05.02.2013 Aufrufe

Marlene Dietrich - Leni Riefenstahl Doppelbiografie - Neue Zürcher ...

Marlene Dietrich - Leni Riefenstahl Doppelbiografie - Neue Zürcher ...

Marlene Dietrich - Leni Riefenstahl Doppelbiografie - Neue Zürcher ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nr. 10 | 27. November 2011<br />

<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong> – <strong>Leni</strong> <strong>Riefenstahl</strong> <strong>Doppelbiografie</strong> | Judith Schalansky<br />

Der Hals der Giraffe | Eva Illouz im Porträt | Anne Enright Anatomie einer<br />

Affäre | Südpol <strong>Neue</strong> Bücher zum Wettlauf vor 100 Jahren | Kinder- und<br />

Jugendbuch Tipps zum Schenken | Weitere Rezensionen zu Greta Garbo,<br />

Novalis, Dante, Gottlieb Duttweiler u. a. | Charles Lewinsky Zitatenlese


Weihnachtszauber<br />

Geschenkideen von buch.ch<br />

Bernard Cornwell<br />

Das Fort<br />

CHF 35.50<br />

Andreas Knecht<br />

& Armando Pipitone<br />

Käse & Wein<br />

CHF 39.90<br />

Das Spiel zum Bestseller<br />

»Ein Mann. Ein Buch.«<br />

Ein Mann. Ein Spiel.<br />

Für 2-4 Spieler<br />

CHF 39.90<br />

Annie Leibovitz<br />

Pilgrimage<br />

Pilgerreisen zu den Kultorten<br />

CHF 66.90<br />

Geschenke finden kann so einfach sein – mit dem<br />

Weihnachtsshop von buch.ch. Ganz bequem online<br />

bestellt – schnell und zuverlässig geliefert. Auf Wunsch<br />

auch mit kostenlosem Geschenkservice. www.buch.ch<br />

w w w . b u c h . c h<br />

10CFWKMQ4CMRADX7SR7ewmWVKi605XIPo0iJr_Vyh0jDyNNec5o-Dn_biex2MS8DCq5uCMjKLe5pAKvE-STSBvhNx75vjrDcxWUddubK8twlQtuNS1uNmfHCqf1_sLQfDbjYAAAAA=<br />

10CAsNsjY0MDAx1TU0Mra0MAQASSk1CA8AAAA=<br />

Damit machen Sie<br />

garantiert nichts falsch:<br />

Geschenk-<br />

Gutscheine<br />

von buch.ch<br />

15 Jahre


Inhalt<br />

Reiche Ernte<br />

für lange<br />

Winternächte<br />

<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong><br />

(Seite 23).<br />

Illustration von<br />

André Carrilho<br />

Belletristik<br />

4 Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe<br />

Von Martin Zingg<br />

6 Anne Enright: Anatomie einer Affäre<br />

Von Simone von Büren<br />

8 Dante: Commedia<br />

Von Stefana Sabin<br />

9 Tamar Lewinsky: Unterbrochenes Gedicht<br />

Von Klara Obermüller<br />

10 Jan Wagner: Die Sandale des Propheten<br />

Von Angelika Overath<br />

Olaf Otto Becker: Under the Nordic Light<br />

Von Gerhard Mack<br />

11 Paul Wittwer: Widerwasser<br />

Von Christine Brand<br />

12 Ilja Ilf, Jewgeni Petrow: Das eingeschossige<br />

Amerika<br />

Von Kathrin Meier-Rust<br />

13 Markus Bundi: Gehen am Ort<br />

Von Bruno Steiger<br />

Kurzkritiken Belletristik<br />

13 Eva-Maria Alves: Unter Engeln<br />

Von Kathrin Meier-Rust<br />

Théophile Gautier: Mademoiselle de Maupin<br />

Von Manfred Papst<br />

Wallace Stevens: Hellwach, am Rande des<br />

Schlafs<br />

Von Manfred Papst<br />

Nella Larsen: Seitenwechsel<br />

Von Regula Freuler<br />

Kinder- und Jugendbuch<br />

14 Michelle Cuevas:<br />

Columbus und der<br />

malende Elefant<br />

Von Andrea Lüthi<br />

Der Bücherherbst hat uns einen reich gefüllten Korb beschert. Im<br />

Zentrum stehen wieder einmal zwischenmenschliche Beziehungen –<br />

es ist schliesslich das wichtigste Thema, diesmal ausschliesslich von<br />

Frauen beschrieben. Der burschikose Provinzroman «Der Hals der<br />

Giraffe» von Judith Schalansky macht den Auftakt. Die erst 31-jährige<br />

Ostdeutsche porträtiert eine abgebrühte Lehrerin aus Ostpommern,<br />

die ebenso sarkastisch wie treffend ihre Schüler charakterisiert. Ein<br />

kleines Scheusal, das man aber mit zunehmender Lektüre liebgewinnt,<br />

wie Rezensent Martin Zingg verrät (Seite 4).<br />

Weiter geht’s mit Anne Enrights prickelnder «Anatomie einer Affäre»<br />

(S. 6). Zum Porträt der in Jerusalem lehrenden Kulturwissenschafterin<br />

Eva Illouz, die den ewigen Gefühlsknäuel zwischen den Geschlechtern<br />

erforscht. Ihr Buch «Warum Liebe weh tut», das ohne psychologisches<br />

Geschwätz auskommt, trifft den Nerv der Zeit. Mitarbeiterin Jenny<br />

Friedrich-Freksa charakterisiert Illouz als «freundlichen Punk, der<br />

gewillt ist, die Welt aus unkonventioneller Perspektive zu betrachten»<br />

(S. 16). Und, wenn Sie mögen, schmökern Sie in zwei <strong>Doppelbiografie</strong>n,<br />

die uns gleich vier Stars der Filmgeschichte näherbringen, die zu ihrer<br />

Zeit einen neuen Typus Frau verkörperten (S. 23 und 26).<br />

Wir wünschen Ihnen frohe Festtage und freuen uns, am 29. Januar 2012<br />

erste Novitäten des Frühlings zu präsentieren. Urs Rauber<br />

Robin Brande: Fat Cat<br />

Von Christine Knödler<br />

Angelika Waldis, Christophe Badoux:<br />

Der unheimliche Stein<br />

Von Verena Hoenig<br />

Ilsa J. Bick: Der Zeichner der Finsternis<br />

Von Verena Hoenig<br />

Jenny Valentine: Das zweite Leben des<br />

Cassiel Roadnight<br />

Von Andrea Lüthi<br />

15 Wolfgang Korn: Was ist schon normal?<br />

Von Sabine Sütterlin<br />

Kirsten Boie: Ein mittelschönes Leben<br />

Von Christine Knödler<br />

Elke Reichart: gute-freunde-boese-freunde<br />

Von Christine Knödler<br />

Dieter Vieweger: Abenteuer Jerusalem<br />

Von Geneviève Lüscher<br />

Bibi Dumon Tak: Eisbär, Elch und Eule<br />

Von Verena Hoenig<br />

Porträt<br />

16 Eva Illouz, Soziologin<br />

Auf dem freien Markt der Liebe<br />

Von Jenny Friedrich-Freksa<br />

Kolumne<br />

19 Charles Lewinsky<br />

Das Zitat von Peter Handke<br />

Kurzkritiken Sachbuch<br />

19 Urs Hafner: Heimkinder<br />

Von Kathrin Meier-Rust<br />

Thorsten Polleit: Der Fluch des Papiergeldes<br />

Von Charlotte Jacquemart<br />

An Lac Truong Dinh: Von der Fremdenlegion zu<br />

den Viet Minh<br />

Von Urs Rauber<br />

Gabriele Praschl-Bichler: Kleidung und Mode<br />

im Mittelalter<br />

Von Geneviève Lüscher<br />

Sachbuch<br />

20 Christian Jostmann: Das Eis und der Tod<br />

Diana Preston: In den eisigen Tod<br />

Reinhold Messner: Pol<br />

Robert Falcon Scott: Letzte Fahrt<br />

Von Thomas Köster<br />

22 Zsuzsa Breier, Adolf Muschg: Freiheit, ach<br />

Freiheit<br />

Von Dieter Ruloff<br />

Matthias Bernold, Sandra Larriva Henaine:<br />

Revolution 3.0<br />

Von Reinhard Meier<br />

23 Karin Wieland: <strong>Dietrich</strong> & <strong>Riefenstahl</strong><br />

Von Ina Boesch<br />

24 Wolfgang Hädecke: Novalis<br />

Gerhard Schulz: Novalis<br />

Von Manfred Koch<br />

25 Curt Riess: Gottlieb Duttweiler<br />

Von Urs Rauber<br />

26 Nicole Nottelmann: Ich liebe dich. Für immer<br />

Von Martin Walder<br />

George Steiner: Im Raum der Stille: Lektüren<br />

Von Arnaldo Benini<br />

27 Sarah Kaminsky: Adolfo Kaminsky<br />

Von Fritz Trümpi<br />

28 Simon Sebag Montefiore: Jerusalem<br />

Von Geneviève Lüscher<br />

29 Johannes Willms: Talleyrand<br />

Von Peter Durtschi<br />

30 Timothy Gowers: Mathematik<br />

Von André Behr<br />

Das amerikanische Buch<br />

Bob Lutz: Car Guys vs Bean Counters<br />

Von Andreas Mink<br />

Agenda<br />

31 Peter Geyer, OA Krimmel: Kinski<br />

Von Manfred Papst<br />

Bestseller November 2011<br />

Belletristik und Sachbuch<br />

Agenda Dezember 2011<br />

Veranstaltungshinweise<br />

Chefredaktion Felix E. Müller (fem.) Redaktion Urs Rauber (ura.) (Leitung), Regula Freuler (ruf.), Geneviève Lüscher (glü.), Kathrin Meier-Rust (kmr.), Manfred Papst (pap.)<br />

Ständige Mitarbeit Urs Altermatt, Urs Bitterli, Andreas Isenschmid, Manfred Koch, Gunhild Kübler, Charles Lewinsky, Beatrix Mesmer, Andreas Mink, Klara Obermüller, Angelika Overath,<br />

Stefan Zweifel Produktion Eveline Roth, Hans Peter Hösli (Art-Director), Kirsten Behrendt (Bildredaktion), Manuela Klingler (Layout), Korrektorat St. Galler Tagblatt AG<br />

Verlag NZZ am Sonntag, «Bücher am Sonntag», Postfach, 8021 Zürich. Telefon 044 258 11 11, Fax 044 261 70 70, E-Mail: redaktion.sonntag@nzz.ch<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 3


Belletristik<br />

SUSANNE SCHLEYER<br />

Schulroman Judith Schalansky erzählt von einer desillusionierten Lehrerin<br />

in Vorpommern, die gar nicht so grob ist, wie sie sich gibt<br />

Faustrecht im<br />

Klassenzimmer<br />

Judith Schalansky: Der Hals der Giraffe.<br />

Suhrkamp, Berlin 2011. 222 Seiten,<br />

Fr. 33.50.<br />

Von Martin Zingg<br />

Das kann vorkommen: dass eine Romanfigur<br />

unsympathisch erscheint. Und<br />

dass man dennoch weiterliest und damit<br />

nicht aufhören möchte. Inge Lohmark<br />

ist eine unsympathische Gestalt, bisweilen<br />

ein kleines Scheusal – und man<br />

bleibt ihr lesend dennoch gerne auf der<br />

Spur. Lehrerin an einer Schule im Hinterland<br />

von Vorpommern, seit über<br />

dreissig Jahren, und dort zuständig für<br />

Biologie und Sport. Am Charles-Darwin-Gymnasium,<br />

wie es seit der Wende<br />

heisst, ist Inge Lohmark bekannt für<br />

einen unterkühlten Unterrichtsstil.<br />

Judith Schalansky<br />

Judith Schalansky, geboren 1980 in<br />

Greifswald, studierte Kunstgeschichte<br />

und Kommunikationsdesign. Mit dem<br />

Matrosenroman «Blau steht dir nicht»<br />

hat sie 2008 erstmals auf sich aufmerksam<br />

gemacht. Es folgte 2010 der «Atlas<br />

der abgelegenen Inseln», ein liebevoll<br />

gestaltetes, viel gefeiertes Buch, das in<br />

zahlreiche Sprachen übersetzt worden<br />

ist. Mit dem opulenten Band «Fraktur<br />

mon Amour» hat die an Gestaltungsfragen<br />

interessierte Autorin überdies<br />

eine Liebeserklärung an die Frakturschrift<br />

vorgelegt. Judith Schalansky<br />

lebt in Berlin.<br />

4 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

Frontal und «kreidelastig» geht es bei<br />

ihr zu, und alle wissen, dass sie gerne<br />

unangekündigte Arbeiten schreiben<br />

lässt. Sie schützt sich hinter einem Panzer<br />

aus Sarkasmus und hält immer auf<br />

Distanz: «Zum professionellen Verhältnis<br />

gehörten keine Nähe, kein Verständnis.<br />

Armselig, aber begreiflich, wenn<br />

Schüler um die Gunst der Lehrer buhlten.<br />

Das Kriechen vor dem Machthaber.<br />

Unverzeihlich hingegen war es, wie sich<br />

Lehrer an Halbwüchsige ranschmissen.<br />

Halber Hintern auf dem Lehrerpult. Geklaute<br />

Moden und Wörter. Um den Hals<br />

bunte Tücher. Blondierte Strähnen.<br />

Alles nur, um sich mit ihnen gemein zu<br />

machen.»<br />

Gegen derlei Versuchungen ist sie gefeit.<br />

Ihre Schüler und Schülerinnen, ihre<br />

«natürlichen Feinde», wird sie ohnehin<br />

nicht mehr lange aushalten müssen,<br />

denn Inge Lohmark steht am Ende ihrer<br />

Laufbahn. Ihre Schule soll in vier Jahren<br />

geschlossen – «abgewickelt» – werden,<br />

in der Region leben zu wenig Kinder. In<br />

der Region scheint es überhaupt an vielem<br />

zu fehlen. Judith Schalansky erzählt<br />

in ihrem Roman «Der Hals der Giraffe»<br />

nicht allein von Inge Lohmark und deren<br />

biologistischer Weltsicht, sondern indirekt<br />

auch von den schwindenden Perspektiven<br />

eines ganzen Landstrichs in<br />

der ostdeutschen Provinz, die sie – erzählerischer<br />

Schachzug von grossem<br />

Raffinement – ausgerechnet in einer<br />

Schule zur Sprache bringt.<br />

Als der Roman einsetzt, hat eben ein<br />

neues Schuljahr begonnen. Gerade einmal<br />

zwölf Jugendliche sitzen in der<br />

«Klasse neun», fünf Jungen, sieben<br />

Mädchen: «Ganz vorne hockte ein verschrecktes<br />

Pfarrerskind, das mit Holzengeln,<br />

Wachsflecken und Blockflötenunterricht<br />

aufgewachsen war. In der<br />

letzten Reihe sassen zwei aufgedonnerte<br />

Gören. Die eine kaute Kaugummi, die<br />

andere war besessen von ihrem schwarzen<br />

Hengsthaar, das sie pausenlos glättete<br />

und strähnchenweise untersuchte.<br />

Daneben ein hellblonder Knirps in<br />

Grundschulgrösse. Ein Trauerspiel, wie<br />

die Natur hier die ungleiche Entwicklung<br />

der Geschlechter vorführte.» Es ist<br />

die letzte Klasse, die es an dieser Schule<br />

geben wird, und natürlich sitzen darin,<br />

wie die Lehrerin schon längst weiss, lauter<br />

Gymnasiums-Untaugliche. Allenfalls<br />

«Nachschub fürs Rentensystem».<br />

Unablässig kommentiert Inge Lohmark<br />

in Gedanken, was sie sieht und<br />

hört und tut. Judith Schalansky lässt sie<br />

in kurzen, oft abgehackten Sätzen monologisieren,<br />

in einem Nonstoptext, der<br />

vor nichts und niemandem halt macht.<br />

Es sind meist apodiktische Sätze, Merksätze,<br />

die auf alles gepappt werden, was<br />

daherkommt.<br />

Mit dem Blick der Biologin<br />

Wir erfahren aus der allesumschlingenden<br />

Suada, dass die Lohmark verheiratet<br />

ist mit Wolfgang und mit ihm eine Tochter<br />

hat, Claudia. Wolfgang, in DDR-Zeiten<br />

Veterinärstechniker, der in einer<br />

LPG Kühe besamen musste, betreibt<br />

nun eine Straussenfarm. Neun Tiere hat<br />

er im Augenblick.<br />

Er ist damit zum Held der Ostsee-<br />

Zeitung geworden, die ihn alle paar Wochen<br />

wieder mal befragt. Leider stopft<br />

er das Gemüsefach im Kühlschrank mit<br />

den kokosnussgrossen Strausseneiern<br />

voll: «Wer sollte die denn essen? Die<br />

grössten tierischen Zellen überhaupt.<br />

Ein Omelett für eine ganze Schulklasse.»<br />

Gemeinsame Mahlzeiten des Paares<br />

sind selten, man hat sich arrangiert, und<br />

wenn sie zusammen sind, gefällt Inge<br />

Lohmark, dass sie nicht mit ihrem Mann<br />

reden muss.<br />

Tochter Claudia hat sich längst in die<br />

USA abgesetzt. Ein einziges Mal hat<br />

man sie noch besucht, aber was sie dort<br />

treibt, ist den Eltern schon lange nicht<br />

mehr klar. Sie meldet sich selten und<br />

dann nur knapp. Einmal kommt eine<br />

Mail, mit der sie, ziemlich wortkarg, ihre<br />

Eheschliessung mitteilt, «Just married»,<br />

darunter eine Foto. Dass sie noch Kinder<br />

haben wird, dass Inge Lohmark also<br />

Grossmutter werden könnte, scheint inzwischen<br />

eher unwahrscheinlich.


Aber auch dafür findet sie noch einen<br />

auf ihre Fachkenntnisse gestützten<br />

Kommentar. Inge Lohmark – darin liegt<br />

der Reiz dieses Romans – sieht die Welt<br />

nur durch die Augen einer Biologin.<br />

Jede, noch die beiläufigste Beobachtung<br />

mündet in eine kleine, biologisch grundierte<br />

Analyse.<br />

Und für alles findet sie eine Analogie<br />

in den Gesetzmässigkeiten der Natur,<br />

die sie unermüdlich auf ihre Umgebung<br />

überträgt. Mal ist es die Vererbungslehre,<br />

mal sind es die Gesetze der Evolution,<br />

immer wieder sind es Fakten aus der<br />

Tier- oder Pflanzenwelt, die sie als Interpretationsraster<br />

über ihre Umwelt<br />

legt. «Die Ameisen brauchten Tausende<br />

von Arten, um die ganze Welt zu besiedeln,<br />

der Mensch schaffte das mit einer<br />

Handvoll Varietäten.» Sätze wie diese<br />

denkt sie pausenlos.<br />

Objekte sind die Schüler und Schülerinnen,<br />

aber auch die Kolleginnen und<br />

Kollegen. Und bei allen stellt sie nur<br />

Schwäche fest: «Alles nur eine Frage des<br />

Willens.» Dass beispielsweise Ellen von<br />

ihren Mitschülern misshandelt wird,<br />

sieht sie sehr wohl, aber es kümmert sie<br />

nicht: «Es galt das Faustrecht. Wenn sie<br />

so mutlos schaute, brauchte sie sich<br />

nicht zu wundern. (…) Zum Opfer macht<br />

man sich immer nur selbst.» Nur die<br />

Judith Schalansky<br />

zeichnet den<br />

Schulalltag einer<br />

Lehrerin in der<br />

ostdeutschen<br />

Provinz. Hier Güstrow<br />

in Mecklenburg-<br />

Vorpommmern.<br />

Rudi Meisel / VisuM<br />

Stärksten setzen sich durch, das weiss<br />

Inge Lohmark. Aber sie, deren Name an<br />

den Evolutionstheoretiker Lamarck erinnert,<br />

weiss auch, dass die Evolution<br />

oft ungeahnte Wege geht.<br />

Als sie einmal, für sich selber unerklärlich,<br />

Interesse findet an der unscheinbaren<br />

Schülerin Erika, hat sie umgehend<br />

eine Parallele aus der Tierwelt<br />

zur Hand: Schnecken. Dort verläuft die<br />

Trennung «nicht zwischen den Geschlechtern,<br />

sondern zwischen Jung und<br />

Alt.» Ihre Angst, die erotisch infizierten<br />

Gefühle für die junge Frau könnten sie<br />

in Bedrängnis bringen, kann sie so gleich<br />

wieder abwehren, aber die ältere Frau<br />

gerät dennoch ein wenig ins Wanken.<br />

Alles können die biologistischen und sozialdarwinistischen<br />

Versatzstücke nicht<br />

erklären, mit denen sie um sich wirft,<br />

und hier bekommt die Welt der Inge<br />

Lohmark erste kleine Risse.<br />

Virtuos und unterhaltsam<br />

Judith Schalansky erzählt das auf subtile<br />

Weise, mit winzigen Verschiebungen im<br />

theoretischen Schutzschild, das die Biologin<br />

immunisieren und von ihren eigenen<br />

Gefühlen fernhalten soll. Und zugleich<br />

bringt sie wie nebenbei auch<br />

höchst aktuelle Themen zur Sprache:<br />

Klimawandel, Überalterung, die Folgen<br />

der Landflucht etwa.<br />

Ein ausserordentliches Buch. Ungewöhnlich<br />

ist auch die Gestaltung, die<br />

typographische Sorgfalt, mit der die Autorin<br />

ihr Buch eingerichtet hat. Das beginnt<br />

mit dem Einband aus grauem Leinen,<br />

einer gelungenen Anspielung auf<br />

das Erscheinungsbild von Schulbüchern<br />

in früheren Zeiten. Und es geht weiter<br />

mit feinen Illustrationen, die über das<br />

Buch verteilt sind, Darstellungen von<br />

Medusen, Fruchtfliegen, Föten, Pantoffeltierchen<br />

oder Fossilien. Drei Kapitel<br />

zählt das Buch, jeweils nach dem Stoff,<br />

der an drei Tagen im Unterricht behandelt<br />

wird, und auf jeder rechten Seite<br />

steht ein thematisches Schlagwort aus<br />

der Biologie, als liesse sich hier etwas<br />

nachschlagen. Entdecken lässt sich mit<br />

Gewissheit eine Erzählerin, die hier<br />

einen virtuosen und höchst unterhaltsamen<br />

Roman vorlegt. l<br />

Die erste umfassende Monographie über Gallus – rechtzeitig<br />

zum grossen Gallusjubiläum 2012!<br />

Wer war Gallus? Ein Missionar, Wandermönch, Eremit? Keineswegs! Der Historiker und<br />

10CAsNsjY0MDAx1TU0MbW0MAUALEdzpQ8AAAA=<br />

10CFWKuwqAMBRDv-iWm_amDztKt-Ig7l3E2f-ftG6GhAPh9F7p9NvatqPtFapGgbFkVhY6n2JF8S7xJUCvwAIyWrCcf74oSgwaxnRklgMUmlgaQfPAzPxI9e4-rwcWfauGgAAAAA==<br />

Theologe Max Schär gibt in seinem Buch Antworten auf beinah alle Fragen, die sich zu<br />

Gallus stellen lassen und überrascht mit neuen, teilweise auch provokativen Erkenntnissen.<br />

Max Schär: GALLUS. Der Heilige in seiner Zeit. 2011. 552 Seiten, 21 Abbildungen in Farbe.<br />

Gebunden. sFr. 48.–. ISBN 978-3-7965-2749-4 Schwabe Verlag Basel.<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 5


Belletristik<br />

Roman Die irische Erzählerin Anne Enright erforscht, wie sich Menschen in der Erinnerung ihr<br />

banales Leben zurechtlegen<br />

Alles begann auf dem Gartenfest<br />

Anne Enright: Anatomie einer Affäre. Aus<br />

dem Englischen von Petra Kindler und<br />

Hans-Christian Oeser. DVA. 320 Seiten,<br />

Fr. 28.50.<br />

Von Simone von Büren<br />

«Das Licht ist wundervoll und grundverkehrt<br />

– es ist, als müsste ich den ganzen<br />

Planeten in meinem Kopf drehen,<br />

um in diesen Garten zu gelangen, in diesen<br />

Abschnitt des Nachmittags und zu<br />

diesem Mann, diesem Fremden, neben<br />

dem ich jetzt schlafe.» Während ein<br />

Sturm im Winter 2009 Dublin lahmlegt,<br />

blickt die 39-jährige Ich-Erzählerin von<br />

Anne Enrights neuem Roman zurück<br />

auf eine Affäre, die zum Alltag wurde.<br />

Das Thema Erinnerung taucht in den<br />

Werken der irischen Autorin immer<br />

wieder auf – am eindringlichsten in<br />

ihrem Roman «Das Familientreffen»,<br />

der 2007 mit dem Booker-Preis ausgezeichnet<br />

wurde. Während jener um ein<br />

6 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

düsteres Geheimnis kreist, wissen wir in<br />

«Anatomie einer Affäre» schon nach<br />

wenigen Seiten, was geschehen wird:<br />

Die Sache wird ihren Lauf nehmen, zwei<br />

Ehen zerstören, mehrere Häuser auf den<br />

Markt bringen und einem eh schon angeschlagenen<br />

Kind hart zusetzen.<br />

Anne Enright geht es hier weder um<br />

Spannung noch um Moral. Es geht ihr<br />

nicht um das, was passiert ist, sondern<br />

darum, wie es wiedergegeben wird. Sie<br />

erforscht, wie sich Menschen die Unordentlichkeit<br />

und Willkür des Lebens zurechterzählen,<br />

wie sie sich selektiv erinnern<br />

und banale Ereignisse zu einer Geschichte<br />

formen, die sie dann fortlaufend<br />

redigieren.<br />

Geschönte Vergangenheit<br />

Gina Moynihan – eine von Enrights vielen<br />

unverblümten Ich-Erzählerinnen –<br />

steigt ein «in diese Geschichte über<br />

Seán, die ich mir selbst erzähle» mit der<br />

ersten Begegnung im Sommer 2002 an<br />

einem Fest im Garten ihrer Schwester.<br />

DER NEUE ROMAN<br />

VON WOLFGANG HERRNDORF<br />

«Wie Wolfgang Herrndorf erzählt, mit einer Sprache,<br />

nach der man süchtig werden kann, das ist brillant.»<br />

Frankfurter Rundschau<br />

10CFWKMQ6EMAwEX5Ro13HiGJeIDlEg-jSnq-__1RE6VrPNaPY9asbzdTuu7QwCKgkQp0b1msVaFPfcugZJE5ALVXu9i_LqE-itoIzZpImN26ol9WEig3PTaYfk3-f7B3ENLDyAAAAA<br />

10CAsNsjY0MDAx0jUwMLI0NAEANoh4qg8AAAA=<br />

Auch als<br />

E-Book<br />

Sie reproduziert den Moment aktiv, entscheidet<br />

über die Art des Lichts und arrangiert<br />

die Personen nach Bedarf: Ihren<br />

Verlobten Conor, mit dem sie damals gerade<br />

ein Reihenhaus in einem Vorort<br />

gekauft hatte, streicht sie aus der Geschichte<br />

und beschreibt stattdessen, wie<br />

sich eine ihr unbekannte Frau durch<br />

einen Teller Süssigkeiten futtert. Seán<br />

stellt sie «ans untere Ende des Gartens,<br />

nachmittags, zu dem Zeitpunkt, wenn<br />

der Tag sich zu neigen beginnt. Vielleicht<br />

um halb sechs.» Die Einzige, die<br />

sich in der Erinnerung nicht recht bändigen<br />

lässt, ist Seáns vierjährige Tochter<br />

Evie, «ein seltsames, gestörtes kleines<br />

Ding» mit epileptischen Anfällen, «eine<br />

Art Schmierfleck auf einem ansonsten<br />

vollkommen klaren Bild.»<br />

Der Diskrepanz zwischen Erlebtem<br />

und Erinnertem, Erinnertem und Erzähltem<br />

ist sich Gina dabei durchaus<br />

bewusst: Sie weiss, dass sie lange gar<br />

nicht in Seán verliebt war, aber: «Würde<br />

man mich heute fragen, würde ich na-<br />

www.rowohlt-berlin.de<br />

480 Seiten. Gebunden<br />

€ 19,95 (D) / € 20,60 (A) / sFr. 28,50 (UVP)<br />

© plainpicture/Glasshouse


türlich sagen, dass ich von jenem ersten<br />

Blick an verrückt nach ihm war.» Und<br />

sie gibt zu, dass sie möglicherweise<br />

«den Liebhaber, den ich heute kenne,<br />

der Erinnerung an den Mann überstülpe,<br />

mit dem ich damals geschlafen<br />

habe.»<br />

In der Folge greift sie ohne Rücksicht<br />

auf die Chronologie einzelne Momente<br />

heraus, überspringt andere «wie die<br />

Nadel auf einer alten Schallplatte» und<br />

kehrt immer wieder zu diesem Sommernachmittag<br />

zurück, an den Seán sich bezeichnenderweise<br />

nicht erinnert. Es gibt<br />

in ihrer Rohfassung der Geschichte Widersprüche<br />

und lose Enden, Exkurse in<br />

die Kindheit, minutiös gearbeitete Szenen<br />

und blosse Skizzen. Meisterhafte<br />

Bilder – Seáns Frau, die in ihren Designerkleidern<br />

«wie ein weiches Lebewesen<br />

aus einem schönen harten Panzer<br />

ragt» – stehen neben forcierten Beschreibungen<br />

wie die einer hysterischen<br />

Schwangeren als «Steckrübe mit Nervenzusammenbruch».<br />

Einsamkeit und Sehnsucht<br />

«Läppisch klingende Einzelheiten», die<br />

ernüchternden Details der Affäre, die<br />

Missverständnisse, Hotelnächte und<br />

Lügen durchkreuzen immer wieder die<br />

Behauptung grosser Liebe und Romantik,<br />

die Gina hartnäckig aufrechtzuerhalten<br />

versucht und die auch in den<br />

Popsongs anklingt, mit deren Titel die<br />

Kapitel überschrieben sind. Rückwirkend<br />

retouchiert sie entsprechend, fügt<br />

der ersten Begegnung, die, wie sie zu-<br />

Die irische Autorin<br />

Anne Enright 2008<br />

bei einem Besuch<br />

in Hamburg.<br />

gibt, «nichts Schicksalhaftes an sich<br />

hatte», «das Licht des Spätsommers und<br />

die Aussicht hinzu». Sie schwankt zwischen<br />

Ehrlichkeit und Ausflucht, betont<br />

ihre anhaltende Verliebtheit, nur um in<br />

einem «Versprecher» die tatsächliche<br />

Situation zu verraten: «Bevor unser<br />

10CFWKMQ7DMAwDX2SDlCzVisYgW5AhyO6l6Nz_T62zhTguh9v3tIr763Zc25kEmhRAApEWVuXlqRHVuyXJLiAXCq3BXR99AcMVOmZTJn1QCvXP6O6Dc9OxQer3_fkBr9-ujYAAAAA=<br />

10CAsNsjY0MDAx0jUwMLI0sAQAysXSzQ8AAAA=<br />

Peter Peitsch<br />

Leben eine Ödnis aus Langeweile, Wut<br />

und Betrug wurde, liebte ich Seán. Ich<br />

meine Conor.»<br />

Enrights harter und genauer Blick auf<br />

Alltägliches und ihr direkter, lebendiger,<br />

von der gesprochenen Sprache inspirierter<br />

Stil bringen uns die Figuren mit<br />

ihren Feigheiten und Eitelkeiten nahe,<br />

wenngleich sie uns dadurch auch nicht<br />

unbedingt sympathisch werden. Der<br />

Titel der deutschen Übersetzung nimmt<br />

diesen analytischen Blick auf: Allerdings<br />

beschreibt der Roman die Anatomie<br />

von viel mehr als einer Affäre: Eine<br />

Anatomie von Ginas Schwester, «der<br />

wunderschönen Mutter Schrägstrich<br />

Gastgeberin», die zu ihrem mustergültigen<br />

Leben eine mustergültige Vergangenheit<br />

erfindet. Eine Anatomie der irischen<br />

Mittelschicht gegen Ende der<br />

Boomjahre mit ihren Zweithäusern am<br />

Meer, ihren Markenkleidern, Schönheitsoperationen<br />

und IT-Jobs, die die<br />

Wirtschaftskrise 2009 ebenso zerfetzt<br />

wie die Affäre die Ehen.<br />

Vor allem aber präsentiert der Roman<br />

eine Anatomie der Erzählerin, ihrer Einsamkeit<br />

und Sehnsucht, ihrer Ausweichmanöver<br />

und Eingeständnisse und ihrer<br />

anstrengenden Beziehung zu Evie, dem<br />

«Kuckuckskind», das in seiner «galoppierenden<br />

Körperlichkeit» in ihrer<br />

Küche sitzt und nervt. Doch um Evie<br />

kommt sie nicht herum. Evie ist der<br />

Preis, den sie für die Liebe zu entrichten<br />

hat, und der Grund, wieso sie noch mit<br />

Seán zusammen ist. Jedenfalls hat Gina<br />

sich das so zurechtgelegt. l<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 7


Belletristik<br />

Klassiker Mit Dantes «Komödie» begann die italienische Literatur – bis<br />

heute gilt sie als ihr Hauptwerk. Kurt Flaschs Neuübersetzung zeugt<br />

von grossem sprachlichem Einfühlungsvermögen<br />

Abenteuer der Seele<br />

Dante: Commedia. In deutscher Prosa.<br />

Übersetzt von Kurt Flasch. S. Fischer,<br />

Frankfurt 2011. 2 Bände, 320 S., Fr. 129.–.<br />

Von Stefana Sabin<br />

Die Zeitläufe waren unruhig, gewaltsame<br />

politische und religiöse Kämpfe erschütterten<br />

das Land, und Sympathien<br />

waren von kurzer Dauer. So geschah es,<br />

dass der Florentiner Dichter und Philosoph<br />

Dante Alighieri zwischen verfeindete<br />

Fraktionen geriet und aus seiner<br />

Heimatstadt verbannt wurde. Im Exil in<br />

Verona und Ravenna, wo er 1321 starb,<br />

schuf Dante ein grossangelegtes episches<br />

Gedicht (14 233 Verse): eine Jenseitsvision,<br />

die er «Komödie» nannte<br />

und in der er seine Epoche religionsphilosophisch<br />

reflektierte und literarisch<br />

gestaltete.<br />

Die Handlung erzählt von der Wanderung<br />

der Dichterfigur Dante durch<br />

Hölle und Läuterungsberg und von seiner<br />

Ankunft im Paradies. Bald in kurzen<br />

Szenen und bald in ausführlichen Episoden<br />

werden Erlebnisse und Begegnungen<br />

von unterwegs wiedergegeben, wird<br />

eine Vielzahl von historischen, mythologischen<br />

und biblischen Gestalten eingeführt.<br />

Beschrieben wird ihre jeweilige<br />

Strafe, Busse oder Seligkeit, wobei Beurteilungen<br />

nicht dem göttlichen Weltenrichter<br />

überlassen, sondern mit souveräner<br />

poetischer Eigenmächtigkeit vorgenommen<br />

werden (Päpste und Krieger<br />

sitzen in der Hölle, Künstler eher auf<br />

dem Läuterungsberg und Philosophen<br />

im Paradies). Als Führer tritt zuerst der<br />

römische Dichter Vergil auf, später der<br />

christliche Dichter Statius, der an der<br />

Schwelle zum Paradies wiederum von<br />

einer Frauengestalt, Matelda, abgelöst<br />

wird. Sie ist es, die den Jenseitsreisenden<br />

zu seiner Geliebten Beatrice bringt.<br />

8 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

Das Happyend erklärt nur bedingt<br />

den Bezug auf die dramatische Gattung<br />

der Komödie. Der Titel, so Dante, sollte<br />

ein Hinweis auf die Spannweite der<br />

Handlung ebenso wie auf den programmatischen<br />

Verzicht auf Erhabenheit<br />

sein. Denn Dante schrieb die «Komödie»<br />

nicht in Latein, wie damals für<br />

hohe Literatur üblich, sondern in der<br />

Volkssprache, also auf Italienisch, und<br />

er hielt sich nicht an eine sublime Bildlichkeit,<br />

sondern benutzte alle stilistischen<br />

Register – derb, ekstatisch, lyrisch.<br />

Mit Dantes «Komödie» beginnt<br />

die italienische Literatur – und sie gilt<br />

bis heute als ihr Hauptwerk.<br />

Suggestive Sprache<br />

Schon im 14. Jahrhundert war die «Komödie»<br />

in Italien verbreitet. Etwa<br />

450 Handschriften waren im Umlauf.<br />

1472 erschien die erste gedruckte Fassung,<br />

fast ein Jahrhundert später wurde<br />

das Beiwort «göttlich» hinzugefügt –<br />

und ein Missverständnis geschaffen.<br />

Denn in Dantes fiktionalem Jenseits<br />

geht es um rein menschliche Befindlichkeiten<br />

und Gefühle, Dante ist ganz und<br />

gar ein «Dichter der irdischen Welt»<br />

(Erich Auerbach). Es ist die dichterische<br />

Erfassung der Weltwirklichkeit, die die<br />

«Komödie» bis heute relevant macht.<br />

Nicht zufällig nannte Karl Witte seine<br />

Übersetzung von 1865 «Die grossen Geschichten<br />

der Menschheit». Wittes war<br />

damals die elfte Gesamtübersetzung –<br />

inzwischen gibt es etwa 60, die meisten<br />

davon, wie diejenige Wittes, in Blankversen,<br />

nur wenige in Terzinen, wie diejenige<br />

von Rudolf Borchardt von 1923,<br />

einige in Prosa.<br />

Auch der Mainzer Mediävist Kurt<br />

Flasch hat Dantes Terzinen in Prosa<br />

übertragen – in einer rhythmisierten,<br />

unprätentiösen und dennoch suggestiven<br />

Sprache. Flasch, dessen Studien<br />

10CFWKOw6AMAxDT9TKTkg_ZERsiAGxd0HM3H-iZcOyBz-9bXOL-Las-7keTmCyQAM1u1WLUpxVYk5O0gTkzATRXCb72QGsSaFtOGHUGlOngdpQ-xkZDAKJz3W_6pbkD34AAAA=<br />

10CAsNsjY0MDAx1TU0NTA0NgcA8XckrA8AAAA=<br />

Dantes Inferno in der<br />

«Komödie», gemalt<br />

von Sandro Botticelli<br />

(1490–1496).<br />

Vatikanische Museen,<br />

Rom.<br />

über Augustinus, Cusanus und Meister<br />

Eckhart philosophische und philologische<br />

Massstäbe setzten, hatte seine<br />

Übersetzungsfeder sozusagen an Boccacio<br />

geschärft, bevor er sich die «Komödie»<br />

vornahm. Je nach Zeitrechnung hat<br />

er ein Jahrzehnt oder ein Leben daran<br />

gearbeitet – jedenfalls zeugt die prächtige<br />

Dante-Ausgabe, die jetzt im Jubiläumsprogramm<br />

des S.-Fischer-Verlags<br />

erschienen ist, von jener «Geduld zur<br />

Sache», die Adorno jeder Gelehrtheit<br />

unterstellte.<br />

Sperrig, aber verstehbar<br />

Die Gelehrtheit hat Flasch in einem separaten<br />

Band mit dem Titel «Einladung,<br />

Dante zu lesen» zusammengefasst: Biografisches<br />

zu Dante, Erklärungen zu den<br />

Figuren, sprach-, religions- und kulturhistorische<br />

Überblicke machen die «Komödie»<br />

zu einer «summa mundi».<br />

Flasch versteht sie als einen fernen Spiegel<br />

der Gegenwart, sieht, ganz im Sinne<br />

Auerbachs, in Dantes Jenseits eine literarische<br />

Gestaltung des Diesseits.<br />

Auch deshalb vertraut Flasch auf die<br />

Kraft der sprachlichen Bilder. Er habe,<br />

schreibt er, den Text lassen wollen, «wie<br />

er ist: alt, fremd, sperrig, beladen mit<br />

historischem Stoff, mit theologischer<br />

Spekulation, mit bizarren Einfällen»,


und ihn dennoch durchsichtig und verstehbar<br />

machen.<br />

Flasch orientiert sich am heutigen<br />

deutschen Sprachgebrauch, aber er<br />

bleibt nah am Original und gibt ihm die<br />

Frische wieder, die es sich im Italienischen<br />

bis heute bewahrt hat.<br />

Wenn Witte die Reise ins Jenseits mit<br />

einem irdischen Orientierungsverlust<br />

beginnen lässt: «Es war in unseres Lebensweges<br />

Mitte, / Als ich mich fand in<br />

einem dunklen Walde; / Denn abgeirrt<br />

war ich vom rechten Wege;» und wenn<br />

Borchardt hinter der Verirrung eine<br />

Selbstaufgabe sieht: «Es war inmitten<br />

unseres wegs im leben, / Ich wandelte<br />

dahin durch finstre bäume / Da ich die<br />

rechte strasse aufgegeben;», so stellt<br />

Flasch in suggestiver Knappheit den Anfang<br />

einer Selbstfindung dar: «In der<br />

Mitte unseres Lebenswegs kam ich zu<br />

mir in einem dunklen Wald. Der rechte<br />

Weg war da verfehlt.»<br />

Es ist fast eine Abenteuerreise, jedenfalls<br />

eine seelische und geistige Abenteuerreise,<br />

die Flasch in der «Komödie»<br />

freilegt. Nicht das philosophische Hintergrundwissen<br />

und auch nicht die philologische<br />

Bildung, sondern das sprachliche<br />

Einfühlungsvermögen macht Kurt<br />

Flaschs Übersetzung zu einer tatsächlichen<br />

«Einladung, Dante zu lesen». ●<br />

bücher zu weihnachten bei hier + jetzt<br />

Der Hausberg<br />

von Zürich<br />

Der Uetliberg<br />

Geschichte und<br />

Geschichten<br />

des <strong>Zürcher</strong> Hausbergs<br />

Stefan Schneiter<br />

164 S., 160 Abb.,<br />

gebunden mit Schutzumschlag<br />

Fr.68.–, € 58.80<br />

ALINARI / ARTOTHEK<br />

Lyrik Ein unbekanntes Kapitel jüdischer Literatur in Deutschland<br />

Schreiben nach Auschwitz<br />

Fixfertig auf den Teller<br />

Hero – seit 1886<br />

in aller Munde<br />

Von der Konserve zum<br />

Convenience Food<br />

10CFWKuw6AIBRDvwjSAoUgo3EjDsadxTj7_5NXNk_6SJr23uQxvW77uR2NQJKjmLKaqnwoubEGX2RtBJALiRJQc_z9HWgT4vg-bmpYQi5xiBicWCGD_rnuF_yhAXeAAAAA<br />

Hg. Isabel Koellreuter,<br />

Martin Lüpold, Franziska<br />

Schürch<br />

160 S., 197 Abb.,<br />

gebunden<br />

Fr.48.–, € 40.80<br />

hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH<br />

Postfach, ch-5405 Baden, Tel. +41 56 470 03 00, Fax +41 56 470 03 04<br />

Bestellungen per E-Mail: order@hierundjetzt.ch<br />

Tamar Lewinsky (Hrsg.): Unterbrochenes<br />

Gedicht. Jiddische Literatur in<br />

Deutschland 1944–1950. Oldenbourg,<br />

München 2011. 168 Seiten, Fr. 35.50.<br />

Von Klara Obermüller<br />

Ihr Schicksal gleicht demjenigen von<br />

Millionen osteuropäischer Juden im<br />

20. Jahrhundert. Mit einem Unterschied:<br />

Sie haben überlebt und sind zurückgekommen,<br />

in ihre Heimatländer zuerst,<br />

dann, weil man sie dort wieder verfolgte,<br />

nach Deutschland und später nach<br />

Israel, Südamerika oder in die Vereinigten<br />

Staaten. «Desplaced Persons» (DP)<br />

nannte man diese jüdischen Überlebenden,<br />

die nach dem Krieg in Deutschland<br />

gestrandet waren und in speziell für sie<br />

eingerichteten Lagern zumeist in Bayern<br />

untergebracht wurden.<br />

So weit ist die Geschichte bekannt.<br />

Weniger bekannt dürfte sein, dass es<br />

unter diesen Versprengten auch Schriftsteller<br />

gab, die auf jiddisch für ein jiddischsprachiges<br />

Publikum Gedichte und<br />

Kurzprosa schrieben. Tamar Lewinsky<br />

hat nun, zusammen mit ihrem Vater<br />

Charles Lewinsky, eine Auswahl dieser<br />

Arbeiten ins Deutsche übersetzt und als<br />

Anthologie herausgegeben.<br />

Der Band «Unterbrochenes Gedicht»<br />

enthält Werke von 19 Autoren, darunter<br />

zwei Frauen. Die Texte gehören zu den<br />

frühesten Versuchen, sich literarisch<br />

mit den Erfahrungen der Shoah auseinanderzusetzen.<br />

Dass es vornehmlich<br />

Gedichte sind, erstaunt nicht. Marcel<br />

Reich-Ranicki hat einmal bekannt, dass<br />

er im Warschauer Ghetto nur noch Lyrik<br />

und keine Romane mehr zur Hand genommen<br />

habe, weil er ja nie wusste, ob<br />

er anderntags noch in der Lage sein<br />

würde, weiterzulesen. Ich denke, dass es<br />

denjenigen, die unmittelbar nach der<br />

Shoah Worte für das Leben nach dem<br />

Überleben suchten, ähnlich erging.<br />

Für eine lyrische Abbreviation reichte<br />

die Kraft, für mehr noch nicht. Es ist<br />

eine relativ kurze Zeitspanne, in denen<br />

Aufwachsen<br />

ohne Eltern<br />

10CAsNsjY0MDAx1TU0NTQxMwUAFkcqgQ8AAAA=<br />

Heimkinder<br />

Eine Geschichte<br />

des Aufwachsens<br />

in der Anstalt<br />

Urs Hafner<br />

180 S., 25 Abb.,<br />

KLappenbroschur<br />

Fr.38.–, € 32.80<br />

diese Gedichte entstanden sind: 1944<br />

das früheste von Meyer-Ber Gutman,<br />

geschrieben noch im Lager Kaufering<br />

bei Dachau, die letzten bereits Anfang<br />

der fünfziger Jahre, als die DP-Lager aufgelöst<br />

und die Insassen in alle Winde<br />

verstreut wurden. Thematisch sind sie<br />

sich alle sehr ähnlich. Sie kreisen um die<br />

Erfahrung des Todes, die Schuldgefühle<br />

gegenüber den Opfern und immer wieder<br />

auch um die Absurdität, ausgerechnet<br />

in Deutschland eine erste Zuflucht<br />

gefunden zu haben. Qualitativ gibt es<br />

Unterschiede, gewiss. Aber die Intensität,<br />

mit der hier um eine Sprache für das<br />

Unaussprechliche gerungen wird, straft<br />

alle jene Lügen, die Gedichte nach<br />

Auschwitz für unmöglich hielten. Dass<br />

es ausgerechnet die «Mameloschen»,<br />

die Muttersprache, ist, der das Unmögliche<br />

gelingt, macht den besonderen Wert<br />

dieser Arbeiten aus.<br />

Manche der hier versammelten Autoren,<br />

Gutmann, Vorzoger oder Binyomin<br />

etwa, sind Lyriker von Rang, und die<br />

Nähe manch eines ihrer Gedichte zu Arbeiten<br />

von Paul Celan, Nelly Sachs oder<br />

Rose Ausländer ist frappant. Wie diese<br />

treiben auch sie die Sprache bis hart an<br />

die Grenze zum Verstummen. «Jedes<br />

Wort – ist Lästerung / Oh, gib mir Kraft,<br />

Gott – um zu schweigen», heisst es bei<br />

Shloyme Vorzoger. Das Schweigen ist<br />

neben dem Schmerz um die Opfer, dem<br />

Hass auf die Täter und ganz am Ende<br />

einer zaghaften Hoffnung auf die heilende<br />

Kraft der Liebe das zentrale Thema<br />

dieser Gedichte und kurzen Prosatexte,<br />

die von Tamar und Charles Lewinsky<br />

mit grosser Sorgfalt ins Deutsche übertragen<br />

wurden.<br />

Die vorliegende Anthologie stellt<br />

einen wertvollen Beitrag zur Geschichte<br />

sowohl der jüdischen wie vor allem der<br />

jiddischen Literatur in Deutschland dar.<br />

Schade eigentlich nur, dass die Herausgeberin<br />

Tamar Lewinsky auf die Wiedergabe<br />

der Originaltexte verzichtet<br />

und uns damit die Klangvielfalt wie<br />

auch den lexikalischen Reichtum des<br />

Jiddischen vorenthalten hat. ●<br />

Eindrückliche Gesamtschau<br />

www.hierundjetzt.ch<br />

Das Kloster Muri<br />

Geschichte und Gegenwart<br />

der Benediktinerabtei<br />

Bruno Meier<br />

168 S., 193 Abb.,<br />

gebunden<br />

Fr.58.–, € 49.80<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 9


Belletristik<br />

Lyrik Jan Wagner zeigt sich in seiner kleinen Prosa als kluger Beobachter von Augenblicken und<br />

Nebensächlichkeiten<br />

Vom Tagwerk des Dichters<br />

Jan Wagner: Die Sandale des Propheten.<br />

Beiläufige Prosa. Berlin Verlag,<br />

Berlin 2011. 239 Seiten, Fr. 28.50.<br />

Von Angelika Overath<br />

Was tut ein Lyriker auf dem Poesiefestival<br />

in Bratislava, wenn Pause ist? Er stolpert<br />

in die «World Dog Show». Erst<br />

fremdelt er unter Chow-Chows und<br />

Möpsen, Neufundländern und Windspielen,<br />

Rottweilern und Leonbergern,<br />

dann aber ahnt er zunehmend im «freudigen<br />

Bellen der Collies», im «herrischen<br />

Kläffen der Setter», im allgemeinen<br />

«Japsen und Winseln» eine geheime<br />

Wahlverwandtschaft zu den Züch-<br />

10 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

tern dieser menschennahen Geschöpfe.<br />

Während ein frisch gestriegelter Riesenschnauzer<br />

sich dem Fotografen präsentiert,<br />

tritt sein Besitzer «mit Anmut<br />

und Bescheidenheit» zur Seite, «in seinem<br />

Gesicht das feine Lächeln dessen,<br />

der weiss, dass es gut ist, dass es gelungen<br />

ist, der den Betrachtern die Frucht<br />

all seiner Mühen mit der freundlichen<br />

Geste des Schöpfers überlässt: Seht, das<br />

Werk ist fertig, erfreut euch daran.»<br />

Zum Alltag eines Dichters gehören<br />

aber auch die zu schützenden, zu besprechenden<br />

oder herauszugebenden<br />

Kollegen («Über neue Gedichte», «Vom<br />

Pudding. Formen junger Lyrik»). Immer<br />

vertritt er die Ehre seines Fachs ganz im<br />

Sinn Dylan Thomas’: «Ein gutes Gedicht<br />

Island Zerstörung unberührter Landschaften<br />

Island ist das Land der Vulkane und Geysire, der<br />

langen Winter, des Eises und der unberührten Natur.<br />

Der Gletscherfluss Jökulsa a Bru galt als der wildeste<br />

Strom der Insel im Norden Europas. Er hat sich über<br />

viele tausend Jahre tief in die Erde eingeschnitten<br />

und eine ganz eigene Landschaft hervorgebracht.<br />

Heute ist von ihm nur mehr ein Rinnsal übrig<br />

geblieben. Zwischen 2003 und 2006 wurde in der<br />

Gegend ein riesiger Staudamm errichtet, der es<br />

erlaubte, 57 Quadratkilometer Land zu überfluten,<br />

darunter die Weiden der letzten frei lebenden<br />

Rentiere des Landes. Über siebzig Wasserfälle fielen<br />

dem gigantischen Projekt zum Opfer. Die Proteste<br />

von Umweltschützern waren vergeblich, die Nutzung<br />

ist absurd: Hauptabnehmer des hier produzierten<br />

Stroms ist eine Aluminiumfabrik. Island hat kein<br />

Bauxit. Der Rohstoff kommt aus Australien und<br />

Brasilien, das Aluminium wird in alle Welt verschifft.<br />

Olaf Otto Becker hat sich mit seinen ebenso schönen<br />

wie aufrüttelnden Büchern zum Verschwinden des<br />

Nordpol-Eises in kürzester Zeit einen Namen<br />

gemacht. In dem neuen Band legt er auf bedrückende<br />

Weise offen, wie hinter der vermeintlichen<br />

Unberührtheit Islands bereits seine Zerstörung liegt.<br />

Unsere Sehnsucht nach Weite und Ruhe trifft hart auf<br />

die Spuren der Wirtschaftskrise. Gerhard Mack<br />

Olaf Otto Becker: Under the Nordic Light. Hatje<br />

Cantz, Ostfildern 2011. 160 S., 93 Farbbilder, Fr. 85.–.<br />

ist ein Beitrag zur Wirklichkeit». Oder<br />

er mischt sich ein in alte Diskussionen<br />

und rettet (endlich!), was seit Gottfried<br />

Benns Verbot niemand gewagt hat, den<br />

«Wie-Vergleich» für die Lyrik. Im Unterschied<br />

zur Metapher, die schnell autoritär<br />

kurzschliesse, bleibe das «Wie»<br />

demokratisch und auf Augenhöhe mit<br />

dem Leser. Wunderbarerweise belegt er<br />

dies ausgerechnet mit einer Benn-Zeile<br />

aus einem frühen Morgue-Gedicht, wo<br />

über notdürftig versorgte Krebskranke<br />

gesagt wird: «Manchmal/ wäscht sie die<br />

Schwester. Wie man Bänke wäscht.»<br />

Was wäre sein Tagwerk ohne die Feiertage<br />

der Preise! Jan Wagner verbeugt<br />

sich souverän vor so unterschiedlichen<br />

Dichtern wie Arno Reinfrank, Ernst<br />

Meister, Wilhelm Lehmann und hebt sie<br />

damit noch einmal aus dem Sog des Vergessens.<br />

Der studierte Anglist setzt sich<br />

mit Klassikern der modernen Lyrik auseinander<br />

(beispielsweise Walt Whitman,<br />

Wallace Stevens). Und dann stolpert<br />

er wieder durch eine irische Winterdämmerung<br />

und glaubt plötzlich,<br />

über den Hügeln grossartig den Mond<br />

aufgehen zu sehen; es waren aber die<br />

Scheinwerfer eines Campingwagens,<br />

der kurzsichtige Dichter hatte die Brille<br />

nur nicht aufgesetzt.<br />

Aus der narrenden Sehschwäche aber<br />

entzündet sich ein Lob der Unschärfe,<br />

denn niemals wäre dieser Mond/Campingwagen-Augenblick<br />

in der Erinnerung<br />

geblieben ohne die radikale Täuschung,<br />

die in das Empfinden fällt wie<br />

ein Blitz, wie eine Epiphanie in die Vagheit<br />

der Existenz.<br />

Nicht nur das italienische Domizil<br />

vor Rom, wo er über die Zeitmaschine<br />

Lyrik nachdenkt, gehört zu den Produktionsbedingungen,<br />

auch die Kneipe in<br />

Neukölln, wo alte Topfpflanzen weise<br />

nicken, und das Übersetzertreffen in<br />

Helsinki mit finnischen Lyrikern, die –<br />

mittels der gemeinsamen Sprache Englisch<br />

– sich über «poetische Treue» und<br />

den Verzicht verständigen, den jedes<br />

Übersetzen ausmacht. Oder er streift<br />

zwecks wechselseitiger Inspiration mit<br />

Malern durch griechische Olivenhaine.<br />

Aber er hatte sein Haiku über die Zeit<br />

bereits zu Hause in Vorfreude geschrieben:<br />

«sagt: welcher prophet/ verlor die<br />

sandale dort,/ aus der schon moos<br />

wächst». Ein Maler entdeckt nun die<br />

Sandale im Hain. Was ist jetzt mit der<br />

Zeit und der Wirklichkeit?<br />

Wer für sie empfänglich ist, wird<br />

ohne Lyrik nicht leben wollen. Und er<br />

darf mit grossem Vergnügen in diesem<br />

entspannten und lehrreichen, in diesem<br />

freundlichen Buch lesen, das mitnimmt<br />

in die gesteigerte Welterfassung eines<br />

Menschen, der sprachlich reaktionsbereit<br />

durchs Leben geht.<br />

Jan Wagner ist ein Botanisierer von<br />

Augenblicken (und Lesemomenten), ein<br />

bewundernswürdiger Goldschmied der<br />

Nebensächlichkeiten, die uns manchmal<br />

retten. ●


Kriminalroman Mafia in der Klinik<br />

In eine fremde<br />

Haut geschlüpft<br />

Paul Wittwer: Widerwasser. Nydegg,<br />

Bern 2011. 398 Seiten, Fr. 35.90.<br />

Von Christine Brand<br />

Wer hat nicht schon einmal mit dem Gedanken<br />

gespielt: Alles hinschmeissen,<br />

die Vergangenheit abstreifen, in eine andere<br />

Haut schlüpfen und ganz neu anfangen?<br />

Mauro Matter, ein junger Arzt<br />

aus Bern, hat gerade seinen Job und gewissermassen<br />

auch Frau und Kind verloren.<br />

Er steht nachts am Ufer der Aare,<br />

denkt nicht an einen Neuanfang, sondern<br />

ans Aufgeben: Er will sich ins Wasser<br />

stürzen und nie wieder auftauchen.<br />

Doch dann fällt ihm eine Leiche vor die<br />

Füsse. Ein weiterer Lebensmüder, so<br />

vermutet Matter, der sich von der Brücke<br />

gestürzt hat. Der Tote sieht ihm ähnlich.<br />

Und plötzlich ist sie da, die Idee.<br />

Statt sein eigenes Leben fortzuschmeissen,<br />

beschliesst Matter, das Leben des<br />

Toten weiterzuführen: Ein Neubeginn<br />

mit einer anderen Identität.<br />

Nur: Beim Verstorbenen handelte es<br />

sich keineswegs um einen Lebensmü-<br />

Dü Dür Dü Dür Dü Dür Dü rr re enma e nma tt t<br />

Der Berner Arzt<br />

Paul Wittwer legt<br />

einen rasanten Krimi<br />

mit Lokalkolorit vor.<br />

den, sondern um einen Gejagten, der<br />

eng mit der italienischen Camorra verstrickt<br />

war. So löst der Rollentausch bei<br />

Mauro Matter nicht nur eine verworrene<br />

Suche nach seinem eigenen Ich aus.<br />

Er verfängt sich gleichzeitig im Netz des<br />

organisierten Verbrechens und wird<br />

zum Verfolgten, der um sein Leben<br />

fürchten muss. Was ihn nicht davon abhält,<br />

Nachforschungen in einer Berner<br />

Privatklinik zu betreiben, die der Camorra<br />

als Tarnung dient und in der ein<br />

sonderbares Geschäft mit Herzschrittmachern<br />

betrieben wird, die gar keine<br />

Herzschrittmacher sind.<br />

Es ist eine rasante Geschichte mit einigen<br />

charakterstarken Figuren und viel<br />

bernischem Lokalkolorit, die Paul Witt-<br />

10CAsNsjY0MDAx1TU0NTIxtwQAkpUygw8AAAA=<br />

Martin Ebel / Tages-Anzeiger, Zürich<br />

10CFWKqw4DMQwEvyiRN37FNazCooLqeMipuP-P7lLW1SwZzZyplX5_jtcx3gki0QJt4pEaWptbckS1rgnAGwEPCIy72F9eCGFMvHZSNr4g5YZjwWVhbzsocf2enwuE0guJfwAAAA==<br />

»Ein kapitales Werk.«<br />

wer in seinem dritten Kriminalroman<br />

«Widerwasser» vorlegt. Wie in «Giftnapf»<br />

und «Eiger, Mord und Jungfrau»<br />

hat der schreibende Arzt aus dem bernischen<br />

Oberburg als Hauptprotagonisten<br />

wiederum einen Arzt gewählt. Der kantige<br />

Polizist Limacher muss sich mit einer<br />

Nebenrolle zufriedengeben, was zu bedauern<br />

ist. Wittwer macht den Lesern<br />

den Einstieg nicht leicht. Er wirft sie hinein<br />

in einen Strudel von Ereignissen, und<br />

sie müssen sich auf abrupt wech selnden<br />

Schauplätzen zurechtfinden.<br />

Es braucht etwas Geduld, bis man den<br />

Überblick gewinnt. Doch dann vermag<br />

die Geschichte einen doch zu packen<br />

und mit unerwarteten Wendungen zu<br />

überraschen. ●<br />

Friedrich Dürrenmatt<br />

»Ich gehe auf keine Demonstration, ich bin selber eine.«<br />

Die erste große Biographie über Friedrich Dürrenmatt – vom Pfarrerssohn<br />

aus dem Emmental zum Autor von Weltruhm und mit Millionenauflagen,<br />

glänzend und packend geschrieben von Peter Rüedi.<br />

»Hier wird kein Leben erzählt, hier wird ein Universum durchleuchtet.«<br />

Manfred Papst / NZZ am Sonntag<br />

»Eine faszinierende Expedition ins Innere von Dürrenmatts Werk.«<br />

Urs Bugmann / <strong>Neue</strong> Luzerner Zeitung<br />

»Schon heute ein Standardwerk.«<br />

Roger Anderegg / Sonntags-Zeitung, Zürich<br />

960 Seiten, Leinen mit Lesebändchen, mit einem Bildteil<br />

sFr 49.90 (unverbindliche Preisempfehlung)<br />

ISBN 978-3-257-06797-2<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 11<br />

ROLAND SPRING


Belletristik<br />

Literarische Reportage Die beiden sowjetischen Autoren Ilja Ilf und Jewgeni Petrow reisten im Jahr<br />

1935 quer durch Amerika. Ihr Bericht aus der Wirtschaftskrise ist von erstaunlicher Frische<br />

«Nicht zu kaufen ist unmöglich»<br />

Ilja Ilf, Jewgeni Petrow: Das eingeschossige<br />

Amerika. Eine Reise mit Fotos<br />

von Ilja Ilf, 2 Bände. Die Andere<br />

Bibliothek im Eichborn-Verlag,<br />

Frankfurt 2011. 694 Seiten, Fr. 89.–.<br />

Von Kathrin Meier-Rust<br />

Zwei Russen im besten Alter kommen<br />

nach New York. Sie bestaunen Wolkenkratzer<br />

und Verkehrsstaus, besuchen,<br />

wie sich's gehört, Stripteaseshow und<br />

Boxkampf, Spielhölle und Obdachlosenheim.<br />

Dann kaufen sie ein Auto «von<br />

eleganter mausgrauer Farbe» und unternehmen<br />

eine Reise, die sie zwei Monate<br />

lang quer durch die Vereinigten Staaten<br />

nach Kalifornien und wieder zurück<br />

führt. Sie sind hingerissen von der grandiosen<br />

Natur des Landes und «verstört<br />

von seinem Reichtum und seiner<br />

Armut».<br />

Sie staunen: über hervorragende<br />

Stras sen, «breit wie ein Doppelbett und<br />

glatt wie eine Tanzfläche», über Essen,<br />

das «lecker aussieht, aber fade<br />

schmeckt», über «3 Arten von Wasser:<br />

kaltes, heisses und eisgekühltes». Konsterniert<br />

notieren sie, dass Amerikaner<br />

immer auf Raten kaufen: «Alles, sogar<br />

das Bett, auf dem der unverbesserliche<br />

Optimist und enthusiastische Verteidiger<br />

des Eigentums schläft, gehört nicht<br />

ihm, sondern einer Firma oder einer<br />

Bank.» Doch angesichts der allgegenwärtigen<br />

Konsum- und Reklamewelt begreifen<br />

sie schnell: «Nicht zu kaufen ist<br />

ganz und gar unmöglich.»<br />

Ungleiches Autorenduo<br />

Was sich so frisch liest, als wäre es letztes<br />

Jahr geschrieben, ist eine Reportage<br />

aus Amerika im Winter 1935/36, die<br />

heute zu den Klassikern dieses Genres<br />

gehört. Die beiden Russen auf Amerikareise<br />

sind Ilja Ilf und Jewgeni Petrow,<br />

zwei Literaturstars aus der Sowjetunion,<br />

die im Auftrag der «Prawda» reisten.<br />

Beide Autoren stammten aus Odessa,<br />

hatten sich aber erst in Moskau kennengelernt,<br />

wo sie zusammen die Gaunerkomödie<br />

«Zwölf Stühle» (1928) schrieben,<br />

eine mit leichter Hand verfasste<br />

Satire auf die so ganz und gar bourgeoise<br />

Geldgier in der jungen sowjetischen<br />

Gesellschaft. Sie war ein sofortiger Publikumserfolg,<br />

ebenso wie die noch bissigere<br />

Fortsetzung «Das Goldene Kalb»<br />

(1931).<br />

Beide Bücher erregten Anstoss bei<br />

der Zensur, wurden mehrmals verfilmt<br />

und sind in Russland bis heute populäre<br />

Klassiker. «Das eingeschossige Amerika»<br />

(der Titel soll dem sowjetischen<br />

Leser deutlich machen, dass der gewöhnliche<br />

Amerikaner keineswegs im<br />

Wolkenkratzer lebt) mit vielen Fotos<br />

12 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

Das Empire State<br />

Building in New York<br />

1932, kurz vor der<br />

Reise der beiden<br />

Prawda-Reporter.<br />

von Ilf, war ihr drittes und letztes grosses<br />

Gemeinschaftswerk.<br />

Das Autorenduo «Ilfpetrow» soll tatsächlich<br />

Satz für Satz gemeinsam geschrieben<br />

haben. Doch die beiden waren<br />

ganz verschiedene Menschen. Der sowjetische<br />

Schriftsteller Ilja Ehrenburg erzählt<br />

in seinen Memoiren, Ilf sei «verlegen<br />

und schweigsam» gewesen, ein<br />

schwermütiger Mensch mit einem oft<br />

bösen Witz, der etwas jüngere Petrow<br />

dagegen ein Mensch von unverbesserlichem<br />

Optimismus. Sie hätten einander<br />

prächtig ergänzt, schreibt Ehrenburg:<br />

«Ilfs bissige Satire verband sich treffend<br />

mit Petrows gütigem Humor.»<br />

Im Amerikabuch behält Petrows liebevoller<br />

Humor die Oberhand. Zwar<br />

sind die beiden Reporter oft entsetzt:<br />

über Gangster und Banker, über den Kino-Schund,<br />

den das geldgetriebene Hollywood<br />

produziert, über bloss halbvolle<br />

Konzertsäle und lahmen Beifall für grosse<br />

Künstler. Angesichts solch «geistiger<br />

Trägheit im Kapitalismus» befällt die<br />

beiden Sowjets dann jeweils der «dringende<br />

Wunsch, uns zu beschweren, Vorschläge<br />

zu machen, an die Prawda zu<br />

schreiben oder ans ZK.» Aber auch das<br />

Entzücken der Besucher lässt tief in die<br />

Zustände in ihrer sowjetischen Heimat<br />

blicken: über den allgegenwärtigen Service<br />

und Komfort, über kostenlose<br />

Landkarten und elektrische Haushaltgeräte,<br />

über Arbeitswillen und Technikbegabung<br />

der Amerikaner.<br />

Wie eine Ozean-Fahrt<br />

Ein Lese-Vergnügen der besonderen Art<br />

bereitet die köstliche Binnengeschichte<br />

um Mr. und Mrs. Adams: Der rundliche<br />

Mr. Adams, ein Ingenieur, der russisch<br />

spricht und als Führer und Übersetzer<br />

fungiert, plant, warnt und ermahnt von<br />

früh bis spät. Derweil Mrs. Adams, die<br />

einzige im mausgrauen Auto mit einem<br />

Fahrausweis, über 16 000 Kilometer stoisch<br />

am Steuer sitzt. «Ilfpetrow» vergleichen<br />

die Fahrt durch die USA mit<br />

einer Schiffsreise über den Ozean: «Sie<br />

ist ebenso einförmig wie grossartig.<br />

Wann man auch auf Deck erscheint, ob<br />

morgens oder abends, bei Sturm oder<br />

Windstille . . . stets liegt vor einem eine<br />

wunderbare glatte Strasse, die von Tankstellen,<br />

Touristenunterkünften und Reklametafeln<br />

gesäumt ist.»<br />

«Das eingeschossige Amerika» erschien<br />

in Moskau 1937 und wurde<br />

prompt als zu Amerika-freundlich kritisiert<br />

– spätere Ausgaben wurden deshalb<br />

zensuriert veröffentlicht.<br />

Nun erscheint die Original-Reportage<br />

zum ersten Mal auf Deutsch. Ein Vorwort<br />

von Ilfs Tochter Alexandra ergänzt<br />

diese sorgfältige Ausgabe in der Anderen<br />

Bibliothek, ebenso köstliche Reaktio<br />

nen sowjetischer Leser aus dem Jahr<br />

1937. Noch wertvoller sind die zum Teil<br />

erstmals publizierten Briefe der beiden<br />

Autoren aus Amerika an ihre daheimgebliebenen<br />

Frauen. Sie offenbaren, was<br />

die leichthändig geschriebene Reportage<br />

nur zwischen den Zeilen ahnen lässt:<br />

Ermüdung und Anstrengung, die Last<br />

offizieller Empfänge und permanenter<br />

Geldsorgen, Sehnsucht nach der und<br />

Sorge um die Familie in Moskau, wo die<br />

stalinistische Finsternis angebrochen<br />

war. Ilja Ilf kam schwerkrank von der<br />

Reise zurück und verstarb ein Jahr später<br />

an Tuberkulose. Jewgeni Petrow kam<br />

als Kriegsreporter 1942 bei einem Flugzeugabsturz<br />

ums Leben. Noch im Tod<br />

verband sie ein gemeinsames Schicksal:<br />

Beide waren nur knapp 40 Jahre alt geworden.<br />


BARBARA DAVATZ<br />

Erzählungen Skurrile Geschichten,<br />

garniert mit Lyrik und Aphorismen<br />

Mick wohnt<br />

im Briefkasten<br />

Markus Bundi: Gehen am Ort. Edition<br />

Isele, Eggingen 2011. 62 Seiten, Fr. 22.90.<br />

Von Bruno Steiger<br />

Was ist das: ein Mensch? Wem, unvernünftigerweise,<br />

noch immer an einer<br />

schlüssigen Antwort auf die schöne alte<br />

Frage liegt, der wird sich nach wie vor<br />

an die Dichter halten. Es muss nicht<br />

immer gleich Kafka oder Beckett sein;<br />

auch der Aargauer Markus Bundi wartet<br />

in seinem Buch mit ein paar interessanten<br />

Vorschlägen auf. Das Intro des Bandes<br />

rekapituliert die Geschichte der<br />

Menschwerdung. In sechs Gedichten<br />

stellt der Autor den Menschen als ein<br />

Wesen dar, das, in rasender Geduld an<br />

Ort und Stelle tretend, unentwegt zu<br />

«neuen Ufern aufbricht». Das im Märchenton<br />

gehaltene Resümee spricht von<br />

einem «Tier, das dachte, sich wunderte,<br />

dass es dachte, sich fragte, was es mit<br />

dem Dasein auf sich hatte.»<br />

Die beiden Prosadestillate des Mittelteils<br />

sind Einzelschicksalen gewidmet.<br />

Erzählt wird etwa von Mick Ogerle, der<br />

als buchstäblich «Aufgegebener» in<br />

einem öffentlichen Briefkasten haust. Er<br />

scheint nur aus einem «königsblauen<br />

Schlafanzug» zu bestehen, die finale<br />

Schrumpfung auf Briefmarkengrösse<br />

nimmt er als «Erwachen» wahr, gefeiert<br />

wird der Befund mit «Beckenbodentraining».<br />

Deutlich realistischer und rätselhafter<br />

zugleich nimmt sich die zweite Erzählung<br />

mit dem Titel «Gonzos Erbe»<br />

aus. Schauplatz ist ein Krematorium.<br />

Von Öfen, Sieben, Goldzähnen, Kräutermischungen<br />

ist die Rede, wiederholt<br />

auch von den 163 künstlichen Hüftgelenken,<br />

die ein gewisser Gonzo bei seinen<br />

Reinigungsmassnahmen widerrechtlich<br />

an sich genommen hat.<br />

Eine philosophisch grundierte Sammlung<br />

von Gedanken zur Problematik von<br />

Meinen, Sagen und Verstehen beschliesst<br />

den Band. Markus Bundis an<br />

Wittgenstein orientierter Vorschlag,<br />

«Sinn» nicht als Resultat, sondern als<br />

Voraussetzung jedes Sprechakts zu<br />

betrachten, gipfelt in der Definition<br />

von Sprechen als einem «Versuch,<br />

gegen die Absurdität seiner selbst<br />

(und aller anderen) etwas vorzubringen».<br />

Die vieles offen lassende<br />

Kargheit, mit der<br />

Markus Bundi diesem<br />

«etwas» Gestalt verleiht,<br />

gehört mit zu<br />

den Vorzügen einer<br />

Erzählkunst, in der<br />

sich noch das ganz<br />

und gar Unmögliche<br />

als exemplarisch<br />

dargestellt<br />

sieht. ●<br />

Kurzkritiken Belletristik<br />

Eva-Maria Alves (Hrsg): Unter Engeln.<br />

Anthologie. Insel, Berlin 2011. 250 Seiten,<br />

Fr. 13.50.<br />

Die Esoterik wird sie bald ganz verkitscht<br />

haben. Umso wichtiger ist diese<br />

Anthologie von Texten aus über 1000<br />

Jahren, die daran erinnern, wie mannigfaltig<br />

und geheimnisvoll den Menschen<br />

die Engel erschienen und noch immer<br />

erscheinen. Nicht nur von Schutz-, Erz-<br />

und Todesengeln handeln die Dichter,<br />

auch vom Hungerengel (Herta Müller),<br />

vom Sklavenengel (Meret Oppenheimer)<br />

und von Kriegsengeln (Rafael Alberti)<br />

ist hier die Rede. Engel ohne<br />

Beine haben ebenso ihren Auftritt wie<br />

der «Engel des Seltsamen» von Edgar<br />

Alan Poe in Gestalt eines sprechenden<br />

Schnapsfasses. Kurz, man kann Robert<br />

Walser nur beipflichten: «So ein Engel<br />

tut gut, wenn er wartet, bis man ihm mitteilt,<br />

man bedürfe seiner», denn: «Bald<br />

bin ich gläubig, bald ungläubig, und er<br />

muss es dulden, der Liebe.» Ein inspiriertes<br />

Vorwort ergänzt die Vielfalt der<br />

Erscheinungen aufs Schönste.<br />

Kathrin Meier-Rust<br />

Wallace Stevens: Hellwach, am Rande<br />

des Schlafs. Gedichte. Zweisprachige Edition.<br />

Hanser, München 2011. 352 S., Fr. 34.90.<br />

Sein Brot verdiente Wallace Stevens<br />

(1879–1955) als leitender Mitarbeiter<br />

einer Versicherungsgesellschaft. Im<br />

Herzen war er jedoch Lyriker, und als<br />

solcher zählt er heute zu den bedeutendsten<br />

amerikanischen Autoren des<br />

20. Jahrhunderts. Er war ein Einzelgänger<br />

und gehörte keiner Schule an. Der<br />

französischen Kultur fühlte er sich zugetan,<br />

doch er blieb sein Leben lang in<br />

Hartford, Connecticut. Seine Gedichte<br />

zeichnen sich durch philosophische<br />

Tiefe und musikalisches Raffinement<br />

aus. So verwundert es nicht, dass sich<br />

eminente Köpfe der deutschen Literatur<br />

um sie bemüht haben: Die Übersetzungen<br />

im vorliegenden Band stammen von<br />

Hans Magnus Enzensberger, Karin Graf,<br />

Durs Grünbein, Michael Köhlmeier,<br />

Bastian Kresser und dem Herausgeber<br />

Joachim Sartorius. Ein kostbarer, sorgsam<br />

gestalteter und gewichtiger Band.<br />

Manfred Papst<br />

Théophile Gautier: Mademoiselle de<br />

Maupin. Roman. Aus dem Franz. von<br />

C. Vollmann. Manesse, 2011. 628 S., Fr. 35.50.<br />

1835 ist dieser erotisch-schwüle Roman<br />

erstmals erschienen. Er markierte den<br />

Einstand des damals 24-jährigen Erzählers<br />

Théophile Gautier (1811–1872), den<br />

sowohl Baudelaire als auch Victor Hugo<br />

schätzten. Gautier war ein Romantiker,<br />

Libertin und eleganter Stilist. In seinem<br />

Erstling geht es um eine Dreiecksgeschichte<br />

zwischen einem Edelmann,<br />

einer kecken jungen Dame – und einem<br />

androgynen Wesen, dessen Geschlecht<br />

ein Rätsel bleibt. Schon der Titel des<br />

Buchs versprach eine bizarre Pikanterie:<br />

Julie d’Aubigny, verheiratete Maupin,<br />

war um 1700 eine Skandalfigur. Doch<br />

Gautier geht gar nicht auf sie ein. Er benutzt<br />

sie bloss als «Teaser» für sein<br />

Buch, das Mario Praz in seiner berühmten<br />

Studie über die Schwarze Romantik<br />

als «Flaubert avant la lettre» gepriesen<br />

hat. Wir sehen das heute etwas kritischer<br />

– und verschlingen den Schmöker<br />

gleichwohl mit Behagen.<br />

Manfred Papst<br />

Nella Larsen: Seitenwechsel. Roman.<br />

Aus dem Amerikanischen von A. Dormagen.<br />

Dörlemann, Zürich 2011. 191 Seiten, Fr. 29.–.<br />

Der Roman «Seitenwechsel» (1929) ist<br />

keine literarische Perle, für uns Deutschsprachige<br />

aber sehr wohl eine soziohistorische<br />

Trouvaille. Umso schwerer<br />

wiegt das Versäumnis des Verlages, ihm<br />

kein ausführlicheres Nachwort gegönnt<br />

zu haben. Zwar wird erwähnt, dass Nella<br />

Larsen (1891–1964) Tochter einer dänischen<br />

Immigrantin war, jedoch nicht,<br />

dass ihr Vater ein Schwarzer von den<br />

Westindischen Inseln war. Die Geschichte<br />

handelt von zwei Jugendfreundinnen,<br />

Clare und Irene, die äusserlich<br />

als Weisse «durchgehen». Eine von<br />

ihnen gibt sich als solche aus, die andere<br />

interessiert sich für die Bürgerrechtsbewegung.<br />

Anders als etwa Philip Roths<br />

«Der menschliche Makel» ist «Seitenwechsel»<br />

geradezu plakativ geschrieben.<br />

Seinen Rang bezieht der Roman aus<br />

Stoff und Erscheinungsjahr. In diesem<br />

Sinn: definitiv lesenswert.<br />

Regula Freuler<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 13


Kinder- und Jugendbuch<br />

Kurzkritiken<br />

Michelle Cuevas: Columbus und der<br />

malende Elefant. Dressler, Hamburg 2011.<br />

144 Seiten, Fr. 20.50 (ab 8 Jahren).<br />

Elefant Birk träumt davon, Künstler zu<br />

sein, und Columbus wird als Baby von<br />

seinen Eltern verlassen. Die beiden finden<br />

sich; Columbus wächst auf dem Elefantenrücken<br />

heran. Gemeinsam machen<br />

sie sich auf nach Paris. Doch erst<br />

befreien sie Zootiere in New York, werden<br />

berühmt in Hollywood und müssen<br />

sich vor Birks ehemaligem Chef retten,<br />

der den Elefanten zurückhaben möchte.<br />

So komisch Cuevas phantasievolle Geschichte<br />

mit ihren absurden Einsprengseln<br />

ist, immer schimmert auch etwas<br />

Wehmut durch. Die Freunde kümmern<br />

sich rührend umeinander, trauern aber<br />

zugleich um verlorene Liebe: Columbus<br />

sehnt sich nach seinen Eltern, Birk nach<br />

seiner Zirkusakrobatin. Jens Rasmuss’<br />

Bilder mit ausgeprägten Licht- und<br />

Schatteneffekten nehmen Birks Faszination<br />

für Farbstimmungen auf.<br />

Andrea Lüthi<br />

Angelika Waldis (Text), Christophe<br />

Badoux (Bild): Der unheimliche Stein.<br />

Atlantis, Zürich 2011. 48 S., Fr. 22.80 (ab 7 J.).<br />

Kinder sind Sachenfinder. Immer suchen<br />

ihre Augen den Boden ab, und<br />

wenn etwas glitzert oder schön aussieht,<br />

greifen die Hände danach. Bei Jojo ist es<br />

ein grüner Stein, der in die Hosentasche<br />

wandert. Bald entdeckt er, dass der Stein<br />

zaubern kann: Als Jojo – TOCK! – auf<br />

eine Haselnuss schlägt, um sie zu knacken,<br />

liegen auf einmal zwei Nüsse da.<br />

Jojo experimentiert herum und erkennt,<br />

dass das unheimliche Fundstück noch<br />

mehr vermag. Brenzlig wird es, als er<br />

den blöden Nachbarjungen mithilfe des<br />

Steins verschwinden lässt. Am Ende<br />

entledigt sich Jojo des grünen Zauberdings,<br />

auch wenn es ihm Kribbeln und<br />

sogar eine Katze beschert hat. Ein bunter<br />

Comic-Kinderroman, der Leseanfänger<br />

mit einer turbulenten Geschichte<br />

fesselt. Text und Bild unterstützen diese<br />

Motivation.<br />

Verena Hoenig<br />

14 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

Robin Brande: Fat Cat. dtv pocket,<br />

München 2011. 368 Seiten, Fr. 11.90<br />

(ab 12 Jahren).<br />

Eins von den Arm-Dran-Hascherln ist<br />

die 17-jährige Cat nicht. Sie quatscht alle<br />

an die Wand, strotzt vor Ideen, kann<br />

nicht masshalten, und ihre Devise heisst:<br />

XXL. Entsprechend schlägt der Bauch<br />

Wellen, doch das stört keinen grossen<br />

Geist. Bis Cat an einem Schulwettbewerb<br />

teilnimmt und im Zuge eines wissenschaftlichen<br />

Experiments versucht,<br />

wie ein Homo erectus zu leben: kein<br />

Fernsehen, kein Telefon, keine Chips.<br />

Was dann passiert, grenzt an eine kleine<br />

Sensation, denn Robin Brande gelingt<br />

ein unterhaltsames, dabei durchaus gewichtiges<br />

Mädchenbuch voller Witz,<br />

Wärme und Ironie, das keine Hochglanz-Abziehbilder<br />

gegen den Perfektionstrend<br />

liefert, sondern eine echte<br />

Heldin. Die räumt mit Klischees auf und<br />

liefert unaufdringlich eine bessere Alternative.<br />

Ein XXL-Vergnügen!<br />

Christine Knödler<br />

Ilsa J. Bick: Der Zeichner der Finsternis.<br />

Aufbau, Berlin 2011. 382 Seiten, Fr. 21.90<br />

(ab 14 Jahren).<br />

Jeder Mensch trägt eine persönliche,<br />

meist gut verschlossene Hölle in sich.<br />

Doch was passiert, wenn sie aufbricht<br />

und er in diesen Abgrund blickt? In diesem<br />

meisterhaft komponierten Thriller<br />

besitzt der 17-jährige Christian künstlerisches<br />

Talent und die Gabe übersinnlicher<br />

Wahrnehmung: Wenn er Strich für<br />

Strich seine Bilder zeichnet, ist es ihm<br />

möglich, die Albträume von anderen anzuzapfen,<br />

ja sogar in diese einzusteigen.<br />

Kein Wunder, dass er das Leben eines<br />

Aussenseiters führt. Da erteilt ihm ein<br />

schwerkranker alter Mann per Telepathie<br />

einen Auftrag; der Auslöser zu einer<br />

dramatischen Entwicklung. Bedrückende<br />

Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

kommen zutage. Die Autorin Ilsa J.<br />

Bick verknüpft auf erstaunliche Weise<br />

Zeitgeschichte und Parapsychologie zu<br />

einem packenden Ganzen.<br />

Verena Hoenig<br />

Jugendroman Die mitreissend erzählte<br />

Geschichte von einem elternlosen Jungen<br />

mit neuer Identität<br />

Rätsel um Herkunft<br />

Jenny Valentine: Das zweite Leben des<br />

Cassiel Roadnight. Aus dem Englischen<br />

von Klaus Fritz. dtv, München 2011.<br />

240 Seiten, Fr. 18.90 (ab 14 Jahren).<br />

Von Andrea Lüthi<br />

«Manchmal, wenn ich in den Spiegel<br />

sah, war ich mir nicht sicher, ob ich noch<br />

ich selbst war. Ich verschwamm an den<br />

Rändern.» Was der 16-jährige Chap beschreibt,<br />

ist keine pubertäre Krise: Er<br />

lebt tatsächlich zwei Identitäten. In<br />

einer Notunterkunft wird er für Cassiel<br />

Roadnight gehalten, der seit zwei Jahren<br />

verschollen ist. Chap macht mit; er hat<br />

von der Herumtreiberei genug und<br />

wünscht sich eine richtige Familie. Aber<br />

wird ihn Cassiels Familie nicht sofort<br />

entlarven?<br />

Cassiels Schwester staunt nur über<br />

ihren höflicher Bruder, der plötzlich in<br />

der Küche hilft. Der Bruder nimmt Chap<br />

ebenfalls herzlich auf. Und die labile,<br />

medikamentensüchtige Mutter ist einfach<br />

froh, dass ihr Sohn wieder da ist.<br />

Niemand scheint etwas zu bemerken.<br />

Doch dann taucht eines Nachts ein<br />

schräger Typ namens Floyd auf, der bei<br />

Chaps Anblick zutiefst erschrickt. Offenbar<br />

weiss er mehr über Cassiels mysteriöses<br />

Verschwinden. Aber weshalb<br />

verbietet die Familie Chap den Kontakt<br />

mit Floyd?<br />

Die britische Autorin Jenny Valentine<br />

wurde bekannt durch ihre Romane<br />

«Wer ist Violet Park?» und «Kaputte<br />

Suppe». Auch dort treten Figuren auf,<br />

die geheimnisvollen oder verschollenen<br />

Personen nachspüren. In ihrem neuen<br />

grossartigen Roman greift sie ausserdem<br />

ein beliebtes literarisches Thema<br />

auf – man mag etwa an Mark Twains<br />

«The Prince and the Pauper» denken.<br />

Anders aber als dem Betteljungen geht<br />

es Chap nicht um einen Einblick ins<br />

prunkvolle Leben. Und er wechselt die<br />

Identität nicht im Spiel: «Wenn es je ein<br />

Leben gab, das vergessen werden musste,<br />

dann war es meines». Chap kennt<br />

seine Herkunft nicht; deshalb kann er<br />

ebenso gut jemand anders sein.<br />

Valentine gelingt es, dem Leser die<br />

Hauptfigur nahezubringen. Die Spannung<br />

steigert sich ins schier Unerträgliche,<br />

weil Chap jeden Moment auffliegen<br />

kann. Valentine baut Spannung aber<br />

auch an anderen Orten auf: Ebenso begierig<br />

ist man zu erfahren, weshalb Cassiel<br />

verschwand. Und auch Chaps Leben<br />

birgt Geheimnisse, die dem Leser häppchenweise<br />

enthüllt werden. Im spektakulären<br />

Showdown wird Valentines lebhafter<br />

Stil besonders deutlich. Sie<br />

schreibt so bildlich, dass man das Gefühl<br />

hat, in einem Film zu sitzen. ●


Ethnologie Alle Menschen sind gleich und<br />

doch verschieden<br />

Ameisen isst<br />

man nicht<br />

Wolfgang Korn: Was ist schon normal?<br />

Warum alle Menschen gleich und doch<br />

verschieden sind. Bloomsbury, Berlin<br />

2011. 168 Seiten, Fr. 21.90 (ab 12 Jahren).<br />

Von Sabine Sütterlin<br />

Kopfschütteln heisst Nein. Schwarz ist<br />

die Farbe der Trauer. Und Ameisen isst<br />

man nicht. Ist doch jedem klar, oder?<br />

Nein, eben nicht. Menschen in Südindien,<br />

Afrika oder im brasilianischen Urwald<br />

verstehen die gleiche Geste anders<br />

als wir Mitteleuropäer, sie benutzen unterschiedliche<br />

Zeichensysteme und kennen<br />

unterschiedliche Tabus. «Warum<br />

alle Menschen gleich und doch verschieden<br />

sind» – dies zu erklären, hat<br />

sich der Wissenschaftsjournalist Wolfgang<br />

Korn vorgenommen.<br />

Gelingt das? Jein. Wenig gelungen ist<br />

der Versuch, im Galopp durch die<br />

Menschheitsgeschichte die Ursprünge<br />

kultureller Unterschiede zu ergründen.<br />

Manches erweckt den Eindruck von Küchenweisheit.<br />

Angaben zu wissenschaftlichen<br />

Quellen fehlen. Vor allem die Erklärung<br />

dafür, warum manche Völker<br />

eher zu Gewalt neigen als andere, zementiert<br />

eher Vorurteile als sie durch<br />

Wissen abzubauen: Die Bewohner von<br />

Wüstenregionen seien durch die Hitze<br />

so aggressiv geworden, «dass sie ihre<br />

Frauen vor anderen Männern versteckten<br />

und endlose Fehden miteinander<br />

ausfochten», während die Menschen in<br />

der arktischen Kälte so friedlich wurden,<br />

dass sie Fremden sogar ihre Frauen<br />

anboten. Das ist, wenn nicht schlichter<br />

Quatsch, jedenfalls eine gefährliche Vereinfachung.<br />

Demgegenüber überzeugt Korn,<br />

wenn er beschreibt, welche Vielfalt von<br />

Sitten, Mythen und Gewohnheiten der<br />

Homo sapiens entwickelt hat, und wie<br />

Ethnologen sich ihrem Forschungsgegenstand<br />

nähern. Die Weltkarte in der<br />

Umschlagklappe weckt Neugier: Da<br />

weist etwa ein Pfeil auf Island, und die<br />

Legende lautet: «Hier gibt's die gemütlichsten<br />

Gefängnisse». Des Rätsels Lösung<br />

findet sich im Kapitel über die<br />

kulturell unterschiedlichen Auffassungen<br />

dessen, was kriminell ist.<br />

Das Buch ist ausdrücklich<br />

zum «Kreuz- und Querlesen»<br />

gedacht. Zur Sprache kommen<br />

Themen, die junge Leser ansprechen,<br />

vom dehnbaren Zeitbegriff<br />

der Brasilianer über merkwürdig<br />

anmutende Initiationsriten<br />

in Äthiopien oder Angola bis<br />

hin zur in China verbreiteten Vorstellung<br />

einer Krankheit namens<br />

«verschwindender Penis». ●<br />

Kurzkritiken<br />

Kirsten Boie (Text), Jutta Bauer (Bild):<br />

Ein mittelschönes Leben. Carlsen,<br />

Hamburg 2011. 32 Seiten, Fr. 14.90 (ab 8 J.).<br />

Der Band ist schmal, der Inhalt wiegt<br />

schwer. Auf Wunsch von Fachleuten<br />

schreibt die arrivierte Kinderbuchautorin<br />

Kirsten Boie über Obdachlosigkeit.<br />

Auf knapp 30 Seiten erzählt sie die Geschichte<br />

eines Mannes, der auch mal<br />

Kind war und ein ganz normales Leben<br />

geführt hatte, bis das Unglück kam und<br />

mit dem sozialen Abstieg der Verlust.<br />

Arbeit, Ehefrau, Kinder, Wohnung –<br />

alles weg. Seitdem lebt der Mann auf der<br />

Strasse. Sein Leben ist «mittelschön bis<br />

schwer». Wie schnell einer abstürzen<br />

und dass es jeden treffen kann, ist in wenigen<br />

Worten klar beschrieben, Kinder<br />

fragen Obdachlose: Was machen Sie,<br />

wenn sie krank sind? Wie feiern Sie<br />

Weihnachten? Sind sie oft unglücklich?<br />

Ohne Larmoyanz oder falsche Sentimentalität<br />

ist ein informatives Plädoyer<br />

für mehr Aufmerksamkeit entstanden.<br />

Christine Knödler<br />

Dieter Vieweger, Ina und Hans Beyer:<br />

Abenteuer Jerusalem. Gütersloher Verlag,<br />

Gütersloh 2011. 80 Seiten, Fr. 25.90 (ab 12 J.).<br />

Aaron besucht seinen Grossvater, einen<br />

pensionierten Archäologen in Jerusalem.<br />

Wie es sich für einen modernen<br />

Jugendlichen gehört, hält er seine Erlebnisse<br />

für die Klassenkameraden zu<br />

Hause in einem Blog fest. Häppchenweise,<br />

garniert mit vielen Fotos und Zeichnungen,<br />

wird so die komplizierte Geschichte<br />

Jerusalems einfach erzählt: von<br />

den Anfängen mit David und Salomo bis<br />

zur Eroberung der Altstadt durch die israelische<br />

Armee. Aaron besucht die Klagemauer,<br />

die Grabeskirche und die El-<br />

Aqsa-Moschee und lernt vorurteilslos<br />

die drei grossen Weltreligionen kennen.<br />

Das informative Sachbuch zeigt anschaulich,<br />

dass Geschichte keineswegs<br />

vergangen ist, sondern dass nur sie die<br />

Erklärungen dafür liefern kann, warum<br />

die Konflikte in der heiligen Stadt bis<br />

heute andauern.<br />

Geneviève Lüscher<br />

Elke Reichart (Hrsg.): gute-freundeboese-freunde.<br />

Leben im Web. dtv,<br />

München 2011. 224 S., Fr. 14.90 (ab 14 Jahren).<br />

Wie echt, wie schlecht sind Freundschaften<br />

im Netz? Sind 350 Freunde<br />

wirklich noch Freunde? Was sind die<br />

Chancen, was die Fallen einer digital geprägten<br />

Welt? Ist Cybermobbing eine<br />

Frage der Moral, der Macht, der Gruppendynamik<br />

oder doch der Technik? Die<br />

Journalistin Elke Reichart lässt Jugendliche<br />

und Erwachsene, Internet-Experten,<br />

Gegner, Fans, Junkies, Opfer zu Wort<br />

kommen. Mal privat-anekdotisch, mal<br />

theoretisch nähern sie sich einem Phänomen,<br />

das längst das Leben massiv beeinflusst.<br />

Eher Denkanstösse als Antworten<br />

gibt dieses Buch und zeigt auch,<br />

dass sich zwischen on und off, in und<br />

out, früher und heute auch Generationengräben<br />

öffnen. Freundschaft neu zu<br />

definieren und selbstbestimmt und<br />

kompetent zu leben, ist die Herausforderung,<br />

die sich jedem jederzeit stellt.<br />

Christine Knödler<br />

Bibi Dumon Tak, Martijn van der Linden:<br />

Eisbär, Elch und Eule. Bloomsbury, Berlin<br />

2011. 137 Seiten, Fr. 21.90 (ab 8 Jahren).<br />

Rentiere können ihre Nasenlöcher verstellen,<br />

damit die Luft beim Einatmen<br />

nicht so eisig in die Lungen strömt.<br />

Auch der Kaiserpinguin oder der Narwal<br />

haben sich dem Leben in frostigen<br />

Breiten angepasst. Bibi Dumon Tak<br />

pickt Kuriosa über Polartiere heraus<br />

und erzählt davon mal überdreht, mal<br />

poetisch. So vergleicht sie etwa den Moschusochsen<br />

mit einem «zerzausten<br />

Tannenwald auf Hufen». Bereits der<br />

Vorgängerband «Kuckuck, Krake, Kakerlake»<br />

war bei Kindern und Erwachsenen<br />

ein Erfolg, und das neue Tierbuch<br />

steht ihm in nichts nach. Dazu tragen<br />

auch die Aquarellzeichnungen in Türkis<br />

und Grautönen bei. Sachbücher über<br />

Tiere gibt es viele, doch diese quirligen<br />

Steckbriefe wecken das Interesse neu,<br />

denn eine solche Reise ins ewige Eis<br />

macht tierisch Spass.<br />

Verena Hoenig<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 15


Porträt<br />

Die israelische Soziologin Eva Illouz hat ein grossartiges Buch über<br />

Beziehungen zwischen Männern und Frauen im 21. Jahrhundert<br />

geschrieben. Jenny Friedrich-Freksa hat sie in Frankfurt getroffen<br />

Auf dem freien<br />

Markt der Liebe<br />

Es ist nicht leicht, in einer zwei mal zwei Meter<br />

grossen Box über die Liebe zu sprechen. Eva<br />

Illouz sitzt auf einem weissen Stuhl vor einem<br />

weissen Tisch. Von der offenen Decke dringt<br />

das Geraune der Frankfurter Buchmesse in das<br />

Hinterzimmer des Verlagsstands herein. Die<br />

Soziologin aus Jerusalem ist hier, um über das<br />

Lieben und das Leiden zu reden, das Thema<br />

ihres neuen Buchs «Warum Liebe weh tut». Sie<br />

untersucht darin, wie Männer und Frauen ihr<br />

eigenes Leben gestalten und Liebesbeziehungen<br />

mit anderen Menschen haben. Beides zu<br />

wollen ist offenbar schwierig. Es verursacht<br />

sogar Schmerz. Über diesen denkt Illouz nach.<br />

Schmerz und Leidenschaft<br />

Das Buch scheint einen Nerv zu treffen. In<br />

Deutschland, wo es im Oktober erschien, steht<br />

es bereits auf der Bestsellerliste. Alle wollen<br />

wissen, was Eva Illouz über unser Gefühlsleben<br />

herausgefunden hat. Als ob der Buchmarkt<br />

nicht mit Büchern über die Liebe überschwemmt<br />

wäre. «Eine soziologische Erklärung»<br />

nennt Illouz ihre Schrift. Von aussen<br />

sieht diese Erklärung aus wie ein Beziehungsratgeber<br />

für die etwas klügere Frau: Der Umschlag<br />

magentafarben, also fast pink. Und auf<br />

der Rückseite steht: «Leidenschaftliche Liebe<br />

ist ohne Schmerz nicht zu haben, aber dieser<br />

Schmerz sollte uns nicht ängstigen.» Ach ja.<br />

Soll man dieses Buch kaufen? Man sollte, unbe-<br />

Eva Illouz<br />

Eva Illouz, geboren 1961 in<br />

Fès, Marokko, studierte in<br />

Frankreich, promovierte in den<br />

USA und ist heute Professorin<br />

für Soziologie an der Hebrew<br />

University in Jerusalem. Sie<br />

forscht zu den Wechselwirkungen<br />

von Konsumkultur,<br />

sozialen Beziehungen und<br />

Individuum und zur Soziologie<br />

der Emotionen. Bisher sind<br />

von ihr erschienen: «Der Konsum der Romantik»<br />

(2003), «Gefühle in Zeiten des Kapitalismus»<br />

(2006), «Die Errettung der modernen Seele»<br />

(2009) und nun: «Warum Liebe weh tut»<br />

(Suhrkamp, Berlin 2011. 467 Seiten, Fr. 35.60).<br />

16 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

dingt. Illouz’ Werk ist weder mit Theorie überfrachtet,<br />

noch will es eine Gebrauchsanweisung<br />

für das gelungene Leben zu zweit liefern. Es ist<br />

ein Buch über die Liebe, das ganz ohne psychologisches<br />

Geschwätz auskommt. Und gleichzeitig<br />

Gefühlen in der Wissenschaft einen selbstverständlichen<br />

Platz einräumt.<br />

Illouz hat für ihr Buch viele Interviews geführt:<br />

mit heterosexuellen Männern und Frauen<br />

zwischen 25 und 67 Jahren, aus Europa, den<br />

Es ist ein echter Gewinn des<br />

Buchs, dass Männer nicht als<br />

emotionale Trottel und<br />

Frauen nicht als bessere<br />

Menschen gesehen werden.<br />

USA und Israel, alle mit Hochschulabschluss.<br />

Ein Gespräch ist ihr besonders in Erinnerung<br />

geblieben: «Eine Frau erzählte, dass ihre Beziehungen<br />

alle schlecht geendet hatten. Sie würde<br />

so gerne heiraten, aber es sei ihr peinlich, das<br />

zuzugeben. Man stünde dann als dumme Frau<br />

da. Sie weinte furchtbar und ich spürte, dass<br />

man sich diesen Schmerz ansehen muss. Wenn<br />

jemand so weint, ist das nicht einfach eine persönliche<br />

Angelegenheit. Es ist politisch.»<br />

Sehr ernst spricht Eva Illouz in der sterilen<br />

Messebox über das Seelenwohl anderer Menschen.<br />

Sie macht keinen Hehl daraus, dass ihr<br />

das Thema ihres Buchs ein echtes Anliegen ist.<br />

Vor allem: dass Leid nicht privat sein sollte. Illouz<br />

ist eine zierliche Frau. Ab und zu zupft sie<br />

den tiefen Ausschnitt ihrer Bluse zurecht, der<br />

von grossen Silbernieten eingefasst ist. Die<br />

Bluse ist schwarz, der Rock und die Schuhe<br />

auch. Doch über das Schwarz und das Metall-<br />

Dekolletee hinweg schauen einen zwei weiche,<br />

braune Augen an, manchmal betrübt, manchmal<br />

amüsiert. Eva Illouz hat etwas von einem<br />

freundlichen Punk, der gewillt ist, die Welt aus<br />

unkonventioneller Perspektive zu betrachten.<br />

Unkonventionell an ihrem Buch ist, wie die<br />

Soziologin soziologische, ökonomische und<br />

psychologische Erkenntnisse zusammendenkt.<br />

Dass es mit der Liebe klappt, wenn wir uns nur<br />

genug mit unserer Psyche auseinandersetzen,<br />

daran glaubt Illouz nicht. Sie hält Psychotherapien<br />

für hilfreich, aber nicht für ein Allheilmit-<br />

tel. Anders gesagt: die weinende, von den Männern<br />

enttäuschte Frau, die unbedingt heiraten<br />

will, müsste nicht einfach zum Therapeuten.<br />

Wenn zu viele Menschen die gleichen Beziehungsprobleme<br />

haben – so ihr Befund –, reicht<br />

es nicht, dass jeder sich allein mit seinem Gefühlsleben<br />

beschäftigt.<br />

Die Soziologin analysiert Liebesbeziehungen<br />

als ökonomischen Handel, als einen Markt, auf<br />

dem sich Männer und Frauen tummeln. Attraktivität<br />

und Status sind die beiden Währungen,<br />

die am meisten zählen. Auf den ersten Blick<br />

scheint es, als seien Männer und Frauen auf<br />

diesem Markt gleichberechtigt. Beide Geschlechter<br />

haben schliesslich heute die gleiche<br />

Freiheit zu wählen. Doch Illouz konstatiert eine<br />

neue Ungleichheit: «Die heterosexuellen Frauen<br />

der Mittelschicht befinden sich in der merkwürdigen<br />

historischen Lage, so souverän über<br />

ihren Körper und ihre Gefühle verfügen zu<br />

können wie nie zuvor und dennoch auf neue<br />

und nie dagewesene Weise von Männern dominiert<br />

zu werden.»<br />

Emotionale Dominanz der Männer<br />

Illouz spricht von einer «emotionalen Dominanz»<br />

der Männer, die zum einen darauf beruht,<br />

dass Frauen, wenn sie sich Kinder wünschen,<br />

nicht ewig warten können, bis sie sich<br />

für einen Mann entscheiden. Das macht sie auf<br />

dem freien Markt der Liebe abhängiger. Zum<br />

anderen stärken Männer ihr Selbstwertgefühl<br />

durch Unabhängigkeit, während Frauen sich<br />

ihrer selbst durch Nähe vergewissern – zwei<br />

völlig verschiedene Strategien, um sich vor<br />

emotionalen Verletzungen zu schützen.<br />

Illouz behauptet nicht, dass sich alle Männer<br />

und Frauen so einfach kategorisieren lassen.<br />

Doch sie stellt in ihrer Forschung wiederkehrende<br />

Verhaltensmuster fest und kulturelle Ideale,<br />

die definieren, was einen Mann und was<br />

eine Frau ausmacht: «George Clooney ist ein<br />

attraktiver Single, genauso attraktiv wie Brad<br />

Pitt, der verheiratet ist. Bei unverheirateten<br />

Frauen im selben Alter denkt man, sie hätten<br />

keinen abgekriegt.» Es ist ein echter Gewinn<br />

des Buchs, dass Männer nicht als emotionale<br />

Trottel pathologisiert und Frauen nicht für die<br />

besseren Menschen gehalten werden.<br />

Eva Illouz ist 50, sie hat einen Mann und drei<br />

Söhne. Über die Frage, ob man sie als Leser anders<br />

wahrnehmen würde, wenn sie allein leben<br />

würde, muss sie lächeln: «Völlig richtig. Alle


«Ich bin eine radikale Individualistin»: Die Kommunikationswissenschafterin Eva Illouz untersucht männliche und weibliche Verhaltensmuster.<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 17<br />

SuSanne Schleyer


Porträt<br />

18 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

würden dann denken, dass ich über mich selbst<br />

jammere und versuche, das zu rationalisieren.<br />

Aber bitte: Stellen Sie mich bloss nicht als<br />

glückliche und erfolgreiche Frau vor!» Ein «Le-<br />

bensprojekt» zu haben, hält sie für hilfreich, sei<br />

es ein privates oder ein politisches. «Das kann<br />

aber auch unbequem sein, es macht einen nicht<br />

automatisch glücklich.»<br />

Geboren als Kind jüdischer Eltern, verbringt<br />

Illouz die ersten Jahre ihres Lebens in Marok-<br />

ko. Zu Hause wird Französisch gesprochen. Bis<br />

1967 leben die meisten marokkanischen Juden<br />

friedlich in dem arabischen Land. Doch der<br />

Sechstagekrieg führt zu Spannungen, Illouz’ El-<br />

tern ziehen nach Frankreich, nach Sarcelles.<br />

Tochter Eva studiert Soziologie, Literatur und<br />

Kommunikation, promoviert in den USA, arbei-<br />

tet als Dozentin in New York, Tel Aviv und Je-<br />

rusalem, bevor sie 2004 Professorin an der Uni-<br />

versität Jerusalem wird. Gastprofessuren in<br />

Princeton und Paris folgen. 2009 wählt «Die<br />

Zeit» Illouz in eine Liste von 12 Intellektuellen<br />

weltweit, «die das Denken der Zukunft verän-<br />

dern werden».<br />

Kapitalismus prägt die Liebe<br />

Seit langem interessiert sich Eva Illouz dafür,<br />

wie das kapitalistische Wirtschaftssystem un-<br />

sere privaten Beziehungen prägt. «Gefühle in<br />

Zeiten des Kapitalismus» heisst eines ihrer Bü-<br />

cher. Was unser Liebesverhalten prägt, be-<br />

schreibt sie als eine «Matrix» aus Gefühlen,<br />

Verstand, Kulturgeschichte und kapitalisti-<br />

schem Weltgeschehen. Über allem aber steht<br />

heute der Imperativ der Autonomie: der indivi-<br />

duelle Lebensentwurf muss erdacht, umgesetzt<br />

und verteidigt werden.<br />

Auf der Frankfurter Buchmesse nimmt Eva<br />

Illouz an einer Diskussion zum Thema «Der<br />

Traum der Vernunft» teil. Viele Frauen sitzen<br />

im Publikum. «Ich bin eine radikale Individua-<br />

listin», sagt Illouz auf dem Podium, «die gesell-<br />

schaftlichen Institutionen müssen dem Indivi-<br />

duum dienen, nicht umgekehrt.» Doch die Indi-<br />

vidualistin Illouz sieht auch, dass die Individu-<br />

alisierung unangenehme Nebenwirkungen hat:<br />

«Das Ideal der Autonomie triumphiert über<br />

alles. Sogar darüber, zuzugeben: Ich brauche<br />

etwas. Individualität basiert heute darauf, dass<br />

wir verneinen, abhängig und bedürftig zu sein.»<br />

Liebe aber macht verletzlich. Jemanden zu<br />

brauchen passt schlecht zur Vorstellung vom<br />

selbstbestimmten Menschen, der gut allein zu-<br />

rechtkommt. Etwas zu wollen, was einem nur<br />

ein anderer Mensch geben kann, wird zum Pro-<br />

blem. Frauen etwa vermeiden es, in Internet-<br />

Partnerbörsen anzugeben, dass sie sich Kinder<br />

wünschen. Bedürfnisse sind auf dem Markt der<br />

Liebe keine brauchbare Währung.<br />

Ganz anders die sexuelle Attraktivität. Doch<br />

auch diese dient nicht nur dem persönlichen<br />

Glück, sondern auch der sozialen Anerken-<br />

nung: «Für Männer ist die Sexualität zur wich-<br />

tigsten Arena geworden, in der sie ihren Männ-<br />

lichkeitsstatus (Autorität, Autonomie und Soli-<br />

darität unter Männern) ausüben können; für<br />

Frauen bleibt die Sexualität überwiegend Fort-<br />

pflanzung und Ehe untergeordnet», schreibt<br />

Illouz. Wir lieben also auch, um uns gesell-<br />

schaftlich erfolgreich zu präsentieren: als weib-<br />

liche Frau oder männlicher Mann.<br />

Illouz befasst sich mit unserer Angst, an<br />

einer grossen Idee der Moderne zu scheitern:<br />

Schmied seines glücklichen Lebens zu sein.<br />

Und sie erinnert daran, dass wir soziale Wesen<br />

sind, die einander brauchen und gemeinsam be-<br />

stimmen, was Anerkennung bedeutet. Dies ist<br />

ein tröstlicher Gedanke, und er verschafft Ill-<br />

ouz’ Analyse eine grosse Portion Wärme.<br />

Romantikerin, doch Feministin<br />

Eva Illouz ist Romantikerin und Feministin zu-<br />

gleich. Sie wünscht, wir würden wieder leiden-<br />

schaftlicher und fürsorglicher lieben. Und sie<br />

fordert ein radikales Umdenken darüber, was<br />

eine Frau ausmacht: «Weiblichkeit sollte nicht<br />

an Kinder geknüpft sein. Frauen sollten die<br />

Liebe vom Kinderkriegen trennen. Und es soll-<br />

te kein Druck auf sie ausgeübt werden, welche<br />

zu bekommen. Frauen wiederum sollten keinen<br />

Druck auf Männer ausüben, Kinder mit ihnen<br />

zu haben.» Die Soziologin plädiert für alterna-<br />

tive weibliche Lebenskonzepte: dafür, ein Kind<br />

mit einem schwulen Mann aufzuziehen oder<br />

mit einem, der nicht mit einer Frau zusammen-<br />

leben möchte. Oder gemeinsam mit anderen<br />

Frauen. Wenn solche Ideen Wirklichkeit wer-<br />

den, so glaubt Illouz, wird sich auch das Ver-<br />

hältnis von Männern und Frauen verändern.<br />

Was die neuen Formen des Liebens für Kin-<br />

der bedeuten, und wie es umgekehrt oft Kinder<br />

sind, die manche Individual-Biografie völlig<br />

umkrempeln, danach fragt die Soziologin Illouz<br />

nicht. Der Qualität ihres Werks tut das keinen<br />

Abbruch. «Warum Liebe weh tut» ist ein her-<br />

vorragendes Buch über die Grenzen der Auto-<br />

nomie und das Verlangen nach Liebe.<br />

Interessieren sich ihre Söhne, 18, 17 und<br />

6 Jahre alt, für ihre Forschung? «Überhaupt<br />

nicht. Meine Bücher sind nur für Menschen<br />

sinnvoll, die schon lange mit gesellschaftlichen<br />

Mythen gelebt haben.» Eva Illouz hofft, dass sie<br />

mit ein paar falschen Mythen aufräumen kann,<br />

bevor ihre Söhne daran glauben. l<br />

Wir Menschen lieben auch, um uns gesellschaftlich erfolgreich zu präsentieren. Kuss-Festival auf den Philippinen.<br />

«Ein Lebensprojekt zu<br />

haben, kann hilfreich sein,<br />

aber auch unbequem. Es<br />

macht einen nicht<br />

automatisch glücklich.»<br />

Pat RoQue / aP<br />

10CFWMsQrDMBBDv8jmdGfZvt5YspkMpbuXkDn_PyXuVpAEgieNEczy83vbv9snIFKYwIJiQWfWxoBrbqwBoKsAL4Bm7rX_8Ung1cTmYtJSn09Sk9Vp6k9ZD3OtxfJ1nDfyIkTngAAAAA==<br />

10CAsNsjY0MDAx1TU0NTE0MQYAeLJqaw8AAAA=<br />

www.chronos-verlag.ch<br />

TheaTrum helveTicum<br />

Peter michael Keller<br />

cabaret cornichon<br />

Geschichte einer nationalen Bühne<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

wider<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

wider<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

wider<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

wider<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

wider<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

wider<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

wider<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

die<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

aus<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

gren<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

gren<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

gren<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

gren<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

gren<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

gren<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

gren<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

gren<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

zung<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

zung<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

zung<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

zung<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

zung<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

zung<br />

r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

zung<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

Brigitta gerBer<br />

Damir SkenDerovic (Hg.)<br />

für<br />

eine<br />

offene<br />

schweiz<br />

a k t e u r e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e s c h w e i z<br />

s c h w e i z<br />

D e B a t t e n<br />

r e c h t<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

s c h w e i z f Ü r e i n e o f f e n e<br />

Vom Umgang mit dem Fremden<br />

das legendäre schweizer Kabarett<br />

B. Gerber, D. Skenderovic (Hg.)<br />

Wider die Ausgrenzung –<br />

für eine offene Schweiz<br />

Beiträge aus historischer,<br />

sozial- und rechtswissen-<br />

schaftlicher Sicht<br />

2011. 390 S. 20 Abb.<br />

3 Bde Br. in Schuber. CHF 48<br />

Peter Michael Keller<br />

Cabaret Cornichon<br />

Geschichte einer<br />

nationalen Bühne<br />

2011. 428 S. 60 Abb. s/w<br />

Mit CD-ROM. Geb. CHF 78<br />

Bücher zur Zeit<br />

Mustafa Ideli, Virginia Suter Reich,<br />

Hans-Lukas Kieser (Hg.)<br />

<strong>Neue</strong><br />

Menschen-<br />

landschaften<br />

Migration<br />

Türkei – Schweiz<br />

1961–2011<br />

migration als erFolgsgeschichte<br />

M. Ideli, V. Suter Reich,<br />

H.-L. Kieser (Hg.)<br />

<strong>Neue</strong><br />

Menschenlandschaften<br />

Migration Türkei – Schweiz<br />

1961–2011<br />

2011. 404 S. 40 Abb. Br. CHF 48


GAËTAN BALLY / KEYSTONE<br />

Kolumne<br />

Charles Lewinskys Zitatenlese<br />

Charles Lewinsky ist<br />

Schriftsteller und<br />

arbeitet in den<br />

verschiedensten<br />

Sparten. Sein neuer<br />

Roman «Gerron» ist<br />

kürzlich bei Nagel &<br />

Kimche erschienen.<br />

Anregung von<br />

Verlegern? Da bekomme<br />

ich von Hornissen<br />

mehr Anregung.<br />

Peter Handke<br />

Eigentlich hatte Peter Handke ja versprochen,<br />

nie öffentlich darüber zu<br />

reden. Wie das alle Schriftsteller dieser<br />

Welt in einer feierlichen Zeremonie tun<br />

müssen, bevor sie ihr erstes Buch veröffentlichen<br />

dürfen. Aber wenn das Geheimnis<br />

nun schon mal ausgeplaudert<br />

ist . . .<br />

Also, es ist so: Alle Schriftsteller<br />

werden von Tieren inspiriert. Die<br />

armen Poeten, die in ihrer Dachkammer<br />

auch im kältesten Winter das Fenster<br />

offen lassen, damit die Muse eine<br />

Einflugschneise findet, sind auf dem<br />

Holzweg. Die Hauskatze wäre ihnen bei<br />

der Suche nach einem Einfall viel nützlicher.<br />

Bei Handke waren es Hornissen. Damals,<br />

im Jahr 1966, wurde er von einer<br />

gestochen und schrieb daraufhin<br />

prompt die «Publikumsbeschimpfung».<br />

Begreiflich, denn so ein Hornissenstich<br />

brennt gemein und lässt einen vor<br />

Ärger ganz lästerlich fluchen. Und<br />

wenn man sowieso schon mal dabei ist,<br />

kann man ja auch gleich ein Stück daraus<br />

machen.<br />

Was und wie jemand schreibt, hier<br />

sei es endlich verraten, hat rein zoologische<br />

Ursachen. Wer sich von einer<br />

Boa constrictor anregen lässt, produziert<br />

lange, gewundene Sätze, die dem<br />

Leser die Luft abschnüren. Die Inspirationssuche<br />

im Kuhstall hingegen verursacht<br />

den unwiderstehlichen Drang,<br />

schon einmal Gesagtes wieder und wieder<br />

zu repetieren – wie das bei Wiederkäuern<br />

eben so ist. Da ist der intime<br />

Umgang mit Nachtigallen schon mehr<br />

zu empfehlen – auch wenn er unausweichlich<br />

zur Produktion von Naturlyrik<br />

führt.<br />

Um den an den Germanistik-Fakultäten<br />

dieser Welt bestimmt bald aufblühenden<br />

Forschungszweig der Literar-<br />

Zoologie (mit «Brehms Tierleben» als<br />

wichtigstem Quellentext) zu fördern,<br />

sei hier angemerkt: Auch die Arbeitsweise<br />

jedes einzelnen Schreiberlings<br />

hat ihren tierischen Ursprung.<br />

Eichhörnchen-Schriftsteller verstecken<br />

überall Zettel mit Ideenvorräten,<br />

um sich dann im Winter ihrer Einfallslosigkeit<br />

davon zu ernähren. Meerschweinchen-Dichter<br />

produzieren in<br />

hohem Tempo eine Buchgeneration<br />

nach der anderen, die dann allerdings –<br />

typisch Cavia porcellus – alle sehr ähnlich<br />

und nicht sehr interessant herauskommen.<br />

Und wer sein Manuskript<br />

notorisch zu spät abliefert, hat sich<br />

wahrscheinlich ein Faultier zum Vorbild<br />

genommen.<br />

Nur von Verlegern, da<br />

hat Handke völlig recht,<br />

kriegt man keine Anregung.<br />

Die sind leider alle<br />

viel zu menschlich.<br />

Kurzkritiken Sachbuch<br />

Urs Hafner: Heimkinder. Eine Geschichte<br />

des Aufwachsens in der Anstalt. Hier + jetzt,<br />

Baden 2011. 207 Seiten, Fr. 38.–.<br />

Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar,<br />

mit welcher Härte, mit welch brutalem<br />

Straf-, Arbeits- und Disziplin-Regiment<br />

elternlose und verwahrloste Kinder und<br />

Jugendliche in der Schweiz über Jahrhunderte<br />

behandelt wurden. Urs Hafner<br />

spricht von einer «kalten Religion»,<br />

denn ob katholisch oder reformiert: Die<br />

Findel- und Waisenhäuser, Arbeits-,<br />

Zwangs-, Rettungs- und Erziehungsanstalten<br />

waren vom Mittelalter bis weit<br />

ins 20. Jahrhundert fest in religiöser<br />

Hand. Von christlicher Barmherzigkeit<br />

war allerdings wenig zu spüren, weder<br />

Pestalozzis Ideen noch pietistische<br />

Frömmigkeit, weder repräsentative Bauten<br />

noch moderne Körperhygiene vermochten<br />

das Klima der Angst und Gewalt<br />

zu erschüttern. Erst die Heimkampagne<br />

in den 1970er-Jahren brachte Reformen.<br />

Der Historiker Urs Hafner bietet<br />

eine fundierte, eindrücklich bebilderte<br />

Studie zu diesem traurigen Thema.<br />

Kathrin Meier-Rust<br />

An Lac Truong Dinh: Von der Fremdenlegion<br />

zu den Viet Minh. Überläufer Emil<br />

Selhofer. Chronos, Zürich 2011. 183 S., Fr. 28.–.<br />

Wer weiss schon, dass es Schweizer<br />

Söldner gab, die im Indochinakrieg 1945-<br />

1954 im französischen Expeditionskorps<br />

kämpften? Und die später aus der Legion<br />

desertierten und zur kommunistischen<br />

Unabhängigkeitsbewegung Viet<br />

Minh überliefen. Dazu gehörte neben<br />

vielen Deutschen und Italienern der<br />

1926 in Zürich geborene Emil Selhofer,<br />

der bis zu seinem vermutlichen Tod 1953<br />

im Nordosten Vietnams kämpfte. Die<br />

vorliegende Basler Lizentiatsarbeit geht<br />

den Spuren dieses verschollenen Abenteurers<br />

nach. Der vietnamesischstämmige<br />

Autor hat in seinem Heimatland<br />

mit ehemaligen Militärkadern gesprochen,<br />

Akten aus dem Bundesarchiv ausgewertet,<br />

Briefe Selhofers an die Mutter<br />

sowie seine noch lebende Schwester<br />

aufgespürt. Resultat: ein erstaunlich detailliertes,<br />

auch von Wehmut gezeichnetes<br />

Porträt eines verlorenen Sohnes.<br />

Urs Rauber<br />

Thorsten Polleit: Der Fluch des<br />

Papiergeldes. Finanzbuchverlag,<br />

München 2011. 143 Seiten, Fr. 21.90.<br />

Die Notenbanken rund um den Globus<br />

fluten die Welt mit Geld. Die farbigen<br />

Papierscheine kosten so wenig wie selten<br />

zuvor. Kann das gut gehen? Kaum,<br />

sagt Thorsten Polleit, deutscher Ökonom<br />

und bekannter Kritiker der staatlichen<br />

Notenbanken. Er hat seine Aufsätze<br />

der letzten Jahre zum Thema Geldentwertung<br />

zusammengetragen. Die<br />

Sammlung kommt zum richtigen Zeitpunkt.<br />

Denn was schon Ludwig von<br />

Mises 1923 und Friedrich August von<br />

Hayek 1970 hinterfragten, gilt heute<br />

mehr denn je: Die Geldmengenausweitung<br />

hat in der Geschichte immer zu<br />

starker Inflation geführt. Wieso sollte es<br />

2011 anders sein? Glauben die Menschen,<br />

dass die Notenbanken nur noch Geld<br />

drucken, um staatliche Haushaltslöcher<br />

zu finanzieren, wird das Vertrauen in<br />

Papiergeld (ver)schwinden. Die Folge<br />

wäre eine Hyperinflation. Polleit erklärt<br />

die Folgen in einfachen Worten.<br />

Charlotte Jacquemart<br />

Gabriele Praschl-Bichler: Kleidung und<br />

Mode im Mittelalter. Herbig,<br />

München 2011. 215 Seiten, Fr. 34.90.<br />

Was trug man im Mittelalter? «Affenhaube,<br />

Schellentracht und Wendeschuh»,<br />

so lauten Antwort und Untertitel<br />

des Buches. Wie die Autorin schreibt,<br />

hätte sie auch die Wörter «Gugeln, Fucken<br />

und Kotzen» wählen können, auch<br />

das Bezeichnungen für hochanständige<br />

Kleidungsstücke. So meint letzteres<br />

einen einfachen Umhang aus ungefärbtem,<br />

grobem Wollstoff, bevorzugt getragen<br />

als Büssergewand. Betuchte – nomen<br />

est omen – liebten im Mittelalter die Gewänder<br />

aber bunt, in mehreren Schichten,<br />

aufwendig genäht und aus Samt und<br />

Seide. Die Autorin gewährt uns einen<br />

Blick in den mittelalterlichen Kleiderschrank,<br />

von der Unterhose (nur für<br />

Männer) bis zum Schleier (ein Muss für<br />

jede anständige Frau). Auch Accessoires<br />

wie Gürtel, Knöpfe, Bänder kommen zur<br />

Sprache. Ein amüsant geschriebenes<br />

und lehrreiches Buch mit vielen Bildern.<br />

Geneviève Lüscher<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 19


Sachbuch<br />

Expeditionen Vor 100 Jahren erreichte der Norweger Roald Amundsen als erster den Südpol und<br />

besiegte damit den Briten Robert F. Scott. <strong>Neue</strong> Bücher widmen sich der Eroberung der Antarktis<br />

Wettlauf zum Südpol<br />

Christian Jostmann: Das Eis und der Tod.<br />

Scott, Amundsen und das Drama am<br />

Südpol. C. H. Beck, München 2011.<br />

320 Seiten, Fr. 28.50.<br />

Diana Preston: In den eisigen Tod. Robert<br />

F. Scotts Expedition zum Südpol. DVA,<br />

München 2011. 352 Seiten, Fr. 32.90.<br />

Reinhold Messner: Pol. Hjalmar<br />

Johansens Hundejahre. Malik,<br />

München 2011. 304 Seiten, Fr. 28.90.<br />

Robert Falcon Scott: Letzte Fahrt. Kapitän<br />

Scotts Tagebuch. Tragödie am Südpol.<br />

Edition Erdmann, Wiesbaden 2011. 320<br />

Seiten, Fr. 36.50.<br />

Von Thomas Köster<br />

Am 15. Dezember 1911 träumt ausgerechnet<br />

Tryggve Gran, der Norweger im<br />

Team des Engländers Robert F. Scott,<br />

dass sein Landsmann Roald Amundsen<br />

den Briten bei der Eroberung des Südpols<br />

zuvorgekommen sei. «Sie sind da!»,<br />

lässt ihn Christian Jostmann in seinem<br />

neuen Buch beim Aufwachen entsetzt<br />

ausrufen.<br />

Die Ausgestaltung der dramatischen<br />

Szene ist dichterische Freiheit, Grans<br />

Notiz zur Vision hingegen historisch<br />

verbürgt, ebenso wie die verspätete Ankunft<br />

Robert F. Scotts und seiner vier<br />

Begleiter sowie sein grausamer Tod auf<br />

dem Rückweg: im Zelt, nur 18 Kilometer<br />

vom Basislager entfernt – weil ein<br />

Schneesturm ihn und seine Kameraden<br />

zu lange an der Weiterreise hinderte.<br />

In einem klugen Kunstgriff schildert<br />

Jostmann das schreckliche Schicksal<br />

Scotts und seiner letzten Gefährten aus<br />

der Sicht des vom Basislager aus startenden<br />

Suchtrupps, zu dem auch der zu-<br />

Rennen der Nationen<br />

«Suche Freiwillige für gefährliche Reise<br />

... Rückkehr ungewiss.» Mit dieser<br />

Anzeige warb Sir Ernest H. Shackleton<br />

1907 für seine Reise zum Südpol. Zuerst<br />

sollte die britische Flagge am Südpol<br />

wehen. In diesem Bewusstsein stach<br />

Robert F. Scott 1910 in See. An Bord<br />

erfuhr er vom gleichen Plan des<br />

Norwegers Roald Amundsen. Amundsens<br />

Expedition erreichte am 14. Dezember<br />

1911 als erste den Südpol, Scotts Team<br />

erst einen Monat später. Während<br />

Amundsen wohlbehalten heimkehrte,<br />

fand Scott auf der Rückreise den Tod.<br />

20 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

rückgelassene Gran gehörte. Und er<br />

schildert ihn – ebenso wie die bittere Erkenntnis<br />

der Niederlage – mit den Worten<br />

aus Scotts Tagebuch, das die Kameraden<br />

bei den Leichen finden – und das<br />

gerade wieder in einer schönen Neuausgabe<br />

erschienen ist. «Die Norweger sind<br />

uns zuvorgekommen», steht darin geschrieben.<br />

«Eine furchtbare Enttäuschung!<br />

All die Mühsal, all die Entbehrungen,<br />

all die Qual – wofür? Für nichts<br />

als Träume, Träume über Tage, die jetzt<br />

zu Ende sind.»<br />

Bis heute hat wohl kein Autor vermocht,<br />

die Tragik des Scheiterns<br />

emotio nal besser in Worte zu kleiden als<br />

der literarisch hoch begabte Expeditionsleiter<br />

selbst. Gerade durch den Einbezug<br />

der Originaldokumente ist Jostmann<br />

die Mischung aus Sachbuch und<br />

historischem Roman deshalb gelungen.<br />

Er legt glaubwürdig dar, wie sich Scotts


Niederlage aus einem Konglomerat von<br />

schlechtem Wetter, unglücklichen<br />

Rückschlägen, dummen Zufällen und fatalen<br />

Fehlentscheidungen zusammensetzte:<br />

Während sich Scotts Motorschlitten<br />

für die frostigen Temperaturen<br />

als unbrauchbar erwiesen und seine<br />

Ponys im aufgetauten Eis nicht vorankamen,<br />

sodass der Trupp die Schlitten<br />

letztendlich selber ziehen musste, reiste<br />

der geografisch ohnehin günstiger positionierte<br />

Amundsen mit seinen Hunden<br />

relativ problemlos zum Pol – und in nur<br />

99 Tagen fast schon gemütlich wieder<br />

zurück zu seiner Basisstation.<br />

Sieger und Verlierer<br />

«Amundsen und seine Gefährten krochen<br />

um vier Uhr morgens in die Hütte»,<br />

heisst es im Buch der britischen Journalistin<br />

Diana Preston. «Und es war ein<br />

Hochgenuss für sie, deren schlafende<br />

Bewohner mit einer beiläufigen Bitte<br />

um Kaffee zu wecken». Während sich<br />

Jostmann noch recht ausgewogen dem<br />

Verlauf beider Expeditionen widmet,<br />

wendet sich Prestons Werk fast aus-<br />

«Mühsal, Qual,<br />

Entbehrungen»:<br />

Teilnehmer der<br />

Expedition von<br />

Robert F. Scott durch<br />

die Eiswüste der<br />

Antarktis 1910–1912.<br />

schliesslich dem grossen Verlierer des<br />

Wettlaufs zu, der 1902 an der Seite Sir<br />

Ernest Henry Shackletons immerhin<br />

rund 460 Kilometer weiter südlich vorgedrungen<br />

war als je ein Mensch zuvor.<br />

So entsteht das imposante Porträt<br />

eines ebenso ehrgeizigen wie zur Trägheit<br />

neigenden und von Selbstzweifeln<br />

geplagten, immer aber fairen Sportsmanns,<br />

der im Unterschied zum siegesorientierten<br />

Amundsen durchaus interessiert<br />

war an wissenschaftlicher Erkenntnis.<br />

Dabei spart auch Preston die<br />

skurrilsten Fehlentscheidungen Scotts<br />

nicht aus: etwa die, in der Mandschurei<br />

nur weisse Ponys einzukaufen, «weil<br />

Shackleton festgestellt hatte, dass seine<br />

dunklen Ponys vor den weissen verendet<br />

waren».<br />

Aber nicht nur auf Seiten Scotts, auch<br />

im Lager Amundsens gab es Verlierer.<br />

Die tragischste Rolle kommt dabei wohl<br />

dem Polarforscher Fredrik Hjalmar Johansen<br />

zu, der ab 1893 bereits unter<br />

Fridtjof Nansen versucht hatte, den geografischen<br />

Nordpol zu erreichen. Nachdem<br />

Amundsen trotz dessen Warnungen<br />

im September 1911 zu früh Anlauf<br />

zur Eroberung des Südpols genommen<br />

hatte und Johansen einen Schlittenkameraden<br />

daraufhin vor dem Erfrierungstod<br />

retten musste, stellte er den<br />

Leiter vor versammelter Mannschaft<br />

wütend zur Rede – und wurde wegen<br />

dieser Meuterei dazu verdonnert, die<br />

Umgebung zu erforschen, statt zum<br />

Südpol zu reisen.<br />

Im farbigen endlosen Weiss<br />

Nun hat der Bergsteiger Reinhold Messner,<br />

der 1989/1990 selbst die Antarktis<br />

über den Südpol durchquerte, dieser<br />

schillernden Figur der Polarforschung<br />

ein mitreissendes Buch gewidmet. Es erzählt<br />

aus der Ich-Perspektive eines Helden,<br />

der, auch nach der Rückkehr gnadenlos<br />

von Amundsen geschnitten<br />

sowie von Frau, Kindern und Freunden<br />

verlassen, einsam und dem Alkohol verfallen<br />

Selbstmord beging.<br />

Es ist die traurige Biografie eines der<br />

besten Skiläufer und Hundeführer seiner<br />

Zeit, der nach der Reise zu seinen<br />

extremen «Sehnsuchtspunkten» im norwegischen<br />

Alltag nicht mehr heimisch<br />

wird. Vor allem aber macht das Buch zumindest<br />

erahnbar, welche Strapazen die<br />

monatelange Dunkelheit und Temperaturen<br />

von minus 60 Grad Celsius den<br />

Pionieren der Polarforschung abverlangten.<br />

So gewinnt selbst das schier<br />

endlose Weiss der Pole narrativ kräftig<br />

an Farbe.<br />

«Hätten wir überlebt, ich hätte eine<br />

Geschichte zu erzählen gehabt von der<br />

Kühnheit, Ausdauer und Tapferkeit meiner<br />

Gefährten, die das Herz eines jeden<br />

Engländers gerührt hätte», schreibt<br />

Scott in seinem Tagebuch. «Stattdessen<br />

müssen diese groben Skizzen und unsere<br />

Leichen die Geschichte erzählen.»<br />

Den zahlreichen Geschichten des Scheiterns<br />

am Südpol haben sich seitdem<br />

zahlreiche Bücher gewidmet. «Das Eis<br />

und der Tod», «In den eisigen Tod» und<br />

«Pol» gehören – neben Scotts Tagebuch<br />

– eindeutig zu den besten. l<br />

816 S., 159 Abb., 4 Karten.<br />

Format 17,0 x 24,0 cm. Geb.<br />

sFr 56,90 (UVP)<br />

ISBN 978-3-406-62147-5<br />

„Macht süchtig“<br />

Tilman Spreckelsen, Frankfurter<br />

Allgemeine Sonntagszeitung<br />

„Ein Fenster auf<br />

die Geschichte<br />

10CAsNsjY0MDAx0jUwMLI0NAYAlR0cNA8AAAA=<br />

10CFVMuwqAMBD7opbk6rU9bxQ3cRD3LuLs_0-2bkIehIRsm2vEx2Xdz_VwApMEQIzJqRoN2UvVSCtOEgJyJmViNq2_fQAtJ6Q2NmEArav0vjappYfx0E0SJD7X_QICSwh7gAAAAA==<br />

der Welt …<br />

Mit<br />

159 farbigen<br />

Abbildungen<br />

Der Band ist eine<br />

Schatzkammer.“<br />

Urs Hafner, NZZ<br />

C.H.BECK<br />

www.chbeck.de<br />

Kopf aus Ife © British Museum<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 21


Sachbuch<br />

Geschichte Politiker aus Ost und West tauschen sich über die unterschiedlichen historischen<br />

Erfahrungen ihrer Länder aus – ein Beitrag wider das Vergessen<br />

Das neue gegen das alte Europa<br />

Zsuzsa Breier, Adolf Muschg (Hrsg.):<br />

Freiheit, ach Freiheit. Vereintes Europa –<br />

geteiltes Gedächtnis. Wallstein,<br />

Göttingen 2011. 247 Seiten, Fr. 24.50.<br />

Von Dieter Ruloff<br />

Der Mensch gewöhnt sich sehr rasch an<br />

vieles, auch an das Gute und Angenehme.<br />

Und weil Erinnerung wohl nützlich,<br />

aber auch schmerzhaft sein kann, hat<br />

das Vergessen mitunter seinen Nutzen.<br />

«Ohne Vergessen sei es ganz und gar unmöglich<br />

zu leben», hat Nietzsche einmal<br />

festgestellt. So ist es in Westeuropa wohl<br />

auch mit Freiheit und Wohlstand. Beides<br />

ist zur Normalität geworden. Dass<br />

die Freiheit einmal erstritten, der Wohlstand<br />

erst erarbeitet worden ist, gerät<br />

oft in Vergessenheit. Darauf angesprochen<br />

wird niemand die Sache in Frage<br />

stellen, aber diese Dinge zu thematisieren<br />

überlässt der Zeitgenosse gerne Historikern<br />

und Philosophen.<br />

Ganz anders liegen die Dinge in Mittel-<br />

und Osteuropa. Hier ist die Zeit von<br />

Diktatur und Mangel zumindest der älteren<br />

Generation noch sehr präsent. Die<br />

friedliche Wende der Jahre 1989–91 erzeugt<br />

rückblickend immer noch Staunen<br />

und Dankbarkeit. Das kollektive<br />

Gedächtnis der Europäer ist also partiell<br />

zumindest ost-westlich geteilt, Folge der<br />

asynchronen historischen Entwicklung,<br />

die der Kontinent nach dem Ende des<br />

zweite Weltkriegs genommen hat: Befreiung<br />

vom Alptraum des Krieges und<br />

der Bedrohung durch die faschistische<br />

Ideologie im Westen, danach Wiederaufbau<br />

mit Hilfe des Marshallplanes, im<br />

Osten hingegen sowjetische Herrschaft<br />

und Mangelwirtschaft, ein Verharren in<br />

Soziale Medien Die Rolle von Internet-Netzwerken bei politischen Umbrüchen ist umstritten<br />

Startet man die Revolution jetzt per Internet?<br />

Matthias Bernold, Sandra Larriva<br />

Henaine: Revolution 3.0. Die neuen<br />

Rebellen und ihre digitalen Waffen.<br />

Xanthippe, Zürich 2011. 162 S., Fr. 27.90.<br />

Von Reinhard Meier<br />

Seit dem unerwarteten «Arabischen<br />

Frühling» zu Beginn dieses Jahres sind<br />

Thesen über die Bedeutung des Internets<br />

und die neuen sozialen Medien für<br />

politische Umbrüche ein beliebtes<br />

Thema. Nun wird niemand bestreiten,<br />

dass mit Hilfe von E-Mails, Twitter-<br />

Nachrichten oder Facebook-Netzwerken<br />

die Möglichkeiten zur Mobilisierung<br />

von Aktionsgruppen phänomenal<br />

erweitert worden sind. Aber sind diese<br />

neuen «digitalen Waffen» tatsächlich<br />

die entscheidenden Instrumente, um<br />

22 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

der Tyrannei für weitere 44 lange Jahren.<br />

Zwei Berliner Vortragsreihen der<br />

letzten beiden Jahre hatten die Thematik<br />

des «Doppelgedächtnis» der Europäer<br />

zum Gegenstand. Eingeladen waren<br />

prominente Vertreter aus Politik, Wissenschaft<br />

und Publizistik, ihre Gedanken<br />

zum Thema und ihre eigenen Erinnerungen<br />

an den Gegenstand in Worte<br />

zu fassen. Die Referenten kamen von<br />

Ost und West: Marianne Birthler, die<br />

Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen,<br />

und ihr Vorgänger Joachim Gauck;<br />

Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister;<br />

Karl Schwarzenberg, der<br />

Chef des Hauses Schwarzenberg und aktueller<br />

Aussenminister Tschechiens;<br />

Radoslaw Sikorski, der Aussenminister<br />

Polens; Vaira Vike-Freiberga, die vormalige<br />

Staatspräsidentin Lettlands, und<br />

mehr als dreissig weitere Redner.<br />

Herausgegeben und eingeleitet haben<br />

den Sammelband Zsuzsa Breier, die das<br />

von ihr gegründete Ost-West-Forum<br />

«Dialog-Kultur-Europa» in Berlin leitet,<br />

und der Schweizer Schriftsteller und Literaturwissenschafter<br />

Adolf Muschg.<br />

Entstanden ist eine faszinierende Sammlung<br />

von Meinungen und Erlebnissen<br />

ganz unterschiedlicher Art, deren Ziel<br />

jedoch ein Gemeinsames ist: Die Achtung<br />

für Freiheit und Wohlstand zu fördern,<br />

wider das Vergessen zu wirken<br />

und Verständnis für einander zu fordern<br />

und fördern.<br />

Geschichte ist identitätsstiftend, sie<br />

«steht für den Mann» — so hat dies der<br />

<strong>Zürcher</strong> Philosoph Hermann Lübbe einmal<br />

auf den Punkt gebracht. Unterschiedliche<br />

Geschichtserfahrung produziert<br />

also zwangsläufig verschiedene<br />

Identitäten. Das «neue» Europa, wie es<br />

Geschichte stiftet<br />

Identität: Nach dem<br />

Mauerfall in Berlin<br />

12. November 1989.<br />

Tyrannen zu stürzen oder dem Widerstand<br />

gegen ein umstrittenes Bauprojekt<br />

zum Durchbruch zu verhelfen?<br />

Die beiden Journalisten Matthias<br />

Bernold und Sandra Larriva Henaine<br />

wollten Schlagwörtern wie «Twitter-<br />

Revolution» oder «Online-Protest» auf<br />

den Grund gehen. Sie haben in zehn Reportagen<br />

mit Akteuren ganz unterschiedlicher<br />

Bewegungen gesprochen<br />

und deren Methoden und Ziele unter<br />

die Lupe genommen. Beschrieben wird<br />

etwa die Rolle der jungen ägyptischen<br />

Video-Bloggerin Sarrah Abdelrahman,<br />

Tochter aus gutem Haus, Studentin der<br />

amerikanischen Universität in Kairo, die<br />

mit Leidenschaft Tweeds und Video-<br />

Filme über die Ereignisse auf dem Tharir-Platz<br />

verbreitet.<br />

Andere Fallbeispiele handeln vom<br />

Protest gegen den Untergrund-Bahnhof<br />

der vormalige amerikanische Verteidigungsminister<br />

Donald Rumsfeld im<br />

Jahre 2003 nannte, sah den Krieg der<br />

Amerikaner im Irak natürlich mit ganz<br />

anderen Augen als Deutsche und Franzosen:<br />

Die Befreiung Iraks vom Despoten<br />

hier, ein weiteres Militärabenteuer<br />

Bushs dort.<br />

Werden die «alten» und «neuen» Europäer<br />

zueinander finden? Karl Schwarzenberg<br />

ist skeptisch: «Das Bewusstsein,<br />

wie sehr wir uns gegenseitig belogen<br />

haben, wie sehr wir uns womöglich<br />

weiterhin belügen werden — das wird<br />

das Prägende sein …» Man kann es aber<br />

auch optimistischer sehen: Die grosse<br />

Osterweiterung der EU von 2004 hat zumindest<br />

die Grundlagen für ein zukünftiges<br />

Miteinander gelegt, und die gemeinsame<br />

Geschichte wird das Ihre<br />

dazu tun. Aber bis dahin, so scheint es,<br />

ist es noch ein langer Weg. ●<br />

Dieter Ruloff ist Professor für<br />

Internationale Beziehungen an der<br />

Universität Zürich.<br />

Stuttgart, den Widerstand gegen Zensoren<br />

in der Türkei oder das skurrile<br />

«Staatsgründungsprojekt» des Thurgauer<br />

Unternehmers Daniel Model, das<br />

mit dem Internet aber wenig zu tun hat.<br />

Die Erfolge der angeblich «neuen Rebellen»<br />

fallen, gemessen an den oft euphorischen<br />

Erwartungen, in den meisten<br />

Fällen ernüchternd aus. Das Internet<br />

erleichtert zwar die Aktivierung von<br />

Gleichgesinnten, doch ohne glaubwürdige<br />

charismatische Führungsfiguren<br />

und strategische Köpfe, die in der realen<br />

Welt die Zügel in die Hand nehmen, versanden<br />

und zerfasern solche Aufwallungen<br />

bald. Das zeigt auch die rasche Entzauberung<br />

des egomanischen Wikileaks-Guru<br />

Julian Assange. Ob mit den<br />

digitalen Netzwerken eine neue Ära der<br />

Politikbegeisterung beginne, fragen die<br />

Autoren. Man darf es bezweifeln. ●<br />

STEPHEN JAFFE / CAMERA PRESS / KEYSTONE


<strong>Doppelbiografie</strong> <strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong> und <strong>Leni</strong> <strong>Riefenstahl</strong>: zwei deutsche Primadonnen<br />

So schön wie egozentrisch<br />

Karin Wieland: <strong>Dietrich</strong> & <strong>Riefenstahl</strong>.<br />

Der Traum der neuen Frau. Hanser,<br />

München 2011. 632 Seiten, Fr. 37.90.<br />

Von Ina Boesch<br />

Die <strong>Dietrich</strong> und die <strong>Riefenstahl</strong> – kaum<br />

jemandem käme in den Sinn, die beiden<br />

Diven in einem Atemzug zu nennen. Politisch<br />

hatten sie das Heu nicht auf derselben<br />

Bühne, paktierte doch die Filmregisseurin<br />

<strong>Leni</strong> <strong>Riefenstahl</strong> mit den Nationalsozialisten,<br />

die Filmschauspielerin<br />

<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong> hingegen mit den<br />

Amerikanern. Auch privat kreuzten sich<br />

ihre Wege kaum, ausser dass sie zu Anfang<br />

ihrer Karriere im gleichen Berliner<br />

Boxstudio trainierten. Und von gegenseitigem<br />

Respekt kann keine Rede sein,<br />

im Gegenteil verabscheuten sich die<br />

beiden von Herzen.<br />

Nun führt die Berliner Autorin Karin<br />

Wieland, die vor einigen Jahren mit<br />

ihrer Biografie über Mussolinis Geliebte<br />

Margherita Sarfatti bekannt geworden<br />

ist, die beiden so unterschiedlichen Ikonen<br />

des 20. Jahrhunderts in einer <strong>Doppelbiografie</strong><br />

zusammen und findet über<br />

das Geburtsdatum und den Geburtsort<br />

hinaus (1901 respektive 1902 in Berlin<br />

geboren) so manche Parallelen. Beide<br />

mussten sich von amusischen Elternhäusern<br />

emanzipieren; beide waren gezwungen,<br />

ihren Traumberuf aufzugeben;<br />

beide kamen über Umwege zum<br />

Film; beide waren als Schauspielerinnen<br />

wenig talentiert; beide führten ein befreites,<br />

äusserst aktives Sexualleben und<br />

waren mit grossen Künstlern der damaligen<br />

Zeit liiert – wenn auch unfähig für<br />

eine längere Paarbeziehung; beide<br />

waren egozentrisch und allein auf ihren<br />

Erfolg bedacht; beide starteten mit fünfzig<br />

Jahren eine weitere Karriere; beide<br />

blieben bis ins hohe Alter Stars und<br />

dank Frischzellenkuren «jung». Und –<br />

zentral für das Film- und Showgeschäft<br />

– beide waren auffallend schön.<br />

Zwei emanzipierte Frauen<br />

Möglicherweise glichen sie sich auch<br />

äusserlich mehr, als ihnen lieb war. Dies<br />

suggeriert zumindest die Fotomontage<br />

von den übereinander gelegten Porträts<br />

der beiden Frauen auf dem Buchumschlag:<br />

Perfekt geschminkter Mund mit<br />

ausgeprägter Unterlippe, vieldeutiges<br />

Lächeln, grosse Augen. Mit solchen<br />

Äus serlichkeiten hält sich Wieland<br />

nicht lange auf, vielmehr beschreibt sie<br />

anhand von reichem Quellenmaterial<br />

sehr anschaulich und klug die Lebensstationen,<br />

die Filme und das Beziehungsnetz<br />

der berühmten Frauen und<br />

lässt so Kultur und Gesellschaft des<br />

20. Jahrhunderts Revue passieren. Dabei<br />

befriedigt sie auch die voyeuristische<br />

Neugier nach dem «Wer mit wem»:<br />

<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong> pflegte herausfordernde<br />

Liebschaften mit ausgeprägten<br />

Künstlerpersönlichkeiten jener Zeit wie<br />

dem Regisseur Josef von Sternberg, dem<br />

<strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong><br />

(links), Anna-May<br />

Wong und <strong>Leni</strong><br />

<strong>Riefenstahl</strong> (rechts)<br />

posieren an einem<br />

Ball in Berlin 1928.<br />

Schriftsteller Erich Maria Remarque,<br />

den Schauspielern Jean Gabin, Elisabeth<br />

Bergner oder Yul Brynner. Auch <strong>Leni</strong><br />

<strong>Riefenstahl</strong> nahm sich berühmte Männer.<br />

So eroberte sie beispielsweise den<br />

damaligen Tennisstar Froitzheim, indem<br />

sie unverfroren an seiner Haustür läutete<br />

und um ein Rendez-vous bat, oder sie<br />

lachte sich an der Ostsee den österreichischen<br />

Banker Sokal an, der – neben<br />

Hitler – zum wichtigsten Financier ihrer<br />

Filme werden sollte.<br />

Ausführlich widmet sich die Autorin<br />

<strong>Riefenstahl</strong>s Verwicklung ins NS-Regime.<br />

Dank der Anfang der neunziger<br />

Jahre in Moskau entdeckten Goebbels-<br />

Tagebücher kann belegt werden, dass<br />

<strong>Riefenstahl</strong> viel früher als behauptet mit<br />

den Nazis zusammenspannte, dass sie<br />

log wie gedruckt und ihre Biografie<br />

schönte. Diese Tatsache ist nicht neu,<br />

doch Wieland geht es nicht in erster<br />

Linie um die Auflistung dieser und jener<br />

Details, vielmehr will sie vorführen, wie<br />

sehr sich die beiden Starlets in ihrer Lebensgestaltung<br />

vom damaligen Frauenbild<br />

unterschieden haben: <strong>Dietrich</strong> und<br />

<strong>Riefenstahl</strong> waren wirtschaftlich unabhängige,<br />

sozial selbständige, berufstätige<br />

Frauen. Wie viel dieser neue Typ<br />

Frau dem neuen Medium Film verdankt,<br />

wird leider nur zwischen den Zeilen<br />

deutlich. Zwar betont Wieland, dass<br />

man in den Zwanzigerjahren dem Wort<br />

misstraute und auf den Körper setzte,<br />

sei es im Tanz oder im Schauspiel, doch<br />

wie sehr der Film <strong>Dietrich</strong> half, sich zu<br />

inszenieren, und <strong>Riefenstahl</strong> befähigte,<br />

andere zu inszenieren, thematisiert sie<br />

nicht explizit.<br />

Gelungenes Porträt<br />

Karin Wieland ist nicht die erste, die die<br />

beiden Primadonnen zusammenbringt.<br />

Ende der Neunzigerjahre hat die deutsche<br />

Schriftstellerin Thea Dorn ein Hörspiel/Theaterstück<br />

geschrieben mit<br />

dem sinnigen Titel Marleni. Darin lässt<br />

sie die hochbetagte <strong>Riefenstahl</strong> ins Zimmer<br />

der ebenso betagten <strong>Dietrich</strong> dringen,<br />

um diese für einen gemeinsamen<br />

Film zu gewinnen. Während Dorn mit<br />

beiden Diven nicht gerade zimperlich<br />

umspringt, macht Wieland kein Hehl<br />

daraus, wem ihre Sympathie gilt: <strong>Marlene</strong><br />

<strong>Dietrich</strong>, was nicht überrascht und<br />

ihr nicht zu verdenken ist. Wielands eindeutige,<br />

in jeder Zeile spürbare (wenn<br />

auch nachvollziehbare) Abneigung<br />

gegen <strong>Leni</strong> <strong>Riefenstahl</strong> schmälert jedoch<br />

das Lesevergnügen dieser ansonsten<br />

gelungenen <strong>Doppelbiografie</strong>. ●<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 23<br />

ALFRED EISENSTÄDT / AP


Sachbuch<br />

Biografie Zwei <strong>Neue</strong>rscheinungen porträtieren den Schriftsteller der Romantik Novalis<br />

Todessüchtiger philosophiert<br />

über die Liebe<br />

Wolfgang Hädecke: Novalis. Biografie.<br />

Hanser, München 2011. 399 Seiten,<br />

Fr. 34.90.<br />

Gerhard Schulz: Novalis. Leben und Werk<br />

Friedrich von Hardenbergs. C. H. Beck,<br />

München 2011. 298 Seiten, Fr. 35.50.<br />

Von Manfred Koch<br />

Es waren schöne, einfache Zeiten, als<br />

Novalis-Biografen noch an der Legende<br />

vom todessüchtigen Schwärmer stricken<br />

konnten. Leben und Werk bildeten<br />

eine fugenlose Einheit. Alles, was diesen<br />

schlechthinnigen Romantiker bewegte,<br />

war demnach zurückzuführen auf ein<br />

Schlüsselerlebnis: den Tod seiner fünfzehnjährigen<br />

Braut Sophie von Kühn im<br />

März 1797 und seinen Entschluss, ihr<br />

«nachzusterben».<br />

In den vier Jahren bis zu seinem eigenen<br />

frühen Verscheiden schrieb er berückende,<br />

rätselhafte Dichtungen wie die<br />

«Hymnen an die Nacht», die um Themen<br />

wie Liebe und Tod, himmlisches<br />

Heimweh und ätherische Verwandlung<br />

kreisen. Zu dieser ergreifenden Geschichte<br />

passte das einzige Bild des Poeten,<br />

das die Nachwelt kannte: der Kupferstich<br />

eines gewissen Eduard Eichen,<br />

der ab 1846 jede Novalis-Ausgabe zierte.<br />

Ausgehend von einem anspruchslosen<br />

Novalis-Portrait im Familienbesitz schuf<br />

Eichen postum das Antlitz, das der Legende<br />

entsprach: der Träumer mit dem<br />

weichen Gesichtsoval, dem mädchenhaften<br />

Schmollmund, den seelenvollen<br />

Rehaugen und der hohen Stirn, von der<br />

die langen Locken hinabwallen. So<br />

musste er ausgesehen haben, der «göttliche<br />

Jüngling, der nur auf der Erde wandelte,<br />

um sich bald wieder zu dem geliebten<br />

Land seiner Sehnsucht aufzuschwingen»,<br />

so ein Lexikon von 1817.<br />

Ein Workaholic<br />

Das heutige Novalis-Bild ist sehr viel<br />

nüchterner und komplizierter. Seit 1960<br />

erscheint die Kritische Ausgabe seiner<br />

Schriften, die akribisch das theoretische<br />

Werk und die Berufstätigkeit des angeblichen<br />

Weltflüchtlings dokumentiert.<br />

Friedrich von Hardenberg, so sein eigentlicher<br />

Name, war – wie man nun<br />

sehen konnte – ein blitzgescheiter Philosoph<br />

in der Nachfolge Kants und Fichtes,<br />

ein genauer Kenner der Naturwissenschaften<br />

seiner Zeit und ein wahrer<br />

Workaholic in seinen Brotberufen als<br />

Verwaltungsbeamter und Salineningenieur.<br />

Verständlich, dass sich angesichts<br />

dieser facettenreichen Persönlichkeit<br />

selbst ausgewiesene Kenner nicht mehr<br />

an das Projekt einer umfassenden Biografie<br />

wagten.<br />

1969 veröffentlichte Gerhard Schulz,<br />

einer der Herausgeber der Kritischen<br />

24 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

Novalis-Museum<br />

auf Schloss<br />

Oberwiederstedt,<br />

Sachsen-Anhalt, wo<br />

Novalis (1772–1801)<br />

Kindheit und Jugend<br />

verbrachte.<br />

Ausgabe, eine vorzügliche Kurzdarstellung<br />

von Leben und Werk. Dabei blieb<br />

es für mehr als vierzig Jahre. Mittlerweile<br />

ist Schulz der Nestor der Novalis-Forschung,<br />

ein Germanist, der sich wie<br />

wenig andere in der Literatur um 1800<br />

auskennt, dazu ein Stilist von hohen<br />

Graden, der sein Wissen anregend und<br />

erhellend auch Nicht-Spezialisten zu<br />

vermitteln versteht.<br />

Verwegene Erotik<br />

Als der Beck Verlag für den Herbst 2011<br />

sein neues Buch über «Leben und Werk»<br />

Hardenbergs ankündigte, durfte man<br />

deshalb gespannt sein. Nun, die Novalis-<br />

Experten werden zunächst enttäuscht<br />

sein. Es ist keine neue Biografie, sondern<br />

eine durch biografische Überleitungen<br />

verbundene Sammlung von<br />

Schulz’ wichtigsten Novalis-Aufsätzen<br />

aus den letzten drei Jahrzehnten. Aber<br />

diese Aufsätze haben es in sich und deshalb<br />

längst verdient, einem grösseren<br />

Publikum vorgestellt zu werden! Am<br />

Anfang steht eine Studie über Novalis-<br />

Bildnisse, die das ganze Spektrum der<br />

Mythisierung bis hin zur gnadenlosen<br />

Verkitschung vorführt; der zweite Teil<br />

besticht durch kluge Interpretationen<br />

berühmter Gedichte wie «An Tieck»,<br />

«Das Lied der Toten» und «Hymnen an<br />

die Nacht». Das Glanzstück sind die<br />

Ausführungen zu «Novalis’ Erotik» im<br />

Mittelteil. Schulz erläutert die verwegene<br />

Liebesphilosophie Hardenbergs, die<br />

alle Gestalten des Eros gleichermassen<br />

würdigt: von der Anziehungskraft, die<br />

das Universum zusammenhält, bis hin<br />

zu den körperlichen Begierden. Von der<br />

Lust auf «Busenberührung» und «Griff<br />

an die Geschlechtsteile» (auch die eigenen)<br />

handelt vielfach das «Journal», das<br />

er nach Sophies Tod führte. In teils kuriosen<br />

Formulierungen («Das Gehirn<br />

gleicht den Hoden») versucht Novalis,<br />

Spirituelles und Sexuelles zusammenzudenken,<br />

um, so Schulz, «zu erfassen,<br />

was menschliche Existenz in ihrer Totalität<br />

ausmacht». Da er hierbei auch die<br />

Abgründe der menschlichen Triebnatur<br />

nicht ausklammert, rückt der romantische<br />

Jüngling in verblüffende Nähe zu<br />

seinem Zeitgenossen de Sade.<br />

Solche Überraschungen erlebt der<br />

Leser von Wolfgang Hädeckes «Novalis»<br />

leider nicht. Es handelt sich tatsächlich<br />

um die erste grosse Biografie, die<br />

auf der Grundlage der Kritischen Ausgabe<br />

und der vielen neueren Spezialstudien<br />

zum experimentellen Denk- und<br />

Sprachstil Hardenbergs entstanden ist.<br />

Fraglos ein kenntnisreiches, ansprechend<br />

formuliertes und argumentativ<br />

ausgewogenes Buch. Aber die bemühte<br />

Korrektheit ist auch sein Problem. Man<br />

vermisst einen energischeren individuellen<br />

Zugriff; oft versteckt sich Hädecke<br />

hinter Urteilen renommierter Novalis-<br />

Forscher (wie Schulz). Unter dem Strich<br />

ist es wieder ein recht frommer Novalis<br />

und auch die totale Entmythisierung des<br />

«Sophienerlebnisses» macht Hädecke<br />

nicht mit. Das ist grundsätzlich legitim.<br />

Aber muss man Hardenbergs Tuberkulose<br />

psychosomatisch auf den «ins Unbewusste<br />

abgesunkenen Todeswunsch»<br />

nach dem Verlust der Geliebten zurückführen?<br />

Vermutlich hat er einfach zu viel<br />

gearbeitet. ●<br />

STAR-MEDIA


Wirtschaftsgeschichte Der Europa Verlag legt die Gottlieb-Duttweiler-Biografie von Curt Riess neu<br />

auf – ein immer noch faszinierendes Unternehmerporträt<br />

Der Mythos vom sozialen Kapital<br />

Curt Riess: Gottlieb Duttweiler. Eine<br />

Biografie. Vorwort Karl Lüönd. Europa,<br />

Zürich 2011. 408 Seiten, Fr. 38.–.<br />

Von Urs Rauber<br />

Als der in Zürich lebende deutsche<br />

Bestsellerautor Curt Riess (1902–1993)<br />

die umfassende Biografie über Migros-<br />

Gründer Gottlieb Duttweiler 1958 abschloss,<br />

war dieser gerade 70 geworden<br />

und auf dem Höhepunkt seines Erfolges.<br />

Der «Lebensmittelheiland» hatte bereits<br />

damals die Schweiz stärker verändert<br />

als jeder andere im 20. Jahrhundert<br />

– so Karl Lüönd in seinem Vorwort zur<br />

unveränderten Neuausgabe.<br />

Das ist exakt auf den Punkt gebracht:<br />

Gottlieb Duttweiler (1888–1962) revolutionierte<br />

nicht nur das Preisgefüge des<br />

damaligen Spezerei- und Detailhandels.<br />

Er wollte seinen Kundinnen – der Hausfrau,<br />

die täglich rechnen muss – nicht<br />

allein das Budget entlasten, sondern<br />

ihren Konsum-Radius erweitern. Indem<br />

er günstige Ferien organisierte (Hotelplan),<br />

Weiterbildung anbot (Klubschule),<br />

Treibstoff und Heizöl verbilligte<br />

(Migrol), Bücher und Schallplatten unters<br />

Volk brachte (Ex Libris), Kredite<br />

und Hypotheken für Kleinverdiener<br />

möglich machte (Migrosbank).<br />

Angefangen hatte der <strong>Zürcher</strong> Unternehmer<br />

als 12-jähriger Bub mit dem Verkauf<br />

selbstgezüchteter Kaninchen. Nach<br />

seiner KV-Lehre reiste er in die Welt<br />

hinaus und sah, wie man günstig Kaffee<br />

und andere Waren einkaufen und absetzen<br />

konnte, wenn man den Zwischenhandel<br />

ausschaltete. Mit 19 wurde Duttweiler<br />

Junior-Partner seiner Lehrfirma.<br />

Und nach intensiven Marktabklärungen<br />

liess er am 25. August 1925 erstmals fünf<br />

Lastwagen auf festgelegten Routen<br />

durch Zürich fahren, um den zögernden,<br />

teils misstrauischen Käuferinnen jene<br />

sechs Lebensmittel anzupreisen, die<br />

jede Hausfrau im Alltag brauchte: Reis,<br />

Bestellungen<br />

hep verlag ag<br />

Brunngasse 36<br />

Postfach<br />

3000 Bern 7<br />

Tel. 031 310 29 29<br />

Fax 031 318 31 35<br />

info@hep-verlag.ch<br />

Seit 86 Jahren<br />

eine Erfolgsstory:<br />

Begonnen hatte die<br />

Migros 1925 mit fünf<br />

Verkaufslastwagen.<br />

Hier ein Gefährt<br />

aus den späten<br />

40er-Jahren.<br />

Zucker, Kaffee, Teigwaren, Fett und<br />

Seife.<br />

Duttweiler, der immer ein wenig an<br />

zu grossem Optimismus litt, war ein sozialer<br />

Arbeitgeber. In der Krise entliess<br />

er kaum Leute, sondern placierte sie in<br />

andere Zweige um. Er setzte durch, dass<br />

ein Prozent des Umsatzes für kulturelle,<br />

soziale und politische Zwecke eingesetzt<br />

wird («Kulturprozent»). 1940 wandelte<br />

er die Aktiengesellschaft in eine<br />

Genossenschaft um und verschenkte die<br />

Anteilscheine zu je 30 Franken seinen<br />

Kunden – die M-Familie entstand und<br />

damit der Mythos vom «sozialen Kapital»<br />

und dem «dritten Weg zwischen<br />

Kapitalismus und Kollektivismus».<br />

Schon früh wurde der Mann mit Zigarre,<br />

breitrandigem Hut und mächtigem<br />

Bauch, der eine gewisse Ähnlichkeit<br />

mit Churchill aufwies, auch zum<br />

Volkstribun und Politiker. Einer, der<br />

seine Gegner mit Lust provozierte, anprangerte<br />

und vor Gericht zog. Der Boykotte<br />

unterlief, Monopolisten bekämpfte<br />

und Kartelle zum Einsturz brachte.<br />

Der sich den Mund von Verbänden, Behörden<br />

und Mitbewerbern nie stopfen<br />

Aymo Brunetti<br />

Wirtschaftskrise ohne Ende?<br />

2. Auflage 2011<br />

176 Seiten, Hardcover<br />

10CAsNsjY0MDAx1TU0sTQ1MQAAc7pgOg8AAAA=<br />

CHF 29.– / EUR 22.–<br />

10CFVMuwrDMBD7IhtJdza5eAzZQobS3UvI3P-famcL6IGE0HG0kvFw28_v_mkEvCR6FB99lLy4GsOyaTgJgVxJubxWvvYJjGqwPjdpAn2olCw6lhnmwzAZlH_X_QdlOEfjgAAAAA==<br />

ISBN 978-3-03905-774-0<br />

liess. Eine Persönlichkeit mit Feuer, Leidenschaft<br />

und Charisma. 1935 gründete<br />

Dutti den «Landesring der Unabhängigen»,<br />

eine Art Vorläuferin der grünliberalen<br />

Bewegung, die ihn und später weitere<br />

unabhängige Geister und Querdenker<br />

wie den Historiker Marcel Beck, den<br />

Kabarettisten Alfred Rasser, den <strong>Zürcher</strong><br />

Stadtpräsidenten Sigmund Widmer<br />

oder die Konsumentenschützerin<br />

Monika Weber in den Nationalrat brachte.<br />

Duttweiler war auch Zeitungsgründer:<br />

der legendären «Tat» (1935–1978)<br />

und des «Brückenbauers» (seit 1942,<br />

heute «Migros-Magazin»).<br />

Riess hat ein euphorisierendes, dennoch<br />

nicht unkritisches Patronporträt<br />

verfasst, das flüssig und spannend geschrieben<br />

und auch heute noch mit Gewinn<br />

zu lesen ist. Die sorgfältig gestaltete<br />

Neuauflage lässt ein Stück Schweizer<br />

Unternehmer- und Konsumentengeschichte<br />

aufleben. Die Faszination über<br />

den Tellerwäscher-Aufstieg dieses<br />

Marktschreiers, Volksbeglückers und<br />

Querulanten vermag den Leser zu packen<br />

und lässt ihn den Staub der Sprache<br />

vor 50 Jahren vergessen. ●<br />

«Empfiehlt sich gleich aus drei Gründen: Es ist verständlich<br />

und unaufgeregt geschrieben, klar und<br />

anschaulich strukturiert und endet auf Seite 176<br />

– auch Menschen mit wenig Zeit ist das durchaus<br />

zumutbar.»<br />

Frankfurter Allgemeine<br />

«Krisenkunde für Einsteiger.»<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Zürcher</strong> Zeitung<br />

Von der Blase auf dem US-Immobilienmarkt bis zur aktuellen Eurokrise – Aymo Brunetti<br />

liefert eine Orientierungshilfe zu vier Jahren Krise.<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 25


Sachbuch<br />

Film Greta Garbo und Salka Viertel verband eine lebenslange Freundschaft in Hollywood<br />

Die Göttliche und die Irdische<br />

Nicole Nottelmann: Ich liebe dich. Für<br />

immer. Greta Garbo und Salka Viertel.<br />

Aufbau, Berlin 2011. 288 Seiten, Fr. 32.90.<br />

Von Martin Walder<br />

Es ist im Frühjahr 1930. In Beverly Hills<br />

gibt Ernst Lubitsch eine Dinnerparty.<br />

Auf dem Sofa thront <strong>Marlene</strong> <strong>Dietrich</strong>,<br />

neben ihr, schmal und im Jackett, Greta<br />

Garbo. Die Schwedin ist in den USA<br />

schon ein Star, «der blaue Engel» <strong>Marlene</strong><br />

soll dort zu einem werden. Die<br />

Schauspielerin Salka Viertel, deren<br />

Mann, der Regisseur und Dichter Berthold<br />

Viertel, auf Murnaus Ruf nach Hollywood<br />

gekommen war, wird der Garbo<br />

vorgestellt. Sie möchte sich neben sie<br />

setzen, <strong>Marlene</strong> tut keinen Wank. So<br />

verziehen sich die beiden auf die Terrasse,<br />

und eine Freund-, Lieb- und Partnerschaft<br />

beginnt, die erst 1978 mit Salkas<br />

Tod in Klosters endet.<br />

In Viertels lesenswerter Autobiografie<br />

«Das unbelehrbare Herz» von 1969<br />

findet sich die hübsche Anekdote auch,<br />

<strong>Marlene</strong> tritt dort aber bloss als «der<br />

deutsche Star» auf. Salka, mit Intelligenz,<br />

Ironie und Energie gesegnet,<br />

wusste ein Image von sich und ihrer intimen<br />

Beziehung zur Garbo zu entwerfen<br />

und wusste, wo und wann sie<br />

George Steiner: Im Raum der Stille:<br />

Lektüren. Suhrkamp, Berlin 2011.<br />

271 Seiten, Fr. 34.90.<br />

Von Arnaldo Benini<br />

Lesen, sagt George Steiner, ist ein kompliziertes<br />

und grosses Abenteuer. Man<br />

sollte sich einem Text mit Bedacht und<br />

Zurückhaltung nähern. Von den «peinlichen<br />

selbstverliebten Gaukeleien» der<br />

zeitgenössischen Kritik hält er nichts.<br />

Der wahre und bedeutende Kritiker, so<br />

Steiner, ist ein Briefträger, der dem<br />

Empfänger einen sprachlich einwandfreien<br />

Brief zuwirft. Seine Bildung und<br />

seine Weltläufigkeit machen ihn selbst<br />

zum idealen Briefträger.<br />

George Steiner wurde 1929 in Paris<br />

geboren. Fünf Jahre zuvor war sein Vater<br />

aus Wien in die französische Hauptstadt<br />

gezogen. Er war einer der wenigen<br />

Juden, die schon in den frühen zwanziger<br />

Jahren bemerkten, dass ihresgleichen<br />

in Deutschland und Österreich die<br />

Vernichtung drohen konnte. Später zog<br />

die Familie in die USA. Steiner ist dreisprachig<br />

aufgewachsen, deutsch, französisch<br />

und englisch. Seine Mutter, eine<br />

Wiener Jüdin, beendete einen Satz selten<br />

in der Sprache, in der sie ihn begonnen<br />

hatte. Steiner lernte zudem Italienisch,<br />

das sich seiner Meinung nach<br />

26 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

schweigen wollte. Hier leuchtet die Literaturwissenschafterin<br />

Nicole Nottelmann<br />

unter die Oberfläche. Was sie da<br />

entdeckt und detailliert nacherzählt, ist<br />

die Geschichte einer Frauenbeziehung,<br />

die alle Höhen und Tiefen zwischen Erfolg<br />

und Depressionen, Liebe und Entfremdung<br />

durchläuft und dabei eine<br />

komplizierte Balance hält.<br />

«Ich liebe dich. Für immer» heisst das<br />

Buch nach einer Briefpassage der Garbo.<br />

Das klingt absolut und so wahr, wie die<br />

beruflichen und die Gefühlsverstrickungen<br />

zwischen den ungleichen Frauen<br />

immer wieder auch (selbst)zerstörerische<br />

Kräfte freisetzten. Salka war fast<br />

zwanzig Jahre älter, gebildet, aus galizischem<br />

Grossbürgertum stammend; ihr<br />

Haus an der Marbery Street in Santa<br />

Monica war berühmt als Emigrantentreffpunkt,<br />

sie amtierte als «Mutter von<br />

ganz Kalifornien» (Carl Zuckmayer),<br />

später, in der unseligen McCarthy-Zeit<br />

als eine Mutter Courage, die kein Blatt<br />

vor den Mund nahm.<br />

Greta Gustafsson dagegen wuchs als<br />

Arbeiterkind zu fünft in einer Einzimmerwohnung<br />

auf. Als Entdeckung des<br />

Regisseurs Mauritz Stiller, der sie zur<br />

«Garbo» machte, wurde sie zum Inbegriff<br />

der androgyn unnahbaren Schönheit,<br />

war scheu und verletzlich, was sie<br />

aber gleichzeitig als Image des verführe-<br />

«für eloquente Hohlheit» eignet, sowie<br />

Latein und Griechisch. Von 1974 bis 1994<br />

war er Dozent für vergleichende Literaturwissenschaften<br />

in Genf und Cambridge,<br />

wo er heute lebt.<br />

Zwischen 1967 und 1997 hat Steiner<br />

für die Wochenzeitschrift «The New<br />

Yorker» über 130 Rezensionen und Essays<br />

verfasst. Die liberale amerikanische<br />

Publikation war von Beginn an ein Pantheon<br />

zeitgenössischer Literatur, zählten<br />

zu ihren Mitarbeitern Borges, Nabokov,<br />

Salinger, Brodsky und andere. Steiner<br />

trat die Nachfolge des Kritikers Edmund<br />

Wilson an, der ihm den Rat erteilte,<br />

sich niemals scheiden zu lassen; die<br />

opulenten Honorare seien an seine drei<br />

Ex-Frauen gegangen. Die Mitarbeit Steiners<br />

endete abrupt, als die Leiterin des<br />

Magazins, Tina Brown, erfuhr, dass er<br />

herumerzählte, der «New Yorker»<br />

werde allmählich trivial.<br />

Steiner rezensierte Monografien über<br />

historische Figuren sowie Werke von<br />

Erzählern und Essayisten. 2009 ist in<br />

den USA eine Sammlung von 33 Artikeln<br />

erschienen, während die deutsche Ausgabe<br />

lediglich 16 Beiträge enthält – darunter<br />

jene über Cioran, Canetti, Brecht,<br />

Kraus, Bernhard, Celan, Albert Speer<br />

und Celine. Herausragend ist das Porträt<br />

über Hermann Broch, einen heute<br />

fast vergessenen Autor. Der Briefwechsel<br />

zwischen Walter Benjamin und<br />

rischen Vamps zu kultivieren wusste.<br />

Mit «Königin Christine» nahm die berufliche<br />

Partnerschaft von Salka und<br />

Greta ihren Anfang. Die Figur der historischen<br />

schwedischen Königin in ihrer<br />

Bisexualität war für Salka auf Garbo zugeschnitten.<br />

Und beide profitierten: Die<br />

Garbo hatte eine Beschützerin gefunden,<br />

Viertel einen Zugang und damit Arbeit<br />

als Autorin und Beraterin des Stars<br />

bei MGM. Über Jahre behauptete sie bei<br />

deren Studiobossen einen Status sozusagen<br />

als «Vorzimmerdame» für den<br />

schwierigen Star, vergleichbar vielleicht<br />

der Rolle als Coach, wie sie Paula Strasberg<br />

für Marilyn Monroe einnahm. Vor<br />

allem aber war Salka Impuls- und Ideengeberin,<br />

psychische Stütze, Ersatzmutter.<br />

Und: Sie war Gretas Geliebte – wie<br />

konkret, bleibt deren Geheimnis.<br />

Nottelmanns doppelbiografische<br />

Darstellung gibt anschaulich Einblicke<br />

in das alte Studiosystem, in dem sich die<br />

Garbo dank Viertel «als einzige der ehemaligen<br />

Stummfilmdiven und länger als<br />

fast jeder andere weibliche Hollywoodstar<br />

mit Ausnahme von Joan Crawford<br />

und Norma Shearer» halten konnte.<br />

Und sichtbar wird die Unbehaustheit<br />

aller Beteiligter vor dem Drama des<br />

20. Jahrhunderts mit Weltkrieg, Migration,<br />

mit seinen Moralvorstellungen und<br />

seinen politischen Hysterien. ●<br />

Essays Der Literaturkritiker George Steiner legt seine besten Arbeiten aus dem «New Yorker» vor<br />

Von der Lust am Provozieren<br />

Gershom Scholem wird als literarisches<br />

und philosophisches Meisterwerk dargestellt.<br />

Erhellend ist der Essay über<br />

Brecht, dessen Gedichte und Schauspiele<br />

für Steiner «zu den schönsten unseres<br />

Jahrhunderts» gehören. Steiner erinnert<br />

daran, dass Brecht auf die Frage, weshalb<br />

er in Moskau nicht um Asyl gebeten<br />

habe und in die USA gereist sei, antwortete:<br />

«Ich bin ein Kommunist, kein<br />

Idiot.» Weitere Themen sind die Schicksalsschläge<br />

des Kunstkritikers Anthony<br />

Blunt, der für die Russen spionierte, und<br />

der Essay über die «Traurigen Tropen»<br />

von Claude Lévi-Strauss. Schade, dass in<br />

der deutschen Ausgabe die Aufsätze<br />

über Goethe, Kafka, Musil, Thomas und<br />

Heinrich Mann fehlen.<br />

Susan Sonntag sagte, der Essayist<br />

Steiner greife alles mit Ernsthaftigkeit<br />

und Lust an der Provokation auf. Obwohl<br />

er das Leben liebt, ist Steiner eine<br />

Stimme des zeitgenössischen Pessimismus.<br />

Die «weinerliche Kantilene» von<br />

E. M. Cioran lehnt er jedoch ab. Selbst<br />

im Jahrhundert von Auschwitz und in<br />

einer von Scharlatanen regierten Welt,<br />

sagt Steiner, sind Ciorans Trauersermone<br />

«Zeugnis einer massiven, gewaltsamen<br />

Vereinfachung.» Was ist von einem<br />

im Greisenalter gestorbenen Moralisten<br />

zu halten, für den jeder, der sich nicht<br />

vor dem dreissigsten Lebensjahr umbringt,<br />

ein Versager ist? ●


Biografie Das Leben des berühmtesten Dokumentenfälschers des 20. Jahrhunderts, Adolfo Kaminsky,<br />

aufgezeichnet von seiner Tochter<br />

Lügen für die gute Sache<br />

Sarah Kaminsky: Adolfo Kaminsky. Ein<br />

Fälscherleben. Kunstmann,<br />

München 2011. 224 Seiten, Fr. 28.50.<br />

Von Fritz Trümpi<br />

Was sich liest wie ein hochspannender<br />

Polit-Krimi, ist in Wirklichkeit der<br />

nüchterne Erfahrungsbericht eines couragierten<br />

Zeitgenossen: Adolfo Kaminsky<br />

war der wohl berühmteste Dokumentenfälscher<br />

im 20. Jahrhundert, der seine<br />

illegale Kunst stets in den Dienst der<br />

guten Sache stellte. Seine Tochter Sarah<br />

Kaminsky, eine in Paris ansässige Schauspielerin<br />

und Drehbuchautorin, fertigte<br />

aus seinen unzähligen erschütternd-ergreifenden<br />

Geschichten eine spannungsvolle,<br />

in einfache Sprache gehüllte<br />

Ich-Erzählung, die sie geschickt mit<br />

Spots auf historische Brennpunkte des<br />

20. Jahrhunderts verwob.<br />

Opfer der Judenverfolgung<br />

Adolfo Kaminsky war zunächst selbst<br />

Opfer von Repression und Verfolgung:<br />

Im Sommer 1943 wurde die jüdische Familie<br />

in Paris verhaftet und ins Internierungslager<br />

Drancy deportiert. Nur dank<br />

dem Umstand, dass die Kaminskys die<br />

argentinische Staatsbürgerschaft besassen,<br />

kamen sie provisorisch wieder frei,<br />

woraufhin der noch keine zwanzig Jahre<br />

alte Adolfo für die Résistance als Ausweisfälscher<br />

tätig wurde. Dabei kam<br />

ihm zupass, dass er als Jugendlicher eine<br />

Färberlehre absolviert hatte und über<br />

stupende Chemiekenntnisse verfügte,<br />

die für eine erfolgreiche Fälschertätigkeit<br />

unerlässlich waren.<br />

Mit dem Ende der deutschen Besatzung<br />

in Paris war sein Fälscheraktivis-<br />

Sarah und Adolfo Kaminsky in der Fälscherwerkstatt in Paris, 2010.<br />

Gefälschte Pässe,<br />

die Adolfo Kaminsky<br />

hergestellt hatte.<br />

mus indes nicht vorbei: Bis zur Kapitulation<br />

der Achsenmächte stellte er deutsche<br />

Ausweise her, die es französischen<br />

Geheimdienstagenten erlaubten, auf<br />

feindlichem Territorium KZs ausfindig<br />

zu machen. Kaminsky war damit zum<br />

«staatlichen Fälscher» aufgestiegen,<br />

wenn auch nur kurzzeitig.<br />

Als er nach Kriegsende den Auftrag<br />

erhielt, Kartenmaterial für das von<br />

Frankreich okkupierte Indochina zu<br />

vervielfältigen, verzichtete er freiwillig<br />

auf eine vielversprechende Beamtenkarriere:<br />

«Spionage in Friedenszeiten war<br />

nicht meine Sache, und die Aussicht,<br />

mich an einem Kolonialkrieg zu beteiligen,<br />

erschreckte mich.»<br />

Privat am Abgrund<br />

Adolfo Kaminsky sehnte sich nach<br />

einem normalen Leben und wollte sich<br />

nur noch seiner grossen Leidenschaft,<br />

der Fotografie, widmen: «Jetzt, da der<br />

Krieg vorbei war, wollte ich nichts Illegales<br />

mehr tun.» Doch es kam rasch anders.<br />

1946 begab er sich mit GIs auf eine<br />

Tour durch deutsche Flüchtlingslager,<br />

die bei ihm schockierende Eindrücke<br />

hinterliess.<br />

Wieder in Paris angekommen, begann<br />

er umgehend, im grossen Stil Papiere für<br />

«displaced persons» zu kreieren, die<br />

den KZ-Überlebenden die illegale Ein-<br />

wanderung nach Palästina ermöglichen<br />

sollten.<br />

In der Folge internationalisierte sich<br />

Kaminskys Tätigkeit zunehmend, und<br />

die Bestellungen für Passfälschungen<br />

kamen buchstäblich aus der ganzen<br />

Welt. Zunächst engagierte er sich für die<br />

Befreiung Algeriens, sodann produzierte<br />

er Pässe für Dominikaner und Haitianer,<br />

bis er schliesslich für die Revolutionäre<br />

Südamerikas zu arbeiten begann:<br />

«So lieferte ich 1967 Kämpfern und Gehorsamsverweigerern<br />

aus 15 verschiedenen<br />

Ländern falsche Papiere, und das<br />

war noch gar nichts im Vergleich zu den<br />

folgenden Jahren bis 1971.»<br />

Kaminskys privates Leben allerdings<br />

verlief zumeist am Rande des Abgrunds<br />

– amourös wie finanziell: Das Fälschen<br />

stellte er stets über seine Liebesbeziehungen,<br />

und obendrein musste dieses<br />

für den bekennenden Humanisten unbedingt<br />

unbezahlt bleiben. Über Wasser<br />

hielt er sich mit Fotoarbeiten, und wenn<br />

dies nicht ausreichte, beschritt er den<br />

Weg zum Pfandleihhaus. Er macht keinen<br />

Hehl daraus, dass er dieser Opfer<br />

nicht manchmal überdrüssig gewesen<br />

wäre, doch zugleich bekennt er: «Wenn<br />

ich nur eine Sekunde lang an jene Unbekannten<br />

dachte, deren Leben in meiner<br />

Hand lag, war mein Selbstmitleid sofort<br />

verflogen.» ●<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27<br />

BENJAMIN BOCCAS


Sachbuch<br />

Metropole Der Historiker Simon Sebag Montefiore erzählt die 3000-jährige Geschichte Jerusalems<br />

Eine Stadt, die nie<br />

zur Ruhe kommt<br />

Simon Sebag Montefiore: Jerusalem. Die<br />

Biografie. S. Fischer, Frankfurt am Main<br />

2011. 872 Seiten, Fr. 38.50.<br />

Von Geneviève Lüscher<br />

Nicht eine Biografie sollte es sein, nein:<br />

die Biografie Jerusalems will der Brite<br />

Simon Sebag Montefiore selbstsicher<br />

und dezidiert vorlegen. Der vielfach<br />

ausgezeichnete Historiker brillierte bis<br />

anhin mit Werken über Russland und<br />

die Sowjetunion, er widmete sich Persönlichkeiten<br />

wie Stalin und Katharina<br />

der Grossen. Über die Geschichte des<br />

Nahen Ostens berichtet er hier erstmals,<br />

obwohl er aus einer berühmten altjüdischen<br />

Familie stammt, die in Jerusalem<br />

selber Geschichte gemacht hat.<br />

Er habe, schreibt der Autor im Vorwort,<br />

nicht eine Geschichte als Abfolge<br />

gewaltsamer Umbrüche und radikaler<br />

Veränderungen darstellen wollen, sondern<br />

er «möchte zeigen, dass Jerusalem<br />

eine Stadt der Kontinuität und Koexistenz<br />

war, eine gemischte Metropole mit<br />

gemischten Bauten und gemischten<br />

Menschen». Und deswegen zeichne er<br />

die Geschichte wenn immer möglich anhand<br />

von Familien und Dynastien nach,<br />

jüdischen, christlichen, islamischen, um<br />

nur die wichtigsten zu nennen. Er wolle<br />

eine Geschichte Jerusalems ohne politische<br />

Agenda schreiben, für alle. Gleich<br />

die erste Karte am Schluss des Buches<br />

macht aber stutzig: Hier wird das Königreich<br />

David und Salomo mit scharf umrissenen<br />

Grenzen eingezeichnet, als<br />

seien diese Grenzen historische Fakten,<br />

was sie bekanntlich aber nicht sind.<br />

28 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

Jerusalem verdankt seine Bedeutung<br />

nicht wie andere grosse Städte seiner<br />

Lage. Es befindet sich weder an wichtigen<br />

Handelsrouten noch an der Küste<br />

des Mittelmeers, sondern in einem unwirtlichen<br />

Bergland mit kargen Wasserressourcen.<br />

Jerusalem sei einzig bedeutend,<br />

weil es laut Sebag Montefiore eine<br />

«heilige Stadt» sei. Sie wurde zum irdischen<br />

Ort für die Kommunikation zwischen<br />

Gott und Mensch, zum Brennpunkt<br />

dreier Religionen, dem Judentum,<br />

dem Christentum und dem Islam.<br />

Wie es dazu gekommen ist, schildert<br />

Sebag Montefiore auf fast 750 Seiten,<br />

gefolgt von einem umfangreichen Anmerkungsapparat,<br />

einer ebensolchen<br />

Bibliografie und verdankenswerterweise<br />

einem Register und Karten.<br />

Bibel als Geschichtswerk<br />

Das erste Kapitel «Judentum» enttäuscht,<br />

respektive es rückt das Werk<br />

weit weg von der Historie in die Fiktion.<br />

Der Autor liest die Bibel, als wäre sie<br />

eine objektive Geschichtsquelle, und<br />

lässt eine klare Unterscheidung von Legenden<br />

und archäologischen Fakten vermissen.<br />

Personen wie David und Salomo<br />

oder Jesus sollen real existiert haben,<br />

obwohl es dafür bis anhin keinen einzigen<br />

Beweis gibt. Auch die Lesung der<br />

berühmten Inschrift auf der Tel-Dan-<br />

Stele, die laut Sebag Montefiore die<br />

Existenz König Davids beweisen soll, ist<br />

unter Fachleuten umstritten.<br />

Man hätte sich als Leserin gerne eine<br />

strikte, neutrale Trennung der Fakten<br />

von den Ideologien gewünscht. Das ist<br />

keine einfache Aufgabe, gibt es doch für<br />

diese frühen Epochen kaum schriftliche<br />

Jerusalem heute,<br />

mit Klagemauer<br />

und Felsendom im<br />

Hintergrund. Die<br />

Ursprünge der Stadt<br />

sind jedoch älter.<br />

AVI HIRSCHFELD / BILDMASCHINE<br />

Quellen, sondern nur Bodenfunde, welche<br />

die an sie gestellten Fragen nicht<br />

beantworten können. Kommt erschwerend<br />

dazu, dass in Jerusalem ständig gebaut<br />

wurde und wird. Seit Jahrtausenden<br />

werden Gebäude abgerissen, neu<br />

gebaut, erweitert, was die archäologische<br />

Arbeit nicht eben erleichtert.<br />

Gerade für die Ursprünge der Stadt<br />

hätte man sich mehr Informationen gewünscht.<br />

Das erste Kapitel beginnt mit<br />

dem Unterkapitel «Die Welt Davids»,<br />

als ob vorher nichts gewesen wäre. Zwar<br />

schreibt der Autor: «Als David die Burg<br />

Zion eroberte, war Jerusalem bereits<br />

alt». Diese wichtige Tatsache, dass die<br />

Stadt nämlich zuerst anderen «gehörte»,<br />

geht unter. Die Kanaaniter, über die<br />

dank moderner Grabungen immer mehr<br />

bekannt wird, hätten ein eigenes Kapitel<br />

verdient. Man weiss heute, dass sie imposante<br />

Bauwerke bauten. Kanaan geriet<br />

dann unter ägyptische Herrschaft,<br />

bevor es – laut der Bibel – von David erobert<br />

wurde. Diese Informationen finden<br />

sich zwar verstreut, sie lassen aber<br />

kein Gesamtbild zu.<br />

Kurzweilige Aperçus<br />

Das mit 200 Seiten umfangreichste erste<br />

Kapitel reicht bis zur Zerstörung des<br />

Tempels durch die Römer im Jahr 70 n.<br />

Chr. Kapitel 2 und 3 umfassen die nächsten<br />

600 Jahre bis zur arabischen Eroberung<br />

und behandeln Christentum, Spätantike<br />

und Frühbyzanz auf gerade mal<br />

50 Seiten. Auch die Kapitel «Islam»,<br />

«Kreuzzüge», «Mamelucken», «Osmanen»<br />

und «Imperialismus» sind ähnlich<br />

kurz. Erst das letzte Kapitel «Zionismus»<br />

hat wieder mehr als 100 Seiten.<br />

Je weiter wir in der Zeit fortschreiten,<br />

desto detailreicher wird die Erzählung<br />

Sebag Montefiores. Denn die schriftlichen<br />

Quellen nehmen zu, die historischen<br />

Nebel lichten sich. Geschickt<br />

pickt der Autor aus den verschiedenen<br />

Epochen interessante Persönlichkeiten<br />

heraus, Männer und Frauen, bekannte<br />

Herrscherfiguren und <strong>Neue</strong>ntdeckungen<br />

wie beispielsweise den Osmanen<br />

Evliya Celebi: 1611 in Istanbul geboren,<br />

bereiste er die Welt und schrieb einen<br />

witzigen zehnbändigen Reisebericht.<br />

Oder David Dorr aus Louisiana, ein<br />

schwarzer Sklave, der 1858 seinen Herrn<br />

auf Weltreise begleitete und über seine<br />

Erlebnisse ein Tagebuch führte.<br />

So erfährt der Leser anhand kurzweiliger<br />

biografischer Notizen von allerlei<br />

Beteiligten die komplizierte Geschichte<br />

dieser ruhelosen Stadt bis zum Sechstagekrieg<br />

1967. Das liest sich flüssig und<br />

unterhaltsam, gar nicht wie ein trockenes<br />

Geschichtsbuch. Das liegt sicher<br />

auch daran, dass die Grenzen zwischen<br />

Doku-Fiktion und harten Fakten bisweilen<br />

leichtfüssig überschritten werden. ●


Diplomatie Charles Maurice de Talleyrand gilt nicht nur als hochbegabter Politiker, sondern auch als<br />

zynischer Opportunist. Zu unrecht, wie Johannes Willms zeigt<br />

Gewiefter Diener Frankreichs<br />

Johannes Willms: Talleyrand. Virtuose<br />

der Macht 1754–1838. C. H. Beck,<br />

München 2011. 384 Seiten, Fr. 36.90.<br />

Von Peter Durtschi<br />

Charles Maurice de Talleyrand diente<br />

dem französischen Staat während mehr<br />

als fünfzig Jahren und unter fünf verschiedenen<br />

Regimen. Von den letzten<br />

Phasen des Ancien Régime bis zur Restauration<br />

bekleidete dieser Diplomat<br />

Posten sowohl unter Napoleon als auch<br />

unter dem wieder errichteten Königtum<br />

der Restauration. Dass Talleyrand Diener<br />

derart vieler Herren war, erschien<br />

vielen Zeitgenossen suspekt und trägt<br />

ihm bis heute das Image des zynischen<br />

Opportunisten ein.<br />

Johannes Willms, ein Publizist und<br />

Frankreichkenner, der schon Napoleon<br />

und Balzac gut lesbare Biografien gewidmet<br />

hat, hält diese Sicht für allzu<br />

einseitig. Dass sich Talleyrand den historischen<br />

Gegebenheiten jeweils sehr<br />

wendig angepasst hat, zeigt schon ein<br />

äusserst turbulenter Lebenslauf. Der<br />

seit 1788 als Bischof amtende Talleyrand<br />

erregte schon Anstoss, als 1789 in Frankreich<br />

die Generalstände – Klerus, Adel<br />

und Dritter Stand – einberufen wurden<br />

und ausgerechnet er als Vertreter der<br />

Kirche vorschlägt, den Kirchenbesitz<br />

zu verstaatlichen, um den drohenden<br />

Staatsbankrott abzuwenden. Die Revolution<br />

schickt den liberal gesinnten Reformer<br />

daraufhin zunächst als Unterhändler<br />

nach London, ihre blutige Phase<br />

zwingt ihn jedoch ins Exil in die USA.<br />

Schon nach vier Jahren ist Talleyrand<br />

wieder in Paris und wird 1797 zum<br />

Aussenminister berufen. Er setzt auf<br />

den kommenden starken Mann und ist<br />

Mitorganisator des Staatsstreichs, der<br />

Napoleon 1799 an die Macht bringt.<br />

Doch der gewiefte Aussenpolitiker<br />

muss bald gewahren, dass Bonaparte<br />

Vorstellungen hat, die seinen eigenen<br />

Festival del film<br />

Locarno 2011<br />

Sélection officielle<br />

www.filmcoopi.ch<br />

Teilnehmer am<br />

Wiener Kongress<br />

(1814–1815) unter<br />

ihnen auch Diplomat<br />

Charles Maurice de<br />

Talleyrand (sitzend,<br />

der Zweite von links).<br />

diametral zuwiderlaufen: Geht es Napoleon<br />

spätestens ab 1805 um die Beherrschung<br />

des Kontinents, versucht Talleyrand,<br />

Bonapartes Machtstreben zu mässigen.<br />

Im Jahr 1808 vollzieht er deshalb<br />

den Bruch mit dem kaiserlichen Regime,<br />

arbeitet in konspirativen Treffen mit<br />

dem Zaren an Bonapartes Sturz mit.<br />

Prompt beruft ihn der neu eingesetzte<br />

Ludwig XVIII. im Mai 1814 erneut als<br />

Aussenminister und entsendet ihn an<br />

den Wiener Kongress, wo es Talleyrand<br />

auch tatsächlich gelingt, das geschlagene<br />

Frankreich wieder als gleichrangige<br />

Macht zu etablieren.<br />

Die nächsten fünfzehn Jahre äussert<br />

sich Talleyrand, berühmt für seine geistreichen<br />

Art, als elder statesman zur politischen<br />

Grosswetterlage. Als durch die<br />

Junirevolution 1830 König Louis Philippe<br />

an die Macht kommt, tritt Talleyrand<br />

ein letztes Mal in den Staatsdienst<br />

und waltet während vier Jahren als Botschafter<br />

in London. Danach lebt er bis<br />

zu seinem Tod 1838 im Schloss Valençay<br />

unweit von Tours. Da er mit dem Eid auf<br />

10CFWKsQqAMAxEvygl1ySNsaN0Ewdx7yLO_v-kdfO448Hx1rVa4m9L2462VzCrEUzNolpYyl4qIie3l4BnBmYoXFQjfj4xoghLHw6NeocSCol2nqRjZHxwzuk-rwfi1cZ1gAAAAA==<br />

Ein Film von<br />

Christoph Kühn<br />

eine weltliche Verfassung und durch<br />

eine Heirat mit der Kirche gebrochen<br />

hatte, verhandelt der versierte Diplomat<br />

nun über Wochen seine Rückkehr in den<br />

Schoss der Kirche, die er auf dem Sterbebett<br />

auch tatsächlich vollzogen hat.<br />

Von drei Möglichkeiten, die Talleyrand<br />

aufgrund seiner aristokratischen<br />

Herkunft und den turbulenten Zeitläufen<br />

offengestanden hätten, habe er<br />

weder die Emigration noch ein zurückgezogenes<br />

Privatleben gewählt, sondern<br />

den Dienst am Staat, hält Willms in seiner<br />

flüssig geschriebenen Darstellung<br />

fest. Und immer sei es dem hochbegabten<br />

Diplomaten dabei um das Gesamtwohl<br />

des französischen Staates gegangen.<br />

Als Opportunisten will Willms Talleyrand<br />

deshalb nicht bezeichnen. Denn<br />

dass er die Grundmotivation auch mit<br />

privaten Vorteilen verband, sei es nun<br />

Ehrgeiz oder Geld, könne «eine letztinstanzliche<br />

moralische Verdammung, wie<br />

sie über ihn verhängt wird, umso weniger<br />

rechtfertigen, als jenes Motiv nie die<br />

Würdigung erfuhr, die es verdient.» ●<br />

Mit Zeichnungen von<br />

Hannes Binder<br />

GLAUSER<br />

10CAsNsjY0MDAx1TU0NTE1tQQA-8KtlQ8AAAA=<br />

Das bewegte Leben des grossen Schriftstellers<br />

Ab Januar 2012 im Kino<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 29<br />

ARCHIV GERSTENBERG / ULLSTEIN BILD


Sachbuch<br />

Abstraktion Mathematisches Denken erleichtert die Lösung philosophischer Probleme<br />

Wie man sich mit Zahlen anfreundet<br />

Timothy Gowers: Mathematik. Reclam,<br />

Ditzingen 2011. 207 Seiten, Fr. 8.90.<br />

Von André Behr<br />

Der Abstraktionsgrad in den mathematischen<br />

Wissenschaften ist bekanntlich<br />

sehr hoch. Man mutet uns Begriffe wie<br />

«Unendlichkeit», «gekrümmte Räume»<br />

oder «höhere Dimensionen» zu oder erwartet<br />

Verständnis für die Konstruktion<br />

der «Quadratwurzel aus der Zahl –1»,<br />

obwohl wir in der Schule gelernt haben,<br />

dass eine negative Zahl mit sich selbst<br />

multipliziert immer ein positives Resultat<br />

ergibt. Für alle, die solche Ideen auf<br />

quälende Weise als paradox empfinden,<br />

hat der englische Mathematiker Timothy<br />

Gowers 2002 «a very short introduc-<br />

30 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 27. November 2011<br />

tion» geschrieben, die nun auf Deutsch<br />

vorliegt.<br />

Gowers Botschaft ist: «Lernt man abstrakt<br />

zu denken, verschwinden viele<br />

philosophische Schwierigkeiten». Es sei<br />

möglich, macht der 47-jährige Cambridge-Professor<br />

Hoffnung, sich mit mathematischen<br />

Ideen anzufreunden, ohne<br />

in technische Einzelheiten einzutauchen.<br />

Den Begriff der höheren Dimensionen<br />

relativiert Gowers, indem er<br />

nicht zuerst nach deren «Existenz»<br />

fragt, sondern die Art von Eigenschaften<br />

diskutiert, die beispielsweise von einem<br />

26-dimensionalen Raum zu erwarten<br />

sind. Die Existenz im mathematischen<br />

Sinne ergibt sich dann durch die Definition<br />

eines Modells, in dem die diskutierten<br />

Eigenschaften konsistent sind. Auf<br />

diese Weise bringt er uns auch bei, wie<br />

Das amerikanische Buch Autonarr gegen Erbsenzähler<br />

Kurz nach seiner Rückkehr zu General<br />

Motors im September 2001 setzte<br />

Bob Lutz seine Kollegen per Hausmitteilung<br />

über die «festen Überzeugungen»<br />

in Kenntnis, von denen er sich<br />

als Chef der Produktentwicklung leiten<br />

lassen wolle. Das Manifest forderte<br />

grösseren Wagemut beim Design, stärkeren<br />

Fokus auf Qualität und einen Abbau<br />

der Bürokratie, an der GM damals<br />

zu ersticken drohte. Zum Abschluss<br />

führte der 1942 als Bankiersohn in Zürich<br />

Geborene das «Bob Lutz-Motto»<br />

an: «Häufig im Irrtum, aber selten im<br />

Zweifel». Nach einer Karriere in den<br />

Spitzenetagen von GM, BMW, Ford und<br />

Chrysler rief Lutz seine neuen Mitarbeiter<br />

zu offener Diskussion und Rückgrat<br />

bei der Durchsetzung ihrer<br />

eigenen Überzeugungen auf.<br />

Das Memorandum findet sich in Car<br />

Guys vs Bean Counters. The Battle<br />

for the Soul of American Business<br />

(Portfolio/Penguin, 241 Seiten). Temperamentvoll<br />

und mit exzellentem Gespür<br />

für vielsagende Anekdoten<br />

schildert Lutz darin seine Rückkehr zu<br />

GM als Schlacht zwischen «Autonarren<br />

und Erbsenzählern», in der seine Überzeugungen<br />

allmählich die Oberhand<br />

gewinnen. Lutz ficht erfolgreich für die<br />

Verschlankung von Entscheidungsabläufen,<br />

terminiert gesichtslose Modelle<br />

und hebt den Elektro-Sedan «Volt» in<br />

das Programm, der GM heute als innovativ<br />

und wettbewerbsfähig erscheinen<br />

lässt. Das Buch endet 2009, als die Finanzkrise<br />

den damals schon weitgehend<br />

erneuerten Konzern in den<br />

Konkurs zwang. Dazu gibt der Autor einen<br />

Ausblick auf die Wiedergeburt von<br />

GM, die ohne den im gleichen Jahr ausgeschiedenen<br />

Lutz stattfand. Seinem<br />

Motto entsprechend, kommt der Leser<br />

auch in den Genuss Lutz’scher Irrtümer,<br />

unter denen seine Ablehnung des<br />

Klimawandels als Menschenwerk besonders<br />

haarsträubend herausragt.<br />

JESSICA RINALDI / REUTERS<br />

Grösseren Mut beim<br />

Design und bessere<br />

Qualität forderte der<br />

Amerikaschweizer<br />

Bob Lutz (unten),<br />

als er 2001 Chef<br />

von General Motors<br />

wurde.<br />

REBECCA COOK / REUTERS<br />

Aber wie Lutz selbst erklärt, gehören<br />

derartige Ausfälle schlicht zu dem Charakter<br />

des ehemaligen Kampfpiloten<br />

beim Reserve-Corps der US-Marines.<br />

Ohne Abstriche lesenswert sind dagegen<br />

seine Schilderungen der Unternehmenskultur,<br />

die Lutz als Absolvent der<br />

elitären Berkeley University nach seinem<br />

Eintritt bei GM 1963 kennengelernt<br />

hatte. Damals brachten visionäre Designer<br />

wie Bill Mitchell dem Konzern<br />

enorme Gewinne ein. Doch diese nährten<br />

eine Bürokratie, die ihr Geschäft<br />

durch endlose Debatten und Zahlenspiele<br />

berechenbar und damit risikofrei<br />

machen wollte. Lutz führt dies auf die<br />

im Zweiten Weltkrieg von jungen Managern<br />

wie Robert McNamara entwickelten<br />

Planungsmethoden zurück, die<br />

danach allmählich weite Teile der amerikanischen<br />

Industrie erobert haben.<br />

Nicht nur bei GM waren Entscheidungsfreude<br />

und Kreativität die ersten Opfer<br />

dieses Trends. Danach brachen die Gewinne<br />

ein. Mit solchen Einsichten gibt<br />

Lutz immer wieder zu erkennen, dass<br />

hinter der von ihm gepflegten Fassade<br />

des kernigen Burschen, der über «hochintelligente<br />

und enorm gebildete» Erb-<br />

Mathematiker das Unendliche oder<br />

Wahrscheinlichkeiten angehen. Und er<br />

führt uns über nur 30 Buchseiten von<br />

den Anfängen der axiomatischen Geometrie<br />

bei Euklid bis zu einem der<br />

schwierigsten Probleme, der Poincaré-<br />

Vermutung, die jüngst von dem genialen<br />

Russen Perelman gelöst worden ist.<br />

Für seine eigenen Forschungen erhielt<br />

Timothy Gowers 1998 die Fieldsmedaille,<br />

die höchste Auszeichnung seines<br />

Fachs. Trotzdem findet er Zeit, eine<br />

Webseite und einen Blog mit vielen<br />

nützlichen Texten und Links zu pflegen.<br />

Seine Einführung gehört zu den besten<br />

Büchern über Mathematik und dürfte<br />

auch Fortgeschrittene begeistern. Ein<br />

Jammer, dass es der Verlag nicht geschafft<br />

hat, die wenigen und simplen<br />

Formeln alle korrekt wiederzugeben. ●<br />

senzähler spottet, ein akademisch<br />

trainiertes Hirn operiert.<br />

Der «Car Guy» keilt auch kräftig gegen<br />

die amerikanische Medien, denen er<br />

ein sachlich verfehltes Faible für japanische<br />

Hersteller wie Toyota oder den<br />

unprofitablen Autobauer Saab vorwirft.<br />

Dessen Produkte verhöhnt Lutz als<br />

technisch zweitklassige Vehikel für<br />

College-Professoren und andere,<br />

selbsternannte «Individualisten». Doch<br />

der Manager räumt auch eigene Fehler<br />

ein. So stellt er seine Ablehnung der<br />

Übernahme des südkoreanischen<br />

Daewoo-Konzerns durch GM heraus,<br />

die sich zu einem grossen Gewinn für<br />

die Amerikaner entwickeln sollte. Dazu<br />

plaudert Lutz aus der Schule und erklärt<br />

beispielsweise den Effekt von<br />

Chromverzierungen auf die Kauflust.<br />

Autos sind für den 79-Jährigen letztlich<br />

Gefühlssache. Aber die Besitzer dürfen<br />

halt keinesfalls von der Qualität ihres<br />

Wagens enttäuscht werden. Derlei Einsichten<br />

finden anscheinend neues Interesse<br />

bei GM: Kürzlich hat der Konzern<br />

Lutz erneut angeheuert – als Berater<br />

mit breitem Portfolio. ●<br />

Von Andreas Mink


MICHEL VAURIS GRAVOS / SYGMA / CORBIS<br />

Agenda<br />

Klaus Kinski Unbekannte Facetten des Schauspielers<br />

Am 23. November jährte sich der Tod des Schauspielers<br />

Klaus Kinski (1926–1991) zum 20. Mal. Er<br />

war das Enfant terrible des deutschen Films. Für sein<br />

ausschweifendes, leidenschaftliches Leben und seine<br />

Wutausbrüche war er ebenso berühmt wie für seine<br />

Darstellung getriebener Menschen. In mehreren<br />

Filmen von Werner Herzog – «Nosferatu», «Aguirre,<br />

der Zorn Gottes», «Fitzcarraldo» – spielte er zentrale<br />

Rollen. Er wirkte aber auch in zahlreichen Krimi- und<br />

Westernproduktionen mit. Unter den neuen Publi-<br />

Bestseller November 2011<br />

Belletristik<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

Umberto Eco: Der Friedhof in Prag.<br />

Hanser. 519 Seiten, Fr. 32.90.<br />

Cecelia Ahern: Ein Moment fürs Leben.<br />

Krüger. 447 Seiten, Fr. 19.50.<br />

Michael Theurillat: Rütlischwur.<br />

Ullstein. 381 Seiten, Fr. 34.90.<br />

Paul Wittwer: Widerwasser.<br />

Nydegg. 400 Seiten, Fr. 35.90.<br />

Charlotte Roche: Schossgebete.<br />

Piper. 282 Seiten, Fr. 19.90.<br />

Jo Nesbø: Die Larve.<br />

Ullstein. 561 Seiten, Fr. 29.90.<br />

Jussi Adler-Olsen: Erlösung.<br />

dtv. 588 Seiten, Fr. 19.50.<br />

Charles Lewinsky: Gerron.<br />

Nagel & Kimche. 539 Seiten, Fr. 29.90.<br />

Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden<br />

Lichts. Rowohlt. 425 Seiten, Fr. 27.–.<br />

Dora Heldt: Bei Hitze ist es wenigstens nicht<br />

kalt. dtv. 318 Seiten, Fr. 18.90.<br />

Sachbuch<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7 Mikael<br />

8<br />

9 Dieter<br />

10<br />

Walter Isaacson: Steve Jobs.<br />

Bertelsmann. 701 Seiten, Fr. 28.50.<br />

Remo H. Largo: Jugendjahre.<br />

Piper. 400 Seiten, Fr. 35.90.<br />

Guinness World Records 2012.<br />

Bibliographisches Institut. 280 Seiten, Fr. 32.90.<br />

Barney Stinson: Das Playbook.<br />

Riva. 176 Seiten, Fr. 15.90.<br />

Barney Stinson: Der Bro Code.<br />

Riva. 200 Seiten, Fr. 14.90.<br />

Rolf Dobelli, Birgit Lang: Die Kunst des<br />

klaren Denkens. Hanser. 246 Seiten, Fr. 21.90.<br />

Krogerus: Die Welt erklärt in drei<br />

Strichen. Kein & Aber. 175 Seiten, Fr. 19.90.<br />

David Bosshart: The Age of Less!<br />

Murmann. 223 Seiten, Fr. 28.50.<br />

Eppler: Blindflug Abu Dhabi.<br />

Woa. 287 Seiten, Fr. 32.90.<br />

Lilly Lindner: Splitterfasernackt.<br />

Droemer. 399 Seiten, Fr. 25.90.<br />

Erhebung Media Control im Auftrag des SBVV; 15. 11. 2011. Preise laut Angaben von www.buch.ch.<br />

kationen von und über Kinski fällt ein Band auf, der<br />

sich schlicht «Vermächtnis» nennt. Er ver sammelt<br />

autobiografische Texte, Erzählungen, Briefe,<br />

Zeichnungen und private Fotografien des Künstlers.<br />

Unser Bild zeigt ihn im Oktober 1977 mit seiner<br />

dritten Frau Minhoi und dem Sohn Nikolai während<br />

der Dreharbeiten für den Film «Rolandslied» in der<br />

Hochebene des Larzac bei Millau. Manfred Papst<br />

Peter Geyer, OA Krimmel (Art Director): Kinski.<br />

Vermächtnis. Edel, Hamburg 2011. 404 S., Fr. 66.90.<br />

Agenda Dezember 11<br />

Basel<br />

Donnerstag, 1. Dezember, 19 Uhr<br />

Peter Rüedi: Dürrenmatt. Lesung,<br />

Fr. 17.–. Literatur haus, Barfüssergasse 3,<br />

Tel. o61 261 29 50.<br />

Mittwoch, 7. Dezember,<br />

19 Uhr<br />

<strong>Marlene</strong> Streeruwitz:<br />

Die Schmerzmacherin.<br />

Lesung. Literaturhaus<br />

(s. oben).<br />

Donnerstag, 8. Dezember, 19 Uhr<br />

Jürg Laederach: Harmfuls Hölle – in<br />

13 Episoden. Lesung, Fr. 17.–.<br />

Literaturhaus (s. oben).<br />

Bern<br />

Montag, 5. Dezember, 20 Uhr<br />

Bänz Friedli: Wenn die mich nicht hätten<br />

– Ein Hausmann wird durchgeschleudert.<br />

Lesung, Fr. 15.–. Thalia im Loeb,<br />

Spitalgasse 47/51, Tel. 031 320 20 40.<br />

Mittwoch, 7. Dezember, 20 Uhr<br />

Endo Anaconda: Walterfahren –<br />

Kolumnen 2007–2010. Lesung, Fr. 15.–.<br />

Stauffacher Buchhandlungen,<br />

<strong>Neue</strong>ngasse 25/37, Tel. 031 313 63 63.<br />

Sonntag, 11. Dezember, 11 Uhr<br />

Susanna Schwager: Ida. Eine Liebesgeschichte.<br />

Lesung, Fr. 18.–. Zentrum<br />

Paul Klee, Tel. 031 359 01 01.<br />

Zürich<br />

Donnerstag, 8. Dezember, 20 Uhr<br />

Klaus Merz: Der Autor<br />

liest und erzählt aus<br />

seinem Werk, Fr. 18.–<br />

inkl. Apéro.<br />

Literaturhaus,<br />

Limmatquai 62,<br />

Tel. 044 254 50 00.<br />

Sonntag, 11. Dezember, 17 Uhr<br />

Das Glauser Quintett präsentiert: Elsi<br />

oder «Sie geht um», nach einer Erzählung<br />

von Friedrich Glauser. Fr. 42.–. sogar<br />

theater, Josefstr. 106, Tel. 044 271 50 71.<br />

Montag, 12. Dezember, 20 Uhr<br />

Martin Walser: Muttersohn. Lesung,<br />

Fr. 30.–. Kaufleuten, Festsaal,<br />

Pelikanplatz 1, Tel. 044 225 33 77.<br />

Mittwoch, 14. Dezember, 15 Uhr<br />

Sandra Landolt: Siku und die Nacht der<br />

Tiere. Lesung für Kinder von vier bis<br />

acht Jahren. Pestalozzi-Bibliothek Sihlcity,<br />

Kalanderplatz 5, Tel. 044 204 96 96.<br />

Donnerstag, 15. Dezember, 20 Uhr<br />

Islandsagas – Reloaded. Ursula Giger<br />

stellt ein grosses Übersetzungsprojekt<br />

vor. Literaturhaus (s. oben).<br />

Bücher am Sonntag Nr. 1<br />

erscheint am 29. 1. 2012<br />

Weitere Exemplare der Literaturbeilage «Bücher am<br />

Sonntag» können bestellt werden per Fax 044 258 13 60<br />

oder E-Mail sonderbeilagen@nzz.ch. Oder sind – solange<br />

Vorrat – beim Kundendienst der NZZ, Falkenstrasse 11,<br />

8001 Zürich, erhältlich.<br />

27. November 2011 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 31<br />

PIXSIL


«Jetzt haben Sie auch die Schutznetze gesehen», sagt Darren Lambert und beschleunigt das Boot.<br />

Wir verlassen die Te-Pangu-Fischfarm, die sich am nördlichsten Punkt der neuseeländischen Südinsel<br />

befindet. Die Netze schützen den Saumon royal vor den Seehunden, die das rot-orange Fleisch<br />

genauso schätzen wie menschliche Fischliebhaber. Kein Wunder, denn die Lachse geniessen nur<br />

gentechfreies Futter. Auch auf den Einsatz von Impfstoffen und Antibiotika verzichtet Darren konsequent.<br />

«Sogar die Seehunde wissen eben, dass es bei uns den besten Lachs gibt», sagt Darren mit<br />

etwas Schalk in der Stimme und geniesst die Fahrt durch die Buchten Neuseelands.<br />

10CEXKOQ6AMAwEwBcl2nVsTHDJUUUUgHgBoub_FRINxXTTWljGZ5zXY96CoGqSaqUrYdWyeBe9SIZ6kHQBOVDhpm4l_p3GKe3AApxgfq77BU6FR1BdAAAA<br />

10CAsNsjY0MDQx0TWyNDU2MwYA_pdogg8AAAA=<br />

Die vielen Gourmet-Produkte von Sélection gibts in grösseren Migros-Filialen und auf www.leshop.ch www.migros.ch / selection

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!