„Gerechter Friede" — Weltgemeinschaft in der Verantwortung - eDoc
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30 Johannes Beutler SJ<br />
Band „Wem gilt die Bergpredigt?" vertreten hat, nach <strong>der</strong> die Bergpredigt sich an die<br />
Jünger Jesu richtet. 2 Dieser Jüngerkreis wird zunächst vor allem unter <strong>der</strong> Rücksicht<br />
se<strong>in</strong>er Ausstrahlung auf die Welt gesehen. Das Bild von <strong>der</strong> „Stadt auf dem Berge" ist<br />
s<strong>in</strong>nverwandt dem vom „Licht <strong>der</strong> Welt". Im S<strong>in</strong>ne des bischöflichen Textes erfüllen die<br />
Christen ihren Friedensdienst an <strong>der</strong> Welt zuerst und vor allem dadurch, dass sie den<br />
Frieden <strong>in</strong> ihrem Kreise leben und so die Welt „fasz<strong>in</strong>ieren" (GF 47).<br />
Im weiteren Verlauf des biblischen Teils im genannten Dokument werden freilich auch<br />
Möglichkeiten aufgezeigt, wie Christen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewaltbewehrten Welt e<strong>in</strong>en aktiven<br />
Dienst am Frieden leisten können. Da sich Gewalt nicht von heute auf morgen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Welt beseitigen lässt, müssen auch Christen u. U. bereit se<strong>in</strong>, auf Regelmechanismen <strong>der</strong><br />
„noachitischen" Ordnung zurückzugreifen, wenn ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Ausweg bleibt (GF 510.<br />
Dabei kommt dann auch e<strong>in</strong> Dienst <strong>der</strong> Christen an e<strong>in</strong>er schrittweisen M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von<br />
Gewalt <strong>in</strong> den Blick, an e<strong>in</strong>em „Mehr an Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Versöh-<br />
nung" (GF 55). E<strong>in</strong> solcher Dienst wird freilich nur gefor<strong>der</strong>t, solange er erfolgverspre-<br />
chend ersche<strong>in</strong>t. Sonst muss auch <strong>der</strong> Christ bereit se<strong>in</strong>, auf die gewaltbewehrten Formen<br />
<strong>der</strong> Friedenssicherung zurückzugreifen. Es ist darauf h<strong>in</strong>gewiesen worden, dass hier das<br />
Dokument den Christen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dilemma stellt und letztlich dann doch auf das Modell des<br />
„gerechten Krieges" zurückfällt.;<br />
Auffallen<strong>der</strong>weise geht das Hirtenwort nicht ausdrücklich auf die weisheitliche Tradition<br />
e<strong>in</strong>, die von <strong>der</strong> Wohltat am eigenen Fe<strong>in</strong>de spricht. Paulus steht hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er biblischen<br />
Überlieferung, wenn er Röm 12,20 aus dem Buch <strong>der</strong> Sprichwörter (25,210 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
griechischen Fassung zitiert: „Wenn de<strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>d Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er<br />
Durst hat, gib ihm zu tr<strong>in</strong>ken; tust du das, dann sammelst du glühende Kohlen auf se<strong>in</strong><br />
Haupt." Paulus denkt hier ke<strong>in</strong>eswegs an Konfliktlösungen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> christlichen Ge-<br />
me<strong>in</strong>de, son<strong>der</strong>n an jede Art von Konflikten, wie sie unter Menschen aufbrechen können.<br />
So heißt es e<strong>in</strong>leitend: „Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht. Soweit es euch<br />
möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden" (Röm 12,170. E<strong>in</strong> Echo solcher Gedanken<br />
f<strong>in</strong>det sich im ersten Petrusbrief (3,9), e<strong>in</strong>e ausführliche Entfaltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bergpredigt.<br />
Im Folgenden soll versucht werden, die Aussagen <strong>der</strong> Bergpredigt zum Frieden <strong>in</strong> ihrem<br />
größeren Zusammenhang zu betrachten. Gerade von hierher werden sie ihre Aussagekraft<br />
gew<strong>in</strong>nen.<br />
2. Die Bergpredigt im Aufbau des Matthäusevangeliums und im näheren Kontext.<br />
Die Frage <strong>der</strong> Adressaten<br />
Für das rechte Verständnis <strong>der</strong> Bergpredigt ist es wichtig zu wissen, wo sie sich <strong>in</strong>ner-<br />
halb des Gesamtaufbaus vom Matthäusevangelium bef<strong>in</strong>det und wie sie selber aufgebaut<br />
ist (dazu s.u., 3). In den letzten Jahren hat sich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sicht Raum verschafft, die im<br />
Matthäusevangelium drei I lauptteile erkennt. 4 Nach David R. Bauers reicht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>leiten-<br />
2 S. dazu unten, Abschnitt 2.<br />
3 Vgl. Gerhard Beestermöller, Paradigmenstreit <strong>in</strong> <strong>der</strong> katholischen Friedenslehre? Beobachtungen<br />
zum Hirtenwort <strong>„Gerechter</strong> Friede", unten <strong>in</strong> diesem Band, 57.<br />
4 Vgl. Joachim Gnilka, Das Matthäusevangelium (Her<strong>der</strong>s Theologischer Kommentar zum<br />
Neuen Testament 1/1), Freiburg u.a. (1986); Alexan<strong>der</strong> Sand, Das Evangelium nach Matthäus<br />
(Regensburger Neues Testament), Regensburg (1986), <strong>der</strong> freilich Mt 16,21 -28,20 weiter un-