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„Gerechter Friede" — Weltgemeinschaft in der Verantwortung - eDoc

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26 Karl-Wilhelm Merks<br />

phänomen gegenüber häufig immer noch, e<strong>in</strong>e merkwürdig ambivalente Stellung e<strong>in</strong>. Das<br />

gilt auch für die Frage des Krieges. Das Alte Testament mit se<strong>in</strong>en Heiligen Kriegen<br />

JHWH's <strong>—</strong> auch wenn das Gewalt-Phantasien von Menschen se<strong>in</strong> sollten, die je<strong>der</strong> Macht<br />

beraubt s<strong>in</strong>d <strong>—</strong> liefert hierfür ebenso e<strong>in</strong> Beispiel wie die von Kriegen durchzogene<br />

Christentumsgeschichte.<br />

Ich habe daher die These vertreten und wie<strong>der</strong>hole sie hier, dass die Kriegsproblematik<br />

grundlegend säkular <strong>in</strong>terpretiert werden müsse: das heißt, wir müssen <strong>der</strong> Versuchung<br />

je<strong>der</strong> Form e<strong>in</strong>es Heiligen Krieges wi<strong>der</strong>stehen; genau dann, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er brutalen Materia-<br />

lität, und aller religiösen Rechtfertigung entzogen, zeigt <strong>der</strong> Krieg, was er <strong>in</strong> Wirklichkeit<br />

ist: gottlos. 23<br />

Nun versäumt das Bischofsdokument ke<strong>in</strong>eswegs, auf die Bedeutung <strong>der</strong> Vernunft, na-<br />

mentlich <strong>der</strong> politischen Vernunft, h<strong>in</strong>zuweisen. Der zweite Teil ist ja, wie gesagt, ganz<br />

und gar „vernünftig" gestaltet. Freilich werde ich den E<strong>in</strong>druck nicht los (vgl. bes. GF<br />

5l ff.), dass dem Brief bei <strong>der</strong> Vernunft nicht ganz geheuer ist. Sie ist doch irgendwie das<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>e gegenüber dem Glauben. Die Art, wie hierüber geredet wird, könnte sogar den<br />

E<strong>in</strong>druck erwecken, dass hier verschiedene Mentalitäten <strong>der</strong> Bischofskonferenz zusam-<br />

mengebracht werden mussten.<br />

Nach me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung haben sich die Bischöfe selbst <strong>in</strong> diese Klemme gebracht durch<br />

die Art und Weise, wie sie die Bergpredigt auslegen: als das Gegenüber zur Vernunft.<br />

Verräterisch ist hier die Formulierung <strong>in</strong> GF 56, die Unterschied und Balance zwischen<br />

Glauben und Vernunft herzustellen versucht: „In diesem S<strong>in</strong>ne führt <strong>der</strong> Glaube die Ver-<br />

nunft über sich selbst h<strong>in</strong>aus." Warum nicht, was ich eher sagen würde: „... br<strong>in</strong>gt <strong>der</strong><br />

Glaube die Vernunft zu sich selbst"? Frieden statt Krieg ist letztlich ke<strong>in</strong>e Glaubens-<br />

wahrheit, son<strong>der</strong>n höchst vernünftig.<br />

2.3 Bergpredigt und Friedensfor<strong>der</strong>ung<br />

Ich habe den E<strong>in</strong>druck, dass die Schwierigkeiten dadurch entstehen, dass zunächst durch<br />

e<strong>in</strong>e be<strong>in</strong>ahe mystisch spiritualisierende Interpretation <strong>der</strong> Bergpredigt <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck<br />

geweckt wird, dass die Christen sich vom Rest <strong>der</strong> Welt unterscheiden, um dann fest-<br />

stellen zu müssen, dass dies doch nicht allzu sehr <strong>der</strong> Fall ist, ja nicht e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong> darf <strong>—</strong><br />

rebus sic stantibus, so wie die Welt nun e<strong>in</strong>mal besteht. Die Alternative ist eben nicht:<br />

gläubiges Zeugnis gegenüber vernünftiger Sachlichkeit, und auch nicht: vernünftige<br />

Sachlichkeit lediglich als Kompromiss gegenüber dem Zeugnis.<br />

Es sollte doch nicht so sehr unsere Sorge se<strong>in</strong>, dass die Christen aufgrund e<strong>in</strong>er (ver-<br />

me<strong>in</strong>tlichen) Lehre <strong>der</strong> Bergpredigt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er problematischen Beziehung zur „nor-<br />

malen" Weltverantwortung und <strong>der</strong>en Sachgesetzen sehen müssen, son<strong>der</strong>n umgekehrt,<br />

dass alle Menschen irgendwie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e von <strong>der</strong> Bergpredigt ausgehende Dynamik e<strong>in</strong>be-<br />

zogen werden.<br />

Das Schreiben selbst sagt ja hierzu: „Und zum Dienst für den Frieden aller gehört es, sich<br />

auch im Rahmen e<strong>in</strong>er gewaltbewehrten Friedensordnung für jenes Mehr an Ge-<br />

23 Vgl. K.-W. Merks, Die Schrift als norma normans (Anm. 14), bes. 49ff.

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