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30./31. März 2013 / Nr. 13 NACHRICHT UND HINTERGRUND<br />
OSTERN IM ELENDSVIERTEL<br />
Hier ist jeder Tag Karfreitag<br />
Jesus auf dem Scheiterhaufen: Brasiliens Passionsspiele thematisieren Slum-Terror<br />
Rio de Janeiro, kurz vor Ostern.<br />
Brasiliens Armee rückt mit Panzern<br />
in einen von Banditenkommandos<br />
beherrschten Slumkomplex<br />
an der strategisch wichtigen<br />
Stadtautobahn ein. Prompt stoßen<br />
die Soldaten auf eine der üblichen<br />
Hinrichtungsstätten: einen<br />
Scheiterhaufen mit Ascheresten.<br />
„Siedlung der Träume“ heißt das<br />
Viertel.<br />
Scheiterhaufen in Lateinamerikas<br />
größter Demokratie, in der vielgerühmten<br />
Zuckerhutmetropole? In<br />
Rio ist das eine traurige Tatsache.<br />
Viele Bewohner mussten bereits zusehen,<br />
wie die dunklen Herrscher<br />
der Parallelstaaten in den Favelas,<br />
den Slums, Missliebige mit Benzin<br />
übergießen und auf Scheiterhaufen<br />
aus Autoreifen lebendig verbrennen.<br />
Gefoltert und verbrannt<br />
Unter den Opfern sind ungezählte<br />
aufrechte Christen und Bürgerrechtler.<br />
Auch eine junge kirchliche<br />
Menschenrechtsaktivistin, der<br />
unsere Zeitung viele Informationen<br />
verdankt, wurde in Rio von einem<br />
Banditenkommando entführt, zuerst<br />
gefoltert, dann in ihrem Wagen<br />
eingeschlossen. Die Gangster setzten<br />
das Auto in Brand, die junge Frau<br />
verkohlte in den Flammen. Als sie<br />
starb, war sie schwanger.<br />
Wenn am Karfreitag Brasiliens<br />
katholische Gemeinden das Leiden<br />
und Sterben Jesu interpretieren, geschieht<br />
dies in berührenden Aufführungen<br />
mit deutlichem Realitäts-<br />
In deutschen Zeitungen in der Regel<br />
nicht zu finden: Berichte über die Scheiterhaufen<br />
in Brasiliens Slums.<br />
bezug. Seit mehreren Jahren wagt<br />
es eine Gruppe aus Rio de Janeiro<br />
sogar, in den Armenvierteln einen<br />
schwarzen Christus zu zeigen, der<br />
vom organisierten Verbrechen auf<br />
einem der Scheiterhaufen aus Autoreifen<br />
sadistisch exekutiert wird.<br />
„Ein gekreuzigter Christus wäre<br />
hier einfach nicht realistisch“, sagen<br />
die Schauspieler. Adilson Dias, Autor<br />
und Regisseur der Aufführung,<br />
vergleicht das Leiden von Christus<br />
mit jenem der Kinder von Rio de<br />
Janeiro, die in Slums durch Gewalt<br />
umkommen. „Ich prangere den dortigen<br />
Genozid an! Man muss etwas<br />
dagegen tun.“ Dias wuchs selbst auf<br />
der Straße auf. Nur durch Zufall<br />
entging er einem Massaker.<br />
Der Geruch des Todes<br />
Auch andere brasilianische Künstler<br />
sehen angesichts der Menschenrechtsverletzungen<br />
in den Slums<br />
biblische Bezüge. Musiker Marcelo<br />
Yuka aus Rio beschreibt auf einer<br />
CD die Gefühle der Slumbewohner,<br />
wenn ihnen der Geruch der Scheiterhaufen<br />
in die Nase steigt, der<br />
Geruch des Todes. Seit er bei einem<br />
Überfall von neun Schüssen getroffen<br />
wurde, ist er an den Rollstuhl<br />
gefesselt.<br />
Fotograf Rogério Reis widmete<br />
den Opfern eine Bilderserie: „Microondas“<br />
heißt das Werk, das im<br />
„Museum für europäische Fotokunst“<br />
in Paris ausgestellt ist. „Microondas“<br />
(Mikrowellen) nennt der<br />
Volksmund die Scheiterhaufen in<br />
den Slums. „Aus Empörung über<br />
diese Akte der Barbarei, diesen unglaublichen<br />
Terror, habe ich die Fotoinstallation<br />
geschaffen“, sagt Reis im<br />
Gespräch mit unserer Zeitung.<br />
„Dass da willkürlich Menschen<br />
gefoltert, außergerichtlich zum Tode<br />
verurteilt und schließlich verbrannt<br />
werden – das darf man doch nicht<br />
hinnehmen!“, macht er seiner Wut<br />
Luft. Auch ein enger Freund, Fernsehjournalist<br />
Tim Lopes, verbrannte<br />
auf dem Scheiterhaufen – wie zahllose<br />
weitere Opfer. Dennoch, beklagt<br />
Reis, wollten viele Menschen<br />
den Tatsachen nicht ins Auge sehen,<br />
die Realität nicht wahrhaben.<br />
Bei der Berlinale 2008, vor fünf<br />
Jahren, gewann der brasilianische<br />
Spielfilm „Tropa de Elite“ den Goldenen<br />
Bären. Zu den Schlüsselszenen<br />
zählt ein Scheiterhaufen in<br />
Rio. Beim Dreh in einem der Slums<br />
sahen damals Dutzende Banditen<br />
zu – und gaben Ratschläge: „Der<br />
Typ stirbt nicht so, der schreit viel<br />
mehr“, sagte etwa einer zu den<br />
Schauspielern. Und die hielten sich<br />
an die Tipps der Gangster.<br />
Der Fall zeigt anschaulich: Ohne<br />
die Banditenkommandos geht in<br />
Brasiliens Slums nichts. Murilo de<br />
Carvalho, Mitglied der brasilianischen<br />
Dichterakademie, beklagt:<br />
„Das organisierte Verbrechen hält<br />
die Bewohner ruhig.“ Für lautstarke<br />
Protestaktionen, gar eine Rebellion,<br />
In Ouro Preto interpretieren Jugendliche<br />
das Leiden Jesu: Ihr Passions spiel ist nah<br />
an der eigenen Realität.<br />
Fotos: Hart<br />
ist da kein Platz. Es bleibt oftmals<br />
nur der stille Protest – wie jener der<br />
mutigen jungen Christen aus Rio,<br />
die Jesus als einen der ihren zeigen,<br />
als Opfer des Scheiterhaufens.<br />
Auch in der barocken Welterbe-<br />
Stadt Ouro Preto – von Rio de Janeiro<br />
rund 300 Kilometer weiter im<br />
Landesinneren gelegen – kommen<br />
vielen Beobachtern unwillkürlich<br />
Bilder und Szenen aus den brasilianischen<br />
Slums in den Sinn. Am Karfreitag<br />
erinnert hier das Passionsspiel<br />
der katholischen Jugendpastoral an<br />
das Leiden und Sterben Jesu – und<br />
interpretiert es sehr realitätsnah.<br />
Für ein anderes Brasilien<br />
„Wir wollen eine gerechtere, solidarische<br />
und friedliche Gesellschaft,<br />
ein anderes Brasilien“, sagen die Jugendlichen,<br />
die vor der Barockkirche<br />
„Santa Efigênia“ für ihren Auftritt<br />
proben. „Wir wollen die Dinge<br />
hier ändern. Das beginnt in unserer<br />
Erzdiözese, wo wir die Jugend für<br />
christliche Werte begeistern wollen.<br />
Womit gelänge das besser als mit<br />
dem Beispiel Jesu?“ Klaus Hart<br />
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(außer Verantwortung der Redaktion).<br />
Einem Teil dieser Ausgabe<br />
liegt bei: ein Prospekt mit Spendenaufruf<br />
von CBM Deutschland<br />
e.V., Bensheim, und ein Prospekt<br />
mit Spendenaufruf von Caritasverband<br />
für die Diözese <strong>Augsburg</strong> e.V.,<br />
<strong>Augsburg</strong>. Wir bitten unsere Leser<br />
um freundliche Beachtung.