„Gerechter Friede" — Weltgemeinschaft in der Verantwortung - eDoc
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1 2<br />
Karl-Wilhelm Merks<br />
<strong>der</strong> Rechtfertigung e<strong>in</strong>es Krieges, wie <strong>der</strong> Name nahe legen könnte, als vielmehr <strong>der</strong> E<strong>in</strong>-<br />
dämmung <strong>der</strong> Kriegslust und <strong>der</strong> Mäßigung <strong>der</strong> Gewaltanwendung im Krieg. Die immer<br />
mehr aufkommenden Zweifel an dieser Theorie betrafen denn auch nicht ihre humanitä-<br />
ren Intentionen an sich, son<strong>der</strong>n ihre häufige Unwirksamkeit angesichts <strong>der</strong> brutalen<br />
Wirklichkeit des Krieges. Die guten Absichten erwiesen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als nicht allzu<br />
effektiv, we<strong>der</strong> zur Verhütung des Krieges, noch zu e<strong>in</strong>er humaneren, wenn man das<br />
überhaupt so nennen darf, Kriegsführung. Ja, letztendlich konnte die bellum-iustum-<br />
Theorie selbst allzu leicht die ideologische Grundlage bieten für e<strong>in</strong> leichtfertiges Umge-<br />
hen mit dem Frieden. In den komplexen Problemen zwischen den Völkern ließ sich wohl<br />
immer e<strong>in</strong> Grund f<strong>in</strong>den, <strong>der</strong> sich als ratio sufficiens, als h<strong>in</strong>reichen<strong>der</strong> Grund für e<strong>in</strong>en<br />
Krieg ge- o<strong>der</strong> missbrauchen ließ.<br />
Nicht nur das ius ad bellum erweist sich so immer mehr als e<strong>in</strong>e höchst brüchige Kon-<br />
struktion <strong>—</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sicht, die namentlich unter E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Waffenarsenale<br />
unentr<strong>in</strong>nbar wurde. Auch das ius <strong>in</strong> bello, beim Kriegführen selbst, zieht immer wie<strong>der</strong><br />
den Kürzeren gegenüber den wechselseitigen Automatismen von Gewalt.<br />
Die bellum-iustum-Theorie, könnte man sagen, setzt sicher, wenn sie losgelöst für sich<br />
alle<strong>in</strong> betrachtet wird, sozusagen beim falschen Ende an: wenn es schon zu spät ist. Im<br />
Grunde verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t sie den Krieg nicht grundsätzlich, son<strong>der</strong>n kanalisiert ihn bestenfalls.<br />
Gegenüber e<strong>in</strong>er freilich schon längst stets vorsichtigeren Verteidigung des iustum-bel-<br />
lum-Gedankens kommt nun also e<strong>in</strong> Perspektivenwechsel voll zum Tragen. Nicht die<br />
E<strong>in</strong>dämmung des Krieges als e<strong>in</strong> manchmal nicht zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ndes Übel, son<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>e<br />
Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung und die erfor<strong>der</strong>lichen positiven Voraussetzungen hierfür treten <strong>in</strong> den<br />
Mittelpunkt. Anstelle <strong>der</strong> Frage nach dem gerechten Krieg tritt nun die Frage nach dem<br />
gerechten Frieden und damit das Bemühen um die Voraussetzungen und Bed<strong>in</strong>gungen,<br />
die die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit und den Anreiz des Kriegführens verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n, und so den<br />
Krieg verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n helfen. In e<strong>in</strong>er ersten Analyse wies Ulrich Ruh 4 darauf h<strong>in</strong>, dass die<br />
Bischöfe mit diesem Ansatz e<strong>in</strong>erseits zwar konsequent fortbauen auf e<strong>in</strong>em früheren<br />
Schreiben, dem 1983 veröffentlichten Dokument „Gerechtigkeit schafft Frieden". 5 E<strong>in</strong>er<br />
<strong>der</strong> Unterschiede aber ist das Auslassen <strong>der</strong> bellum-iustum-Diskussion.<br />
Die Tatsache, dass über die Lehre vom „gerechten Krieg" nicht mehr gesprochen wird, 6<br />
was wohl noch, sei es <strong>in</strong> umsichtiger und zurückhalten<strong>der</strong> Weise, <strong>der</strong> Fall ist im Kate-<br />
chismus <strong>der</strong> Katholischen Kirche 1993 (Nr. 2308ff.), kann man zwar damit erklären, dass<br />
hierüber das Notwendige <strong>in</strong> vorbildlicher Weise 1983 gesagt worden sei. 7 Aber auch<br />
sonst scheuen sich ja kirchliche Dokumente nicht gerade, das, was e<strong>in</strong>geschärft werden<br />
soll, immer wie<strong>der</strong> zu wie<strong>der</strong>holen. Dass dies hier nicht geschieht, macht den Perspekti-<br />
venwechsel deutlich, <strong>der</strong> für die mo<strong>der</strong>ne christliche Ethik von Krieg und Frieden stets<br />
4<br />
Ulrich Ruh, Friedensethik: Die deutschen Bischöfe melden sich zu Wort, <strong>in</strong>: Her<strong>der</strong> Korrespondenz<br />
54 (11/2000) 548-550.<br />
5<br />
Die deutschen Bischöfe (34), Gerechtigkeit schafft Frieden, Bonn, 18.4.1983 (kurz: GsF)<br />
6 Vgl. GF I die mit Zustimmung zitierte Ökumenische Versammlung <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR (1989): „Mit<br />
<strong>der</strong> notwendigen Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Institution des Krieges kommt auch die Lehre vom gerechten<br />
Krieg, durch welche die Kirchen den Krieg zu humanisieren hofften, an e<strong>in</strong> Ende."<br />
7 Ruh, a.a.O., 548; vgl. GsF, 3. Abschnitt: Die kirchliche Lehre von Krieg und Frieden im Wandel<br />
<strong>der</strong> Geschichte, 20-38: dort hervorragende Darstellung und Diskussion (20ff.; 32ff.). Vgl.<br />
auch Anselm Hertz, Die Lehre vom „gerechten Krieg" als ethischer Kompromiss, <strong>in</strong>: A. Hertz<br />
u.a. (Hg.), Handbuch <strong>der</strong> christlichen Ethik 111, Freiburg u.a. (1982) 425-448.