wirbelwind spezial 4/2012 - Jako-o
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Interview mit Andreas Engel<br />
Der Diplom-Psychologe Andreas Engel ist stellvertretender Vorsitzender der<br />
Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Im <strong>wirbelwind</strong>-Interview<br />
spricht er über Eltern, die von sich und ihren Kindern zu viel verlangen.<br />
... Darüber sprach <strong>wirbelwind</strong>-Redakteurin<br />
Kareen Klippert mit dem Diplom-Psychologen<br />
Andreas Engel, stellvertretender<br />
Vorsitzender der Bundeskonferenz für<br />
Erziehungsberatung (bke).<br />
Herr Engel, wie erleben Sie die Eltern, die zu<br />
Ihnen in die Beratung kommen? Welche Rolle<br />
spielt die Sorge um die Zukunft der Kinder?<br />
■ Ein großer Teil der Eltern, besonders aus der<br />
Mittelschicht, steht massiv unter Druck. Sie haben<br />
Angst, zum Beispiel wegen der Globalisierung,<br />
und fürchten, dass ihre Kinder im<br />
Wettbewerb nicht mithalten können. Sie sorgen<br />
sich, weil die Chinesen angeblich früher und<br />
schneller lernen, die Amerikaner mehr Nobelpreisträger<br />
haben und die finnischen Schulkinder<br />
besser rechnen können. Sie sehen sich mit<br />
der ganzen Welt in Konkurrenz. Das schlägt in<br />
fast jeder Familie mehr oder weniger durch.<br />
Welche Folgen hat dieses Denken für die Kinder?<br />
■ Mittlerweile leiden schon Kinder unter Burnout-Symptomen<br />
und Depressionen. Offener Widerstand<br />
ist bei Kindern selten. Das ist eher bei<br />
Jugendlichen zu bemerken. Sie zeigen zum Beispiel<br />
sehr unangepasstes Verhalten, was dann<br />
aber wieder Disziplinierungsmaßnahmen nach<br />
sich zieht. Bekannt ist ja auch, dass Gehirndoping<br />
massiv zunimmt: Mit Chemie soll die Lernund<br />
Konzentrationsfähigkeit von Kindern erhöht<br />
werden. Das grenzt für mich an Körperverletzung!<br />
Ist den Eltern bewusst, dass sie mit dem Druck,<br />
den sie auf ihre Kinder ausüben, mehr schaden<br />
als nützen?<br />
■ Im normalen Alltag sicher nicht. Ich habe<br />
viele Eltern erlebt, die bei Problemen in der<br />
Schule völlig blind für die Bedürfnisse des Kindes<br />
den Druck noch erhöht haben. Man muss<br />
sich aber klar machen, dass solche Mütter und<br />
Väter selbst getrieben sind von ihren Ängsten,<br />
vor sozialem Abstieg zum Beispiel.<br />
Welchen Rat geben Sie Eltern?<br />
■ Sie sollen solidarisch mit ihren Kindern sein<br />
und nicht noch zusätzlich Druck aufbauen, sondern<br />
in der Schul- oder Berufsausbildung Druck<br />
rausnehmen, wann immer es geht. Sie sollten<br />
außerdem darauf achten, dass Kinder freie Zeit<br />
haben, auch mit Zeiten der Langeweile, der<br />
Muße. Ich empfehle Eltern, für sich die Kirche<br />
im Dorf zu lassen, nachzudenken und sich nicht<br />
anstecken zu lassen vom allgemeinen Konkurrenzdenken.<br />
Erziehung 21