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Mercator Kolleg - Stiftung Mercator

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Seeräuber oder Küstenwächter?<br />

Somalias Piraterie hat sich dank üppiger Lösegeldzahlungen binnen weniger<br />

Jahre zu einem Millionengeschäft entwickelt. Mit einer einzigen Kaperung<br />

können Piraten mehrere tausend Dollar verdienen. 2011 stieg die Zahl der Angriffe<br />

(wie die des durchschnittlich gezahlten Lösegelds) erneut auf einen<br />

Höchststand von weit über 200. Dem seit über drei Jahren vor dem Horn von<br />

Afrika kreuzenden internationalen Verbund von Kriegsschiffen gelang es zwar,<br />

die Zahl der erfolgreichen Überfälle auf etwa zwölf Prozent aller Angriffe zu<br />

senken, aber keinesfalls, die Piraten wirksam abzuschrecken.<br />

Die Piraten haben es auf alles abgesehen, was auf dem Meer kreuzt: Frachter,<br />

Öltanker, Segelyachten; vor kurzem kaperten sie sogar einen Transport mit<br />

2000 lebenden Ziegen, die aus Somalia selbst nach Dubai geliefert werden sollten.<br />

Zwar handelt es sich bei der Piraterie vor allem um ein gewinnbringendes<br />

organisiertes Verbrechen. Für viele somalische Fischer stellt sich die Geschichte<br />

jedoch anders dar: Sie verstehen die Piraterie eher als bewaffneten Aufstand,<br />

denn seit dem Zusammenbruch des somalischen Staates wurden sie von ausländischen<br />

Trawlern systematisch und gewaltsam aus ihren Gewässern verdrängt.<br />

Was die Wut noch verstärkt, sind durchaus glaubwürdige Berichte, dass<br />

außerdem Schiffe aus Europa – die strengen Umweltregulierungen ihrer Heimatländer<br />

umgehend – in den neunziger Jahren unbehelligt große Mengen<br />

Giftmüll verklappten, offenbar nachdem die italienische Mafia mit somalischen<br />

Warlords vor Ort entsprechende Deals gemacht hatte. So nährt sich in Somalia<br />

seit Jahren ein Opfernarrativ, das die Piraten mit einer moralischen Legitimation<br />

versieht und dafür sorgt, dass sie in der Bevölkerung entweder akzeptiert<br />

oder in den abgelegeneren Gegenden wenigstens nicht zur Kenntnis genommen<br />

werden. Das sind beste Voraussetzungen für die Piratenbanden, um unbehelligt<br />

ihrem Geschäft nachgehen zu können.<br />

Illegale Fremdfischerei gibt es überall entlang der afrikanischen Küsten,<br />

aber am Horn von Afrika ist sie besonders lukrativ, denn die dortigen Gewässer<br />

verfügen über einige der reichsten Fischgründe des Kontinents: Begehrte<br />

Thunfische und Hummer sind hier in Hülle und Fülle zu finden. Angesichts<br />

der steigenden weltweiten Nachfrage nach Fisch und angeheizt durch den Sushi-Boom<br />

in den Wohlstandszonen der Welt verwundert es nicht, dass ausländische<br />

Fischereiflotten bald nach dem Kollaps Somalias dessen ungeschützte<br />

Gewässer für sich entdeckten. Diese gehören heute zu den am meisten überfischten<br />

Seegebieten weltweit, in dem laut FAO noch im Jahr 2005 bis zu<br />

700 ausländische Trawler illegal kreuzten. Der Gesamtwert des jährlich illegal<br />

fremdgefischten Fisches in der somalischen 200-Meilen-Zone belief sich nach<br />

Schätzungen zwischenzeitlich auf rund 95 Millionen Dollar. Den Somalis<br />

selbst bleibt wenig von dem Fischreichtum vor ihrer Haustür, denn das Land<br />

verfügt über keine nennenswerte Fischereiflotte mehr.<br />

Europas zwiespältige Rolle<br />

Die Europäer waren bislang wesentlich an dieser Plünderung beteiligt. Es entbehrt<br />

daher nicht einer gewissen Ironie, dass die Europäische Union mit ihrer<br />

64 <strong>Mercator</strong> <strong>Kolleg</strong> 2010/11

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