Mercator Kolleg - Stiftung Mercator
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Leben gerufen. China, USA, Russland,<br />
Indien: alle nicht dabei. Die<br />
größten Staaten mit den größten<br />
Armeen sind nicht vertreten. Unser<br />
erster Mitgliedsstaat war Senegal,<br />
der zweite Costa Rica und der dritte<br />
Liechtenstein. Das sind unsere Supermächte.<br />
Ich würde eher einen<br />
Vergleich zur Magna Charta in England<br />
ziehen. Sie wurde seinerzeit<br />
zur Kontrolle geschaffen – die Barone<br />
nutzten sie, um die Macht des<br />
Königs in Schranken zu halten. Das<br />
ist es, was der IStGH tut: Die kleinen<br />
Staaten arbeiten zusammen,<br />
um die großen zu kontrollieren.<br />
Welche Probleme ergeben sich aus der Tatsache, dass drei ständige Mitglieder<br />
des UN-Sicherheitsrats das Statut des Gerichtshofs nicht ratifiziert haben?<br />
Unser Hauptproblem ist der Vorwurf einer Doppelmoral. Wenn die großen<br />
Mächte in Ländern agieren, die nicht Mitglieder des Gerichts sind, können wir<br />
nicht einschreiten. Viele denken, das liege an unserer Angst vor ihrem Einfluss.<br />
Der Grund ist aber unsere fehlende rechtliche Zuständigkeit. Davon abgesehen<br />
finde ich es großartig, dass Deutschland, Südafrika, Brasilien etc. die Führung<br />
beim Aufbau dieser Institution übernommen haben.<br />
Wie sehen Sie die Beziehung zwischen Frieden und Gerechtigkeit?<br />
Leider nennen es Diplomaten bereits „Frieden“, während sie noch versuchen,<br />
ihn auszuhandeln. Eine schweizerische Organisation hat einen Bericht veröffentlicht,<br />
der zeigt, dass 85 Prozent aller Friedensverhandlungen nie zu einem<br />
Abkommen führen. Und von den 15 Prozent, die zu einem Abkommen führen,<br />
werden nur 40 Prozent umgesetzt. Das bedeutet nicht, dass wir es nicht versuchen<br />
sollten. Es bedeutet jedoch, dass wir auch nach besseren Lösungen suchen<br />
sollten. Justiz und Gerechtigkeit schaffen Frieden, da sie Verbrechen kontrollieren.<br />
Wenn Sie mit dem sudanesischen Diktator Omar al-Bashir verhandeln und<br />
ihn seinen Völkermord weiter begehen lassen, ist das kein Frieden. Das ist<br />
Appeasement: Bloße Untätigkeit angesichts eines Genozids. Das schützt keine<br />
Menschenleben. Diplomaten und Konfliktmanager müssen lernen, Konflikte<br />
zu verhandeln und dabei die Grenzen des Rechts zu respektieren. Das Recht<br />
setzt immer die Grenze.<br />
Hat die hohe Medienresonanz im Falle Libyens Ihre Ermittlungen erleichtert<br />
oder erschwert?<br />
Die Medien waren im Rahmen der Darstellung des Konflikts durch Dokumentation<br />
und damit der Grundlage der Unterbreitung durch den Sicher-<br />
Der Argentinier Luis<br />
Moreno Ocampo<br />
ist seit 2003<br />
Chefankläger des<br />
Internationalen<br />
Strafgerichtshofs<br />
(IStGH) in<br />
Den Haag<br />
<strong>Mercator</strong> <strong>Kolleg</strong> 2010/11 9