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„Gerechter Friede" — Weltgemeinschaft in der Verantwortung - eDoc

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Gerhard Beestermöller<br />

Paradigmenstreit <strong>in</strong> <strong>der</strong> katholischen Friedenslehre?<br />

Beobachtungen zum Hirtenwort <strong>„Gerechter</strong> Friede"'<br />

Am 27. September 2000 leisteten die deutschen Bischöfe mit ihrem Hirtenwort „Ge-<br />

rechter Friede" e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zu <strong>der</strong> öffentlichen Debatte über die Friedens-<br />

sicherung. Gleich im ersten Satz er<strong>in</strong>nern sie an ihr Hirtenwort „Gerechtigkeit schafft<br />

Frieden" von 1983, mit dem sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> damals erhitzten Debatte über die Legitimität<br />

atomarer Abschreckung ethische Orientierung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen wollten. Das neue Wort ver-<br />

steht sich als Fortsetzung dieses Anliegens unter verän<strong>der</strong>ten Bed<strong>in</strong>gungen. Die nach<br />

dem Ende des Kalten Krieges neue politische Situation <strong>in</strong> Europa und weltweit erfor<strong>der</strong>t<br />

aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Bischöfe „e<strong>in</strong>e ethisch begründete Neuorientierung <strong>der</strong> Friedenspolitik,<br />

<strong>der</strong>en Hauptakzent und Zielperspektive wir <strong>in</strong> programmatischer Kürze mit dem Titel des<br />

vorliegenden Schreibens zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen: Gerechter Friede" (GF 1).<br />

Gerechter Friede hat <strong>in</strong> den Medien, <strong>in</strong> <strong>der</strong> politischen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> kirchlichen Debatte e<strong>in</strong><br />

sehr positives Urteil erhalten. Das breite, positive Urteil stützt sich weniger auf be-<br />

stimmte profilierte Aussagen o<strong>der</strong> po<strong>in</strong>tierte For<strong>der</strong>ungen, als vielmehr auf den Gesamt-<br />

duktus des Dokuments: die For<strong>der</strong>ung, Politik, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> ihrer <strong>Verantwortung</strong> für<br />

den Frieden, auch und gerade nach dem Ende des Systemantagonismus von Ost-West<br />

nicht aus dem Anspruch von Ethik und Moral zu entlassen. Die Bischöfe treten <strong>der</strong> Ver-<br />

suchung entgegen, Politik, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die deutsche, nur als Durchsetzung eigener Inte-<br />

ressen zu def<strong>in</strong>ieren. Offensichtlich haben die Bischöfe e<strong>in</strong>en Nerv getroffen und <strong>der</strong><br />

Sorge vieler Menschen jenseits divergieren<strong>der</strong> politischer Ausrichtungen e<strong>in</strong>e Stimme<br />

gegeben, die <strong>in</strong> Fragen des Friedens immer noch Gewicht hat. Dieses positive Urteil über<br />

das neue Hirtenwort zum Frieden wollen die folgenden Beobachtungen <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise<br />

schmälern. Gerechter Friede stellt zweifellos e<strong>in</strong>en bedeutsamen Beitrag zur öffentlichen<br />

Debatte dar und hat auch die gesellschaftliche Autorität <strong>der</strong> Kirche wie<strong>der</strong> gestärkt.<br />

Das Anliegen dieser Überlegungen ist es, e<strong>in</strong>e theologische Debatte über jene Fragen<br />

anzuregen, die <strong>der</strong> Text geradezu aufdrängt. Gerechter Friede argumentiert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Dreischritt. In e<strong>in</strong>em ersten Schritt soll biblisch-fundamental das Verhältnis zwischen<br />

dem Frieden, den Christus br<strong>in</strong>gt, und dem, <strong>der</strong> durch Politik realisiert werden kann,<br />

geklärt werden. In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt wird das politische Leitbild des gerechten Frie-<br />

dens als e<strong>in</strong>e theologisch begründete For<strong>der</strong>ung an Politik entwickelt. Der dritte Teil<br />

behandelt die Aufgaben <strong>der</strong> Kirche im Dienst am Frieden. Das positive, öffentliche Urteil<br />

bezieht sich vor allem auf den zweiten Teil, die friedensethischen Ausführungen im<br />

engeren S<strong>in</strong>n.<br />

Mich <strong>in</strong>teressiert hier vor allem <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen dem ersten und dem<br />

zweiten Teil. Me<strong>in</strong>e These ist, dass im ersten Teil e<strong>in</strong>e Diastase zwischen Kirche und<br />

Staat gezeichnet wird. Staat und Recht s<strong>in</strong>d von Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> unerlösten, von <strong>der</strong> Sünde<br />

gezeichneten Welt errichtet worden, um die Welt vor dem absoluten Chaos zu bewahren.<br />

I Zuerst erschienen <strong>in</strong>: Stimmen <strong>der</strong> Zeit 219 (2001), 173-185.

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