird. Sie ist es, die den Jenseitsreisenden<br />
zu seiner Geliebten Beatrice bringt.<br />
8 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
Das Happyend erklärt nur bedingt<br />
den Bezug auf die dramatische Gattung<br />
der Komödie. Der Titel, so Dante, sollte<br />
ein Hinweis auf die Spannweite der<br />
Handlung ebenso wie auf den programmatischen<br />
Verzicht auf Erhabenheit<br />
sein. Denn Dante schrieb die «Komödie»<br />
nicht in Latein, wie damals für<br />
hohe Literatur üblich, sondern in der<br />
Volkssprache, also auf Italienisch, und<br />
er hielt sich nicht an eine sublime Bildlichkeit,<br />
sondern benutzte alle stilistischen<br />
Register – derb, ekstatisch, lyrisch.<br />
Mit Dantes «Komödie» beginnt<br />
die italienische Literatur – und sie gilt<br />
bis heute als ihr Hauptwerk.<br />
Suggestive Sprache<br />
Schon im 14. Jahrhundert war die «Komödie»<br />
in Italien verbreitet. Etwa<br />
450 Handschriften waren im Umlauf.<br />
1472 erschien die erste gedruckte Fassung,<br />
fast ein Jahrhundert später wurde<br />
das Beiwort «göttlich» hinzugefügt –<br />
und ein Missverständnis geschaffen.<br />
Denn in Dantes fiktionalem Jenseits<br />
geht es um rein menschliche Befindlichkeiten<br />
und Gefühle, Dante ist ganz und<br />
gar ein «Dichter der irdischen Welt»<br />
(Erich Auerbach). Es ist die dichterische<br />
Erfassung der Weltwirklichkeit, die die<br />
«Komödie» bis heute relevant macht.<br />
Nicht zufällig nannte Karl Witte seine<br />
Übersetzung von 1865 «Die grossen Geschichten<br />
der Menschheit». Wittes war<br />
damals die elfte Gesamtübersetzung –<br />
inzwischen gibt es etwa 60, die meisten<br />
davon, wie diejenige Wittes, in Blankversen,<br />
nur wenige in Terzinen, wie diejenige<br />
von Rudolf Borchardt von 1923,<br />
einige in Prosa.<br />
Auch der Mainzer Mediävist Kurt<br />
Flasch hat Dantes Terzinen in Prosa<br />
übertragen – in einer rhythmisierten,<br />
unprätentiösen und dennoch suggestiven<br />
Sprache. Flasch, dessen Studien<br />
10CFWKOw6AMAxDT9TKTkg_ZERsiAGxd0HM3H-iZcOyBz-9bXOL-Las-7keTmCyQAM1u1WLUpxVYk5O0gTkzATRXCb72QGsSaFtOGHUGlOngdpQ-xkZDAKJz3W_6pbkD34AAAA=<br />
10CAsNsjY0MDAx1TU0NTA0NgcA8XckrA8AAAA=<br />
Dantes Inferno in der<br />
«Komödie», gemalt<br />
von Sandro Botticelli<br />
(1490–1496).<br />
Vatikanische Museen,<br />
Rom.<br />
über Augustinus, Cusanus und Meister<br />
Eckhart philosophische und philologische<br />
Massstäbe setzten, hatte seine<br />
Übersetzungsfeder sozusagen an Boccacio<br />
geschärft, bevor er sich die «Komödie»<br />
vornahm. Je nach Zeitrechnung hat<br />
er ein Jahrzehnt oder ein Leben daran<br />
gearbeitet – jedenfalls zeugt die prächtige<br />
Dante-Ausgabe, die jetzt im Jubiläumsprogramm<br />
des S.-Fischer-Verlags<br />
erschienen ist, von jener «Geduld zur<br />
Sache», die Adorno jeder Gelehrtheit<br />
unterstellte.<br />
Sperrig, aber verstehbar<br />
Die Gelehrtheit hat Flasch in einem separaten<br />
Band mit dem Titel «Einladung,<br />
Dante zu lesen» zusammengefasst: Biografisches<br />
zu Dante, Erklärungen zu den<br />
Figuren, sprach-, religions- und kulturhistorische<br />
Überblicke machen die «Komödie»<br />
zu einer «summa mundi».<br />
Flasch versteht sie als einen fernen Spiegel<br />
der Gegenwart, sieht, ganz im Sinne<br />
Auerbachs, in Dantes Jenseits eine literarische<br />
Gestaltung des Diesseits.<br />
Auch deshalb vertraut Flasch auf die<br />
Kraft der sprachlichen Bilder. Er habe,<br />
schreibt er, den Text lassen wollen, «wie<br />
er ist: alt, fremd, sperrig, beladen mit<br />
historischem Stoff, mit theologischer<br />
Spekulation, mit bizarren Einfällen»,
und ihn dennoch durchsichtig und verstehbar<br />
machen.<br />
Flasch orientiert sich am heutigen<br />
deutschen Sprachgebrauch, aber er<br />
bleibt nah am Original und gibt ihm die<br />
Frische wieder, die es sich im Italienischen<br />
bis heute bewahrt hat.<br />
Wenn Witte die Reise ins Jenseits mit<br />
einem irdischen Orientierungsverlust<br />
beginnen lässt: «Es war in unseres Lebensweges<br />
Mitte, / Als ich mich fand in<br />
einem dunklen Walde; / Denn abgeirrt<br />
war ich vom rechten Wege;» und wenn<br />
Borchardt hinter der Verirrung eine<br />
Selbstaufgabe sieht: «Es war inmitten<br />
unseres wegs im leben, / Ich wandelte<br />
dahin durch finstre bäume / Da ich die<br />
rechte strasse aufgegeben;», so stellt<br />
Flasch in suggestiver Knappheit den Anfang<br />
einer Selbstfindung dar: «In der<br />
Mitte unseres Lebenswegs kam ich zu<br />
mir in einem dunklen Wald. Der rechte<br />
Weg war da verfehlt.»<br />
Es ist fast eine Abenteuerreise, jedenfalls<br />
eine seelische und geistige Abenteuerreise,<br />
die Flasch in der «Komödie»<br />
freilegt. Nicht das philosophische Hintergrundwissen<br />
und auch nicht die philologische<br />
Bildung, sondern das sprachliche<br />
Einfühlungsvermögen macht Kurt<br />
Flaschs Übersetzung zu einer tatsächlichen<br />
«Einladung, Dante zu lesen». ●<br />
bücher zu weihnachten bei hier + jetzt<br />
Der Hausberg<br />
von Zürich<br />
Der Uetliberg<br />
Geschichte und<br />
Geschichten<br />
des <strong>Zürcher</strong> Hausbergs<br />
Stefan Schneiter<br />
164 S., 160 Abb.,<br />
gebunden mit Schutzumschlag<br />
Fr.68.–, € 58.80<br />
ALINARI / ARTOTHEK<br />
Lyrik Ein unbekanntes Kapitel jüdischer Literatur in Deutschland<br />
Schreiben nach Auschwitz<br />
Fixfertig auf den Teller<br />
Hero – seit 1886<br />
in aller Munde<br />
Von der Konserve zum<br />
Convenience Food<br />
10CFWKuw6AIBRDvwjSAoUgo3EjDsadxTj7_5NXNk_6SJr23uQxvW77uR2NQJKjmLKaqnwoubEGX2RtBJALiRJQc_z9HWgT4vg-bmpYQi5xiBicWCGD_rnuF_yhAXeAAAAA<br />
Hg. Isabel Koellreuter,<br />
Martin Lüpold, Franziska<br />
Schürch<br />
160 S., 197 Abb.,<br />
gebunden<br />
Fr.48.–, € 40.80<br />
hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH<br />
Postfach, ch-5405 Baden, Tel. +41 56 470 03 00, Fax +41 56 470 03 04<br />
Bestellungen per E-Mail: order@hierundjetzt.ch<br />
Tamar Lewinsky (Hrsg.): Unterbrochenes<br />
Gedicht. Jiddische Literatur in<br />
Deutschland 1944–1950. Oldenbourg,<br />
München 2011. 168 Seiten, Fr. 35.50.<br />
Von Klara Obermüller<br />
Ihr Schicksal gleicht demjenigen von<br />
Millionen osteuropäischer Juden im<br />
20. Jahrhundert. Mit einem Unterschied:<br />
Sie haben überlebt und sind zurückgekommen,<br />
in ihre Heimatländer zuerst,<br />
dann, weil man sie dort wieder verfolgte,<br />
nach Deutschland und später nach<br />
Israel, Südamerika oder in die Vereinigten<br />
Staaten. «Desplaced Persons» (DP)<br />
nannte man diese jüdischen Überlebenden,<br />
die nach dem Krieg in Deutschland<br />
gestrandet waren und in speziell für sie<br />
eingerichteten Lagern zumeist in Bayern<br />
untergebracht wurden.<br />
So weit ist die Geschichte bekannt.<br />
Weniger bekannt dürfte sein, dass es<br />
unter diesen Versprengten auch Schriftsteller<br />
gab, die auf jiddisch für ein jiddischsprachiges<br />
Publikum Gedichte und<br />
Kurzprosa schrieben. Tamar Lewinsky<br />
hat nun, zusammen mit ihrem Vater<br />
Charles Lewinsky, eine Auswahl dieser<br />
Arbeiten ins Deutsche übersetzt und als<br />
Anthologie herausgegeben.<br />
Der Band «Unterbrochenes Gedicht»<br />
enthält Werke von 19 Autoren, darunter<br />
zwei Frauen. Die Texte gehören zu den<br />
frühesten Versuchen, sich literarisch<br />
mit den Erfahrungen der Shoah auseinanderzusetzen.<br />
Dass es vornehmlich<br />
Gedichte sind, erstaunt nicht. Marcel<br />
Reich-Ranicki hat einmal bekannt, dass<br />
er im Warschauer Ghetto nur noch Lyrik<br />
und keine Romane mehr zur Hand genommen<br />
habe, weil er ja nie wusste, ob<br />
er anderntags noch in der Lage sein<br />
würde, weiterzulesen. Ich denke, dass es<br />
denjenigen, die unmittelbar nach der<br />
Shoah Worte für das Leben nach dem<br />
Überleben suchten, ähnlich erging.<br />
Für eine lyrische Abbreviation reichte<br />
die Kraft, für mehr noch nicht. Es ist<br />
eine relativ kurze Zeitspanne, in denen<br />
Aufwachsen<br />
ohne Eltern<br />
10CAsNsjY0MDAx1TU0NTQxMwUAFkcqgQ8AAAA=<br />
Heimkinder<br />
Eine Geschichte<br />
des Aufwachsens<br />
in der Anstalt<br />
Urs Hafner<br />
180 S., 25 Abb.,<br />
KLappenbroschur<br />
Fr.38.–, € 32.80<br />
diese Gedichte entstanden sind: 1944<br />
das früheste von Meyer-Ber Gutman,<br />
geschrieben noch im Lager Kaufering<br />
bei Dachau, die letzten bereits Anfang<br />
der fünfziger Jahre, als die DP-Lager aufgelöst<br />
und die Insassen in alle Winde<br />
verstreut wurden. Thematisch sind sie<br />
sich alle sehr ähnlich. Sie kreisen um die<br />
Erfahrung des Todes, die Schuldgefühle<br />
gegenüber den Opfern und immer wieder<br />
auch um die Absurdität, ausgerechnet<br />
in Deutschland eine erste Zuflucht<br />
gefunden zu haben. Qualitativ gibt es<br />
Unterschiede, gewiss. Aber die Intensität,<br />
mit der hier um eine Sprache für das<br />
Unaussprechliche gerungen wird, straft<br />
alle jene Lügen, die Gedichte nach<br />
Auschwitz für unmöglich hielten. Dass<br />
es ausgerechnet die «Mameloschen»,<br />
die Muttersprache, ist, der das Unmögliche<br />
gelingt, macht den besonderen Wert<br />
dieser Arbeiten aus.<br />
Manche der hier versammelten Autoren,<br />
Gutmann, Vorzoger oder Binyomin<br />
etwa, sind Lyriker von Rang, und die<br />
Nähe manch eines ihrer Gedichte zu Arbeiten<br />
von Paul Celan, Nelly Sachs oder<br />
Rose Ausländer ist frappant. Wie diese<br />
treiben auch sie die Sprache bis hart an<br />
die Grenze zum Verstummen. «Jedes<br />
Wort – ist Lästerung / Oh, gib mir Kraft,<br />
Gott – um zu schweigen», heisst es bei<br />
Shloyme Vorzoger. Das Schweigen ist<br />
neben dem Schmerz um die Opfer, dem<br />
Hass auf die Täter und ganz am Ende<br />
einer zaghaften Hoffnung auf die heilende<br />
Kraft der Liebe das zentrale Thema<br />
dieser Gedichte und kurzen Prosatexte,<br />
die von Tamar und Charles Lewinsky<br />
mit grosser Sorgfalt ins Deutsche übertragen<br />
wurden.<br />
Die vorliegende Anthologie stellt<br />
einen wertvollen Beitrag zur Geschichte<br />
sowohl der jüdischen wie vor allem der<br />
jiddischen Literatur in Deutschland dar.<br />
Schade eigentlich nur, dass die Herausgeberin<br />
Tamar Lewinsky auf die Wiedergabe<br />
der Originaltexte verzichtet<br />
und uns damit die Klangvielfalt wie<br />
auch den lexikalischen Reichtum des<br />
Jiddischen vorenthalten hat. ●<br />
Eindrückliche Gesamtschau<br />
www.hierundjetzt.ch<br />
Das Kloster Muri<br />
Geschichte und Gegenwart<br />
der Benediktinerabtei<br />
Bruno Meier<br />
168 S., 193 Abb.,<br />
gebunden<br />
Fr.58.–, € 49.80<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 9
Belletristik<br />
Lyrik Jan Wagner zeigt sich in seiner kleinen Prosa als kluger Beobachter von Augenblicken und<br />
Nebensächlichkeiten<br />
Vom Tagwerk des Dichters<br />
Jan Wagner: Die Sandale des Propheten.<br />
Beiläufige Prosa. Berlin Verlag,<br />
Berlin 2011. 239 Seiten, Fr. 28.50.<br />
Von Angelika Overath<br />
Was tut ein Lyriker auf dem Poesiefestival<br />
in Bratislava, wenn Pause ist? Er stolpert<br />
in die «World Dog Show». Erst<br />
fremdelt er unter Chow-Chows und<br />
Möpsen, Neufundländern und Windspielen,<br />
Rottweilern und Leonbergern,<br />
dann aber ahnt er zunehmend im «freudigen<br />
Bellen der Collies», im «herrischen<br />
Kläffen der Setter», im allgemeinen<br />
«Japsen und Winseln» eine geheime<br />
Wahlverwandtschaft zu den Züch-<br />
10 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
tern dieser menschennahen Geschöpfe.<br />
Während ein frisch gestriegelter Riesenschnauzer<br />
sich dem Fotografen präsentiert,<br />
tritt sein Besitzer «mit Anmut<br />
und Bescheidenheit» zur Seite, «in seinem<br />
Gesicht das feine Lächeln dessen,<br />
der weiss, dass es gut ist, dass es gelungen<br />
ist, der den Betrachtern die Frucht<br />
all seiner Mühen mit der freundlichen<br />
Geste des Schöpfers überlässt: Seht, das<br />
Werk ist fertig, erfreut euch daran.»<br />
Zum Alltag eines Dichters gehören<br />
aber auch die zu schützenden, zu besprechenden<br />
oder herauszugebenden<br />
Kollegen («Über neue Gedichte», «Vom<br />
Pudding. Formen junger Lyrik»). Immer<br />
vertritt er die Ehre seines Fachs ganz im<br />
Sinn Dylan Thomas’: «Ein gutes Gedicht<br />
Island Zerstörung unberührter Landschaften<br />
Island ist das Land der Vulkane und Geysire, der<br />
langen Winter, des Eises und der unberührten Natur.<br />
Der Gletscherfluss Jökulsa a Bru galt als der wildeste<br />
Strom der Insel im Norden Europas. Er hat sich über<br />
viele tausend Jahre tief in die Erde eingeschnitten<br />
und eine ganz eigene Landschaft hervorgebracht.<br />
Heute ist von ihm nur mehr ein Rinnsal übrig<br />
geblieben. Zwischen 2003 und 2006 wurde in der<br />
Gegend ein riesiger Staudamm errichtet, der es<br />
erlaubte, 57 Quadratkilometer Land zu überfluten,<br />
darunter die Weiden der letzten frei lebenden<br />
Rentiere des Landes. Über siebzig Wasserfälle fielen<br />
dem gigantischen Projekt zum Opfer. Die Proteste<br />
von Umweltschützern waren vergeblich, die Nutzung<br />
ist absurd: Hauptabnehmer des hier produzierten<br />
Stroms ist eine Aluminiumfabrik. Island hat kein<br />
Bauxit. Der Rohstoff kommt aus Australien und<br />
Brasilien, das Aluminium wird in alle Welt verschifft.<br />
Olaf Otto Becker hat sich mit seinen ebenso schönen<br />
wie aufrüttelnden Büchern zum Verschwinden des<br />
Nordpol-Eises in kürzester Zeit einen Namen<br />
gemacht. In dem neuen Band legt er auf bedrückende<br />
Weise offen, wie hinter der vermeintlichen<br />
Unberührtheit Islands bereits seine Zerstörung liegt.<br />
Unsere Sehnsucht nach Weite und Ruhe trifft hart auf<br />
die Spuren der Wirtschaftskrise. Gerhard Mack<br />
Olaf Otto Becker: Under the Nordic Light. Hatje<br />
Cantz, Ostfildern 2011. 160 S., 93 Farbbilder, Fr. 85.–.<br />
ist ein Beitrag zur Wirklichkeit». Oder<br />
er mischt sich ein in alte Diskussionen<br />
und rettet (endlich!), was seit Gottfried<br />
Benns Verbot niemand gewagt hat, den<br />
«Wie-Vergleich» für die Lyrik. Im Unterschied<br />
zur Metapher, die schnell autoritär<br />
kurzschliesse, bleibe das «Wie»<br />
demokratisch und auf Augenhöhe mit<br />
dem Leser. Wunderbarerweise belegt er<br />
dies ausgerechnet mit einer Benn-Zeile<br />
aus einem frühen Morgue-Gedicht, wo<br />
über notdürftig versorgte Krebskranke<br />
gesagt wird: «Manchmal/ wäscht sie die<br />
Schwester. Wie man Bänke wäscht.»<br />
Was wäre sein Tagwerk ohne die Feiertage<br />
der Preise! Jan Wagner verbeugt<br />
sich souverän vor so unterschiedlichen<br />
Dichtern wie Arno Reinfrank, Ernst<br />
Meister, Wilhelm Lehmann und hebt sie<br />
damit noch einmal aus dem Sog des Vergessens.<br />
Der studierte Anglist setzt sich<br />
mit Klassikern der modernen Lyrik auseinander<br />
(beispielsweise Walt Whitman,<br />
Wallace Stevens). Und dann stolpert<br />
er wieder durch eine irische Winterdämmerung<br />
und glaubt plötzlich,<br />
über den Hügeln grossartig den Mond<br />
aufgehen zu sehen; es waren aber die<br />
Scheinwerfer eines Campingwagens,<br />
der kurzsichtige Dichter hatte die Brille<br />
nur nicht aufgesetzt.<br />
Aus der narrenden Sehschwäche aber<br />
entzündet sich ein Lob der Unschärfe,<br />
denn niemals wäre dieser Mond/Campingwagen-Augenblick<br />
in der Erinnerung<br />
geblieben ohne die radikale Täuschung,<br />
die in das Empfinden fällt wie<br />
ein Blitz, wie eine Epiphanie in die Vagheit<br />
der Existenz.<br />
Nicht nur das italienische Domizil<br />
vor Rom, wo er über die Zeitmaschine<br />
Lyrik nachdenkt, gehört zu den Produktionsbedingungen,<br />
auch die Kneipe in<br />
Neukölln, wo alte Topfpflanzen weise<br />
nicken, und das Übersetzertreffen in<br />
Helsinki mit finnischen Lyrikern, die –<br />
mittels der gemeinsamen Sprache Englisch<br />
– sich über «poetische Treue» und<br />
den Verzicht verständigen, den jedes<br />
Übersetzen ausmacht. Oder er streift<br />
zwecks wechselseitiger Inspiration mit<br />
Malern durch griechische Olivenhaine.<br />
Aber er hatte sein Haiku über die Zeit<br />
bereits zu Hause in Vorfreude geschrieben:<br />
«sagt: welcher prophet/ verlor die<br />
sandale dort,/ aus der schon moos<br />
wächst». Ein Maler entdeckt nun die<br />
Sandale im Hain. Was ist jetzt mit der<br />
Zeit und der Wirklichkeit?<br />
Wer für sie empfänglich ist, wird<br />
ohne Lyrik nicht leben wollen. Und er<br />
darf mit grossem Vergnügen in diesem<br />
entspannten und lehrreichen, in diesem<br />
freundlichen Buch lesen, das mitnimmt<br />
in die gesteigerte Welterfassung eines<br />
Menschen, der sprachlich reaktionsbereit<br />
durchs Leben geht.<br />
Jan Wagner ist ein Botanisierer von<br />
Augenblicken (und Lesemomenten), ein<br />
bewundernswürdiger Goldschmied der<br />
Nebensächlichkeiten, die uns manchmal<br />
retten. ●
Kriminalroman Mafia in der Klinik<br />
In eine fremde<br />
Haut geschlüpft<br />
Paul Wittwer: Widerwasser. Nydegg,<br />
Bern 2011. 398 Seiten, Fr. 35.90.<br />
Von Christine Brand<br />
Wer hat nicht schon einmal mit dem Gedanken<br />
gespielt: Alles hinschmeissen,<br />
die Vergangenheit abstreifen, in eine andere<br />
Haut schlüpfen und ganz neu anfangen?<br />
Mauro Matter, ein junger Arzt<br />
aus Bern, hat gerade seinen Job und gewissermassen<br />
auch Frau und Kind verloren.<br />
Er steht nachts am Ufer der Aare,<br />
denkt nicht an einen Neuanfang, sondern<br />
ans Aufgeben: Er will sich ins Wasser<br />
stürzen und nie wieder auftauchen.<br />
Doch dann fällt ihm eine Leiche vor die<br />
Füsse. Ein weiterer Lebensmüder, so<br />
vermutet Matter, der sich von der Brücke<br />
gestürzt hat. Der Tote sieht ihm ähnlich.<br />
Und plötzlich ist sie da, die Idee.<br />
Statt sein eigenes Leben fortzuschmeissen,<br />
beschliesst Matter, das Leben des<br />
Toten weiterzuführen: Ein Neubeginn<br />
mit einer anderen Identität.<br />
Nur: Beim Verstorbenen handelte es<br />
sich keineswegs um einen Lebensmü-<br />
Dü Dür Dü Dür Dü Dür Dü rr re enma e nma tt t<br />
Der Berner Arzt<br />
Paul Wittwer legt<br />
einen rasanten Krimi<br />
mit Lokalkolorit vor.<br />
den, sondern um einen Gejagten, der<br />
eng mit der italienischen Camorra verstrickt<br />
war. So löst der Rollentausch bei<br />
Mauro Matter nicht nur eine verworrene<br />
Suche nach seinem eigenen Ich aus.<br />
Er verfängt sich gleichzeitig im Netz des<br />
organisierten Verbrechens und wird<br />
zum Verfolgten, der um sein Leben<br />
fürchten muss. Was ihn nicht davon abhält,<br />
Nachforschungen in einer Berner<br />
Privatklinik zu betreiben, die der Camorra<br />
als Tarnung dient und in der ein<br />
sonderbares Geschäft mit Herzschrittmachern<br />
betrieben wird, die gar keine<br />
Herzschrittmacher sind.<br />
Es ist eine rasante Geschichte mit einigen<br />
charakterstarken Figuren und viel<br />
bernischem Lokalkolorit, die Paul Witt-<br />
10CAsNsjY0MDAx1TU0NTIxtwQAkpUygw8AAAA=<br />
Martin Ebel / Tages-Anzeiger, Zürich<br />
10CFWKqw4DMQwEvyiRN37FNazCooLqeMipuP-P7lLW1SwZzZyplX5_jtcx3gki0QJt4pEaWptbckS1rgnAGwEPCIy72F9eCGFMvHZSNr4g5YZjwWVhbzsocf2enwuE0guJfwAAAA==<br />
»Ein kapitales Werk.«<br />
wer in seinem dritten Kriminalroman<br />
«Widerwasser» vorlegt. Wie in «Giftnapf»<br />
und «Eiger, Mord und Jungfrau»<br />
hat der schreibende Arzt aus dem bernischen<br />
Oberburg als Hauptprotagonisten<br />
wiederum einen Arzt gewählt. Der kantige<br />
Polizist Limacher muss sich mit einer<br />
Nebenrolle zufriedengeben, was zu bedauern<br />
ist. Wittwer macht den Lesern<br />
den Einstieg nicht leicht. Er wirft sie hinein<br />
in einen Strudel von Ereignissen, und<br />
sie müssen sich auf abrupt wech selnden<br />
Schauplätzen zurechtfinden.<br />
Es braucht etwas Geduld, bis man den<br />
Überblick gewinnt. Doch dann vermag<br />
die Geschichte einen doch zu packen<br />
und mit unerwarteten Wendungen zu<br />
überraschen. ●<br />
Friedrich Dürrenmatt<br />
»Ich gehe auf keine Demonstration, ich bin selber eine.«<br />
Die erste große Biographie über Friedrich Dürrenmatt – vom Pfarrerssohn<br />
aus dem Emmental zum Autor von Weltruhm und mit Millionenauflagen,<br />
glänzend und packend geschrieben von Peter Rüedi.<br />
»Hier wird kein Leben erzählt, hier wird ein Universum durchleuchtet.«<br />
Manfred Papst / NZZ am Sonntag<br />
»Eine faszinierende Expedition ins Innere von Dürrenmatts Werk.«<br />
Urs Bugmann / <strong>Neue</strong> Luzerner Zeitung<br />
»Schon heute ein Standardwerk.«<br />
Roger Anderegg / Sonntags-Zeitung, Zürich<br />
960 Seiten, Leinen mit Lesebändchen, mit einem Bildteil<br />
sFr 49.90 (unverbindliche Preisempfehlung)<br />
ISBN 978-3-257-06797-2<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 11<br />
ROLAND SPRING
Belletristik<br />
Literarische Reportage Die beiden sowjetischen Autoren Ilja Ilf und Jewgeni Petrow reisten im Jahr<br />
1935 quer durch Amerika. Ihr Bericht aus der Wirtschaftskrise ist von erstaunlicher Frische<br />
«Nicht zu kaufen ist unmöglich»<br />
Ilja Ilf, Jewgeni Petrow: Das eingeschossige<br />
Amerika. Eine Reise mit Fotos<br />
von Ilja Ilf, 2 Bände. Die Andere<br />
Bibliothek im Eichborn-Verlag,<br />
Frankfurt 2011. 694 Seiten, Fr. 89.–.<br />
Von Kathrin Meier-Rust<br />
Zwei Russen im besten Alter kommen<br />
nach New York. Sie bestaunen Wolkenkratzer<br />
und Verkehrsstaus, besuchen,<br />
wie sich's gehört, Stripteaseshow und<br />
Boxkampf, Spielhölle und Obdachlosenheim.<br />
Dann kaufen sie ein Auto «von<br />
eleganter mausgrauer Farbe» und unternehmen<br />
eine Reise, die sie zwei Monate<br />
lang quer durch die Vereinigten Staaten<br />
nach Kalifornien und wieder zurück<br />
führt. Sie sind hingerissen von der grandiosen<br />
Natur des Landes und «verstört<br />
von seinem Reichtum und seiner<br />
Armut».<br />
Sie staunen: über hervorragende<br />
Stras sen, «breit wie ein Doppelbett und<br />
glatt wie eine Tanzfläche», über Essen,<br />
das «lecker aussieht, aber fade<br />
schmeckt», über «3 Arten von Wasser:<br />
kaltes, heisses und eisgekühltes». Konsterniert<br />
notieren sie, dass Amerikaner<br />
immer auf Raten kaufen: «Alles, sogar<br />
das Bett, auf dem der unverbesserliche<br />
Optimist und enthusiastische Verteidiger<br />
des Eigentums schläft, gehört nicht<br />
ihm, sondern einer Firma oder einer<br />
Bank.» Doch angesichts der allgegenwärtigen<br />
Konsum- und Reklamewelt begreifen<br />
sie schnell: «Nicht zu kaufen ist<br />
ganz und gar unmöglich.»<br />
Ungleiches Autorenduo<br />
Was sich so frisch liest, als wäre es letztes<br />
Jahr geschrieben, ist eine Reportage<br />
aus Amerika im Winter 1935/36, die<br />
heute zu den Klassikern dieses Genres<br />
gehört. Die beiden Russen auf Amerikareise<br />
sind Ilja Ilf und Jewgeni Petrow,<br />
zwei Literaturstars aus der Sowjetunion,<br />
die im Auftrag der «Prawda» reisten.<br />
Beide Autoren stammten aus Odessa,<br />
hatten sich aber erst in Moskau kennengelernt,<br />
wo sie zusammen die Gaunerkomödie<br />
«Zwölf Stühle» (1928) schrieben,<br />
eine mit leichter Hand verfasste<br />
Satire auf die so ganz und gar bourgeoise<br />
Geldgier in der jungen sowjetischen<br />
Gesellschaft. Sie war ein sofortiger Publikumserfolg,<br />
ebenso wie die noch bissigere<br />
Fortsetzung «Das Goldene Kalb»<br />
(1931).<br />
Beide Bücher erregten Anstoss bei<br />
der Zensur, wurden mehrmals verfilmt<br />
und sind in Russland bis heute populäre<br />
Klassiker. «Das eingeschossige Amerika»<br />
(der Titel soll dem sowjetischen<br />
Leser deutlich machen, dass der gewöhnliche<br />
Amerikaner keineswegs im<br />
Wolkenkratzer lebt) mit vielen Fotos<br />
12 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
Das Empire State<br />
Building in New York<br />
1932, kurz vor der<br />
Reise der beiden<br />
Prawda-Reporter.<br />
von Ilf, war ihr drittes und letztes grosses<br />
Gemeinschaftswerk.<br />
Das Autorenduo «Ilfpetrow» soll tatsächlich<br />
Satz für Satz gemeinsam geschrieben<br />
haben. Doch die beiden waren<br />
ganz verschiedene Menschen. Der sowjetische<br />
Schriftsteller Ilja Ehrenburg erzählt<br />
in seinen Memoiren, Ilf sei «verlegen<br />
und schweigsam» gewesen, ein<br />
schwermütiger Mensch mit einem oft<br />
bösen Witz, der etwas jüngere Petrow<br />
dagegen ein Mensch von unverbesserlichem<br />
Optimismus. Sie hätten einander<br />
prächtig ergänzt, schreibt Ehrenburg:<br />
«Ilfs bissige Satire verband sich treffend<br />
mit Petrows gütigem Humor.»<br />
Im Amerikabuch behält Petrows liebevoller<br />
Humor die Oberhand. Zwar<br />
sind die beiden Reporter oft entsetzt:<br />
über Gangster und Banker, über den Kino-Schund,<br />
den das geldgetriebene Hollywood<br />
produziert, über bloss halbvolle<br />
Konzertsäle und lahmen Beifall für grosse<br />
Künstler. Angesichts solch «geistiger<br />
Trägheit im Kapitalismus» befällt die<br />
beiden Sowjets dann jeweils der «dringende<br />
Wunsch, uns zu beschweren, Vorschläge<br />
zu machen, an die Prawda zu<br />
schreiben oder ans ZK.» Aber auch das<br />
Entzücken der Besucher lässt tief in die<br />
Zustände in ihrer sowjetischen Heimat<br />
blicken: über den allgegenwärtigen Service<br />
und Komfort, über kostenlose<br />
Landkarten und elektrische Haushaltgeräte,<br />
über Arbeitswillen und Technikbegabung<br />
der Amerikaner.<br />
Wie eine Ozean-Fahrt<br />
Ein Lese-Vergnügen der besonderen Art<br />
bereitet die köstliche Binnengeschichte<br />
um Mr. und Mrs. Adams: Der rundliche<br />
Mr. Adams, ein Ingenieur, der russisch<br />
spricht und als Führer und Übersetzer<br />
fungiert, plant, warnt und ermahnt von<br />
früh bis spät. Derweil Mrs. Adams, die<br />
einzige im mausgrauen Auto mit einem<br />
Fahrausweis, über 16 000 Kilometer stoisch<br />
am Steuer sitzt. «Ilfpetrow» vergleichen<br />
die Fahrt durch die USA mit<br />
einer Schiffsreise über den Ozean: «Sie<br />
ist ebenso einförmig wie grossartig.<br />
Wann man auch auf Deck erscheint, ob<br />
morgens oder abends, bei Sturm oder<br />
Windstille . . . stets liegt vor einem eine<br />
wunderbare glatte Strasse, die von Tankstellen,<br />
Touristenunterkünften und Reklametafeln<br />
gesäumt ist.»<br />
«Das eingeschossige Amerika» erschien<br />
in Moskau 1937 und wurde<br />
prompt als zu Amerika-freundlich kritisiert<br />
– spätere Ausgaben wurden deshalb<br />
zensuriert veröffentlicht.<br />
Nun erscheint die Original-Reportage<br />
zum ersten Mal auf Deutsch. Ein Vorwort<br />
von Ilfs Tochter Alexandra ergänzt<br />
diese sorgfältige Ausgabe in der Anderen<br />
Bibliothek, ebenso köstliche Reaktio<br />
nen sowjetischer Leser aus dem Jahr<br />
1937. Noch wertvoller sind die zum Teil<br />
erstmals publizierten Briefe der beiden<br />
Autoren aus Amerika an ihre daheimgebliebenen<br />
Frauen. Sie offenbaren, was<br />
die leichthändig geschriebene Reportage<br />
nur zwischen den Zeilen ahnen lässt:<br />
Ermüdung und Anstrengung, die Last<br />
offizieller Empfänge und permanenter<br />
Geldsorgen, Sehnsucht nach der und<br />
Sorge um die Familie in Moskau, wo die<br />
stalinistische Finsternis angebrochen<br />
war. Ilja Ilf kam schwerkrank von der<br />
Reise zurück und verstarb ein Jahr später<br />
an Tuberkulose. Jewgeni Petrow kam<br />
als Kriegsreporter 1942 bei einem Flugzeugabsturz<br />
ums Leben. Noch im Tod<br />
verband sie ein gemeinsames Schicksal:<br />
Beide waren nur knapp 40 Jahre alt geworden.<br />
●
BARBARA DAVATZ<br />
Erzählungen Skurrile Geschichten,<br />
garniert mit Lyrik und Aphorismen<br />
Mick wohnt<br />
im Briefkasten<br />
Markus Bundi: Gehen am Ort. Edition<br />
Isele, Eggingen 2011. 62 Seiten, Fr. 22.90.<br />
Von Bruno Steiger<br />
Was ist das: ein Mensch? Wem, unvernünftigerweise,<br />
noch immer an einer<br />
schlüssigen Antwort auf die schöne alte<br />
Frage liegt, der wird sich nach wie vor<br />
an die Dichter halten. Es muss nicht<br />
immer gleich Kafka oder Beckett sein;<br />
auch der Aargauer Markus Bundi wartet<br />
in seinem Buch mit ein paar interessanten<br />
Vorschlägen auf. Das Intro des Bandes<br />
rekapituliert die Geschichte der<br />
Menschwerdung. In sechs Gedichten<br />
stellt der Autor den Menschen als ein<br />
Wesen dar, das, in rasender Geduld an<br />
Ort und Stelle tretend, unentwegt zu<br />
«neuen Ufern aufbricht». Das im Märchenton<br />
gehaltene Resümee spricht von<br />
einem «Tier, das dachte, sich wunderte,<br />
dass es dachte, sich fragte, was es mit<br />
dem Dasein auf sich hatte.»<br />
Die beiden Prosadestillate des Mittelteils<br />
sind Einzelschicksalen gewidmet.<br />
Erzählt wird etwa von Mick Ogerle, der<br />
als buchstäblich «Aufgegebener» in<br />
einem öffentlichen Briefkasten haust. Er<br />
scheint nur aus einem «königsblauen<br />
Schlafanzug» zu bestehen, die finale<br />
Schrumpfung auf Briefmarkengrösse<br />
nimmt er als «Erwachen» wahr, gefeiert<br />
wird der Befund mit «Beckenbodentraining».<br />
Deutlich realistischer und rätselhafter<br />
zugleich nimmt sich die zweite Erzählung<br />
mit dem Titel «Gonzos Erbe»<br />
aus. Schauplatz ist ein Krematorium.<br />
Von Öfen, Sieben, Goldzähnen, Kräutermischungen<br />
ist die Rede, wiederholt<br />
auch von den 163 künstlichen Hüftgelenken,<br />
die ein gewisser Gonzo bei seinen<br />
Reinigungsmassnahmen widerrechtlich<br />
an sich genommen hat.<br />
Eine philosophisch grundierte Sammlung<br />
von Gedanken zur Problematik von<br />
Meinen, Sagen und Verstehen beschliesst<br />
den Band. Markus Bundis an<br />
Wittgenstein orientierter Vorschlag,<br />
«Sinn» nicht als Resultat, sondern als<br />
Voraussetzung jedes Sprechakts zu<br />
betrachten, gipfelt in der Definition<br />
von Sprechen als einem «Versuch,<br />
gegen die Absurdität seiner selbst<br />
(und aller anderen) etwas vorzubringen».<br />
Die vieles offen lassende<br />
Kargheit, mit der<br />
Markus Bundi diesem<br />
«etwas» Gestalt verleiht,<br />
gehört mit zu<br />
den Vorzügen einer<br />
Erzählkunst, in der<br />
sich noch das ganz<br />
und gar Unmögliche<br />
als exemplarisch<br />
dargestellt<br />
sieht. ●<br />
Kurzkritiken Belletristik<br />
Eva-Maria Alves (Hrsg): Unter Engeln.<br />
Anthologie. Insel, Berlin 2011. 250 Seiten,<br />
Fr. 13.50.<br />
Die Esoterik wird sie bald ganz verkitscht<br />
haben. Umso wichtiger ist diese<br />
Anthologie von Texten aus über 1000<br />
Jahren, die daran erinnern, wie mannigfaltig<br />
und geheimnisvoll den Menschen<br />
die Engel erschienen und noch immer<br />
erscheinen. Nicht nur von Schutz-, Erz-<br />
und Todesengeln handeln die Dichter,<br />
auch vom Hungerengel (Herta Müller),<br />
vom Sklavenengel (Meret Oppenheimer)<br />
und von Kriegsengeln (Rafael Alberti)<br />
ist hier die Rede. Engel ohne<br />
Beine haben ebenso ihren Auftritt wie<br />
der «Engel des Seltsamen» von Edgar<br />
Alan Poe in Gestalt eines sprechenden<br />
Schnapsfasses. Kurz, man kann Robert<br />
Walser nur beipflichten: «So ein Engel<br />
tut gut, wenn er wartet, bis man ihm mitteilt,<br />
man bedürfe seiner», denn: «Bald<br />
bin ich gläubig, bald ungläubig, und er<br />
muss es dulden, der Liebe.» Ein inspiriertes<br />
Vorwort ergänzt die Vielfalt der<br />
Erscheinungen aufs Schönste.<br />
Kathrin Meier-Rust<br />
Wallace Stevens: Hellwach, am Rande<br />
des Schlafs. Gedichte. Zweisprachige Edition.<br />
Hanser, München 2011. 352 S., Fr. 34.90.<br />
Sein Brot verdiente Wallace Stevens<br />
(1879–1955) als leitender Mitarbeiter<br />
einer Versicherungsgesellschaft. Im<br />
Herzen war er jedoch Lyriker, und als<br />
solcher zählt er heute zu den bedeutendsten<br />
amerikanischen Autoren des<br />
20. Jahrhunderts. Er war ein Einzelgänger<br />
und gehörte keiner Schule an. Der<br />
französischen Kultur fühlte er sich zugetan,<br />
doch er blieb sein Leben lang in<br />
Hartford, Connecticut. Seine Gedichte<br />
zeichnen sich durch philosophische<br />
Tiefe und musikalisches Raffinement<br />
aus. So verwundert es nicht, dass sich<br />
eminente Köpfe der deutschen Literatur<br />
um sie bemüht haben: Die Übersetzungen<br />
im vorliegenden Band stammen von<br />
Hans Magnus Enzensberger, Karin Graf,<br />
Durs Grünbein, Michael Köhlmeier,<br />
Bastian Kresser und dem Herausgeber<br />
Joachim Sartorius. Ein kostbarer, sorgsam<br />
gestalteter und gewichtiger Band.<br />
Manfred Papst<br />
Théophile Gautier: Mademoiselle de<br />
Maupin. Roman. Aus dem Franz. von<br />
C. Vollmann. Manesse, 2011. 628 S., Fr. 35.50.<br />
1835 ist dieser erotisch-schwüle Roman<br />
erstmals erschienen. Er markierte den<br />
Einstand des damals 24-jährigen Erzählers<br />
Théophile Gautier (1811–1872), den<br />
sowohl Baudelaire als auch Victor Hugo<br />
schätzten. Gautier war ein Romantiker,<br />
Libertin und eleganter Stilist. In seinem<br />
Erstling geht es um eine Dreiecksgeschichte<br />
zwischen einem Edelmann,<br />
einer kecken jungen Dame – und einem<br />
androgynen Wesen, dessen Geschlecht<br />
ein Rätsel bleibt. Schon der Titel des<br />
Buchs versprach eine bizarre Pikanterie:<br />
Julie d’Aubigny, verheiratete Maupin,<br />
war um 1700 eine Skandalfigur. Doch<br />
Gautier geht gar nicht auf sie ein. Er benutzt<br />
sie bloss als «Teaser» für sein<br />
Buch, das Mario Praz in seiner berühmten<br />
Studie über die Schwarze Romantik<br />
als «Flaubert avant la lettre» gepriesen<br />
hat. Wir sehen das heute etwas kritischer<br />
– und verschlingen den Schmöker<br />
gleichwohl mit Behagen.<br />
Manfred Papst<br />
Nella Larsen: Seitenwechsel. Roman.<br />
Aus dem Amerikanischen von A. Dormagen.<br />
Dörlemann, Zürich 2011. 191 Seiten, Fr. 29.–.<br />
Der Roman «Seitenwechsel» (1929) ist<br />
keine literarische Perle, für uns Deutschsprachige<br />
aber sehr wohl eine soziohistorische<br />
Trouvaille. Umso schwerer<br />
wiegt das Versäumnis des Verlages, ihm<br />
kein ausführlicheres Nachwort gegönnt<br />
zu haben. Zwar wird erwähnt, dass Nella<br />
Larsen (1891–1964) Tochter einer dänischen<br />
Immigrantin war, jedoch nicht,<br />
dass ihr Vater ein Schwarzer von den<br />
Westindischen Inseln war. Die Geschichte<br />
handelt von zwei Jugendfreundinnen,<br />
Clare und Irene, die äusserlich<br />
als Weisse «durchgehen». Eine von<br />
ihnen gibt sich als solche aus, die andere<br />
interessiert sich für die Bürgerrechtsbewegung.<br />
Anders als etwa Philip Roths<br />
«Der menschliche Makel» ist «Seitenwechsel»<br />
geradezu plakativ geschrieben.<br />
Seinen Rang bezieht der Roman aus<br />
Stoff und Erscheinungsjahr. In diesem<br />
Sinn: definitiv lesenswert.<br />
Regula Freuler<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 13
Kinder- und Jugendbuch<br />
Kurzkritiken<br />
Michelle Cuevas: Columbus und der<br />
malende Elefant. Dressler, Hamburg 2011.<br />
144 Seiten, Fr. 20.50 (ab 8 Jahren).<br />
Elefant Birk träumt davon, Künstler zu<br />
sein, und Columbus wird als Baby von<br />
seinen Eltern verlassen. Die beiden finden<br />
sich; Columbus wächst auf dem Elefantenrücken<br />
heran. Gemeinsam machen<br />
sie sich auf nach Paris. Doch erst<br />
befreien sie Zootiere in New York, werden<br />
berühmt in Hollywood und müssen<br />
sich vor Birks ehemaligem Chef retten,<br />
der den Elefanten zurückhaben möchte.<br />
So komisch Cuevas phantasievolle Geschichte<br />
mit ihren absurden Einsprengseln<br />
ist, immer schimmert auch etwas<br />
Wehmut durch. Die Freunde kümmern<br />
sich rührend umeinander, trauern aber<br />
zugleich um verlorene Liebe: Columbus<br />
sehnt sich nach seinen Eltern, Birk nach<br />
seiner Zirkusakrobatin. Jens Rasmuss’<br />
Bilder mit ausgeprägten Licht- und<br />
Schatteneffekten nehmen Birks Faszination<br />
für Farbstimmungen auf.<br />
Andrea Lüthi<br />
Angelika Waldis (Text), Christophe<br />
Badoux (Bild): Der unheimliche Stein.<br />
Atlantis, Zürich 2011. 48 S., Fr. 22.80 (ab 7 J.).<br />
Kinder sind Sachenfinder. Immer suchen<br />
ihre Augen den Boden ab, und<br />
wenn etwas glitzert oder schön aussieht,<br />
greifen die Hände danach. Bei Jojo ist es<br />
ein grüner Stein, der in die Hosentasche<br />
wandert. Bald entdeckt er, dass der Stein<br />
zaubern kann: Als Jojo – TOCK! – auf<br />
eine Haselnuss schlägt, um sie zu knacken,<br />
liegen auf einmal zwei Nüsse da.<br />
Jojo experimentiert herum und erkennt,<br />
dass das unheimliche Fundstück noch<br />
mehr vermag. Brenzlig wird es, als er<br />
den blöden Nachbarjungen mithilfe des<br />
Steins verschwinden lässt. Am Ende<br />
entledigt sich Jojo des grünen Zauberdings,<br />
auch wenn es ihm Kribbeln und<br />
sogar eine Katze beschert hat. Ein bunter<br />
Comic-Kinderroman, der Leseanfänger<br />
mit einer turbulenten Geschichte<br />
fesselt. Text und Bild unterstützen diese<br />
Motivation.<br />
Verena Hoenig<br />
14 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
Robin Brande: Fat Cat. dtv pocket,<br />
München 2011. 368 Seiten, Fr. 11.90<br />
(ab 12 Jahren).<br />
Eins von den Arm-Dran-Hascherln ist<br />
die 17-jährige Cat nicht. Sie quatscht alle<br />
an die Wand, strotzt vor Ideen, kann<br />
nicht masshalten, und ihre Devise heisst:<br />
XXL. Entsprechend schlägt der Bauch<br />
Wellen, doch das stört keinen grossen<br />
Geist. Bis Cat an einem Schulwettbewerb<br />
teilnimmt und im Zuge eines wissenschaftlichen<br />
Experiments versucht,<br />
wie ein Homo erectus zu leben: kein<br />
Fernsehen, kein Telefon, keine Chips.<br />
Was dann passiert, grenzt an eine kleine<br />
Sensation, denn Robin Brande gelingt<br />
ein unterhaltsames, dabei durchaus gewichtiges<br />
Mädchenbuch voller Witz,<br />
Wärme und Ironie, das keine Hochglanz-Abziehbilder<br />
gegen den Perfektionstrend<br />
liefert, sondern eine echte<br />
Heldin. Die räumt mit Klischees auf und<br />
liefert unaufdringlich eine bessere Alternative.<br />
Ein XXL-Vergnügen!<br />
Christine Knödler<br />
Ilsa J. Bick: Der Zeichner der Finsternis.<br />
Aufbau, Berlin 2011. 382 Seiten, Fr. 21.90<br />
(ab 14 Jahren).<br />
Jeder Mensch trägt eine persönliche,<br />
meist gut verschlossene Hölle in sich.<br />
Doch was passiert, wenn sie aufbricht<br />
und er in diesen Abgrund blickt? In diesem<br />
meisterhaft komponierten Thriller<br />
besitzt der 17-jährige Christian künstlerisches<br />
Talent und die Gabe übersinnlicher<br />
Wahrnehmung: Wenn er Strich für<br />
Strich seine Bilder zeichnet, ist es ihm<br />
möglich, die Albträume von anderen anzuzapfen,<br />
ja sogar in diese einzusteigen.<br />
Kein Wunder, dass er das Leben eines<br />
Aussenseiters führt. Da erteilt ihm ein<br />
schwerkranker alter Mann per Telepathie<br />
einen Auftrag; der Auslöser zu einer<br />
dramatischen Entwicklung. Bedrückende<br />
Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg<br />
kommen zutage. Die Autorin Ilsa J.<br />
Bick verknüpft auf erstaunliche Weise<br />
Zeitgeschichte und Parapsychologie zu<br />
einem packenden Ganzen.<br />
Verena Hoenig<br />
Jugendroman Die mitreissend erzählte<br />
Geschichte von einem elternlosen Jungen<br />
mit neuer Identität<br />
Rätsel um Herkunft<br />
Jenny Valentine: Das zweite Leben des<br />
Cassiel Roadnight. Aus dem Englischen<br />
von Klaus Fritz. dtv, München 2011.<br />
240 Seiten, Fr. 18.90 (ab 14 Jahren).<br />
Von Andrea Lüthi<br />
«Manchmal, wenn ich in den Spiegel<br />
sah, war ich mir nicht sicher, ob ich noch<br />
ich selbst war. Ich verschwamm an den<br />
Rändern.» Was der 16-jährige Chap beschreibt,<br />
ist keine pubertäre Krise: Er<br />
lebt tatsächlich zwei Identitäten. In<br />
einer Notunterkunft wird er für Cassiel<br />
Roadnight gehalten, der seit zwei Jahren<br />
verschollen ist. Chap macht mit; er hat<br />
von der Herumtreiberei genug und<br />
wünscht sich eine richtige Familie. Aber<br />
wird ihn Cassiels Familie nicht sofort<br />
entlarven?<br />
Cassiels Schwester staunt nur über<br />
ihren höflicher Bruder, der plötzlich in<br />
der Küche hilft. Der Bruder nimmt Chap<br />
ebenfalls herzlich auf. Und die labile,<br />
medikamentensüchtige Mutter ist einfach<br />
froh, dass ihr Sohn wieder da ist.<br />
Niemand scheint etwas zu bemerken.<br />
Doch dann taucht eines Nachts ein<br />
schräger Typ namens Floyd auf, der bei<br />
Chaps Anblick zutiefst erschrickt. Offenbar<br />
weiss er mehr über Cassiels mysteriöses<br />
Verschwinden. Aber weshalb<br />
verbietet die Familie Chap den Kontakt<br />
mit Floyd?<br />
Die britische Autorin Jenny Valentine<br />
wurde bekannt durch ihre Romane<br />
«Wer ist Violet Park?» und «Kaputte<br />
Suppe». Auch dort treten Figuren auf,<br />
die geheimnisvollen oder verschollenen<br />
Personen nachspüren. In ihrem neuen<br />
grossartigen Roman greift sie ausserdem<br />
ein beliebtes literarisches Thema<br />
auf – man mag etwa an Mark Twains<br />
«The Prince and the Pauper» denken.<br />
Anders aber als dem Betteljungen geht<br />
es Chap nicht um einen Einblick ins<br />
prunkvolle Leben. Und er wechselt die<br />
Identität nicht im Spiel: «Wenn es je ein<br />
Leben gab, das vergessen werden musste,<br />
dann war es meines». Chap kennt<br />
seine Herkunft nicht; deshalb kann er<br />
ebenso gut jemand anders sein.<br />
Valentine gelingt es, dem Leser die<br />
Hauptfigur nahezubringen. Die Spannung<br />
steigert sich ins schier Unerträgliche,<br />
weil Chap jeden Moment auffliegen<br />
kann. Valentine baut Spannung aber<br />
auch an anderen Orten auf: Ebenso begierig<br />
ist man zu erfahren, weshalb Cassiel<br />
verschwand. Und auch Chaps Leben<br />
birgt Geheimnisse, die dem Leser häppchenweise<br />
enthüllt werden. Im spektakulären<br />
Showdown wird Valentines lebhafter<br />
Stil besonders deutlich. Sie<br />
schreibt so bildlich, dass man das Gefühl<br />
hat, in einem Film zu sitzen. ●
Ethnologie Alle Menschen sind gleich und<br />
doch verschieden<br />
Ameisen isst<br />
man nicht<br />
Wolfgang Korn: Was ist schon normal?<br />
Warum alle Menschen gleich und doch<br />
verschieden sind. Bloomsbury, Berlin<br />
2011. 168 Seiten, Fr. 21.90 (ab 12 Jahren).<br />
Von Sabine Sütterlin<br />
Kopfschütteln heisst Nein. Schwarz ist<br />
die Farbe der Trauer. Und Ameisen isst<br />
man nicht. Ist doch jedem klar, oder?<br />
Nein, eben nicht. Menschen in Südindien,<br />
Afrika oder im brasilianischen Urwald<br />
verstehen die gleiche Geste anders<br />
als wir Mitteleuropäer, sie benutzen unterschiedliche<br />
Zeichensysteme und kennen<br />
unterschiedliche Tabus. «Warum<br />
alle Menschen gleich und doch verschieden<br />
sind» – dies zu erklären, hat<br />
sich der Wissenschaftsjournalist Wolfgang<br />
Korn vorgenommen.<br />
Gelingt das? Jein. Wenig gelungen ist<br />
der Versuch, im Galopp durch die<br />
Menschheitsgeschichte die Ursprünge<br />
kultureller Unterschiede zu ergründen.<br />
Manches erweckt den Eindruck von Küchenweisheit.<br />
Angaben zu wissenschaftlichen<br />
Quellen fehlen. Vor allem die Erklärung<br />
dafür, warum manche Völker<br />
eher zu Gewalt neigen als andere, zementiert<br />
eher Vorurteile als sie durch<br />
Wissen abzubauen: Die Bewohner von<br />
Wüstenregionen seien durch die Hitze<br />
so aggressiv geworden, «dass sie ihre<br />
Frauen vor anderen Männern versteckten<br />
und endlose Fehden miteinander<br />
ausfochten», während die Menschen in<br />
der arktischen Kälte so friedlich wurden,<br />
dass sie Fremden sogar ihre Frauen<br />
anboten. Das ist, wenn nicht schlichter<br />
Quatsch, jedenfalls eine gefährliche Vereinfachung.<br />
Demgegenüber überzeugt Korn,<br />
wenn er beschreibt, welche Vielfalt von<br />
Sitten, Mythen und Gewohnheiten der<br />
Homo sapiens entwickelt hat, und wie<br />
Ethnologen sich ihrem Forschungsgegenstand<br />
nähern. Die Weltkarte in der<br />
Umschlagklappe weckt Neugier: Da<br />
weist etwa ein Pfeil auf Island, und die<br />
Legende lautet: «Hier gibt's die gemütlichsten<br />
Gefängnisse». Des Rätsels Lösung<br />
findet sich im Kapitel über die<br />
kulturell unterschiedlichen Auffassungen<br />
dessen, was kriminell ist.<br />
Das Buch ist ausdrücklich<br />
zum «Kreuz- und Querlesen»<br />
gedacht. Zur Sprache kommen<br />
Themen, die junge Leser ansprechen,<br />
vom dehnbaren Zeitbegriff<br />
der Brasilianer über merkwürdig<br />
anmutende Initiationsriten<br />
in Äthiopien oder Angola bis<br />
hin zur in China verbreiteten Vorstellung<br />
einer Krankheit namens<br />
«verschwindender Penis». ●<br />
Kurzkritiken<br />
Kirsten Boie (Text), Jutta Bauer (Bild):<br />
Ein mittelschönes Leben. Carlsen,<br />
Hamburg 2011. 32 Seiten, Fr. 14.90 (ab 8 J.).<br />
Der Band ist schmal, der Inhalt wiegt<br />
schwer. Auf Wunsch von Fachleuten<br />
schreibt die arrivierte Kinderbuchautorin<br />
Kirsten Boie über Obdachlosigkeit.<br />
Auf knapp 30 Seiten erzählt sie die Geschichte<br />
eines Mannes, der auch mal<br />
Kind war und ein ganz normales Leben<br />
geführt hatte, bis das Unglück kam und<br />
mit dem sozialen Abstieg der Verlust.<br />
Arbeit, Ehefrau, Kinder, Wohnung –<br />
alles weg. Seitdem lebt der Mann auf der<br />
Strasse. Sein Leben ist «mittelschön bis<br />
schwer». Wie schnell einer abstürzen<br />
und dass es jeden treffen kann, ist in wenigen<br />
Worten klar beschrieben, Kinder<br />
fragen Obdachlose: Was machen Sie,<br />
wenn sie krank sind? Wie feiern Sie<br />
Weihnachten? Sind sie oft unglücklich?<br />
Ohne Larmoyanz oder falsche Sentimentalität<br />
ist ein informatives Plädoyer<br />
für mehr Aufmerksamkeit entstanden.<br />
Christine Knödler<br />
Dieter Vieweger, Ina und Hans Beyer:<br />
Abenteuer Jerusalem. Gütersloher Verlag,<br />
Gütersloh 2011. 80 Seiten, Fr. 25.90 (ab 12 J.).<br />
Aaron besucht seinen Grossvater, einen<br />
pensionierten Archäologen in Jerusalem.<br />
Wie es sich für einen modernen<br />
Jugendlichen gehört, hält er seine Erlebnisse<br />
für die Klassenkameraden zu<br />
Hause in einem Blog fest. Häppchenweise,<br />
garniert mit vielen Fotos und Zeichnungen,<br />
wird so die komplizierte Geschichte<br />
Jerusalems einfach erzählt: von<br />
den Anfängen mit David und Salomo bis<br />
zur Eroberung der Altstadt durch die israelische<br />
Armee. Aaron besucht die Klagemauer,<br />
die Grabeskirche und die El-<br />
Aqsa-Moschee und lernt vorurteilslos<br />
die drei grossen Weltreligionen kennen.<br />
Das informative Sachbuch zeigt anschaulich,<br />
dass Geschichte keineswegs<br />
vergangen ist, sondern dass nur sie die<br />
Erklärungen dafür liefern kann, warum<br />
die Konflikte in der heiligen Stadt bis<br />
heute andauern.<br />
Geneviève Lüscher<br />
Elke Reichart (Hrsg.): gute-freundeboese-freunde.<br />
Leben im Web. dtv,<br />
München 2011. 224 S., Fr. 14.90 (ab 14 Jahren).<br />
Wie echt, wie schlecht sind Freundschaften<br />
im Netz? Sind 350 Freunde<br />
wirklich noch Freunde? Was sind die<br />
Chancen, was die Fallen einer digital geprägten<br />
Welt? Ist Cybermobbing eine<br />
Frage der Moral, der Macht, der Gruppendynamik<br />
oder doch der Technik? Die<br />
Journalistin Elke Reichart lässt Jugendliche<br />
und Erwachsene, Internet-Experten,<br />
Gegner, Fans, Junkies, Opfer zu Wort<br />
kommen. Mal privat-anekdotisch, mal<br />
theoretisch nähern sie sich einem Phänomen,<br />
das längst das Leben massiv beeinflusst.<br />
Eher Denkanstösse als Antworten<br />
gibt dieses Buch und zeigt auch,<br />
dass sich zwischen on und off, in und<br />
out, früher und heute auch Generationengräben<br />
öffnen. Freundschaft neu zu<br />
definieren und selbstbestimmt und<br />
kompetent zu leben, ist die Herausforderung,<br />
die sich jedem jederzeit stellt.<br />
Christine Knödler<br />
Bibi Dumon Tak, Martijn van der Linden:<br />
Eisbär, Elch und Eule. Bloomsbury, Berlin<br />
2011. 137 Seiten, Fr. 21.90 (ab 8 Jahren).<br />
Rentiere können ihre Nasenlöcher verstellen,<br />
damit die Luft beim Einatmen<br />
nicht so eisig in die Lungen strömt.<br />
Auch der Kaiserpinguin oder der Narwal<br />
haben sich dem Leben in frostigen<br />
Breiten angepasst. Bibi Dumon Tak<br />
pickt Kuriosa über Polartiere heraus<br />
und erzählt davon mal überdreht, mal<br />
poetisch. So vergleicht sie etwa den Moschusochsen<br />
mit einem «zerzausten<br />
Tannenwald auf Hufen». Bereits der<br />
Vorgängerband «Kuckuck, Krake, Kakerlake»<br />
war bei Kindern und Erwachsenen<br />
ein Erfolg, und das neue Tierbuch<br />
steht ihm in nichts nach. Dazu tragen<br />
auch die Aquarellzeichnungen in Türkis<br />
und Grautönen bei. Sachbücher über<br />
Tiere gibt es viele, doch diese quirligen<br />
Steckbriefe wecken das Interesse neu,<br />
denn eine solche Reise ins ewige Eis<br />
macht tierisch Spass.<br />
Verena Hoenig<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 15
Porträt<br />
Die israelische Soziologin Eva Illouz hat ein grossartiges Buch über<br />
Beziehungen zwischen Männern und Frauen im 21. Jahrhundert<br />
geschrieben. Jenny Friedrich-Freksa hat sie in Frankfurt getroffen<br />
Auf dem freien<br />
Markt der Liebe<br />
Es ist nicht leicht, in einer zwei mal zwei Meter<br />
grossen Box über die Liebe zu sprechen. Eva<br />
Illouz sitzt auf einem weissen Stuhl vor einem<br />
weissen Tisch. Von der offenen Decke dringt<br />
das Geraune der Frankfurter Buchmesse in das<br />
Hinterzimmer des Verlagsstands herein. Die<br />
Soziologin aus Jerusalem ist hier, um über das<br />
Lieben und das Leiden zu reden, das Thema<br />
ihres neuen Buchs «Warum Liebe weh tut». Sie<br />
untersucht darin, wie Männer und Frauen ihr<br />
eigenes Leben gestalten und Liebesbeziehungen<br />
mit anderen Menschen haben. Beides zu<br />
wollen ist offenbar schwierig. Es verursacht<br />
sogar Schmerz. Über diesen denkt Illouz nach.<br />
Schmerz und Leidenschaft<br />
Das Buch scheint einen Nerv zu treffen. In<br />
Deutschland, wo es im Oktober erschien, steht<br />
es bereits auf der Bestsellerliste. Alle wollen<br />
wissen, was Eva Illouz über unser Gefühlsleben<br />
herausgefunden hat. Als ob der Buchmarkt<br />
nicht mit Büchern über die Liebe überschwemmt<br />
wäre. «Eine soziologische Erklärung»<br />
nennt Illouz ihre Schrift. Von aussen<br />
sieht diese Erklärung aus wie ein Beziehungsratgeber<br />
für die etwas klügere Frau: Der Umschlag<br />
magentafarben, also fast pink. Und auf<br />
der Rückseite steht: «Leidenschaftliche Liebe<br />
ist ohne Schmerz nicht zu haben, aber dieser<br />
Schmerz sollte uns nicht ängstigen.» Ach ja.<br />
Soll man dieses Buch kaufen? Man sollte, unbe-<br />
Eva Illouz<br />
Eva Illouz, geboren 1961 in<br />
Fès, Marokko, studierte in<br />
Frankreich, promovierte in den<br />
USA und ist heute Professorin<br />
für Soziologie an der Hebrew<br />
University in Jerusalem. Sie<br />
forscht zu den Wechselwirkungen<br />
von Konsumkultur,<br />
sozialen Beziehungen und<br />
Individuum und zur Soziologie<br />
der Emotionen. Bisher sind<br />
von ihr erschienen: «Der Konsum der Romantik»<br />
(2003), «Gefühle in Zeiten des Kapitalismus»<br />
(2006), «Die Errettung der modernen Seele»<br />
(2009) und nun: «Warum Liebe weh tut»<br />
(Suhrkamp, Berlin 2011. 467 Seiten, Fr. 35.60).<br />
16 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
dingt. Illouz’ Werk ist weder mit Theorie überfrachtet,<br />
noch will es eine Gebrauchsanweisung<br />
für das gelungene Leben zu zweit liefern. Es ist<br />
ein Buch über die Liebe, das ganz ohne psychologisches<br />
Geschwätz auskommt. Und gleichzeitig<br />
Gefühlen in der Wissenschaft einen selbstverständlichen<br />
Platz einräumt.<br />
Illouz hat für ihr Buch viele Interviews geführt:<br />
mit heterosexuellen Männern und Frauen<br />
zwischen 25 und 67 Jahren, aus Europa, den<br />
Es ist ein echter Gewinn des<br />
Buchs, dass Männer nicht als<br />
emotionale Trottel und<br />
Frauen nicht als bessere<br />
Menschen gesehen werden.<br />
USA und Israel, alle mit Hochschulabschluss.<br />
Ein Gespräch ist ihr besonders in Erinnerung<br />
geblieben: «Eine Frau erzählte, dass ihre Beziehungen<br />
alle schlecht geendet hatten. Sie würde<br />
so gerne heiraten, aber es sei ihr peinlich, das<br />
zuzugeben. Man stünde dann als dumme Frau<br />
da. Sie weinte furchtbar und ich spürte, dass<br />
man sich diesen Schmerz ansehen muss. Wenn<br />
jemand so weint, ist das nicht einfach eine persönliche<br />
Angelegenheit. Es ist politisch.»<br />
Sehr ernst spricht Eva Illouz in der sterilen<br />
Messebox über das Seelenwohl anderer Menschen.<br />
Sie macht keinen Hehl daraus, dass ihr<br />
das Thema ihres Buchs ein echtes Anliegen ist.<br />
Vor allem: dass Leid nicht privat sein sollte. Illouz<br />
ist eine zierliche Frau. Ab und zu zupft sie<br />
den tiefen Ausschnitt ihrer Bluse zurecht, der<br />
von grossen Silbernieten eingefasst ist. Die<br />
Bluse ist schwarz, der Rock und die Schuhe<br />
auch. Doch über das Schwarz und das Metall-<br />
Dekolletee hinweg schauen einen zwei weiche,<br />
braune Augen an, manchmal betrübt, manchmal<br />
amüsiert. Eva Illouz hat etwas von einem<br />
freundlichen Punk, der gewillt ist, die Welt aus<br />
unkonventioneller Perspektive zu betrachten.<br />
Unkonventionell an ihrem Buch ist, wie die<br />
Soziologin soziologische, ökonomische und<br />
psychologische Erkenntnisse zusammendenkt.<br />
Dass es mit der Liebe klappt, wenn wir uns nur<br />
genug mit unserer Psyche auseinandersetzen,<br />
daran glaubt Illouz nicht. Sie hält Psychotherapien<br />
für hilfreich, aber nicht für ein Allheilmit-<br />
tel. Anders gesagt: die weinende, von den Männern<br />
enttäuschte Frau, die unbedingt heiraten<br />
will, müsste nicht einfach zum Therapeuten.<br />
Wenn zu viele Menschen die gleichen Beziehungsprobleme<br />
haben – so ihr Befund –, reicht<br />
es nicht, dass jeder sich allein mit seinem Gefühlsleben<br />
beschäftigt.<br />
Die Soziologin analysiert Liebesbeziehungen<br />
als ökonomischen Handel, als einen Markt, auf<br />
dem sich Männer und Frauen tummeln. Attraktivität<br />
und Status sind die beiden Währungen,<br />
die am meisten zählen. Auf den ersten Blick<br />
scheint es, als seien Männer und Frauen auf<br />
diesem Markt gleichberechtigt. Beide Geschlechter<br />
haben schliesslich heute die gleiche<br />
Freiheit zu wählen. Doch Illouz konstatiert eine<br />
neue Ungleichheit: «Die heterosexuellen Frauen<br />
der Mittelschicht befinden sich in der merkwürdigen<br />
historischen Lage, so souverän über<br />
ihren Körper und ihre Gefühle verfügen zu<br />
können wie nie zuvor und dennoch auf neue<br />
und nie dagewesene Weise von Männern dominiert<br />
zu werden.»<br />
Emotionale Dominanz der Männer<br />
Illouz spricht von einer «emotionalen Dominanz»<br />
der Männer, die zum einen darauf beruht,<br />
dass Frauen, wenn sie sich Kinder wünschen,<br />
nicht ewig warten können, bis sie sich<br />
für einen Mann entscheiden. Das macht sie auf<br />
dem freien Markt der Liebe abhängiger. Zum<br />
anderen stärken Männer ihr Selbstwertgefühl<br />
durch Unabhängigkeit, während Frauen sich<br />
ihrer selbst durch Nähe vergewissern – zwei<br />
völlig verschiedene Strategien, um sich vor<br />
emotionalen Verletzungen zu schützen.<br />
Illouz behauptet nicht, dass sich alle Männer<br />
und Frauen so einfach kategorisieren lassen.<br />
Doch sie stellt in ihrer Forschung wiederkehrende<br />
Verhaltensmuster fest und kulturelle Ideale,<br />
die definieren, was einen Mann und was<br />
eine Frau ausmacht: «George Clooney ist ein<br />
attraktiver Single, genauso attraktiv wie Brad<br />
Pitt, der verheiratet ist. Bei unverheirateten<br />
Frauen im selben Alter denkt man, sie hätten<br />
keinen abgekriegt.» Es ist ein echter Gewinn<br />
des Buchs, dass Männer nicht als emotionale<br />
Trottel pathologisiert und Frauen nicht für die<br />
besseren Menschen gehalten werden.<br />
Eva Illouz ist 50, sie hat einen Mann und drei<br />
Söhne. Über die Frage, ob man sie als Leser anders<br />
wahrnehmen würde, wenn sie allein leben<br />
würde, muss sie lächeln: «Völlig richtig. Alle
«Ich bin eine radikale Individualistin»: Die Kommunikationswissenschafterin Eva Illouz untersucht männliche und weibliche Verhaltensmuster.<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 17<br />
SuSanne Schleyer
Porträt<br />
18 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
würden dann denken, dass ich über mich selbst<br />
jammere und versuche, das zu rationalisieren.<br />
Aber bitte: Stellen Sie mich bloss nicht als<br />
glückliche und erfolgreiche Frau vor!» Ein «Le-<br />
bensprojekt» zu haben, hält sie für hilfreich, sei<br />
es ein privates oder ein politisches. «Das kann<br />
aber auch unbequem sein, es macht einen nicht<br />
automatisch glücklich.»<br />
Geboren als Kind jüdischer Eltern, verbringt<br />
Illouz die ersten Jahre ihres Lebens in Marok-<br />
ko. Zu Hause wird Französisch gesprochen. Bis<br />
1967 leben die meisten marokkanischen Juden<br />
friedlich in dem arabischen Land. Doch der<br />
Sechstagekrieg führt zu Spannungen, Illouz’ El-<br />
tern ziehen nach Frankreich, nach Sarcelles.<br />
Tochter Eva studiert Soziologie, Literatur und<br />
Kommunikation, promoviert in den USA, arbei-<br />
tet als Dozentin in New York, Tel Aviv und Je-<br />
rusalem, bevor sie 2004 Professorin an der Uni-<br />
versität Jerusalem wird. Gastprofessuren in<br />
Princeton und Paris folgen. 2009 wählt «Die<br />
Zeit» Illouz in eine Liste von 12 Intellektuellen<br />
weltweit, «die das Denken der Zukunft verän-<br />
dern werden».<br />
Kapitalismus prägt die Liebe<br />
Seit langem interessiert sich Eva Illouz dafür,<br />
wie das kapitalistische Wirtschaftssystem un-<br />
sere privaten Beziehungen prägt. «Gefühle in<br />
Zeiten des Kapitalismus» heisst eines ihrer Bü-<br />
cher. Was unser Liebesverhalten prägt, be-<br />
schreibt sie als eine «Matrix» aus Gefühlen,<br />
Verstand, Kulturgeschichte und kapitalisti-<br />
schem Weltgeschehen. Über allem aber steht<br />
heute der Imperativ der Autonomie: der indivi-<br />
duelle Lebensentwurf muss erdacht, umgesetzt<br />
und verteidigt werden.<br />
Auf der Frankfurter Buchmesse nimmt Eva<br />
Illouz an einer Diskussion zum Thema «Der<br />
Traum der Vernunft» teil. Viele Frauen sitzen<br />
im Publikum. «Ich bin eine radikale Individua-<br />
listin», sagt Illouz auf dem Podium, «die gesell-<br />
schaftlichen Institutionen müssen dem Indivi-<br />
duum dienen, nicht umgekehrt.» Doch die Indi-<br />
vidualistin Illouz sieht auch, dass die Individu-<br />
alisierung unangenehme Nebenwirkungen hat:<br />
«Das Ideal der Autonomie triumphiert über<br />
alles. Sogar darüber, zuzugeben: Ich brauche<br />
etwas. Individualität basiert heute darauf, dass<br />
wir verneinen, abhängig und bedürftig zu sein.»<br />
Liebe aber macht verletzlich. Jemanden zu<br />
brauchen passt schlecht zur Vorstellung vom<br />
selbstbestimmten Menschen, der gut allein zu-<br />
rechtkommt. Etwas zu wollen, was einem nur<br />
ein anderer Mensch geben kann, wird zum Pro-<br />
blem. Frauen etwa vermeiden es, in Internet-<br />
Partnerbörsen anzugeben, dass sie sich Kinder<br />
wünschen. Bedürfnisse sind auf dem Markt der<br />
Liebe keine brauchbare Währung.<br />
Ganz anders die sexuelle Attraktivität. Doch<br />
auch diese dient nicht nur dem persönlichen<br />
Glück, sondern auch der sozialen Anerken-<br />
nung: «Für Männer ist die Sexualität zur wich-<br />
tigsten Arena geworden, in der sie ihren Männ-<br />
lichkeitsstatus (Autorität, Autonomie und Soli-<br />
darität unter Männern) ausüben können; für<br />
Frauen bleibt die Sexualität überwiegend Fort-<br />
pflanzung und Ehe untergeordnet», schreibt<br />
Illouz. Wir lieben also auch, um uns gesell-<br />
schaftlich erfolgreich zu präsentieren: als weib-<br />
liche Frau oder männlicher Mann.<br />
Illouz befasst sich mit unserer Angst, an<br />
einer grossen Idee der Moderne zu scheitern:<br />
Schmied seines glücklichen Lebens zu sein.<br />
Und sie erinnert daran, dass wir soziale Wesen<br />
sind, die einander brauchen und gemeinsam be-<br />
stimmen, was Anerkennung bedeutet. Dies ist<br />
ein tröstlicher Gedanke, und er verschafft Ill-<br />
ouz’ Analyse eine grosse Portion Wärme.<br />
Romantikerin, doch Feministin<br />
Eva Illouz ist Romantikerin und Feministin zu-<br />
gleich. Sie wünscht, wir würden wieder leiden-<br />
schaftlicher und fürsorglicher lieben. Und sie<br />
fordert ein radikales Umdenken darüber, was<br />
eine Frau ausmacht: «Weiblichkeit sollte nicht<br />
an Kinder geknüpft sein. Frauen sollten die<br />
Liebe vom Kinderkriegen trennen. Und es soll-<br />
te kein Druck auf sie ausgeübt werden, welche<br />
zu bekommen. Frauen wiederum sollten keinen<br />
Druck auf Männer ausüben, Kinder mit ihnen<br />
zu haben.» Die Soziologin plädiert für alterna-<br />
tive weibliche Lebenskonzepte: dafür, ein Kind<br />
mit einem schwulen Mann aufzuziehen oder<br />
mit einem, der nicht mit einer Frau zusammen-<br />
leben möchte. Oder gemeinsam mit anderen<br />
Frauen. Wenn solche Ideen Wirklichkeit wer-<br />
den, so glaubt Illouz, wird sich auch das Ver-<br />
hältnis von Männern und Frauen verändern.<br />
Was die neuen Formen des Liebens für Kin-<br />
der bedeuten, und wie es umgekehrt oft Kinder<br />
sind, die manche Individual-Biografie völlig<br />
umkrempeln, danach fragt die Soziologin Illouz<br />
nicht. Der Qualität ihres Werks tut das keinen<br />
Abbruch. «Warum Liebe weh tut» ist ein her-<br />
vorragendes Buch über die Grenzen der Auto-<br />
nomie und das Verlangen nach Liebe.<br />
Interessieren sich ihre Söhne, 18, 17 und<br />
6 Jahre alt, für ihre Forschung? «Überhaupt<br />
nicht. Meine Bücher sind nur für Menschen<br />
sinnvoll, die schon lange mit gesellschaftlichen<br />
Mythen gelebt haben.» Eva Illouz hofft, dass sie<br />
mit ein paar falschen Mythen aufräumen kann,<br />
bevor ihre Söhne daran glauben. l<br />
Wir Menschen lieben auch, um uns gesellschaftlich erfolgreich zu präsentieren. Kuss-Festival auf den Philippinen.<br />
«Ein Lebensprojekt zu<br />
haben, kann hilfreich sein,<br />
aber auch unbequem. Es<br />
macht einen nicht<br />
automatisch glücklich.»<br />
Pat RoQue / aP<br />
10CFWMsQrDMBBDv8jmdGfZvt5YspkMpbuXkDn_PyXuVpAEgieNEczy83vbv9snIFKYwIJiQWfWxoBrbqwBoKsAL4Bm7rX_8Ung1cTmYtJSn09Sk9Vp6k9ZD3OtxfJ1nDfyIkTngAAAAA==<br />
10CAsNsjY0MDAx1TU0NTE0MQYAeLJqaw8AAAA=<br />
www.chronos-verlag.ch<br />
TheaTrum helveTicum<br />
Peter michael Keller<br />
cabaret cornichon<br />
Geschichte einer nationalen Bühne<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
wider<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
wider<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
wider<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
wider<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
wider<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
wider<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
wider<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
die<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
aus<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
gren<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
gren<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
gren<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
gren<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
gren<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
gren<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
gren<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
gren<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
zung<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
zung<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
zung<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
zung<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
zung<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
zung<br />
r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
zung<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
Brigitta gerBer<br />
Damir SkenDerovic (Hg.)<br />
für<br />
eine<br />
offene<br />
schweiz<br />
a k t e u r e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />
s c h w e i z<br />
D e B a t t e n<br />
r e c h t<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />
Vom Umgang mit dem Fremden<br />
das legendäre schweizer Kabarett<br />
B. Gerber, D. Skenderovic (Hg.)<br />
Wider die Ausgrenzung –<br />
für eine offene Schweiz<br />
Beiträge aus historischer,<br />
sozial- und rechtswissen-<br />
schaftlicher Sicht<br />
2011. 390 S. 20 Abb.<br />
3 Bde Br. in Schuber. CHF 48<br />
Peter Michael Keller<br />
Cabaret Cornichon<br />
Geschichte einer<br />
nationalen Bühne<br />
2011. 428 S. 60 Abb. s/w<br />
Mit CD-ROM. Geb. CHF 78<br />
Bücher zur Zeit<br />
Mustafa Ideli, Virginia Suter Reich,<br />
Hans-Lukas Kieser (Hg.)<br />
<strong>Neue</strong><br />
Menschen-<br />
landschaften<br />
Migration<br />
Türkei – Schweiz<br />
1961–2011<br />
migration als erFolgsgeschichte<br />
M. Ideli, V. Suter Reich,<br />
H.-L. Kieser (Hg.)<br />
<strong>Neue</strong><br />
Menschenlandschaften<br />
Migration Türkei – Schweiz<br />
1961–2011<br />
2011. 404 S. 40 Abb. Br. CHF 48
GAËTAN BALLY / KEYSTONE<br />
Kolumne<br />
Charles Lewinskys Zitatenlese<br />
Charles Lewinsky ist<br />
Schriftsteller und<br />
arbeitet in den<br />
verschiedensten<br />
Sparten. Sein neuer<br />
Roman «Gerron» ist<br />
kürzlich bei Nagel &<br />
Kimche erschienen.<br />
Anregung von<br />
Verlegern? Da bekomme<br />
ich von Hornissen<br />
mehr Anregung.<br />
Peter Handke<br />
Eigentlich hatte Peter Handke ja versprochen,<br />
nie öffentlich darüber zu<br />
reden. Wie das alle Schriftsteller dieser<br />
Welt in einer feierlichen Zeremonie tun<br />
müssen, bevor sie ihr erstes Buch veröffentlichen<br />
dürfen. Aber wenn das Geheimnis<br />
nun schon mal ausgeplaudert<br />
ist . . .<br />
Also, es ist so: Alle Schriftsteller<br />
werden von Tieren inspiriert. Die<br />
armen Poeten, die in ihrer Dachkammer<br />
auch im kältesten Winter das Fenster<br />
offen lassen, damit die Muse eine<br />
Einflugschneise findet, sind auf dem<br />
Holzweg. Die Hauskatze wäre ihnen bei<br />
der Suche nach einem Einfall viel nützlicher.<br />
Bei Handke waren es Hornissen. Damals,<br />
im Jahr 1966, wurde er von einer<br />
gestochen und schrieb daraufhin<br />
prompt die «Publikumsbeschimpfung».<br />
Begreiflich, denn so ein Hornissenstich<br />
brennt gemein und lässt einen vor<br />
Ärger ganz lästerlich fluchen. Und<br />
wenn man sowieso schon mal dabei ist,<br />
kann man ja auch gleich ein Stück daraus<br />
machen.<br />
Was und wie jemand schreibt, hier<br />
sei es endlich verraten, hat rein zoologische<br />
Ursachen. Wer sich von einer<br />
Boa constrictor anregen lässt, produziert<br />
lange, gewundene Sätze, die dem<br />
Leser die Luft abschnüren. Die Inspirationssuche<br />
im Kuhstall hingegen verursacht<br />
den unwiderstehlichen Drang,<br />
schon einmal Gesagtes wieder und wieder<br />
zu repetieren – wie das bei Wiederkäuern<br />
eben so ist. Da ist der intime<br />
Umgang mit Nachtigallen schon mehr<br />
zu empfehlen – auch wenn er unausweichlich<br />
zur Produktion von Naturlyrik<br />
führt.<br />
Um den an den Germanistik-Fakultäten<br />
dieser Welt bestimmt bald aufblühenden<br />
Forschungszweig der Literar-<br />
Zoologie (mit «Brehms Tierleben» als<br />
wichtigstem Quellentext) zu fördern,<br />
sei hier angemerkt: Auch die Arbeitsweise<br />
jedes einzelnen Schreiberlings<br />
hat ihren tierischen Ursprung.<br />
Eichhörnchen-Schriftsteller verstecken<br />
überall Zettel mit Ideenvorräten,<br />
um sich dann im Winter ihrer Einfallslosigkeit<br />
davon zu ernähren. Meerschweinchen-Dichter<br />
produzieren in<br />
hohem Tempo eine Buchgeneration<br />
nach der anderen, die dann allerdings –<br />
typisch Cavia porcellus – alle sehr ähnlich<br />
und nicht sehr interessant herauskommen.<br />
Und wer sein Manuskript<br />
notorisch zu spät abliefert, hat sich<br />
wahrscheinlich ein Faultier zum Vorbild<br />
genommen.<br />
Nur von Verlegern, da<br />
hat Handke völlig recht,<br />
kriegt man keine Anregung.<br />
Die sind leider alle<br />
viel zu menschlich.<br />
Kurzkritiken Sachbuch<br />
Urs Hafner: Heimkinder. Eine Geschichte<br />
des Aufwachsens in der Anstalt. Hier + jetzt,<br />
Baden 2011. 207 Seiten, Fr. 38.–.<br />
Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar,<br />
mit welcher Härte, mit welch brutalem<br />
Straf-, Arbeits- und Disziplin-Regiment<br />
elternlose und verwahrloste Kinder und<br />
Jugendliche in der Schweiz über Jahrhunderte<br />
behandelt wurden. Urs Hafner<br />
spricht von einer «kalten Religion»,<br />
denn ob katholisch oder reformiert: Die<br />
Findel- und Waisenhäuser, Arbeits-,<br />
Zwangs-, Rettungs- und Erziehungsanstalten<br />
waren vom Mittelalter bis weit<br />
ins 20. Jahrhundert fest in religiöser<br />
Hand. Von christlicher Barmherzigkeit<br />
war allerdings wenig zu spüren, weder<br />
Pestalozzis Ideen noch pietistische<br />
Frömmigkeit, weder repräsentative Bauten<br />
noch moderne Körperhygiene vermochten<br />
das Klima der Angst und Gewalt<br />
zu erschüttern. Erst die Heimkampagne<br />
in den 1970er-Jahren brachte Reformen.<br />
Der Historiker Urs Hafner bietet<br />
eine fundierte, eindrücklich bebilderte<br />
Studie zu diesem traurigen Thema.<br />
Kathrin Meier-Rust<br />
An Lac Truong Dinh: Von der Fremdenlegion<br />
zu den Viet Minh. Überläufer Emil<br />
Selhofer. Chronos, Zürich 2011. 183 S., Fr. 28.–.<br />
Wer weiss schon, dass es Schweizer<br />
Söldner gab, die im Indochinakrieg 1945-<br />
1954 im französischen Expeditionskorps<br />
kämpften? Und die später aus der Legion<br />
desertierten und zur kommunistischen<br />
Unabhängigkeitsbewegung Viet<br />
Minh überliefen. Dazu gehörte neben<br />
vielen Deutschen und Italienern der<br />
1926 in Zürich geborene Emil Selhofer,<br />
der bis zu seinem vermutlichen Tod 1953<br />
im Nordosten Vietnams kämpfte. Die<br />
vorliegende Basler Lizentiatsarbeit geht<br />
den Spuren dieses verschollenen Abenteurers<br />
nach. Der vietnamesischstämmige<br />
Autor hat in seinem Heimatland<br />
mit ehemaligen Militärkadern gesprochen,<br />
Akten aus dem Bundesarchiv ausgewertet,<br />
Briefe Selhofers an die Mutter<br />
sowie seine noch lebende Schwester<br />
aufgespürt. Resultat: ein erstaunlich detailliertes,<br />
auch von Wehmut gezeichnetes<br />
Porträt eines verlorenen Sohnes.<br />
Urs Rauber<br />
Thorsten Polleit: Der Fluch des<br />
Papiergeldes. Finanzbuchverlag,<br />
München 2011. 143 Seiten, Fr. 21.90.<br />
Die Notenbanken rund um den Globus<br />
fluten die Welt mit Geld. Die farbigen<br />
Papierscheine kosten so wenig wie selten<br />
zuvor. Kann das gut gehen? Kaum,<br />
sagt Thorsten Polleit, deutscher Ökonom<br />
und bekannter Kritiker der staatlichen<br />
Notenbanken. Er hat seine Aufsätze<br />
der letzten Jahre zum Thema Geldentwertung<br />
zusammengetragen. Die<br />
Sammlung kommt zum richtigen Zeitpunkt.<br />
Denn was schon Ludwig von<br />
Mises 1923 und Friedrich August von<br />
Hayek 1970 hinterfragten, gilt heute<br />
mehr denn je: Die Geldmengenausweitung<br />
hat in der Geschichte immer zu<br />
starker Inflation geführt. Wieso sollte es<br />
2011 anders sein? Glauben die Menschen,<br />
dass die Notenbanken nur noch Geld<br />
drucken, um staatliche Haushaltslöcher<br />
zu finanzieren, wird das Vertrauen in<br />
Papiergeld (ver)schwinden. Die Folge<br />
wäre eine Hyperinflation. Polleit erklärt<br />
die Folgen in einfachen Worten.<br />
Charlotte Jacquemart<br />
Gabriele Praschl-Bichler: Kleidung und<br />
Mode im Mittelalter. Herbig,<br />
München 2011. 215 Seiten, Fr. 34.90.<br />
Was trug man im Mittelalter? «Affenhaube,<br />
Schellentracht und Wendeschuh»,<br />
so lauten Antwort und Untertitel<br />
des Buches. Wie die Autorin schreibt,<br />
hätte sie auch die Wörter «Gugeln, Fucken<br />
und Kotzen» wählen können, auch<br />
das Bezeichnungen für hochanständige<br />
Kleidungsstücke. So meint letzteres<br />
einen einfachen Umhang aus ungefärbtem,<br />
grobem Wollstoff, bevorzugt getragen<br />
als Büssergewand. Betuchte – nomen<br />
est omen – liebten im Mittelalter die Gewänder<br />
aber bunt, in mehreren Schichten,<br />
aufwendig genäht und aus Samt und<br />
Seide. Die Autorin gewährt uns einen<br />
Blick in den mittelalterlichen Kleiderschrank,<br />
von der Unterhose (nur für<br />
Männer) bis zum Schleier (ein Muss für<br />
jede anständige Frau). Auch Accessoires<br />
wie Gürtel, Knöpfe, Bänder kommen zur<br />
Sprache. Ein amüsant geschriebenes<br />
und lehrreiches Buch mit vielen Bildern.<br />
Geneviève Lüscher<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 19
Sachbuch<br />
Expeditionen Vor 100 Jahren erreichte der Norweger Roald Amundsen als erster den Südpol und<br />
besiegte damit den Briten Robert F. Scott. <strong>Neue</strong> Bücher widmen sich der Eroberung der Antarktis<br />
Wettlauf zum Südpol<br />
Christian Jostmann: Das Eis und der Tod.<br />
Scott, Amundsen und das Drama am<br />
Südpol. C. H. Beck, München 2011.<br />
320 Seiten, Fr. 28.50.<br />
Diana Preston: In den eisigen Tod. Robert<br />
F. Scotts Expedition zum Südpol. DVA,<br />
München 2011. 352 Seiten, Fr. 32.90.<br />
Reinhold Messner: Pol. Hjalmar<br />
Johansens Hundejahre. Malik,<br />
München 2011. 304 Seiten, Fr. 28.90.<br />
Robert Falcon Scott: Letzte Fahrt. Kapitän<br />
Scotts Tagebuch. Tragödie am Südpol.<br />
Edition Erdmann, Wiesbaden 2011. 320<br />
Seiten, Fr. 36.50.<br />
Von Thomas Köster<br />
Am 15. Dezember 1911 träumt ausgerechnet<br />
Tryggve Gran, der Norweger im<br />
Team des Engländers Robert F. Scott,<br />
dass sein Landsmann Roald Amundsen<br />
den Briten bei der Eroberung des Südpols<br />
zuvorgekommen sei. «Sie sind da!»,<br />
lässt ihn Christian Jostmann in seinem<br />
neuen Buch beim Aufwachen entsetzt<br />
ausrufen.<br />
Die Ausgestaltung der dramatischen<br />
Szene ist dichterische Freiheit, Grans<br />
Notiz zur Vision hingegen historisch<br />
verbürgt, ebenso wie die verspätete Ankunft<br />
Robert F. Scotts und seiner vier<br />
Begleiter sowie sein grausamer Tod auf<br />
dem Rückweg: im Zelt, nur 18 Kilometer<br />
vom Basislager entfernt – weil ein<br />
Schneesturm ihn und seine Kameraden<br />
zu lange an der Weiterreise hinderte.<br />
In einem klugen Kunstgriff schildert<br />
Jostmann das schreckliche Schicksal<br />
Scotts und seiner letzten Gefährten aus<br />
der Sicht des vom Basislager aus startenden<br />
Suchtrupps, zu dem auch der zu-<br />
Rennen der Nationen<br />
«Suche Freiwillige für gefährliche Reise<br />
... Rückkehr ungewiss.» Mit dieser<br />
Anzeige warb Sir Ernest H. Shackleton<br />
1907 für seine Reise zum Südpol. Zuerst<br />
sollte die britische Flagge am Südpol<br />
wehen. In diesem Bewusstsein stach<br />
Robert F. Scott 1910 in See. An Bord<br />
erfuhr er vom gleichen Plan des<br />
Norwegers Roald Amundsen. Amundsens<br />
Expedition erreichte am 14. Dezember<br />
1911 als erste den Südpol, Scotts Team<br />
erst einen Monat später. Während<br />
Amundsen wohlbehalten heimkehrte,<br />
fand Scott auf der Rückreise den Tod.<br />
20 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
rückgelassene Gran gehörte. Und er<br />
schildert ihn – ebenso wie die bittere Erkenntnis<br />
der Niederlage – mit den Worten<br />
aus Scotts Tagebuch, das die Kameraden<br />
bei den Leichen finden – und das<br />
gerade wieder in einer schönen Neuausgabe<br />
erschienen ist. «Die Norweger sind<br />
uns zuvorgekommen», steht darin geschrieben.<br />
«Eine furchtbare Enttäuschung!<br />
All die Mühsal, all die Entbehrungen,<br />
all die Qual – wofür? Für nichts<br />
als Träume, Träume über Tage, die jetzt<br />
zu Ende sind.»<br />
Bis heute hat wohl kein Autor vermocht,<br />
die Tragik des Scheiterns<br />
emotio nal besser in Worte zu kleiden als<br />
der literarisch hoch begabte Expeditionsleiter<br />
selbst. Gerade durch den Einbezug<br />
der Originaldokumente ist Jostmann<br />
die Mischung aus Sachbuch und<br />
historischem Roman deshalb gelungen.<br />
Er legt glaubwürdig dar, wie sich Scotts
Niederlage aus einem Konglomerat von<br />
schlechtem Wetter, unglücklichen<br />
Rückschlägen, dummen Zufällen und fatalen<br />
Fehlentscheidungen zusammensetzte:<br />
Während sich Scotts Motorschlitten<br />
für die frostigen Temperaturen<br />
als unbrauchbar erwiesen und seine<br />
Ponys im aufgetauten Eis nicht vorankamen,<br />
sodass der Trupp die Schlitten<br />
letztendlich selber ziehen musste, reiste<br />
der geografisch ohnehin günstiger positionierte<br />
Amundsen mit seinen Hunden<br />
relativ problemlos zum Pol – und in nur<br />
99 Tagen fast schon gemütlich wieder<br />
zurück zu seiner Basisstation.<br />
Sieger und Verlierer<br />
«Amundsen und seine Gefährten krochen<br />
um vier Uhr morgens in die Hütte»,<br />
heisst es im Buch der britischen Journalistin<br />
Diana Preston. «Und es war ein<br />
Hochgenuss für sie, deren schlafende<br />
Bewohner mit einer beiläufigen Bitte<br />
um Kaffee zu wecken». Während sich<br />
Jostmann noch recht ausgewogen dem<br />
Verlauf beider Expeditionen widmet,<br />
wendet sich Prestons Werk fast aus-<br />
«Mühsal, Qual,<br />
Entbehrungen»:<br />
Teilnehmer der<br />
Expedition von<br />
Robert F. Scott durch<br />
die Eiswüste der<br />
Antarktis 1910–1912.<br />
schliesslich dem grossen Verlierer des<br />
Wettlaufs zu, der 1902 an der Seite Sir<br />
Ernest Henry Shackletons immerhin<br />
rund 460 Kilometer weiter südlich vorgedrungen<br />
war als je ein Mensch zuvor.<br />
So entsteht das imposante Porträt<br />
eines ebenso ehrgeizigen wie zur Trägheit<br />
neigenden und von Selbstzweifeln<br />
geplagten, immer aber fairen Sportsmanns,<br />
der im Unterschied zum siegesorientierten<br />
Amundsen durchaus interessiert<br />
war an wissenschaftlicher Erkenntnis.<br />
Dabei spart auch Preston die<br />
skurrilsten Fehlentscheidungen Scotts<br />
nicht aus: etwa die, in der Mandschurei<br />
nur weisse Ponys einzukaufen, «weil<br />
Shackleton festgestellt hatte, dass seine<br />
dunklen Ponys vor den weissen verendet<br />
waren».<br />
Aber nicht nur auf Seiten Scotts, auch<br />
im Lager Amundsens gab es Verlierer.<br />
Die tragischste Rolle kommt dabei wohl<br />
dem Polarforscher Fredrik Hjalmar Johansen<br />
zu, der ab 1893 bereits unter<br />
Fridtjof Nansen versucht hatte, den geografischen<br />
Nordpol zu erreichen. Nachdem<br />
Amundsen trotz dessen Warnungen<br />
im September 1911 zu früh Anlauf<br />
zur Eroberung des Südpols genommen<br />
hatte und Johansen einen Schlittenkameraden<br />
daraufhin vor dem Erfrierungstod<br />
retten musste, stellte er den<br />
Leiter vor versammelter Mannschaft<br />
wütend zur Rede – und wurde wegen<br />
dieser Meuterei dazu verdonnert, die<br />
Umgebung zu erforschen, statt zum<br />
Südpol zu reisen.<br />
Im farbigen endlosen Weiss<br />
Nun hat der Bergsteiger Reinhold Messner,<br />
der 1989/1990 selbst die Antarktis<br />
über den Südpol durchquerte, dieser<br />
schillernden Figur der Polarforschung<br />
ein mitreissendes Buch gewidmet. Es erzählt<br />
aus der Ich-Perspektive eines Helden,<br />
der, auch nach der Rückkehr gnadenlos<br />
von Amundsen geschnitten<br />
sowie von Frau, Kindern und Freunden<br />
verlassen, einsam und dem Alkohol verfallen<br />
Selbstmord beging.<br />
Es ist die traurige Biografie eines der<br />
besten Skiläufer und Hundeführer seiner<br />
Zeit, der nach der Reise zu seinen<br />
extremen «Sehnsuchtspunkten» im norwegischen<br />
Alltag nicht mehr heimisch<br />
wird. Vor allem aber macht das Buch zumindest<br />
erahnbar, welche Strapazen die<br />
monatelange Dunkelheit und Temperaturen<br />
von minus 60 Grad Celsius den<br />
Pionieren der Polarforschung abverlangten.<br />
So gewinnt selbst das schier<br />
endlose Weiss der Pole narrativ kräftig<br />
an Farbe.<br />
«Hätten wir überlebt, ich hätte eine<br />
Geschichte zu erzählen gehabt von der<br />
Kühnheit, Ausdauer und Tapferkeit meiner<br />
Gefährten, die das Herz eines jeden<br />
Engländers gerührt hätte», schreibt<br />
Scott in seinem Tagebuch. «Stattdessen<br />
müssen diese groben Skizzen und unsere<br />
Leichen die Geschichte erzählen.»<br />
Den zahlreichen Geschichten des Scheiterns<br />
am Südpol haben sich seitdem<br />
zahlreiche Bücher gewidmet. «Das Eis<br />
und der Tod», «In den eisigen Tod» und<br />
«Pol» gehören – neben Scotts Tagebuch<br />
– eindeutig zu den besten. l<br />
816 S., 159 Abb., 4 Karten.<br />
Format 17,0 x 24,0 cm. Geb.<br />
sFr 56,90 (UVP)<br />
ISBN 978-3-406-62147-5<br />
„Macht süchtig“<br />
Tilman Spreckelsen, Frankfurter<br />
Allgemeine Sonntagszeitung<br />
„Ein Fenster auf<br />
die Geschichte<br />
10CAsNsjY0MDAx0jUwMLI0NAYAlR0cNA8AAAA=<br />
10CFVMuwqAMBD7opbk6rU9bxQ3cRD3LuLs_0-2bkIehIRsm2vEx2Xdz_VwApMEQIzJqRoN2UvVSCtOEgJyJmViNq2_fQAtJ6Q2NmEArav0vjappYfx0E0SJD7X_QICSwh7gAAAAA==<br />
der Welt …<br />
Mit<br />
159 farbigen<br />
Abbildungen<br />
Der Band ist eine<br />
Schatzkammer.“<br />
Urs Hafner, NZZ<br />
C.H.BECK<br />
www.chbeck.de<br />
Kopf aus Ife © British Museum<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 21
Sachbuch<br />
Geschichte Politiker aus Ost und West tauschen sich über die unterschiedlichen historischen<br />
Erfahrungen ihrer Länder aus – ein Beitrag wider das Vergessen<br />
Das neue gegen das alte Europa<br />
Zsuzsa Breier, Adolf Muschg (Hrsg.):<br />
Freiheit, ach Freiheit. Vereintes Europa –<br />
geteiltes Gedächtnis. Wallstein,<br />
Göttingen 2011. 247 Seiten, Fr. 24.50.<br />
Von Dieter Ruloff<br />
Der Mensch gewöhnt sich sehr rasch an<br />
vieles, auch an das Gute und Angenehme.<br />
Und weil Erinnerung wohl nützlich,<br />
aber auch schmerzhaft sein kann, hat<br />
das Vergessen mitunter seinen Nutzen.<br />
«Ohne Vergessen sei es ganz und gar unmöglich<br />
zu leben», hat Nietzsche einmal<br />
festgestellt. So ist es in Westeuropa wohl<br />
auch mit Freiheit und Wohlstand. Beides<br />
ist zur Normalität geworden. Dass<br />
die Freiheit einmal erstritten, der Wohlstand<br />
erst erarbeitet worden ist, gerät<br />
oft in Vergessenheit. Darauf angesprochen<br />
wird niemand die Sache in Frage<br />
stellen, aber diese Dinge zu thematisieren<br />
überlässt der Zeitgenosse gerne Historikern<br />
und Philosophen.<br />
Ganz anders liegen die Dinge in Mittel-<br />
und Osteuropa. Hier ist die Zeit von<br />
Diktatur und Mangel zumindest der älteren<br />
Generation noch sehr präsent. Die<br />
friedliche Wende der Jahre 1989–91 erzeugt<br />
rückblickend immer noch Staunen<br />
und Dankbarkeit. Das kollektive<br />
Gedächtnis der Europäer ist also partiell<br />
zumindest ost-westlich geteilt, Folge der<br />
asynchronen historischen Entwicklung,<br />
die der Kontinent nach dem Ende des<br />
zweite Weltkriegs genommen hat: Befreiung<br />
vom Alptraum des Krieges und<br />
der Bedrohung durch die faschistische<br />
Ideologie im Westen, danach Wiederaufbau<br />
mit Hilfe des Marshallplanes, im<br />
Osten hingegen sowjetische Herrschaft<br />
und Mangelwirtschaft, ein Verharren in<br />
Soziale Medien Die Rolle von Internet-Netzwerken bei politischen Umbrüchen ist umstritten<br />
Startet man die Revolution jetzt per Internet?<br />
Matthias Bernold, Sandra Larriva<br />
Henaine: Revolution 3.0. Die neuen<br />
Rebellen und ihre digitalen Waffen.<br />
Xanthippe, Zürich 2011. 162 S., Fr. 27.90.<br />
Von Reinhard Meier<br />
Seit dem unerwarteten «Arabischen<br />
Frühling» zu Beginn dieses Jahres sind<br />
Thesen über die Bedeutung des Internets<br />
und die neuen sozialen Medien für<br />
politische Umbrüche ein beliebtes<br />
Thema. Nun wird niemand bestreiten,<br />
dass mit Hilfe von E-Mails, Twitter-<br />
Nachrichten oder Facebook-Netzwerken<br />
die Möglichkeiten zur Mobilisierung<br />
von Aktionsgruppen phänomenal<br />
erweitert worden sind. Aber sind diese<br />
neuen «digitalen Waffen» tatsächlich<br />
die entscheidenden Instrumente, um<br />
22 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
der Tyrannei für weitere 44 lange Jahren.<br />
Zwei Berliner Vortragsreihen der<br />
letzten beiden Jahre hatten die Thematik<br />
des «Doppelgedächtnis» der Europäer<br />
zum Gegenstand. Eingeladen waren<br />
prominente Vertreter aus Politik, Wissenschaft<br />
und Publizistik, ihre Gedanken<br />
zum Thema und ihre eigenen Erinnerungen<br />
an den Gegenstand in Worte<br />
zu fassen. Die Referenten kamen von<br />
Ost und West: Marianne Birthler, die<br />
Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen,<br />
und ihr Vorgänger Joachim Gauck;<br />
Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister;<br />
Karl Schwarzenberg, der<br />
Chef des Hauses Schwarzenberg und aktueller<br />
Aussenminister Tschechiens;<br />
Radoslaw Sikorski, der Aussenminister<br />
Polens; Vaira Vike-Freiberga, die vormalige<br />
Staatspräsidentin Lettlands, und<br />
mehr als dreissig weitere Redner.<br />
Herausgegeben und eingeleitet haben<br />
den Sammelband Zsuzsa Breier, die das<br />
von ihr gegründete Ost-West-Forum<br />
«Dialog-Kultur-Europa» in Berlin leitet,<br />
und der Schweizer Schriftsteller und Literaturwissenschafter<br />
Adolf Muschg.<br />
Entstanden ist eine faszinierende Sammlung<br />
von Meinungen und Erlebnissen<br />
ganz unterschiedlicher Art, deren Ziel<br />
jedoch ein Gemeinsames ist: Die Achtung<br />
für Freiheit und Wohlstand zu fördern,<br />
wider das Vergessen zu wirken<br />
und Verständnis für einander zu fordern<br />
und fördern.<br />
Geschichte ist identitätsstiftend, sie<br />
«steht für den Mann» — so hat dies der<br />
<strong>Zürcher</strong> Philosoph Hermann Lübbe einmal<br />
auf den Punkt gebracht. Unterschiedliche<br />
Geschichtserfahrung produziert<br />
also zwangsläufig verschiedene<br />
Identitäten. Das «neue» Europa, wie es<br />
Geschichte stiftet<br />
Identität: Nach dem<br />
Mauerfall in Berlin<br />
12. November 1989.<br />
Tyrannen zu stürzen oder dem Widerstand<br />
gegen ein umstrittenes Bauprojekt<br />
zum Durchbruch zu verhelfen?<br />
Die beiden Journalisten Matthias<br />
Bernold und Sandra Larriva Henaine<br />
wollten Schlagwörtern wie «Twitter-<br />
Revolution» oder «Online-Protest» auf<br />
den Grund gehen. Sie haben in zehn Reportagen<br />
mit Akteuren ganz unterschiedlicher<br />
Bewegungen gesprochen<br />
und deren Methoden und Ziele unter<br />
die Lupe genommen. Beschrieben wird<br />
etwa die Rolle der jungen ägyptischen<br />
Video-Bloggerin Sarrah Abdelrahman,<br />
Tochter aus gutem Haus, Studentin der<br />
amerikanischen Universität in Kairo, die<br />
mit Leidenschaft Tweeds und Video-<br />
Filme über die Ereignisse auf dem Tharir-Platz<br />
verbreitet.<br />
Andere Fallbeispiele handeln vom<br />
Protest gegen den Untergrund-Bahnhof<br />
der vormalige amerikanische Verteidigungsminister<br />
Donald Rumsfeld im<br />
Jahre 2003 nannte, sah den Krieg der<br />
Amerikaner im Irak natürlich mit ganz<br />
anderen Augen als Deutsche und Franzosen:<br />
Die Befreiung Iraks vom Despoten<br />
hier, ein weiteres Militärabenteuer<br />
Bushs dort.<br />
Werden die «alten» und «neuen» Europäer<br />
zueinander finden? Karl Schwarzenberg<br />
ist skeptisch: «Das Bewusstsein,<br />
wie sehr wir uns gegenseitig belogen<br />
haben, wie sehr wir uns womöglich<br />
weiterhin belügen werden — das wird<br />
das Prägende sein …» Man kann es aber<br />
auch optimistischer sehen: Die grosse<br />
Osterweiterung der EU von 2004 hat zumindest<br />
die Grundlagen für ein zukünftiges<br />
Miteinander gelegt, und die gemeinsame<br />
Geschichte wird das Ihre<br />
dazu tun. Aber bis dahin, so scheint es,<br />
ist es noch ein langer Weg. ●<br />
Dieter Ruloff ist Professor für<br />
Internationale Beziehungen an der<br />
Universität Zürich.<br />
Stuttgart, den Widerstand gegen Zensoren<br />
in der Türkei oder das skurrile<br />
«Staatsgründungsprojekt» des Thurgauer<br />
Unternehmers Daniel Model, das<br />
mit dem Internet aber wenig zu tun hat.<br />
Die Erfolge der angeblich «neuen Rebellen»<br />
fallen, gemessen an den oft euphorischen<br />
Erwartungen, in den meisten<br />
Fällen ernüchternd aus. Das Internet<br />
erleichtert zwar die Aktivierung von<br />
Gleichgesinnten, doch ohne glaubwürdige<br />
charismatische Führungsfiguren<br />
und strategische Köpfe, die in der realen<br />
Welt die Zügel in die Hand nehmen, versanden<br />
und zerfasern solche Aufwallungen<br />
bald. Das zeigt auch die rasche Entzauberung<br />
des egomanischen Wikileaks-Guru<br />
Julian Assange. Ob mit den<br />
digitalen Netzwerken eine neue Ära der<br />
Politikbegeisterung beginne, fragen die<br />
Autoren. Man darf es bezweifeln. ●<br />
STEPHEN JAFFE / CAMERA PRESS / KEYSTONE
<strong>Doppelbiografie</strong> <strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong> und <strong>Leni</strong> <strong>Riefenstahl</strong>: zwei deutsche Primadonnen<br />
So schön wie egozentrisch<br />
Karin Wieland: <strong>Dietrich</strong> & <strong>Riefenstahl</strong>.<br />
Der Traum der neuen Frau. Hanser,<br />
München 2011. 632 Seiten, Fr. 37.90.<br />
Von Ina Boesch<br />
Die <strong>Dietrich</strong> und die <strong>Riefenstahl</strong> – kaum<br />
jemandem käme in den Sinn, die beiden<br />
Diven in einem Atemzug zu nennen. Politisch<br />
hatten sie das Heu nicht auf derselben<br />
Bühne, paktierte doch die Filmregisseurin<br />
<strong>Leni</strong> <strong>Riefenstahl</strong> mit den Nationalsozialisten,<br />
die Filmschauspielerin<br />
<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong> hingegen mit den<br />
Amerikanern. Auch privat kreuzten sich<br />
ihre Wege kaum, ausser dass sie zu Anfang<br />
ihrer Karriere im gleichen Berliner<br />
Boxstudio trainierten. Und von gegenseitigem<br />
Respekt kann keine Rede sein,<br />
im Gegenteil verabscheuten sich die<br />
beiden von Herzen.<br />
Nun führt die Berliner Autorin Karin<br />
Wieland, die vor einigen Jahren mit<br />
ihrer Biografie über Mussolinis Geliebte<br />
Margherita Sarfatti bekannt geworden<br />
ist, die beiden so unterschiedlichen Ikonen<br />
des 20. Jahrhunderts in einer <strong>Doppelbiografie</strong><br />
zusammen und findet über<br />
das Geburtsdatum und den Geburtsort<br />
hinaus (1901 respektive 1902 in Berlin<br />
geboren) so manche Parallelen. Beide<br />
mussten sich von amusischen Elternhäusern<br />
emanzipieren; beide waren gezwungen,<br />
ihren Traumberuf aufzugeben;<br />
beide kamen über Umwege zum<br />
Film; beide waren als Schauspielerinnen<br />
wenig talentiert; beide führten ein befreites,<br />
äusserst aktives Sexualleben und<br />
waren mit grossen Künstlern der damaligen<br />
Zeit liiert – wenn auch unfähig für<br />
eine längere Paarbeziehung; beide<br />
waren egozentrisch und allein auf ihren<br />
Erfolg bedacht; beide starteten mit fünfzig<br />
Jahren eine weitere Karriere; beide<br />
blieben bis ins hohe Alter Stars und<br />
dank Frischzellenkuren «jung». Und –<br />
zentral für das Film- und Showgeschäft<br />
– beide waren auffallend schön.<br />
Zwei emanzipierte Frauen<br />
Möglicherweise glichen sie sich auch<br />
äusserlich mehr, als ihnen lieb war. Dies<br />
suggeriert zumindest die Fotomontage<br />
von den übereinander gelegten Porträts<br />
der beiden Frauen auf dem Buchumschlag:<br />
Perfekt geschminkter Mund mit<br />
ausgeprägter Unterlippe, vieldeutiges<br />
Lächeln, grosse Augen. Mit solchen<br />
Äus serlichkeiten hält sich Wieland<br />
nicht lange auf, vielmehr beschreibt sie<br />
anhand von reichem Quellenmaterial<br />
sehr anschaulich und klug die Lebensstationen,<br />
die Filme und das Beziehungsnetz<br />
der berühmten Frauen und<br />
lässt so Kultur und Gesellschaft des<br />
20. Jahrhunderts Revue passieren. Dabei<br />
befriedigt sie auch die voyeuristische<br />
Neugier nach dem «Wer mit wem»:<br />
<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong> pflegte herausfordernde<br />
Liebschaften mit ausgeprägten<br />
Künstlerpersönlichkeiten jener Zeit wie<br />
dem Regisseur Josef von Sternberg, dem<br />
<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong><br />
(links), Anna-May<br />
Wong und <strong>Leni</strong><br />
<strong>Riefenstahl</strong> (rechts)<br />
posieren an einem<br />
Ball in Berlin 1928.<br />
Schriftsteller Erich Maria Remarque,<br />
den Schauspielern Jean Gabin, Elisabeth<br />
Bergner oder Yul Brynner. Auch <strong>Leni</strong><br />
<strong>Riefenstahl</strong> nahm sich berühmte Männer.<br />
So eroberte sie beispielsweise den<br />
damaligen Tennisstar Froitzheim, indem<br />
sie unverfroren an seiner Haustür läutete<br />
und um ein Rendez-vous bat, oder sie<br />
lachte sich an der Ostsee den österreichischen<br />
Banker Sokal an, der – neben<br />
Hitler – zum wichtigsten Financier ihrer<br />
Filme werden sollte.<br />
Ausführlich widmet sich die Autorin<br />
<strong>Riefenstahl</strong>s Verwicklung ins NS-Regime.<br />
Dank der Anfang der neunziger<br />
Jahre in Moskau entdeckten Goebbels-<br />
Tagebücher kann belegt werden, dass<br />
<strong>Riefenstahl</strong> viel früher als behauptet mit<br />
den Nazis zusammenspannte, dass sie<br />
log wie gedruckt und ihre Biografie<br />
schönte. Diese Tatsache ist nicht neu,<br />
doch Wieland geht es nicht in erster<br />
Linie um die Auflistung dieser und jener<br />
Details, vielmehr will sie vorführen, wie<br />
sehr sich die beiden Starlets in ihrer Lebensgestaltung<br />
vom damaligen Frauenbild<br />
unterschieden haben: <strong>Dietrich</strong> und<br />
<strong>Riefenstahl</strong> waren wirtschaftlich unabhängige,<br />
sozial selbständige, berufstätige<br />
Frauen. Wie viel dieser neue Typ<br />
Frau dem neuen Medium Film verdankt,<br />
wird leider nur zwischen den Zeilen<br />
deutlich. Zwar betont Wieland, dass<br />
man in den Zwanzigerjahren dem Wort<br />
misstraute und auf den Körper setzte,<br />
sei es im Tanz oder im Schauspiel, doch<br />
wie sehr der Film <strong>Dietrich</strong> half, sich zu<br />
inszenieren, und <strong>Riefenstahl</strong> befähigte,<br />
andere zu inszenieren, thematisiert sie<br />
nicht explizit.<br />
Gelungenes Porträt<br />
Karin Wieland ist nicht die erste, die die<br />
beiden Primadonnen zusammenbringt.<br />
Ende der Neunzigerjahre hat die deutsche<br />
Schriftstellerin Thea Dorn ein Hörspiel/Theaterstück<br />
geschrieben mit<br />
dem sinnigen Titel Marleni. Darin lässt<br />
sie die hochbetagte <strong>Riefenstahl</strong> ins Zimmer<br />
der ebenso betagten <strong>Dietrich</strong> dringen,<br />
um diese für einen gemeinsamen<br />
Film zu gewinnen. Während Dorn mit<br />
beiden Diven nicht gerade zimperlich<br />
umspringt, macht Wieland kein Hehl<br />
daraus, wem ihre Sympathie gilt: <strong>Marlene</strong><br />
<strong>Dietrich</strong>, was nicht überrascht und<br />
ihr nicht zu verdenken ist. Wielands eindeutige,<br />
in jeder Zeile spürbare (wenn<br />
auch nachvollziehbare) Abneigung<br />
gegen <strong>Leni</strong> <strong>Riefenstahl</strong> schmälert jedoch<br />
das Lesevergnügen dieser ansonsten<br />
gelungenen <strong>Doppelbiografie</strong>. ●<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 23<br />
ALFRED EISENSTÄDT / AP
Sachbuch<br />
Biografie Zwei <strong>Neue</strong>rscheinungen porträtieren den Schriftsteller der Romantik Novalis<br />
Todessüchtiger philosophiert<br />
über die Liebe<br />
Wolfgang Hädecke: Novalis. Biografie.<br />
Hanser, München 2011. 399 Seiten,<br />
Fr. 34.90.<br />
Gerhard Schulz: Novalis. Leben und Werk<br />
Friedrich von Hardenbergs. C. H. Beck,<br />
München 2011. 298 Seiten, Fr. 35.50.<br />
Von Manfred Koch<br />
Es waren schöne, einfache Zeiten, als<br />
Novalis-Biografen noch an der Legende<br />
vom todessüchtigen Schwärmer stricken<br />
konnten. Leben und Werk bildeten<br />
eine fugenlose Einheit. Alles, was diesen<br />
schlechthinnigen Romantiker bewegte,<br />
war demnach zurückzuführen auf ein<br />
Schlüsselerlebnis: den Tod seiner fünfzehnjährigen<br />
Braut Sophie von Kühn im<br />
März 1797 und seinen Entschluss, ihr<br />
«nachzusterben».<br />
In den vier Jahren bis zu seinem eigenen<br />
frühen Verscheiden schrieb er berückende,<br />
rätselhafte Dichtungen wie die<br />
«Hymnen an die Nacht», die um Themen<br />
wie Liebe und Tod, himmlisches<br />
Heimweh und ätherische Verwandlung<br />
kreisen. Zu dieser ergreifenden Geschichte<br />
passte das einzige Bild des Poeten,<br />
das die Nachwelt kannte: der Kupferstich<br />
eines gewissen Eduard Eichen,<br />
der ab 1846 jede Novalis-Ausgabe zierte.<br />
Ausgehend von einem anspruchslosen<br />
Novalis-Portrait im Familienbesitz schuf<br />
Eichen postum das Antlitz, das der Legende<br />
entsprach: der Träumer mit dem<br />
weichen Gesichtsoval, dem mädchenhaften<br />
Schmollmund, den seelenvollen<br />
Rehaugen und der hohen Stirn, von der<br />
die langen Locken hinabwallen. So<br />
musste er ausgesehen haben, der «göttliche<br />
Jüngling, der nur auf der Erde wandelte,<br />
um sich bald wieder zu dem geliebten<br />
Land seiner Sehnsucht aufzuschwingen»,<br />
so ein Lexikon von 1817.<br />
Ein Workaholic<br />
Das heutige Novalis-Bild ist sehr viel<br />
nüchterner und komplizierter. Seit 1960<br />
erscheint die Kritische Ausgabe seiner<br />
Schriften, die akribisch das theoretische<br />
Werk und die Berufstätigkeit des angeblichen<br />
Weltflüchtlings dokumentiert.<br />
Friedrich von Hardenberg, so sein eigentlicher<br />
Name, war – wie man nun<br />
sehen konnte – ein blitzgescheiter Philosoph<br />
in der Nachfolge Kants und Fichtes,<br />
ein genauer Kenner der Naturwissenschaften<br />
seiner Zeit und ein wahrer<br />
Workaholic in seinen Brotberufen als<br />
Verwaltungsbeamter und Salineningenieur.<br />
Verständlich, dass sich angesichts<br />
dieser facettenreichen Persönlichkeit<br />
selbst ausgewiesene Kenner nicht mehr<br />
an das Projekt einer umfassenden Biografie<br />
wagten.<br />
1969 veröffentlichte Gerhard Schulz,<br />
einer der Herausgeber der Kritischen<br />
24 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
Novalis-Museum<br />
auf Schloss<br />
Oberwiederstedt,<br />
Sachsen-Anhalt, wo<br />
Novalis (1772–1801)<br />
Kindheit und Jugend<br />
verbrachte.<br />
Ausgabe, eine vorzügliche Kurzdarstellung<br />
von Leben und Werk. Dabei blieb<br />
es für mehr als vierzig Jahre. Mittlerweile<br />
ist Schulz der Nestor der Novalis-Forschung,<br />
ein Germanist, der sich wie<br />
wenig andere in der Literatur um 1800<br />
auskennt, dazu ein Stilist von hohen<br />
Graden, der sein Wissen anregend und<br />
erhellend auch Nicht-Spezialisten zu<br />
vermitteln versteht.<br />
Verwegene Erotik<br />
Als der Beck Verlag für den Herbst 2011<br />
sein neues Buch über «Leben und Werk»<br />
Hardenbergs ankündigte, durfte man<br />
deshalb gespannt sein. Nun, die Novalis-<br />
Experten werden zunächst enttäuscht<br />
sein. Es ist keine neue Biografie, sondern<br />
eine durch biografische Überleitungen<br />
verbundene Sammlung von<br />
Schulz’ wichtigsten Novalis-Aufsätzen<br />
aus den letzten drei Jahrzehnten. Aber<br />
diese Aufsätze haben es in sich und deshalb<br />
längst verdient, einem grösseren<br />
Publikum vorgestellt zu werden! Am<br />
Anfang steht eine Studie über Novalis-<br />
Bildnisse, die das ganze Spektrum der<br />
Mythisierung bis hin zur gnadenlosen<br />
Verkitschung vorführt; der zweite Teil<br />
besticht durch kluge Interpretationen<br />
berühmter Gedichte wie «An Tieck»,<br />
«Das Lied der Toten» und «Hymnen an<br />
die Nacht». Das Glanzstück sind die<br />
Ausführungen zu «Novalis’ Erotik» im<br />
Mittelteil. Schulz erläutert die verwegene<br />
Liebesphilosophie Hardenbergs, die<br />
alle Gestalten des Eros gleichermassen<br />
würdigt: von der Anziehungskraft, die<br />
das Universum zusammenhält, bis hin<br />
zu den körperlichen Begierden. Von der<br />
Lust auf «Busenberührung» und «Griff<br />
an die Geschlechtsteile» (auch die eigenen)<br />
handelt vielfach das «Journal», das<br />
er nach Sophies Tod führte. In teils kuriosen<br />
Formulierungen («Das Gehirn<br />
gleicht den Hoden») versucht Novalis,<br />
Spirituelles und Sexuelles zusammenzudenken,<br />
um, so Schulz, «zu erfassen,<br />
was menschliche Existenz in ihrer Totalität<br />
ausmacht». Da er hierbei auch die<br />
Abgründe der menschlichen Triebnatur<br />
nicht ausklammert, rückt der romantische<br />
Jüngling in verblüffende Nähe zu<br />
seinem Zeitgenossen de Sade.<br />
Solche Überraschungen erlebt der<br />
Leser von Wolfgang Hädeckes «Novalis»<br />
leider nicht. Es handelt sich tatsächlich<br />
um die erste grosse Biografie, die<br />
auf der Grundlage der Kritischen Ausgabe<br />
und der vielen neueren Spezialstudien<br />
zum experimentellen Denk- und<br />
Sprachstil Hardenbergs entstanden ist.<br />
Fraglos ein kenntnisreiches, ansprechend<br />
formuliertes und argumentativ<br />
ausgewogenes Buch. Aber die bemühte<br />
Korrektheit ist auch sein Problem. Man<br />
vermisst einen energischeren individuellen<br />
Zugriff; oft versteckt sich Hädecke<br />
hinter Urteilen renommierter Novalis-<br />
Forscher (wie Schulz). Unter dem Strich<br />
ist es wieder ein recht frommer Novalis<br />
und auch die totale Entmythisierung des<br />
«Sophienerlebnisses» macht Hädecke<br />
nicht mit. Das ist grundsätzlich legitim.<br />
Aber muss man Hardenbergs Tuberkulose<br />
psychosomatisch auf den «ins Unbewusste<br />
abgesunkenen Todeswunsch»<br />
nach dem Verlust der Geliebten zurückführen?<br />
Vermutlich hat er einfach zu viel<br />
gearbeitet. ●<br />
STAR-MEDIA
Wirtschaftsgeschichte Der Europa Verlag legt die Gottlieb-Duttweiler-Biografie von Curt Riess neu<br />
auf – ein immer noch faszinierendes Unternehmerporträt<br />
Der Mythos vom sozialen Kapital<br />
Curt Riess: Gottlieb Duttweiler. Eine<br />
Biografie. Vorwort Karl Lüönd. Europa,<br />
Zürich 2011. 408 Seiten, Fr. 38.–.<br />
Von Urs Rauber<br />
Als der in Zürich lebende deutsche<br />
Bestsellerautor Curt Riess (1902–1993)<br />
die umfassende Biografie über Migros-<br />
Gründer Gottlieb Duttweiler 1958 abschloss,<br />
war dieser gerade 70 geworden<br />
und auf dem Höhepunkt seines Erfolges.<br />
Der «Lebensmittelheiland» hatte bereits<br />
damals die Schweiz stärker verändert<br />
als jeder andere im 20. Jahrhundert<br />
– so Karl Lüönd in seinem Vorwort zur<br />
unveränderten Neuausgabe.<br />
Das ist exakt auf den Punkt gebracht:<br />
Gottlieb Duttweiler (1888–1962) revolutionierte<br />
nicht nur das Preisgefüge des<br />
damaligen Spezerei- und Detailhandels.<br />
Er wollte seinen Kundinnen – der Hausfrau,<br />
die täglich rechnen muss – nicht<br />
allein das Budget entlasten, sondern<br />
ihren Konsum-Radius erweitern. Indem<br />
er günstige Ferien organisierte (Hotelplan),<br />
Weiterbildung anbot (Klubschule),<br />
Treibstoff und Heizöl verbilligte<br />
(Migrol), Bücher und Schallplatten unters<br />
Volk brachte (Ex Libris), Kredite<br />
und Hypotheken für Kleinverdiener<br />
möglich machte (Migrosbank).<br />
Angefangen hatte der <strong>Zürcher</strong> Unternehmer<br />
als 12-jähriger Bub mit dem Verkauf<br />
selbstgezüchteter Kaninchen. Nach<br />
seiner KV-Lehre reiste er in die Welt<br />
hinaus und sah, wie man günstig Kaffee<br />
und andere Waren einkaufen und absetzen<br />
konnte, wenn man den Zwischenhandel<br />
ausschaltete. Mit 19 wurde Duttweiler<br />
Junior-Partner seiner Lehrfirma.<br />
Und nach intensiven Marktabklärungen<br />
liess er am 25. August 1925 erstmals fünf<br />
Lastwagen auf festgelegten Routen<br />
durch Zürich fahren, um den zögernden,<br />
teils misstrauischen Käuferinnen jene<br />
sechs Lebensmittel anzupreisen, die<br />
jede Hausfrau im Alltag brauchte: Reis,<br />
Bestellungen<br />
hep verlag ag<br />
Brunngasse 36<br />
Postfach<br />
3000 Bern 7<br />
Tel. 031 310 29 29<br />
Fax 031 318 31 35<br />
info@hep-verlag.ch<br />
Seit 86 Jahren<br />
eine Erfolgsstory:<br />
Begonnen hatte die<br />
Migros 1925 mit fünf<br />
Verkaufslastwagen.<br />
Hier ein Gefährt<br />
aus den späten<br />
40er-Jahren.<br />
Zucker, Kaffee, Teigwaren, Fett und<br />
Seife.<br />
Duttweiler, der immer ein wenig an<br />
zu grossem Optimismus litt, war ein sozialer<br />
Arbeitgeber. In der Krise entliess<br />
er kaum Leute, sondern placierte sie in<br />
andere Zweige um. Er setzte durch, dass<br />
ein Prozent des Umsatzes für kulturelle,<br />
soziale und politische Zwecke eingesetzt<br />
wird («Kulturprozent»). 1940 wandelte<br />
er die Aktiengesellschaft in eine<br />
Genossenschaft um und verschenkte die<br />
Anteilscheine zu je 30 Franken seinen<br />
Kunden – die M-Familie entstand und<br />
damit der Mythos vom «sozialen Kapital»<br />
und dem «dritten Weg zwischen<br />
Kapitalismus und Kollektivismus».<br />
Schon früh wurde der Mann mit Zigarre,<br />
breitrandigem Hut und mächtigem<br />
Bauch, der eine gewisse Ähnlichkeit<br />
mit Churchill aufwies, auch zum<br />
Volkstribun und Politiker. Einer, der<br />
seine Gegner mit Lust provozierte, anprangerte<br />
und vor Gericht zog. Der Boykotte<br />
unterlief, Monopolisten bekämpfte<br />
und Kartelle zum Einsturz brachte.<br />
Der sich den Mund von Verbänden, Behörden<br />
und Mitbewerbern nie stopfen<br />
Aymo Brunetti<br />
Wirtschaftskrise ohne Ende?<br />
2. Auflage 2011<br />
176 Seiten, Hardcover<br />
10CAsNsjY0MDAx1TU0sTQ1MQAAc7pgOg8AAAA=<br />
CHF 29.– / EUR 22.–<br />
10CFVMuwrDMBD7IhtJdza5eAzZQobS3UvI3P-famcL6IGE0HG0kvFw28_v_mkEvCR6FB99lLy4GsOyaTgJgVxJubxWvvYJjGqwPjdpAn2olCw6lhnmwzAZlH_X_QdlOEfjgAAAAA==<br />
ISBN 978-3-03905-774-0<br />
liess. Eine Persönlichkeit mit Feuer, Leidenschaft<br />
und Charisma. 1935 gründete<br />
Dutti den «Landesring der Unabhängigen»,<br />
eine Art Vorläuferin der grünliberalen<br />
Bewegung, die ihn und später weitere<br />
unabhängige Geister und Querdenker<br />
wie den Historiker Marcel Beck, den<br />
Kabarettisten Alfred Rasser, den <strong>Zürcher</strong><br />
Stadtpräsidenten Sigmund Widmer<br />
oder die Konsumentenschützerin<br />
Monika Weber in den Nationalrat brachte.<br />
Duttweiler war auch Zeitungsgründer:<br />
der legendären «Tat» (1935–1978)<br />
und des «Brückenbauers» (seit 1942,<br />
heute «Migros-Magazin»).<br />
Riess hat ein euphorisierendes, dennoch<br />
nicht unkritisches Patronporträt<br />
verfasst, das flüssig und spannend geschrieben<br />
und auch heute noch mit Gewinn<br />
zu lesen ist. Die sorgfältig gestaltete<br />
Neuauflage lässt ein Stück Schweizer<br />
Unternehmer- und Konsumentengeschichte<br />
aufleben. Die Faszination über<br />
den Tellerwäscher-Aufstieg dieses<br />
Marktschreiers, Volksbeglückers und<br />
Querulanten vermag den Leser zu packen<br />
und lässt ihn den Staub der Sprache<br />
vor 50 Jahren vergessen. ●<br />
«Empfiehlt sich gleich aus drei Gründen: Es ist verständlich<br />
und unaufgeregt geschrieben, klar und<br />
anschaulich strukturiert und endet auf Seite 176<br />
– auch Menschen mit wenig Zeit ist das durchaus<br />
zumutbar.»<br />
Frankfurter Allgemeine<br />
«Krisenkunde für Einsteiger.»<br />
<strong>Neue</strong> <strong>Zürcher</strong> Zeitung<br />
Von der Blase auf dem US-Immobilienmarkt bis zur aktuellen Eurokrise – Aymo Brunetti<br />
liefert eine Orientierungshilfe zu vier Jahren Krise.<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 25
Sachbuch<br />
Film Greta Garbo und Salka Viertel verband eine lebenslange Freundschaft in Hollywood<br />
Die Göttliche und die Irdische<br />
Nicole Nottelmann: Ich liebe dich. Für<br />
immer. Greta Garbo und Salka Viertel.<br />
Aufbau, Berlin 2011. 288 Seiten, Fr. 32.90.<br />
Von Martin Walder<br />
Es ist im Frühjahr 1930. In Beverly Hills<br />
gibt Ernst Lubitsch eine Dinnerparty.<br />
Auf dem Sofa thront <strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong>,<br />
neben ihr, schmal und im Jackett, Greta<br />
Garbo. Die Schwedin ist in den USA<br />
schon ein Star, «der blaue Engel» <strong>Marlene</strong><br />
soll dort zu einem werden. Die<br />
Schauspielerin Salka Viertel, deren<br />
Mann, der Regisseur und Dichter Berthold<br />
Viertel, auf Murnaus Ruf nach Hollywood<br />
gekommen war, wird der Garbo<br />
vorgestellt. Sie möchte sich neben sie<br />
setzen, <strong>Marlene</strong> tut keinen Wank. So<br />
verziehen sich die beiden auf die Terrasse,<br />
und eine Freund-, Lieb- und Partnerschaft<br />
beginnt, die erst 1978 mit Salkas<br />
Tod in Klosters endet.<br />
In Viertels lesenswerter Autobiografie<br />
«Das unbelehrbare Herz» von 1969<br />
findet sich die hübsche Anekdote auch,<br />
<strong>Marlene</strong> tritt dort aber bloss als «der<br />
deutsche Star» auf. Salka, mit Intelligenz,<br />
Ironie und Energie gesegnet,<br />
wusste ein Image von sich und ihrer intimen<br />
Beziehung zur Garbo zu entwerfen<br />
und wusste, wo und wann sie<br />
George Steiner: Im Raum der Stille:<br />
Lektüren. Suhrkamp, Berlin 2011.<br />
271 Seiten, Fr. 34.90.<br />
Von Arnaldo Benini<br />
Lesen, sagt George Steiner, ist ein kompliziertes<br />
und grosses Abenteuer. Man<br />
sollte sich einem Text mit Bedacht und<br />
Zurückhaltung nähern. Von den «peinlichen<br />
selbstverliebten Gaukeleien» der<br />
zeitgenössischen Kritik hält er nichts.<br />
Der wahre und bedeutende Kritiker, so<br />
Steiner, ist ein Briefträger, der dem<br />
Empfänger einen sprachlich einwandfreien<br />
Brief zuwirft. Seine Bildung und<br />
seine Weltläufigkeit machen ihn selbst<br />
zum idealen Briefträger.<br />
George Steiner wurde 1929 in Paris<br />
geboren. Fünf Jahre zuvor war sein Vater<br />
aus Wien in die französische Hauptstadt<br />
gezogen. Er war einer der wenigen<br />
Juden, die schon in den frühen zwanziger<br />
Jahren bemerkten, dass ihresgleichen<br />
in Deutschland und Österreich die<br />
Vernichtung drohen konnte. Später zog<br />
die Familie in die USA. Steiner ist dreisprachig<br />
aufgewachsen, deutsch, französisch<br />
und englisch. Seine Mutter, eine<br />
Wiener Jüdin, beendete einen Satz selten<br />
in der Sprache, in der sie ihn begonnen<br />
hatte. Steiner lernte zudem Italienisch,<br />
das sich seiner Meinung nach<br />
26 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
schweigen wollte. Hier leuchtet die Literaturwissenschafterin<br />
Nicole Nottelmann<br />
unter die Oberfläche. Was sie da<br />
entdeckt und detailliert nacherzählt, ist<br />
die Geschichte einer Frauenbeziehung,<br />
die alle Höhen und Tiefen zwischen Erfolg<br />
und Depressionen, Liebe und Entfremdung<br />
durchläuft und dabei eine<br />
komplizierte Balance hält.<br />
«Ich liebe dich. Für immer» heisst das<br />
Buch nach einer Briefpassage der Garbo.<br />
Das klingt absolut und so wahr, wie die<br />
beruflichen und die Gefühlsverstrickungen<br />
zwischen den ungleichen Frauen<br />
immer wieder auch (selbst)zerstörerische<br />
Kräfte freisetzten. Salka war fast<br />
zwanzig Jahre älter, gebildet, aus galizischem<br />
Grossbürgertum stammend; ihr<br />
Haus an der Marbery Street in Santa<br />
Monica war berühmt als Emigrantentreffpunkt,<br />
sie amtierte als «Mutter von<br />
ganz Kalifornien» (Carl Zuckmayer),<br />
später, in der unseligen McCarthy-Zeit<br />
als eine Mutter Courage, die kein Blatt<br />
vor den Mund nahm.<br />
Greta Gustafsson dagegen wuchs als<br />
Arbeiterkind zu fünft in einer Einzimmerwohnung<br />
auf. Als Entdeckung des<br />
Regisseurs Mauritz Stiller, der sie zur<br />
«Garbo» machte, wurde sie zum Inbegriff<br />
der androgyn unnahbaren Schönheit,<br />
war scheu und verletzlich, was sie<br />
aber gleichzeitig als Image des verführe-<br />
«für eloquente Hohlheit» eignet, sowie<br />
Latein und Griechisch. Von 1974 bis 1994<br />
war er Dozent für vergleichende Literaturwissenschaften<br />
in Genf und Cambridge,<br />
wo er heute lebt.<br />
Zwischen 1967 und 1997 hat Steiner<br />
für die Wochenzeitschrift «The New<br />
Yorker» über 130 Rezensionen und Essays<br />
verfasst. Die liberale amerikanische<br />
Publikation war von Beginn an ein Pantheon<br />
zeitgenössischer Literatur, zählten<br />
zu ihren Mitarbeitern Borges, Nabokov,<br />
Salinger, Brodsky und andere. Steiner<br />
trat die Nachfolge des Kritikers Edmund<br />
Wilson an, der ihm den Rat erteilte,<br />
sich niemals scheiden zu lassen; die<br />
opulenten Honorare seien an seine drei<br />
Ex-Frauen gegangen. Die Mitarbeit Steiners<br />
endete abrupt, als die Leiterin des<br />
Magazins, Tina Brown, erfuhr, dass er<br />
herumerzählte, der «New Yorker»<br />
werde allmählich trivial.<br />
Steiner rezensierte Monografien über<br />
historische Figuren sowie Werke von<br />
Erzählern und Essayisten. 2009 ist in<br />
den USA eine Sammlung von 33 Artikeln<br />
erschienen, während die deutsche Ausgabe<br />
lediglich 16 Beiträge enthält – darunter<br />
jene über Cioran, Canetti, Brecht,<br />
Kraus, Bernhard, Celan, Albert Speer<br />
und Celine. Herausragend ist das Porträt<br />
über Hermann Broch, einen heute<br />
fast vergessenen Autor. Der Briefwechsel<br />
zwischen Walter Benjamin und<br />
rischen Vamps zu kultivieren wusste.<br />
Mit «Königin Christine» nahm die berufliche<br />
Partnerschaft von Salka und<br />
Greta ihren Anfang. Die Figur der historischen<br />
schwedischen Königin in ihrer<br />
Bisexualität war für Salka auf Garbo zugeschnitten.<br />
Und beide profitierten: Die<br />
Garbo hatte eine Beschützerin gefunden,<br />
Viertel einen Zugang und damit Arbeit<br />
als Autorin und Beraterin des Stars<br />
bei MGM. Über Jahre behauptete sie bei<br />
deren Studiobossen einen Status sozusagen<br />
als «Vorzimmerdame» für den<br />
schwierigen Star, vergleichbar vielleicht<br />
der Rolle als Coach, wie sie Paula Strasberg<br />
für Marilyn Monroe einnahm. Vor<br />
allem aber war Salka Impuls- und Ideengeberin,<br />
psychische Stütze, Ersatzmutter.<br />
Und: Sie war Gretas Geliebte – wie<br />
konkret, bleibt deren Geheimnis.<br />
Nottelmanns doppelbiografische<br />
Darstellung gibt anschaulich Einblicke<br />
in das alte Studiosystem, in dem sich die<br />
Garbo dank Viertel «als einzige der ehemaligen<br />
Stummfilmdiven und länger als<br />
fast jeder andere weibliche Hollywoodstar<br />
mit Ausnahme von Joan Crawford<br />
und Norma Shearer» halten konnte.<br />
Und sichtbar wird die Unbehaustheit<br />
aller Beteiligter vor dem Drama des<br />
20. Jahrhunderts mit Weltkrieg, Migration,<br />
mit seinen Moralvorstellungen und<br />
seinen politischen Hysterien. ●<br />
Essays Der Literaturkritiker George Steiner legt seine besten Arbeiten aus dem «New Yorker» vor<br />
Von der Lust am Provozieren<br />
Gershom Scholem wird als literarisches<br />
und philosophisches Meisterwerk dargestellt.<br />
Erhellend ist der Essay über<br />
Brecht, dessen Gedichte und Schauspiele<br />
für Steiner «zu den schönsten unseres<br />
Jahrhunderts» gehören. Steiner erinnert<br />
daran, dass Brecht auf die Frage, weshalb<br />
er in Moskau nicht um Asyl gebeten<br />
habe und in die USA gereist sei, antwortete:<br />
«Ich bin ein Kommunist, kein<br />
Idiot.» Weitere Themen sind die Schicksalsschläge<br />
des Kunstkritikers Anthony<br />
Blunt, der für die Russen spionierte, und<br />
der Essay über die «Traurigen Tropen»<br />
von Claude Lévi-Strauss. Schade, dass in<br />
der deutschen Ausgabe die Aufsätze<br />
über Goethe, Kafka, Musil, Thomas und<br />
Heinrich Mann fehlen.<br />
Susan Sonntag sagte, der Essayist<br />
Steiner greife alles mit Ernsthaftigkeit<br />
und Lust an der Provokation auf. Obwohl<br />
er das Leben liebt, ist Steiner eine<br />
Stimme des zeitgenössischen Pessimismus.<br />
Die «weinerliche Kantilene» von<br />
E. M. Cioran lehnt er jedoch ab. Selbst<br />
im Jahrhundert von Auschwitz und in<br />
einer von Scharlatanen regierten Welt,<br />
sagt Steiner, sind Ciorans Trauersermone<br />
«Zeugnis einer massiven, gewaltsamen<br />
Vereinfachung.» Was ist von einem<br />
im Greisenalter gestorbenen Moralisten<br />
zu halten, für den jeder, der sich nicht<br />
vor dem dreissigsten Lebensjahr umbringt,<br />
ein Versager ist? ●
Biografie Das Leben des berühmtesten Dokumentenfälschers des 20. Jahrhunderts, Adolfo Kaminsky,<br />
aufgezeichnet von seiner Tochter<br />
Lügen für die gute Sache<br />
Sarah Kaminsky: Adolfo Kaminsky. Ein<br />
Fälscherleben. Kunstmann,<br />
München 2011. 224 Seiten, Fr. 28.50.<br />
Von Fritz Trümpi<br />
Was sich liest wie ein hochspannender<br />
Polit-Krimi, ist in Wirklichkeit der<br />
nüchterne Erfahrungsbericht eines couragierten<br />
Zeitgenossen: Adolfo Kaminsky<br />
war der wohl berühmteste Dokumentenfälscher<br />
im 20. Jahrhundert, der seine<br />
illegale Kunst stets in den Dienst der<br />
guten Sache stellte. Seine Tochter Sarah<br />
Kaminsky, eine in Paris ansässige Schauspielerin<br />
und Drehbuchautorin, fertigte<br />
aus seinen unzähligen erschütternd-ergreifenden<br />
Geschichten eine spannungsvolle,<br />
in einfache Sprache gehüllte<br />
Ich-Erzählung, die sie geschickt mit<br />
Spots auf historische Brennpunkte des<br />
20. Jahrhunderts verwob.<br />
Opfer der Judenverfolgung<br />
Adolfo Kaminsky war zunächst selbst<br />
Opfer von Repression und Verfolgung:<br />
Im Sommer 1943 wurde die jüdische Familie<br />
in Paris verhaftet und ins Internierungslager<br />
Drancy deportiert. Nur dank<br />
dem Umstand, dass die Kaminskys die<br />
argentinische Staatsbürgerschaft besassen,<br />
kamen sie provisorisch wieder frei,<br />
woraufhin der noch keine zwanzig Jahre<br />
alte Adolfo für die Résistance als Ausweisfälscher<br />
tätig wurde. Dabei kam<br />
ihm zupass, dass er als Jugendlicher eine<br />
Färberlehre absolviert hatte und über<br />
stupende Chemiekenntnisse verfügte,<br />
die für eine erfolgreiche Fälschertätigkeit<br />
unerlässlich waren.<br />
Mit dem Ende der deutschen Besatzung<br />
in Paris war sein Fälscheraktivis-<br />
Sarah und Adolfo Kaminsky in der Fälscherwerkstatt in Paris, 2010.<br />
Gefälschte Pässe,<br />
die Adolfo Kaminsky<br />
hergestellt hatte.<br />
mus indes nicht vorbei: Bis zur Kapitulation<br />
der Achsenmächte stellte er deutsche<br />
Ausweise her, die es französischen<br />
Geheimdienstagenten erlaubten, auf<br />
feindlichem Territorium KZs ausfindig<br />
zu machen. Kaminsky war damit zum<br />
«staatlichen Fälscher» aufgestiegen,<br />
wenn auch nur kurzzeitig.<br />
Als er nach Kriegsende den Auftrag<br />
erhielt, Kartenmaterial für das von<br />
Frankreich okkupierte Indochina zu<br />
vervielfältigen, verzichtete er freiwillig<br />
auf eine vielversprechende Beamtenkarriere:<br />
«Spionage in Friedenszeiten war<br />
nicht meine Sache, und die Aussicht,<br />
mich an einem Kolonialkrieg zu beteiligen,<br />
erschreckte mich.»<br />
Privat am Abgrund<br />
Adolfo Kaminsky sehnte sich nach<br />
einem normalen Leben und wollte sich<br />
nur noch seiner grossen Leidenschaft,<br />
der Fotografie, widmen: «Jetzt, da der<br />
Krieg vorbei war, wollte ich nichts Illegales<br />
mehr tun.» Doch es kam rasch anders.<br />
1946 begab er sich mit GIs auf eine<br />
Tour durch deutsche Flüchtlingslager,<br />
die bei ihm schockierende Eindrücke<br />
hinterliess.<br />
Wieder in Paris angekommen, begann<br />
er umgehend, im grossen Stil Papiere für<br />
«displaced persons» zu kreieren, die<br />
den KZ-Überlebenden die illegale Ein-<br />
wanderung nach Palästina ermöglichen<br />
sollten.<br />
In der Folge internationalisierte sich<br />
Kaminskys Tätigkeit zunehmend, und<br />
die Bestellungen für Passfälschungen<br />
kamen buchstäblich aus der ganzen<br />
Welt. Zunächst engagierte er sich für die<br />
Befreiung Algeriens, sodann produzierte<br />
er Pässe für Dominikaner und Haitianer,<br />
bis er schliesslich für die Revolutionäre<br />
Südamerikas zu arbeiten begann:<br />
«So lieferte ich 1967 Kämpfern und Gehorsamsverweigerern<br />
aus 15 verschiedenen<br />
Ländern falsche Papiere, und das<br />
war noch gar nichts im Vergleich zu den<br />
folgenden Jahren bis 1971.»<br />
Kaminskys privates Leben allerdings<br />
verlief zumeist am Rande des Abgrunds<br />
– amourös wie finanziell: Das Fälschen<br />
stellte er stets über seine Liebesbeziehungen,<br />
und obendrein musste dieses<br />
für den bekennenden Humanisten unbedingt<br />
unbezahlt bleiben. Über Wasser<br />
hielt er sich mit Fotoarbeiten, und wenn<br />
dies nicht ausreichte, beschritt er den<br />
Weg zum Pfandleihhaus. Er macht keinen<br />
Hehl daraus, dass er dieser Opfer<br />
nicht manchmal überdrüssig gewesen<br />
wäre, doch zugleich bekennt er: «Wenn<br />
ich nur eine Sekunde lang an jene Unbekannten<br />
dachte, deren Leben in meiner<br />
Hand lag, war mein Selbstmitleid sofort<br />
verflogen.» ●<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27<br />
BENJAMIN BOCCAS
Sachbuch<br />
Metropole Der Historiker Simon Sebag Montefiore erzählt die 3000-jährige Geschichte Jerusalems<br />
Eine Stadt, die nie<br />
zur Ruhe kommt<br />
Simon Sebag Montefiore: Jerusalem. Die<br />
Biografie. S. Fischer, Frankfurt am Main<br />
2011. 872 Seiten, Fr. 38.50.<br />
Von Geneviève Lüscher<br />
Nicht eine Biografie sollte es sein, nein:<br />
die Biografie Jerusalems will der Brite<br />
Simon Sebag Montefiore selbstsicher<br />
und dezidiert vorlegen. Der vielfach<br />
ausgezeichnete Historiker brillierte bis<br />
anhin mit Werken über Russland und<br />
die Sowjetunion, er widmete sich Persönlichkeiten<br />
wie Stalin und Katharina<br />
der Grossen. Über die Geschichte des<br />
Nahen Ostens berichtet er hier erstmals,<br />
obwohl er aus einer berühmten altjüdischen<br />
Familie stammt, die in Jerusalem<br />
selber Geschichte gemacht hat.<br />
Er habe, schreibt der Autor im Vorwort,<br />
nicht eine Geschichte als Abfolge<br />
gewaltsamer Umbrüche und radikaler<br />
Veränderungen darstellen wollen, sondern<br />
er «möchte zeigen, dass Jerusalem<br />
eine Stadt der Kontinuität und Koexistenz<br />
war, eine gemischte Metropole mit<br />
gemischten Bauten und gemischten<br />
Menschen». Und deswegen zeichne er<br />
die Geschichte wenn immer möglich anhand<br />
von Familien und Dynastien nach,<br />
jüdischen, christlichen, islamischen, um<br />
nur die wichtigsten zu nennen. Er wolle<br />
eine Geschichte Jerusalems ohne politische<br />
Agenda schreiben, für alle. Gleich<br />
die erste Karte am Schluss des Buches<br />
macht aber stutzig: Hier wird das Königreich<br />
David und Salomo mit scharf umrissenen<br />
Grenzen eingezeichnet, als<br />
seien diese Grenzen historische Fakten,<br />
was sie bekanntlich aber nicht sind.<br />
28 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
Jerusalem verdankt seine Bedeutung<br />
nicht wie andere grosse Städte seiner<br />
Lage. Es befindet sich weder an wichtigen<br />
Handelsrouten noch an der Küste<br />
des Mittelmeers, sondern in einem unwirtlichen<br />
Bergland mit kargen Wasserressourcen.<br />
Jerusalem sei einzig bedeutend,<br />
weil es laut Sebag Montefiore eine<br />
«heilige Stadt» sei. Sie wurde zum irdischen<br />
Ort für die Kommunikation zwischen<br />
Gott und Mensch, zum Brennpunkt<br />
dreier Religionen, dem Judentum,<br />
dem Christentum und dem Islam.<br />
Wie es dazu gekommen ist, schildert<br />
Sebag Montefiore auf fast 750 Seiten,<br />
gefolgt von einem umfangreichen Anmerkungsapparat,<br />
einer ebensolchen<br />
Bibliografie und verdankenswerterweise<br />
einem Register und Karten.<br />
Bibel als Geschichtswerk<br />
Das erste Kapitel «Judentum» enttäuscht,<br />
respektive es rückt das Werk<br />
weit weg von der Historie in die Fiktion.<br />
Der Autor liest die Bibel, als wäre sie<br />
eine objektive Geschichtsquelle, und<br />
lässt eine klare Unterscheidung von Legenden<br />
und archäologischen Fakten vermissen.<br />
Personen wie David und Salomo<br />
oder Jesus sollen real existiert haben,<br />
obwohl es dafür bis anhin keinen einzigen<br />
Beweis gibt. Auch die Lesung der<br />
berühmten Inschrift auf der Tel-Dan-<br />
Stele, die laut Sebag Montefiore die<br />
Existenz König Davids beweisen soll, ist<br />
unter Fachleuten umstritten.<br />
Man hätte sich als Leserin gerne eine<br />
strikte, neutrale Trennung der Fakten<br />
von den Ideologien gewünscht. Das ist<br />
keine einfache Aufgabe, gibt es doch für<br />
diese frühen Epochen kaum schriftliche<br />
Jerusalem heute,<br />
mit Klagemauer<br />
und Felsendom im<br />
Hintergrund. Die<br />
Ursprünge der Stadt<br />
sind jedoch älter.<br />
AVI HIRSCHFELD / BILDMASCHINE<br />
Quellen, sondern nur Bodenfunde, welche<br />
die an sie gestellten Fragen nicht<br />
beantworten können. Kommt erschwerend<br />
dazu, dass in Jerusalem ständig gebaut<br />
wurde und wird. Seit Jahrtausenden<br />
werden Gebäude abgerissen, neu<br />
gebaut, erweitert, was die archäologische<br />
Arbeit nicht eben erleichtert.<br />
Gerade für die Ursprünge der Stadt<br />
hätte man sich mehr Informationen gewünscht.<br />
Das erste Kapitel beginnt mit<br />
dem Unterkapitel «Die Welt Davids»,<br />
als ob vorher nichts gewesen wäre. Zwar<br />
schreibt der Autor: «Als David die Burg<br />
Zion eroberte, war Jerusalem bereits<br />
alt». Diese wichtige Tatsache, dass die<br />
Stadt nämlich zuerst anderen «gehörte»,<br />
geht unter. Die Kanaaniter, über die<br />
dank moderner Grabungen immer mehr<br />
bekannt wird, hätten ein eigenes Kapitel<br />
verdient. Man weiss heute, dass sie imposante<br />
Bauwerke bauten. Kanaan geriet<br />
dann unter ägyptische Herrschaft,<br />
bevor es – laut der Bibel – von David erobert<br />
wurde. Diese Informationen finden<br />
sich zwar verstreut, sie lassen aber<br />
kein Gesamtbild zu.<br />
Kurzweilige Aperçus<br />
Das mit 200 Seiten umfangreichste erste<br />
Kapitel reicht bis zur Zerstörung des<br />
Tempels durch die Römer im Jahr 70 n.<br />
Chr. Kapitel 2 und 3 umfassen die nächsten<br />
600 Jahre bis zur arabischen Eroberung<br />
und behandeln Christentum, Spätantike<br />
und Frühbyzanz auf gerade mal<br />
50 Seiten. Auch die Kapitel «Islam»,<br />
«Kreuzzüge», «Mamelucken», «Osmanen»<br />
und «Imperialismus» sind ähnlich<br />
kurz. Erst das letzte Kapitel «Zionismus»<br />
hat wieder mehr als 100 Seiten.<br />
Je weiter wir in der Zeit fortschreiten,<br />
desto detailreicher wird die Erzählung<br />
Sebag Montefiores. Denn die schriftlichen<br />
Quellen nehmen zu, die historischen<br />
Nebel lichten sich. Geschickt<br />
pickt der Autor aus den verschiedenen<br />
Epochen interessante Persönlichkeiten<br />
heraus, Männer und Frauen, bekannte<br />
Herrscherfiguren und <strong>Neue</strong>ntdeckungen<br />
wie beispielsweise den Osmanen<br />
Evliya Celebi: 1611 in Istanbul geboren,<br />
bereiste er die Welt und schrieb einen<br />
witzigen zehnbändigen Reisebericht.<br />
Oder David Dorr aus Louisiana, ein<br />
schwarzer Sklave, der 1858 seinen Herrn<br />
auf Weltreise begleitete und über seine<br />
Erlebnisse ein Tagebuch führte.<br />
So erfährt der Leser anhand kurzweiliger<br />
biografischer Notizen von allerlei<br />
Beteiligten die komplizierte Geschichte<br />
dieser ruhelosen Stadt bis zum Sechstagekrieg<br />
1967. Das liest sich flüssig und<br />
unterhaltsam, gar nicht wie ein trockenes<br />
Geschichtsbuch. Das liegt sicher<br />
auch daran, dass die Grenzen zwischen<br />
Doku-Fiktion und harten Fakten bisweilen<br />
leichtfüssig überschritten werden. ●
Diplomatie Charles Maurice de Talleyrand gilt nicht nur als hochbegabter Politiker, sondern auch als<br />
zynischer Opportunist. Zu unrecht, wie Johannes Willms zeigt<br />
Gewiefter Diener Frankreichs<br />
Johannes Willms: Talleyrand. Virtuose<br />
der Macht 1754–1838. C. H. Beck,<br />
München 2011. 384 Seiten, Fr. 36.90.<br />
Von Peter Durtschi<br />
Charles Maurice de Talleyrand diente<br />
dem französischen Staat während mehr<br />
als fünfzig Jahren und unter fünf verschiedenen<br />
Regimen. Von den letzten<br />
Phasen des Ancien Régime bis zur Restauration<br />
bekleidete dieser Diplomat<br />
Posten sowohl unter Napoleon als auch<br />
unter dem wieder errichteten Königtum<br />
der Restauration. Dass Talleyrand Diener<br />
derart vieler Herren war, erschien<br />
vielen Zeitgenossen suspekt und trägt<br />
ihm bis heute das Image des zynischen<br />
Opportunisten ein.<br />
Johannes Willms, ein Publizist und<br />
Frankreichkenner, der schon Napoleon<br />
und Balzac gut lesbare Biografien gewidmet<br />
hat, hält diese Sicht für allzu<br />
einseitig. Dass sich Talleyrand den historischen<br />
Gegebenheiten jeweils sehr<br />
wendig angepasst hat, zeigt schon ein<br />
äusserst turbulenter Lebenslauf. Der<br />
seit 1788 als Bischof amtende Talleyrand<br />
erregte schon Anstoss, als 1789 in Frankreich<br />
die Generalstände – Klerus, Adel<br />
und Dritter Stand – einberufen wurden<br />
und ausgerechnet er als Vertreter der<br />
Kirche vorschlägt, den Kirchenbesitz<br />
zu verstaatlichen, um den drohenden<br />
Staatsbankrott abzuwenden. Die Revolution<br />
schickt den liberal gesinnten Reformer<br />
daraufhin zunächst als Unterhändler<br />
nach London, ihre blutige Phase<br />
zwingt ihn jedoch ins Exil in die USA.<br />
Schon nach vier Jahren ist Talleyrand<br />
wieder in Paris und wird 1797 zum<br />
Aussenminister berufen. Er setzt auf<br />
den kommenden starken Mann und ist<br />
Mitorganisator des Staatsstreichs, der<br />
Napoleon 1799 an die Macht bringt.<br />
Doch der gewiefte Aussenpolitiker<br />
muss bald gewahren, dass Bonaparte<br />
Vorstellungen hat, die seinen eigenen<br />
Festival del film<br />
Locarno 2011<br />
Sélection officielle<br />
www.filmcoopi.ch<br />
Teilnehmer am<br />
Wiener Kongress<br />
(1814–1815) unter<br />
ihnen auch Diplomat<br />
Charles Maurice de<br />
Talleyrand (sitzend,<br />
der Zweite von links).<br />
diametral zuwiderlaufen: Geht es Napoleon<br />
spätestens ab 1805 um die Beherrschung<br />
des Kontinents, versucht Talleyrand,<br />
Bonapartes Machtstreben zu mässigen.<br />
Im Jahr 1808 vollzieht er deshalb<br />
den Bruch mit dem kaiserlichen Regime,<br />
arbeitet in konspirativen Treffen mit<br />
dem Zaren an Bonapartes Sturz mit.<br />
Prompt beruft ihn der neu eingesetzte<br />
Ludwig XVIII. im Mai 1814 erneut als<br />
Aussenminister und entsendet ihn an<br />
den Wiener Kongress, wo es Talleyrand<br />
auch tatsächlich gelingt, das geschlagene<br />
Frankreich wieder als gleichrangige<br />
Macht zu etablieren.<br />
Die nächsten fünfzehn Jahre äussert<br />
sich Talleyrand, berühmt für seine geistreichen<br />
Art, als elder statesman zur politischen<br />
Grosswetterlage. Als durch die<br />
Junirevolution 1830 König Louis Philippe<br />
an die Macht kommt, tritt Talleyrand<br />
ein letztes Mal in den Staatsdienst<br />
und waltet während vier Jahren als Botschafter<br />
in London. Danach lebt er bis<br />
zu seinem Tod 1838 im Schloss Valençay<br />
unweit von Tours. Da er mit dem Eid auf<br />
10CFWKsQqAMAxEvygl1ySNsaN0Ewdx7yLO_v-kdfO448Hx1rVa4m9L2462VzCrEUzNolpYyl4qIie3l4BnBmYoXFQjfj4xoghLHw6NeocSCol2nqRjZHxwzuk-rwfi1cZ1gAAAAA==<br />
Ein Film von<br />
Christoph Kühn<br />
eine weltliche Verfassung und durch<br />
eine Heirat mit der Kirche gebrochen<br />
hatte, verhandelt der versierte Diplomat<br />
nun über Wochen seine Rückkehr in den<br />
Schoss der Kirche, die er auf dem Sterbebett<br />
auch tatsächlich vollzogen hat.<br />
Von drei Möglichkeiten, die Talleyrand<br />
aufgrund seiner aristokratischen<br />
Herkunft und den turbulenten Zeitläufen<br />
offengestanden hätten, habe er<br />
weder die Emigration noch ein zurückgezogenes<br />
Privatleben gewählt, sondern<br />
den Dienst am Staat, hält Willms in seiner<br />
flüssig geschriebenen Darstellung<br />
fest. Und immer sei es dem hochbegabten<br />
Diplomaten dabei um das Gesamtwohl<br />
des französischen Staates gegangen.<br />
Als Opportunisten will Willms Talleyrand<br />
deshalb nicht bezeichnen. Denn<br />
dass er die Grundmotivation auch mit<br />
privaten Vorteilen verband, sei es nun<br />
Ehrgeiz oder Geld, könne «eine letztinstanzliche<br />
moralische Verdammung, wie<br />
sie über ihn verhängt wird, umso weniger<br />
rechtfertigen, als jenes Motiv nie die<br />
Würdigung erfuhr, die es verdient.» ●<br />
Mit Zeichnungen von<br />
Hannes Binder<br />
GLAUSER<br />
10CAsNsjY0MDAx1TU0NTE1tQQA-8KtlQ8AAAA=<br />
Das bewegte Leben des grossen Schriftstellers<br />
Ab Januar 2012 im Kino<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 29<br />
ARCHIV GERSTENBERG / ULLSTEIN BILD
Sachbuch<br />
Abstraktion Mathematisches Denken erleichtert die Lösung philosophischer Probleme<br />
Wie man sich mit Zahlen anfreundet<br />
Timothy Gowers: Mathematik. Reclam,<br />
Ditzingen 2011. 207 Seiten, Fr. 8.90.<br />
Von André Behr<br />
Der Abstraktionsgrad in den mathematischen<br />
Wissenschaften ist bekanntlich<br />
sehr hoch. Man mutet uns Begriffe wie<br />
«Unendlichkeit», «gekrümmte Räume»<br />
oder «höhere Dimensionen» zu oder erwartet<br />
Verständnis für die Konstruktion<br />
der «Quadratwurzel aus der Zahl –1»,<br />
obwohl wir in der Schule gelernt haben,<br />
dass eine negative Zahl mit sich selbst<br />
multipliziert immer ein positives Resultat<br />
ergibt. Für alle, die solche Ideen auf<br />
quälende Weise als paradox empfinden,<br />
hat der englische Mathematiker Timothy<br />
Gowers 2002 «a very short introduc-<br />
30 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />
tion» geschrieben, die nun auf Deutsch<br />
vorliegt.<br />
Gowers Botschaft ist: «Lernt man abstrakt<br />
zu denken, verschwinden viele<br />
philosophische Schwierigkeiten». Es sei<br />
möglich, macht der 47-jährige Cambridge-Professor<br />
Hoffnung, sich mit mathematischen<br />
Ideen anzufreunden, ohne<br />
in technische Einzelheiten einzutauchen.<br />
Den Begriff der höheren Dimensionen<br />
relativiert Gowers, indem er<br />
nicht zuerst nach deren «Existenz»<br />
fragt, sondern die Art von Eigenschaften<br />
diskutiert, die beispielsweise von einem<br />
26-dimensionalen Raum zu erwarten<br />
sind. Die Existenz im mathematischen<br />
Sinne ergibt sich dann durch die Definition<br />
eines Modells, in dem die diskutierten<br />
Eigenschaften konsistent sind. Auf<br />
diese Weise bringt er uns auch bei, wie<br />
Das amerikanische Buch Autonarr gegen Erbsenzähler<br />
Kurz nach seiner Rückkehr zu General<br />
Motors im September 2001 setzte<br />
Bob Lutz seine Kollegen per Hausmitteilung<br />
über die «festen Überzeugungen»<br />
in Kenntnis, von denen er sich<br />
als Chef der Produktentwicklung leiten<br />
lassen wolle. Das Manifest forderte<br />
grösseren Wagemut beim Design, stärkeren<br />
Fokus auf Qualität und einen Abbau<br />
der Bürokratie, an der GM damals<br />
zu ersticken drohte. Zum Abschluss<br />
führte der 1942 als Bankiersohn in Zürich<br />
Geborene das «Bob Lutz-Motto»<br />
an: «Häufig im Irrtum, aber selten im<br />
Zweifel». Nach einer Karriere in den<br />
Spitzenetagen von GM, BMW, Ford und<br />
Chrysler rief Lutz seine neuen Mitarbeiter<br />
zu offener Diskussion und Rückgrat<br />
bei der Durchsetzung ihrer<br />
eigenen Überzeugungen auf.<br />
Das Memorandum findet sich in Car<br />
Guys vs Bean Counters. The Battle<br />
for the Soul of American Business<br />
(Portfolio/Penguin, 241 Seiten). Temperamentvoll<br />
und mit exzellentem Gespür<br />
für vielsagende Anekdoten<br />
schildert Lutz darin seine Rückkehr zu<br />
GM als Schlacht zwischen «Autonarren<br />
und Erbsenzählern», in der seine Überzeugungen<br />
allmählich die Oberhand<br />
gewinnen. Lutz ficht erfolgreich für die<br />
Verschlankung von Entscheidungsabläufen,<br />
terminiert gesichtslose Modelle<br />
und hebt den Elektro-Sedan «Volt» in<br />
das Programm, der GM heute als innovativ<br />
und wettbewerbsfähig erscheinen<br />
lässt. Das Buch endet 2009, als die Finanzkrise<br />
den damals schon weitgehend<br />
erneuerten Konzern in den<br />
Konkurs zwang. Dazu gibt der Autor einen<br />
Ausblick auf die Wiedergeburt von<br />
GM, die ohne den im gleichen Jahr ausgeschiedenen<br />
Lutz stattfand. Seinem<br />
Motto entsprechend, kommt der Leser<br />
auch in den Genuss Lutz’scher Irrtümer,<br />
unter denen seine Ablehnung des<br />
Klimawandels als Menschenwerk besonders<br />
haarsträubend herausragt.<br />
JESSICA RINALDI / REUTERS<br />
Grösseren Mut beim<br />
Design und bessere<br />
Qualität forderte der<br />
Amerikaschweizer<br />
Bob Lutz (unten),<br />
als er 2001 Chef<br />
von General Motors<br />
wurde.<br />
REBECCA COOK / REUTERS<br />
Aber wie Lutz selbst erklärt, gehören<br />
derartige Ausfälle schlicht zu dem Charakter<br />
des ehemaligen Kampfpiloten<br />
beim Reserve-Corps der US-Marines.<br />
Ohne Abstriche lesenswert sind dagegen<br />
seine Schilderungen der Unternehmenskultur,<br />
die Lutz als Absolvent der<br />
elitären Berkeley University nach seinem<br />
Eintritt bei GM 1963 kennengelernt<br />
hatte. Damals brachten visionäre Designer<br />
wie Bill Mitchell dem Konzern<br />
enorme Gewinne ein. Doch diese nährten<br />
eine Bürokratie, die ihr Geschäft<br />
durch endlose Debatten und Zahlenspiele<br />
berechenbar und damit risikofrei<br />
machen wollte. Lutz führt dies auf die<br />
im Zweiten Weltkrieg von jungen Managern<br />
wie Robert McNamara entwickelten<br />
Planungsmethoden zurück, die<br />
danach allmählich weite Teile der amerikanischen<br />
Industrie erobert haben.<br />
Nicht nur bei GM waren Entscheidungsfreude<br />
und Kreativität die ersten Opfer<br />
dieses Trends. Danach brachen die Gewinne<br />
ein. Mit solchen Einsichten gibt<br />
Lutz immer wieder zu erkennen, dass<br />
hinter der von ihm gepflegten Fassade<br />
des kernigen Burschen, der über «hochintelligente<br />
und enorm gebildete» Erb-<br />
Mathematiker das Unendliche oder<br />
Wahrscheinlichkeiten angehen. Und er<br />
führt uns über nur 30 Buchseiten von<br />
den Anfängen der axiomatischen Geometrie<br />
bei Euklid bis zu einem der<br />
schwierigsten Probleme, der Poincaré-<br />
Vermutung, die jüngst von dem genialen<br />
Russen Perelman gelöst worden ist.<br />
Für seine eigenen Forschungen erhielt<br />
Timothy Gowers 1998 die Fieldsmedaille,<br />
die höchste Auszeichnung seines<br />
Fachs. Trotzdem findet er Zeit, eine<br />
Webseite und einen Blog mit vielen<br />
nützlichen Texten und Links zu pflegen.<br />
Seine Einführung gehört zu den besten<br />
Büchern über Mathematik und dürfte<br />
auch Fortgeschrittene begeistern. Ein<br />
Jammer, dass es der Verlag nicht geschafft<br />
hat, die wenigen und simplen<br />
Formeln alle korrekt wiederzugeben. ●<br />
senzähler spottet, ein akademisch<br />
trainiertes Hirn operiert.<br />
Der «Car Guy» keilt auch kräftig gegen<br />
die amerikanische Medien, denen er<br />
ein sachlich verfehltes Faible für japanische<br />
Hersteller wie Toyota oder den<br />
unprofitablen Autobauer Saab vorwirft.<br />
Dessen Produkte verhöhnt Lutz als<br />
technisch zweitklassige Vehikel für<br />
College-Professoren und andere,<br />
selbsternannte «Individualisten». Doch<br />
der Manager räumt auch eigene Fehler<br />
ein. So stellt er seine Ablehnung der<br />
Übernahme des südkoreanischen<br />
Daewoo-Konzerns durch GM heraus,<br />
die sich zu einem grossen Gewinn für<br />
die Amerikaner entwickeln sollte. Dazu<br />
plaudert Lutz aus der Schule und erklärt<br />
beispielsweise den Effekt von<br />
Chromverzierungen auf die Kauflust.<br />
Autos sind für den 79-Jährigen letztlich<br />
Gefühlssache. Aber die Besitzer dürfen<br />
halt keinesfalls von der Qualität ihres<br />
Wagens enttäuscht werden. Derlei Einsichten<br />
finden anscheinend neues Interesse<br />
bei GM: Kürzlich hat der Konzern<br />
Lutz erneut angeheuert – als Berater<br />
mit breitem Portfolio. ●<br />
Von Andreas Mink
MICHEL VAURIS GRAVOS / SYGMA / CORBIS<br />
Agenda<br />
Klaus Kinski Unbekannte Facetten des Schauspielers<br />
Am 23. November jährte sich der Tod des Schauspielers<br />
Klaus Kinski (1926–1991) zum 20. Mal. Er<br />
war das Enfant terrible des deutschen Films. Für sein<br />
ausschweifendes, leidenschaftliches Leben und seine<br />
Wutausbrüche war er ebenso berühmt wie für seine<br />
Darstellung getriebener Menschen. In mehreren<br />
Filmen von Werner Herzog – «Nosferatu», «Aguirre,<br />
der Zorn Gottes», «Fitzcarraldo» – spielte er zentrale<br />
Rollen. Er wirkte aber auch in zahlreichen Krimi- und<br />
Westernproduktionen mit. Unter den neuen Publi-<br />
Bestseller November 2011<br />
Belletristik<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
Umberto Eco: Der Friedhof in Prag.<br />
Hanser. 519 Seiten, Fr. 32.90.<br />
Cecelia Ahern: Ein Moment fürs Leben.<br />
Krüger. 447 Seiten, Fr. 19.50.<br />
Michael Theurillat: Rütlischwur.<br />
Ullstein. 381 Seiten, Fr. 34.90.<br />
Paul Wittwer: Widerwasser.<br />
Nydegg. 400 Seiten, Fr. 35.90.<br />
Charlotte Roche: Schossgebete.<br />
Piper. 282 Seiten, Fr. 19.90.<br />
Jo Nesbø: Die Larve.<br />
Ullstein. 561 Seiten, Fr. 29.90.<br />
Jussi Adler-Olsen: Erlösung.<br />
dtv. 588 Seiten, Fr. 19.50.<br />
Charles Lewinsky: Gerron.<br />
Nagel & Kimche. 539 Seiten, Fr. 29.90.<br />
Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden<br />
Lichts. Rowohlt. 425 Seiten, Fr. 27.–.<br />
Dora Heldt: Bei Hitze ist es wenigstens nicht<br />
kalt. dtv. 318 Seiten, Fr. 18.90.<br />
Sachbuch<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7 Mikael<br />
8<br />
9 Dieter<br />
10<br />
Walter Isaacson: Steve Jobs.<br />
Bertelsmann. 701 Seiten, Fr. 28.50.<br />
Remo H. Largo: Jugendjahre.<br />
Piper. 400 Seiten, Fr. 35.90.<br />
Guinness World Records 2012.<br />
Bibliographisches Institut. 280 Seiten, Fr. 32.90.<br />
Barney Stinson: Das Playbook.<br />
Riva. 176 Seiten, Fr. 15.90.<br />
Barney Stinson: Der Bro Code.<br />
Riva. 200 Seiten, Fr. 14.90.<br />
Rolf Dobelli, Birgit Lang: Die Kunst des<br />
klaren Denkens. Hanser. 246 Seiten, Fr. 21.90.<br />
Krogerus: Die Welt erklärt in drei<br />
Strichen. Kein & Aber. 175 Seiten, Fr. 19.90.<br />
David Bosshart: The Age of Less!<br />
Murmann. 223 Seiten, Fr. 28.50.<br />
Eppler: Blindflug Abu Dhabi.<br />
Woa. 287 Seiten, Fr. 32.90.<br />
Lilly Lindner: Splitterfasernackt.<br />
Droemer. 399 Seiten, Fr. 25.90.<br />
Erhebung Media Control im Auftrag des SBVV; 15. 11. 2011. Preise laut Angaben von www.buch.ch.<br />
kationen von und über Kinski fällt ein Band auf, der<br />
sich schlicht «Vermächtnis» nennt. Er ver sammelt<br />
autobiografische Texte, Erzählungen, Briefe,<br />
Zeichnungen und private Fotografien des Künstlers.<br />
Unser Bild zeigt ihn im Oktober 1977 mit seiner<br />
dritten Frau Minhoi und dem Sohn Nikolai während<br />
der Dreharbeiten für den Film «Rolandslied» in der<br />
Hochebene des Larzac bei Millau. Manfred Papst<br />
Peter Geyer, OA Krimmel (Art Director): Kinski.<br />
Vermächtnis. Edel, Hamburg 2011. 404 S., Fr. 66.90.<br />
Agenda Dezember 11<br />
Basel<br />
Donnerstag, 1. Dezember, 19 Uhr<br />
Peter Rüedi: Dürrenmatt. Lesung,<br />
Fr. 17.–. Literatur haus, Barfüssergasse 3,<br />
Tel. o61 261 29 50.<br />
Mittwoch, 7. Dezember,<br />
19 Uhr<br />
<strong>Marlene</strong> Streeruwitz:<br />
Die Schmerzmacherin.<br />
Lesung. Literaturhaus<br />
(s. oben).<br />
Donnerstag, 8. Dezember, 19 Uhr<br />
Jürg Laederach: Harmfuls Hölle – in<br />
13 Episoden. Lesung, Fr. 17.–.<br />
Literaturhaus (s. oben).<br />
Bern<br />
Montag, 5. Dezember, 20 Uhr<br />
Bänz Friedli: Wenn die mich nicht hätten<br />
– Ein Hausmann wird durchgeschleudert.<br />
Lesung, Fr. 15.–. Thalia im Loeb,<br />
Spitalgasse 47/51, Tel. 031 320 20 40.<br />
Mittwoch, 7. Dezember, 20 Uhr<br />
Endo Anaconda: Walterfahren –<br />
Kolumnen 2007–2010. Lesung, Fr. 15.–.<br />
Stauffacher Buchhandlungen,<br />
<strong>Neue</strong>ngasse 25/37, Tel. 031 313 63 63.<br />
Sonntag, 11. Dezember, 11 Uhr<br />
Susanna Schwager: Ida. Eine Liebesgeschichte.<br />
Lesung, Fr. 18.–. Zentrum<br />
Paul Klee, Tel. 031 359 01 01.<br />
Zürich<br />
Donnerstag, 8. Dezember, 20 Uhr<br />
Klaus Merz: Der Autor<br />
liest und erzählt aus<br />
seinem Werk, Fr. 18.–<br />
inkl. Apéro.<br />
Literaturhaus,<br />
Limmatquai 62,<br />
Tel. 044 254 50 00.<br />
Sonntag, 11. Dezember, 17 Uhr<br />
Das Glauser Quintett präsentiert: Elsi<br />
oder «Sie geht um», nach einer Erzählung<br />
von Friedrich Glauser. Fr. 42.–. sogar<br />
theater, Josefstr. 106, Tel. 044 271 50 71.<br />
Montag, 12. Dezember, 20 Uhr<br />
Martin Walser: Muttersohn. Lesung,<br />
Fr. 30.–. Kaufleuten, Festsaal,<br />
Pelikanplatz 1, Tel. 044 225 33 77.<br />
Mittwoch, 14. Dezember, 15 Uhr<br />
Sandra Landolt: Siku und die Nacht der<br />
Tiere. Lesung für Kinder von vier bis<br />
acht Jahren. Pestalozzi-Bibliothek Sihlcity,<br />
Kalanderplatz 5, Tel. 044 204 96 96.<br />
Donnerstag, 15. Dezember, 20 Uhr<br />
Islandsagas – Reloaded. Ursula Giger<br />
stellt ein grosses Übersetzungsprojekt<br />
vor. Literaturhaus (s. oben).<br />
Bücher am Sonntag Nr. 1<br />
erscheint am 29. 1. 2012<br />
Weitere Exemplare der Literaturbeilage «Bücher am<br />
Sonntag» können bestellt werden per Fax 044 258 13 60<br />
oder E-Mail sonderbeilagen@nzz.ch. Oder sind – solange<br />
Vorrat – beim Kundendienst der NZZ, Falkenstrasse 11,<br />
8001 Zürich, erhältlich.<br />
27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 31<br />
PIXSIL
«Jetzt haben Sie auch die Schutznetze gesehen», sagt Darren Lambert und beschleunigt das Boot.<br />
Wir verlassen die Te-Pangu-Fischfarm, die sich am nördlichsten Punkt der neuseeländischen Südinsel<br />
befindet. Die Netze schützen den Saumon royal vor den Seehunden, die das rot-orange Fleisch<br />
genauso schätzen wie menschliche Fischliebhaber. Kein Wunder, denn die Lachse geniessen nur<br />
gentechfreies Futter. Auch auf den Einsatz von Impfstoffen und Antibiotika verzichtet Darren konsequent.<br />
«Sogar die Seehunde wissen eben, dass es bei uns den besten Lachs gibt», sagt Darren mit<br />
etwas Schalk in der Stimme und geniesst die Fahrt durch die Buchten Neuseelands.<br />
10CEXKOQ6AMAwEwBcl2nVsTHDJUUUUgHgBoub_FRINxXTTWljGZ5zXY96CoGqSaqUrYdWyeBe9SIZ6kHQBOVDhpm4l_p3GKe3AApxgfq77BU6FR1BdAAAA<br />
10CAsNsjY0MDQx0TWyNDU2MwYA_pdogg8AAAA=<br />
Die vielen Gourmet-Produkte von Sélection gibts in grösseren Migros-Filialen und auf www.leshop.ch www.migros.ch / selection