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Jahresbericht 2006 - Deutscher Kinderschutzbund

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Frühe Hilfen für Familien in<br />

Krisensituationen<br />

Podiumsdiskussion am 18. September <strong>2006</strong> in der<br />

Orangerie<br />

Eingeladen waren alle, die beruflich mit Kindern zu tun<br />

haben. Auf dem Podium saßen Vertreter/-innen des<br />

Jugendamts, der Caritas, des Frauengesundheitszentrums,<br />

des Clementine Kinderhospitals und des<br />

Stadtgesundheitsamtes. Drei Fragen standen im<br />

Vordergrund:<br />

• Wie können Risiken für die kindliche Entwicklung,<br />

zumal die Gefahr von Vernachlässigung und/oder<br />

Misshandlung möglichst früh erkannt werden?<br />

• Welche Hilfe- und Unterstützungsangebote benötigen<br />

Familien in belasteten Lebenssituationen zur<br />

Bewältigung ihrer Schwierigkeiten?<br />

• Welche Kooperationen zwischen Jugendhilfe und<br />

Gesundheitswesen sind notwendig, damit frühe Hilfen<br />

zur Vermeidung von Vernachlässigung und Misshandlung<br />

auch wirksam werden können.<br />

Auslöser der Veranstaltung war die spektakuläre Berichterstattung<br />

über dramatische Fälle von Kindermisshandlung<br />

und –vernachlässigung, die die Vermutung<br />

nahe legten, dass sich diese Vorfälle in jüngster Zeit<br />

häuften.<br />

Eine UNICEF Studie (1998-2003) stellt fest, dass in<br />

Deutschland pro Jahr ca. 104 Kinder durch Misshandlung<br />

und Vernachlässigung zu Tode kommen.<br />

Etwa 30% dieser Kinder sind jünger als 1 Jahr. Die Studie<br />

hat ausschließlich Fälle erfasst, die offiziellen Stellen<br />

bekannt wurden. Die Angaben zu der Dunkelziffer<br />

von Kindesvernachlässigungen und –misshandlungen<br />

schwanken zwischen 80.000 (Hurrelmann, Oktober<br />

<strong>2006</strong>) und 500.000 Fällen jährlich (11. Kinder und<br />

Jugendbericht, 2002).<br />

Die Vermutung, eine aktuelle Zunahme der Kindesmisshandlungen<br />

stehe im Zusammenhang mit der wachsenden<br />

Armut immer größerer gesellschaftlicher Gruppen,<br />

wird von der Deutschen Liga für das Kind gestützt<br />

(Newsletter 09/06):<br />

„Die Lebensbedingungen in Deutschland gefährden<br />

das Wohl unserer Kinder. Die Zahl der durch Arbeitslosigkeit<br />

und soziale Isolation entmutigten Familien<br />

steigt. Armut, Perspektivlosigkeit, Selbstwertverlust,<br />

psychische Erkrankungen und Depression der Eltern<br />

belasten das Aufwachsen der Kinder.<br />

Die Risikokonstellationen für Kindesvernachlässigung<br />

und Kindeswohlgefährdung nehmen zu und werden<br />

drastisch steigen, da zunehmend mehr Familien in<br />

Armutsverhältnisse absteigen. Sozialer Abstieg bedeutet<br />

aber nicht nur Verzicht auf Konsum, Urlaub und<br />

Auto, sondern geht eng einher mit dem Verlust von<br />

Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein.<br />

Die Konsequenzen sind ein Gefühl von Resignation und<br />

Versagen, das sich negativ auf die Handlungs- und<br />

Erziehungskompetenz vieler Eltern auswirkt. Man wird<br />

sich darauf einstellen müssen, dass Fälle von Kindesvernachlässigung<br />

und –misshandlung weiter ansteigen<br />

werden.“<br />

Viele Teilnehmer an der Diskussion zeigten sich von<br />

den ursächlichen Zusammenhängen bestimmter Risikokonstellationen<br />

nicht überrascht. Untersuchungsergebnisse<br />

(z.B. der „Mannheimer Studie“) erwähnen dieselben<br />

Risikofaktoren, die zu Misshandlungen und<br />

Vernachlässigungen führen:<br />

• Äußere Faktoren: Allein erziehend, Teenager-<br />

Schwangerschaft, beengte Wohnsituation, belastetes<br />

Wohnumfeld, Leben ohne Partner, soziale Isolation,<br />

häusliche Gewalt, wenig Kontakt zu möglichen Unterstützungssystemen,<br />

Drogen- oder Alkoholabhängigkeit<br />

eines Elternteils.<br />

• Beziehungsabhängige- und innere Faktoren: Unangemessene<br />

Erwartungen an den Säugling/das Kleinkind,<br />

schlechtes Selbstbild als Mutter, schnelle Versagensängste,<br />

geringe Fähigkeit Stresssituationen auszuhalten<br />

, transgenerationale Weitergabe von elterlichem<br />

Fehlverhalten.<br />

• Unsicheres/gestörtes Bindungsverhalten: Die rasch<br />

ablaufenden Reifungs-, Lern-, Anpassungs- und Entwikklungsprozesse<br />

von Kindern sind auf ein stabiles und<br />

sicheres Bindungsverhalten der Eltern angewiesen.<br />

Sind diese Bindungssicherheiten gestört, dann werden<br />

sich Entwicklungsschritte verzögern oder nicht gut abgeschlossen.<br />

Meist spielen mehrere Risikofaktoren eine Rolle, die zu<br />

einem Entgleiten von Beziehungsprozessen zwischen<br />

Eltern und Kind führen können.<br />

Wo setzt Prävention an?<br />

Unklar ist, wie Familien, deren Kinder in ihrer Entwikklung<br />

durch die o. g. Risikofaktoren bedroht sind,<br />

zuverlässig erkannt und durch das Hilfesystem erreicht<br />

werden können. Durch Screening-Verfahren lassen sich<br />

Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiken frühzeitig<br />

erkennen. Allerdings besteht die Gefahr, dass hier<br />

Familien in den Focus der Aufmerksamkeit geraten<br />

könnten, die ihre Kinder niemals misshandeln würden.<br />

Prävention darf nicht stigmatisierend wirken und Familien,<br />

die sowieso schon belastet sind, noch mehr unter

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