Dies ist die letzte Überlebende der »BigFive«. Und wir sprechen hier nicht überHemingway oder eine Safari in Ostafrika,bei der es um das Beobachten von Elefant,Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard geht,sondern über die goldene Ära des Yachtsegelnsin den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen. Die»Big Five« des Yachtsegelns waren, in den 1920er Jahren, dieBritannia des britischen Königs, Sir Thomas Liptons Shamrock,Thomas Benjamin Frederick Davis’ Schoner Westward,die White Heather II von Lord Waring und der gigantischeKutter Lulworth, von dem hier die Rede ist.Dieses Schiff ist ein einziger schwimmender Superlativ.Der größte gaffelgetakelte Rennkutter, damals wie heute. Dieaufwändigste Restauration in den Jahren2002 bis 2006. Der längste hölzerneMast der Welt, 17 Stockwerke hoch. Miteinem Stander im Topp von der Größeeines Bettlakens. Mit Holzspieren, dieinsgesamt elf Tonnen wiegen: Noch langekönnte man diese Liste fortsetzen.Relativ kurz hingegen war ihre aktiveRegattakarriere: Gerade einmal zehnJahre dauerte diese Zeit, von 1920 bis1930, wobei sie auch erst ab 1924 wirklichschnell und auf den Regattabahnenerfolgreich war. Die Lulworth wurde1920 für einen gewissen Richard H. Leein Southampton gebaut, ursprünglichunter dem Namen Terpsichore.Viel hat Mr. Lee von seinem neuenSchiff nicht gehabt, obwohl er dochgegen den König segeln und ihn schlagenwollte. Das gelang erst dem zweitenEigner, Herbert Weld, Schlossherr vonLulworth Castle, nach dem die Yachtseither und bis heute benannt ist. Undes gelang ihm erst, nachdem Charles E.Nicholson das Rigg der Lulworth neuentworfen und den Ballast modifiziert hatte. Plötzlich wardas Schiff eine Rakete, sozusagen, und gewann Rennen umRennen. Bis 1930 beim 15. America’s Cup die neuen hochgetakeltenJ-Class-Yachten auftauchten, die den gaffelgetakeltenRennkuttern und Schonern einfach überlegen waren.Immerhin, zwischen 1920 und 1930 segelte die Lulworth258 Rennen, von denen sie 59 gewann. Nach ihrer zweitenGeburt – davon gleich mehr –gewann sie auf Anhieb den »LaBelle Classe«-Preis von 2006 und knüpfte damit, als eine derauthentischsten Restaurierungen überhaupt, nahtlos an ihrefrüheren Erfolge an.Nach 1930 jedoch war ihre Zeit zunächst vorbei. Mit demAufkommen der modernen und innovativen J-Class löste sichdie Big Class auf. Eine Ära war zu Ende, die Yachten wurdenversenkt (wie die Britannia, nach dem Tod von King George V.im Jahre 1936 auf seinen eigenen Wunsch), verschrottet odervergessen. Einzig die Lulworth wurde 1947 vorm Abwrackengerettet, indem sie, nachdem sie bereits mehrere Eigner gehabthatte, als vernachlässigte Hulk in einem verschlickten Seitenarmdes River Hamble liegend, von Richard und Irene Lucasgekauft wurde. Richard Lucas war ein echter Visionär: Bereitseinige Monate zuvor hatte er schon die J-Class-Yacht Endeavourvorm Abwracken gerettet, indem er sich, buchstäblich Stunden,bevor der Rumpf auseinandergeschnitten werden sollte, kaufte.Für Richard, übrigens auch Gewinner der olympischen Silbermedailleim Rudern 1920, war es ein wirkliches Anliegen, dassYachten wie diese der Nachwelt erhaltenbleiben sollten.LULWORTHLänge über alles 46,30 mBreite 7,60 m // Tiefgang5,20 mMasthöhe 52 mLänge des Großbaums 27,60 mMaximale Segelfläche 1450 m²Segelfläche am Wind 828 m²Großsegel 465 m² // Toppsegel 133 m²Fock 114 m² // Klüver 69,5 m²Flieger 46,5 m² // Spinnaker 500 m²Unterkunft: Die Lulworth hat eineEignerkabine und drei Gästekabinensowie einen großen Mannschaftsbereich.Die Eignersuite hat zwei große Betten,einen eleganten Schreibtisch und einenAlkoven mit Ledersofa und Bibliothek.Praktisch alles in dieser Kabine ist original,von den Spindeln der Skylights bis zu denTürrahmen, von den Beschlägen bis zu denStaunetzen. Das Badezimmer des Eignersist an Backbord. Ein geschwungener Koristan Backbord. Ein geschwungener Koristan Backbord. Ein geschwungener Korridor hat historische Mahagonipaneeleund -türen, die zu den drei exquisitenGästekabinen und zum Bad führen.So wurde die Lulworth auf ihrerBauwerft, »White Brothers«,restauriert, vielleicht auch eher:repariert. Jedoch nur so weit, dasssie fortan, für die nächsten 40 Jahreimmerhin, als sehr komfortablesund sehr stilvolles Hausboot dienenkonnte. Irene Lucas berichtet: »Alleszu verkaufen und sich ein großesSchiff als Heim zuzulegen, statt ineinem kleinen Haus zu wohnen,war damals in den 1950er Jahren inEngland ziemlich in. Wir jedenfallshaben unsere Entscheidung niemalsbereut. Einige Leute erklärten unsfür verrückt – bis das Fernsehen kamund einen Film über uns drehte. Danachkamen viele vorbei, um zu sagen,wie wunderschön die Lulworthdoch sei. Mein Lieblingskommentaraus jener Zeit kam von einer Dame,die sagte, dass die Lulworth doch soschön nautisch aussehe!«Nun ja. Im Sommer 1990 nahm ihr Schicksal eine weitere,entscheidende Wendung. Richard war bereits 1968 verstorbenund die folgenden 18 Jahre lebte Irene allein an Bord, dochniemals einsam; umgeben war sie von ihren vielen Liveaboard-Freunden, die, auf dem Fluss und in der nahen Marina, auchan Bord von Booten lebten. Über die Jahre hatte es immer malwieder Anfragen von potenziellen Käufern gegeben, doch erstEnde der 1980er war Irene so weit, wieder an Land zu ziehen.Der Yachtmakler Michael Burnett erstand die stolze Hulk, ließden Rumpf blau streichen und suchte nun seinerseits nach einemKäufer. Die Zeit dazu war keine schlechte, da gerade eine Renais-64
SIE IST DIE LETZTE DER GROSSEN YACHTENAUS DER GOLDENEN ÄRA DES YACHTSEGELNSsance der klassischen Yachten begann; schon einige historischeBoote waren professionell restauriert worden. Am Ende fand derItaliener F. Giorgetti, Partner von Giorgetti & Magrini, einenKäufer für die Lulworth. Der wollte sie erst bei C&N restaurierenlassen, änderte dann seine Pläne und ließ das Schiff 1990 ineinem Schwimmdock nach Italien schleppen. In einer Werft inLa Spezia begannen die Arbeiten, bis der neue Eigner sich wegender sehr hohen Kosten der Restaurierung aus dem Projekt verabschiedete.Wieder einmal versank die Lulworth in einen Dämmerzustand,nun in einem italienischen Werftschuppen.Dort wurde sie im Februar 2001 von Giuseppe Longo entdeckt.Der Manager der Werft »Classic Yacht Darsena« inViareggio, nur 50 Kilometer entfernt, war tatsächlich auf derSuche nach einem neuen Projekt. Das Gerippe der entkerntenLulworth, das dort wie das Skelett eines Sauriers stand, faszinierteihn sofort. »Ihr Anblick hat mich elektrisiert«, sagt er.»Damals wusste ich noch gar nicht, welches Schiff mit welchbedeutsamer Historie dies war!« Eigentlich wollte Giuseppesich ein anderes Schiff ansehen, aber das war nun vergessen:»Wir kletterten auf den Bug dieses großartigen Biests«, erinnerter sich. »Sie sah eher aus wie das Skelett eines gestrandetenWales. Sie war ein atemberaubender Anblick!«Giuseppe Longo war unterwegs im Auftrag des niederländischenUnternehmers Johan van den Bruele, der auf seiner Werft inViareggio gerade ein Projekt zu Ende brachte, die Restaurierungeiner Motoryacht von 1939. Einige Tage später kehrten die beidengemeinsam zu Lulworth zurück, und ihnen wurde mehr gezeigt –nicht nur der leere Rumpf, sondern auch etliche Container vollerOriginalteile. »Es war wie eine Schatzkammer«, sagt Giuseppe.»Alles, was zu retten war, war abmontiert und sicher und trockenverstaut worden. Bis hin zu der originalen Einrichtung, dem Salon,den Schreibtischen, den Barschränken. Einfach alles!«weiterlesenMehr Informationen über dieses absolut einmalige Schiff über Paolo Giorgetti beiClassic Yachts Consulting, Via Domenichino 19, 20149 Mailand, Italien, Telefon+39 (0) 335 847 41 54, Fax +39 (0) 2 89 01 59 92. Oder über Baum & König, AmIndustriehafen 5, 24937 Flensburg, Deutschland, Telefon +49 (0) 461 31 80 30 65,Fax +49 (0) 461 318 03 06This is the last survivor of the »Big Five«. Weare not talking about Hemingway on safariin East Africa, on the lookout for elephants,rhinos, buffalos, lions and leopards. This isabout the Golden Age of yachting in the yearsbetween the two great wars. The »Big Five«of yachting during the 1920s were the following large racingvessels: The King of England’s Britannia, Sir Thomas Lipton’sShamrock, Thomas Benjamin Frederick Davis’s schoonerWestward, Lord Waring’s White Heather II and the giganticcutter Lulworth, which is the subject of this article.This yacht is a floating superlative: the world’s largest gaffriggedracing cutter, both then and now. The most astonishingrestoration, carried out between 2002 and 2006. The world’stallest wooden mast, 17 storeys high. With a burgee at the topthat is as large as a bed sheet. With wooden spars that, takentogether, weigh in at 11 tonnes. The list could continue forquite a while...Relatively short, in contrast, was the active racing career ofLulworth, lasting for only ten years or so in total, from 1920 to1930, although she only became really competitive from 1924onwards. She was originally built for a certain Richard H. Leefrom Southampton and christened Terpischore.In her first years, the yacht did not really live up to Mr Lee’sexpectations: after all, he had wanted to challenge – and beat –the king. This was something only the second owner achieved,Herbert Weld, Lord of Lulworth Castle, after whom the boatis now named. After Charles E. Nicholson had redesignedthe rig and adjusted the ballast, the boat started to fly, so tospeak, and won race after race. That was until 1930, when thenew, Bermudan-rigged J-Class yachts appeared on the scene.Designed for the 15th America’s Cup, these highly innovativeboats were far superior to the old racing cutters and schooners.However, between 1920 and 1930, Lulworth sailed 258 races,winning 59 and coming in second in numerous others. Afterher second birth, she instantly won the La Belle Class trophyin 2006 and continued in her winning ways.65