„Gerechter Friede" — Weltgemeinschaft in der Verantwortung - eDoc
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4. Die Heilszusagen am Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Bergpredigt<br />
Johannes Beutler SJ<br />
Am Anfang <strong>der</strong> großen Rede Jesu, mit <strong>der</strong> Matthäus <strong>in</strong> die Verkündigung Jesu e<strong>in</strong>führt,<br />
steht nicht das for<strong>der</strong>nde Wort, son<strong>der</strong>n die Heilszusage. Es lassen sich sogar zwei Abschnitte<br />
unterscheiden, <strong>in</strong> denen Jesus zu Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Rede Aussagen über se<strong>in</strong>e Hörer<br />
und se<strong>in</strong>e Jünger macht, bevor er zur ethischen Unterweisung übergeht: die neun Seligpreisungen<br />
<strong>in</strong> Mt 5,3-12 und die Worte über die Jünger <strong>in</strong> den Versen 13-16.<br />
In <strong>der</strong> Gestalt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir die Seligpreisungen heute bei Matthäus besitzen, tragen sie<br />
se<strong>in</strong>e Handschrift, auch wenn e<strong>in</strong> Grundbestand von ihnen aus <strong>der</strong> Überlieferung <strong>der</strong><br />
Spruchquelle übernommen se<strong>in</strong> dürfte (vgl. Lk 6,206-24 Dabei könnte die Gestalt <strong>der</strong><br />
Seligpreisungen bei Matthäus auch schrittweise gewachsen se<strong>in</strong>. Erkennbar ist e<strong>in</strong>e Zusammengehörigkeit<br />
<strong>der</strong> ersten acht Seligpreisungen. Wir hatten auf <strong>der</strong>en Rahmung<br />
schon h<strong>in</strong>gewiesen, <strong>in</strong>sofern die erste und die letzte von ihnen mit <strong>der</strong> Verheißung des<br />
Himmelreiches endet. Noch e<strong>in</strong>mal zusammengehörig s<strong>in</strong>d die ersten vier Seligpreisungen,<br />
bei denen die selig gepriesene Menschengruppe stets mit e<strong>in</strong>em griechischen „p"<br />
anfängt. Dazu erwies sich auch das Stichwort <strong>der</strong> Gerechtigkeit als wichtig, das zum<br />
Wortbestand <strong>der</strong> vierten und <strong>der</strong> achten Seligpreisung gehört. Wir hatten gesehen, dass es<br />
zu den wichtigen Stichworten <strong>der</strong> ganzen Bergpredigt gehört.<br />
Man sagt oft, Matthäus habe die aus <strong>der</strong> Tradition übernommenen Seligpreisungen „ethisiert",<br />
d.h. das menschliche Handeln stärker herausgestellt als etwa Lukas, wo <strong>—</strong> vielleicht<br />
entsprechend älterer Tradition <strong>—</strong> menschliches Erleiden und Erleben im Vor<strong>der</strong>grund<br />
steht. So entsprechen den „Armen im Geiste" bei Matthäus nur die „Armen" bei<br />
Lukas, und es fehlt etwa die Seligpreisung <strong>der</strong> Friedensstifter. An dieser Beobachtung<br />
mag etwas Wahres se<strong>in</strong>, doch lädt <strong>der</strong> Text des Matthäus e<strong>in</strong>, ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er vorliegenden<br />
Gestalt noch etwas genauer zu untersuchen. Dabei können <strong>der</strong> genannte Artikel von D.C.<br />
Allison Jr. 14<br />
sowie e<strong>in</strong>e Studie von A. Kodjak helfen.I 5<br />
Ausgangspunkt für e<strong>in</strong>e genauere<br />
Analyse kann se<strong>in</strong>, dass es sich bei Matthäus nicht um acht, son<strong>der</strong>n um neun Seligpreisungen<br />
handelt. Die Seligpreisung <strong>der</strong> Verfolgten <strong>in</strong> V. 10 wird nämlich <strong>in</strong> V. 11-12<br />
erweitert wie<strong>der</strong>holt, wo Jesus von <strong>der</strong> Rede <strong>in</strong> <strong>der</strong> 3. Person zur direkten Anrede übergeht.<br />
Damit erhalten die Seligpreisungen e<strong>in</strong> starkes „Achtergewicht", d.h. sie führen zu<br />
e<strong>in</strong>em Höhepunkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> direkten Anrede <strong>der</strong> Jünger als zukünftig Verfolgten. Von hier<br />
aus kann man die Gruppe <strong>der</strong> Seligpreisungen dann auch von h<strong>in</strong>ten lesen. Die Armen<br />
s<strong>in</strong>d dann wohl arm, weil sie zum Kreis <strong>der</strong> verfolgten Anhänger Jesus gehören, darum<br />
trauern sie vielleicht auch, bewähren sich aber auch als Sanftmütige und Friedensstifter,<br />
stets hungernd und dürstend nach Gerechtigkeit.<br />
Versucht man, auch im Blick auf von Matthäus bevorzugte Dreiteilungen, die neun Seligpreisungen<br />
<strong>in</strong> Dreiergruppen aufzuteilen und vor allem die Bed<strong>in</strong>gungsseite, die die<br />
Verheißung auslöst, semantisch zu analysieren, kann man e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante Beobachtung<br />
machen: am Anfang stehen drei Seligpreisungen, die von Zuständen ausgehen: <strong>der</strong> Armut,<br />
<strong>der</strong> Trauer, aber auch <strong>der</strong> Sanftmut. In den nächsten drei Seligpreisungen geht es<br />
eher um das Tun <strong>der</strong> von Jesus Gepriesenen: Hunger und Durst nach Gerechtigkeit,<br />
Barmherzigkeit, re<strong>in</strong>e Absicht. In <strong>der</strong> dritten und letzten Gruppe erfolgt dann <strong>der</strong> Übergang<br />
vom Tun zum Erleiden des Menschen. Es überrascht und gibt zu denken, dass diese<br />
14 S. o., Anm. 10.<br />
15 Andrej Kodjak, A Structural Analysis of the Sermon an the Mount, Berl<strong>in</strong> u.a. (1986).