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„Gerechter Friede" — Weltgemeinschaft in der Verantwortung - eDoc

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1 8<br />

Karl-Wilhelm Merks<br />

b) Denn freilich stellt nun die Bibel diese Welt <strong>der</strong> Gewalt, das ist <strong>der</strong> zweite Pfeiler,<br />

zugleich und stets deutlicher unter Kritik. In <strong>der</strong> Darstellung von Gewalt geschieht<br />

zugleich ihre Sichtbarmachung. „Die Bibel zerreißt die Verschleierung <strong>der</strong> Gewalt" (GF<br />

27). Vor allem die Propheten weisen auf ihren Zusammenhang mit Unrecht und Unter-<br />

drückung h<strong>in</strong> (GF 31f.). Insbeson<strong>der</strong>e durch die eigenen Erfahrungen, wenn Israel selbst<br />

im Babylonischen Exil <strong>in</strong> <strong>der</strong> Situation des Opfers ist (GF 35), än<strong>der</strong>t sich se<strong>in</strong>e Haltung<br />

zu Gewalt und Friedfertigkeit und kann das Bild des friedfertigen, ja selbst Gewalt erlei-<br />

denden, unterdrückten Gerechten, <strong>der</strong> nicht Gewalt mit Gewalt beantwortet, zu e<strong>in</strong>em<br />

Leitbild gläubiger menschlicher Existenz werden (vgl. das vierte Knechtgottes-Lied: GF<br />

39). Von hierher führt die hier bereits vorf<strong>in</strong>dliche alttestamentliche L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Absage an<br />

Gewalt auch um den Preis des eigenen Lebens direkt h<strong>in</strong> zu Jesus, se<strong>in</strong>em Leben und<br />

se<strong>in</strong>er Lehre und zum neutestamentlichen Friedensbild (GF 40ff.) <strong>in</strong>sgesamt. Neben dem<br />

Beispiel Jesu selbst ist es vor allem die Lehre <strong>der</strong> Bergpredigt, die für e<strong>in</strong> christliches<br />

Friedensverständnis und e<strong>in</strong>e christliche Friedenslehre als zentral angesehen wird.<br />

Es s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zwei Passagen aus <strong>der</strong> Bergpredigt: E<strong>in</strong>mal aus den Seligpreisun-<br />

gen: (Mt 5,9): „Selig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen." Und<br />

dann aus den sogenannten Antithesen (Mt 5,38-48) <strong>der</strong> Verzicht auf Gewalt o<strong>der</strong> Ver-<br />

geltung bis h<strong>in</strong> zur Fe<strong>in</strong>desliebe.<br />

Bekanntlich begleitet die Frage, wie die Gewaltlosigkeit und Fe<strong>in</strong>desliebe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berg-<br />

predigt zu verstehen sei, für wen sie eigentlich bestimmt sei und was sie für das christli-<br />

che Verhalten bedeute, die ganze Christentumsgeschichte. Das bischöfliche Schreiben<br />

jedenfalls versteht die Bergpredigt als Weisung für alle Jünger Jesu (GF 46ff.), die <strong>in</strong>-<br />

nerweltlich realisiert werden soll und auch kann, freilich um den Preis von Verfolgung,<br />

Leiden und Kreuz (GF 49-50).<br />

E<strong>in</strong>e solche Sicht muss freilich um zwei Voraussetzungen erweitert werden.<br />

c) Das ist e<strong>in</strong>mal <strong>der</strong> dritte Pfeiler <strong>der</strong> biblischen Sichtweise <strong>—</strong> neben dem realistischen<br />

<strong>der</strong> Gewaltwirklichkeit und dem kritischen <strong>der</strong> Gewaltentschleierung <strong>—</strong>, <strong>der</strong> Pfeiler, den<br />

ich den prophetischen genannt habe. Es ist die Überzeugung, dass e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Frieden<br />

möglich ist und dass es uns verheißen ist als Werk Gottes selbst, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Herrschaft und<br />

se<strong>in</strong> Reich am Ende <strong>der</strong> Zeiten voll realisieren wird (GF 25), Gottes Reich, das die<br />

Christen <strong>in</strong> Jesus se<strong>in</strong>en Beg<strong>in</strong>n nehmen sehen (vgl. GF 45).<br />

Das Dokument zitiert <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die bekannten Verse aus Micha 4,1-4<br />

(vgl. Jesaja 2,2-4), Texte, die dann im NT auf Jesus bezogen werden (z.B. Lk 2,29-32):<br />

Der Zionsberg, „<strong>der</strong> Berg mit dem Haus des Herrn steht festgegründet als höchster <strong>der</strong><br />

Berge. Er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen die Völker. Viele Nationen machen sich<br />

auf den Weg. Sie sagen: ‚Kommt, wir ziehen h<strong>in</strong>auf zum Berg des Herrn und zum Haus<br />

des Gottes Jakobs. Er zeige uns se<strong>in</strong>e Wege, auf se<strong>in</strong>en Pfaden wollen wir gehen.' Denn<br />

von Zion kommt die Weisung, aus Jerusalem kommt das Wort des Herrn. Er spricht<br />

Recht im Streit vieler Völker, er weist mächtige Nationen zurecht bis <strong>in</strong> die Ferne. Dann<br />

schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und W<strong>in</strong>zermesser aus ihren Lanzen.<br />

Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.<br />

Je<strong>der</strong> sitzt unter se<strong>in</strong>em We<strong>in</strong>stock und unter se<strong>in</strong>em Feigenbaum, und niemand schreckt<br />

ihn aufs' (Micha 4,1-4).<br />

Ohne diese endzeitliche Verheißung, so könnte man sagen, g<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>er biblischen Frie-<br />

densvision ganz gewiss <strong>der</strong> Atem aus, angesichts <strong>der</strong> sich ja aufdrängenden bleibenden

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