Mercator Kolleg - Stiftung Mercator
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Juliane Sarnes<br />
studierte in München und Paris Soziologie,<br />
Wirtschafts- und Rechtswissenschaften.<br />
Für einen Doppelmaster ging<br />
sie an die London School of Economics<br />
und die Hertie School of Governance.<br />
Ihr besonderes Interesse gilt der Finanz-<br />
und Wirtschaftspolitik, die sie<br />
als Voraussetzung für eine gelungene<br />
europäische Integration, Wachstum<br />
und Wohlstand betrachtet.<br />
Kontakt:<br />
juliane.sarnes@mercator-fellows.org<br />
testen dastehen, die meisten fiskalischen Regeln – was aber nicht heißt, dass sie<br />
gänzlich nutzlos wären. Auch hier kommt es, wie bei allem, was einen Effekt<br />
erzielen soll (sei es eine Reform oder eine gelungene Pointe), auf das richtige<br />
Timing an.<br />
Insgesamt lernte ich also einige nicht nur in Krisenzeiten brauchbare Lektionen<br />
über „moralische Risiken“ verschiedenster Couleur.<br />
… weil sie Voraussetzung für jede Politik sind<br />
Meine letzte Stage führte mich schließlich nach London zurück, in das Office<br />
for Budget Responsibility (OBR, Amt für Haushaltsverantwortung). Dies ist<br />
ein fiskalpolitischer „Wachhund“, der bei haushaltspolitischen Fehltritten der<br />
britischen Regierung anschlägt. Damit hat das OBR eine so bedeutsame Funktion,<br />
dass sogar auf dem Händetrockner im politisch-korrekten Unisex-Waschraum<br />
„Feel the Power“ steht. (Das allerdings könnte auch auf<br />
die enorme Trocknungskraft desselben gemünzt sein.) Hier sah<br />
ich mit eigenen Augen, wie schmerzhaft Sparen sein kann –<br />
und zwar nicht nur für Politiker, die um ihre Wiederwahl bangen.<br />
Und dies bringt mich wieder zur Frage der Einleitung zurück<br />
– warum ein Projekt zum Thema Schuldenkrise und fiskalpolitische<br />
Nachhaltigkeit?<br />
Während meines Masterstudiums in Public Policy und Management<br />
entwickelte ich im Kreis meiner Kommilitonen äußerst<br />
phantasievolle Strategien für eine gerechtere und effektivere<br />
Sozial-, Bildungs- oder Umweltpolitik. Dabei blendeten<br />
wir zumeist einen profanen, aber nichtsdestotrotz essenziellen<br />
Aspekt aus: die finanzielle Umsetzbarkeit dieser Politiken. Wie<br />
in der feinen Gesellschaft schien „Über Geld spricht man nicht,<br />
Geld hat man“ ein ungeschriebenes Gesetz zu sein.<br />
Später, bei der Analyse der kommunalen Verschuldung in<br />
Deutschland und erst recht der bedenklichen Situation der<br />
britischen Finanzen, beschlich mich die Erkenntnis, dass man<br />
zwar eventuell ohne Geld bis ans Ende der Welt reisen, aber<br />
keine Sozial-, Bildungs- oder Umweltpolitik machen kann.<br />
Auch Hunger, Armut und Menschenrechtsverletzungen sind<br />
mit wohlgefüllter Börse besser zu bekämpfen. Aus diesem<br />
Grunde bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass die Finanzpolitik<br />
nicht nur Basis jedes politischen Projekts, sondern auch<br />
die politische Königsdisziplin ist. Und wer weiß, vielleicht gibt<br />
es dafür ja irgendwann sogar einen Nobelpreis! • •<br />
72 <strong>Mercator</strong> <strong>Kolleg</strong> 2010/11