13.11.2015 Views

LJ_15_11

LJ_15_11

LJ_15_11

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

Hintergrund<br />

Illustr.: slate.com<br />

Antwort auf den Essay „Eltern gehören unterstützt, nicht abgelehnt“<br />

von Martin Ballaschk (Laborjournal 7-8/20<strong>15</strong>: 28-30)<br />

Halbtagswissenschaftler<br />

bringen‘s einfach nicht!<br />

Wie sicherlich viele „Betroffene“ hatte ich nach dem Lesen<br />

des Essays von Martin Ballaschk in der Sommerausgabe des Laborjournals<br />

eine Nackenstarre vom eifrigen Kopfnicken: „Eltern<br />

gehören unterstützt, nicht abgelehnt.“ Wie wahr, wie wahr.<br />

Seit 16 Jahren spiele ich nun fleißig mit im Zirkus der<br />

Wissenschaften, zunächst als Technische Assistentin, nach dem<br />

Biostudium auf einer Promotionsstelle und inzwischen als Postdoc<br />

an der schönen Universität zu Münster. Achja, und nebenher<br />

habe ich auch noch eine Familie gegründet. Verrückte Idee.<br />

Meine Tochter ist inzwischen sieben Jahre alt und kam während<br />

der Promotion zur Welt. Kühn wie ich damals war, nahm<br />

ich nach dem Ende des Mutterschutzes noch<br />

vier Wochen Elternzeit, um anschließend in<br />

Doktoranden-Standard-Übervollzeit an die<br />

Laborbench zurückzukehren. Mein maximal-emanzipierter<br />

Partner nahm elf Monate<br />

Elternzeit (Ja, liebe Väter – auch ihr dürft<br />

mehr als die zwei Monate Alibi-Elternzeit nehmen), bevor das<br />

Töchterchen in der institutseigenen Kita teilzeitbetreut wurde.<br />

In dieser Zeit habe ich sie abends vielleicht eine, mal sogar zwei<br />

Stunden gesehen – und das auch nur, weil ich jeden Morgen<br />

gegen sechs Uhr das Haus gen Arbeit verließ, um nachmittags<br />

„eher“ gehen zu können. Fakt ist: Mein Mann hat unsere Tochter<br />

die ersten zwei Jahre ihres Lebens alleine aufgezogen.<br />

Inzwischen ist die Familie um zwei weitere Zwerge angewachsen,<br />

und die Eltern teilen sich total demokratisch eineinhalb<br />

Stellen. Nebenbei – also, abends und nachts – arbeite ich<br />

noch an meiner Alternativkarriere, denn Wissenschaftszeitvertragsgesetz<br />

sei Dank tickt nach dem gefühlt 3.000-sten Zeitvertrag<br />

meine Academia-Uhr unaufhörlich runter.<br />

Alle Kinder sind in Ganztagsbetreuungsformen untergebracht<br />

und werden zwischen <strong>15</strong> und 16 Uhr in die Obhut ihrer<br />

natürlich immer tiefenentspannten Vorzeigeeltern entlassen.<br />

Stress? Wo? Ist doch alles super geregelt, oder etwa nicht?<br />

Welche akademischen Supereltern kennen es nicht: dieses<br />

erdrückende Gefühl in der Brust, der auf über 200 Schläge pro<br />

Minute hochschnellende Puls, wenn du mit<br />

der Pipette in der Hand und dem unerbittlich<br />

herabzählenden Timer vor dir aus dem<br />

Augenwinkel die Meldung „Kita ruft an“<br />

auf dem immer parat liegenden Mobiltelefon<br />

siehst. Vor dem geistigen Auge laufen<br />

die letzten Tage ab, in denen du dich genau auf diesen Versuch<br />

vorbereitet hast – immer im Hinterkopf, dass du bei Misslingen<br />

mehrere hundert Euro in den Sand setzt. Und dann erklärt die<br />

Stimme am anderen Ende: „Tut mir wirklich leid, aber dein<br />

Kind hat 39°C Fieber, kotzt uns die Bude voll und ist auch eher<br />

übellaunig.“ Du weißt, es tut der Erzieherin wirklich leid, und<br />

du weißt, deinem Kind geht es wirklich schlecht – und du weißt<br />

auch: Wenn du jetzt gehst, war mal wieder alles umsonst. Du<br />

„Ich dachte immer,<br />

Familienförderung habe<br />

etwas mit Familie zu tun.“<br />

„Glauben die, dass mein Hirn<br />

komplett herunterfährt, wenn<br />

ich das Labor verlasse?“<br />

bettelst um wenigstens 20 Minuten, der Timer piept, du hastest<br />

zum Platz, fegst dabei die Pipette mit der wertvollen Reagenz<br />

vom Tisch, die Spitze springt ab, die Tropfen verteilen sich im<br />

Raum... Du schluckst und sagst: „Okay, bin in fünf Minuten da.“<br />

Und wenn ich dann meinen Jüngsten im Arm habe, er mich mit<br />

verrotzer Nase und verheulten Augen anstrahlt, ist es vergessen,<br />

dann ist alles okay, so wie es ist. Dann fühlt es sich richtig an.<br />

Jammern? Will ich nicht. Es war meine und unsere Entscheidung.<br />

Und ich hatte und habe das große Glück, mit meinen familiären<br />

Plänen bei Vorgesetzten und Kollegen auf viel Verständnis<br />

und Rückhalt gestoßen zu sein. Dazu spielt die gelobte zeitliche<br />

Flexibilität der akademischen Forschung auch<br />

eine erhebliche Rolle. Also, alles in Butter? Ja,<br />

im Großen und Ganzen schon...<br />

ABER – und ich komme nun auf den<br />

Essay von Martin Ballaschk zurück: Eines<br />

muss ich los werden! Herr Ballaschk lobt<br />

die Bemühungen der Familienförderung in der Wissenschaft<br />

und führt an: „Im EU-Forschungsrahmenprogramm werden<br />

erfolgreiche Frauen mit einem „Innovators Prize“ bedacht, die<br />

Robert-Bosch-Stiftung und die Nüsslein-Volhard (CNV)-Stiftung<br />

fördern gezielt Frauen oder Frauen mit Kindern.“<br />

Haben Sie sich mal darüber informiert, was die CNV-Stiftung<br />

unter Familienförderung versteht? Unter www.cnv-stiftung.de<br />

kann man es nachlesen. Eingangs heißt es noch recht unverfänglich:<br />

„Die im Jahre 2004 gegründete Stiftung zur Förderung von<br />

Wissenschaft und Forschung unterstützt begabte junge Wissenschaftlerinnen<br />

mit Kindern, um ihnen die für eine wissenschaftliche<br />

Karriere erforderliche Freiheit und Mobilität zu verschaffen.<br />

Die Stiftung will helfen zu verhindern, dass hervorragende<br />

Talente der wissenschaftlichen Forschung verloren gehen.“<br />

Ein hehres Ziel und ein nobler Gedanke. Es wird im Folgenden<br />

recht klar definiert, wofür die monatliche Förderung von<br />

200 bis 400 Euro eingesetzt werden sollte (die man übrigens nur<br />

erhält, wenn die Vollzeitbetreuung des Nachwuchses gewährleistet<br />

ist): „Die finanzielle Unterstützung soll zur Entlastung<br />

im Haushalt und bei der Kinderbetreuung<br />

beitragen, um Zeit für die wissenschaftliche<br />

Arbeit zu gewinnen. Diese Mittel können<br />

zum Beispiel zur Einstellung von Haushaltshilfen,<br />

Anschaffung von Geräten wie Spüloder<br />

Waschmaschine und für zusätzliche<br />

Kinderbetreuung verwendet werden (zum Beispiel Babysitter in<br />

den Abendstunden oder während Reisen zu Tagungen).“<br />

Auch das, alles noch voll in Ordnung. Wenn jemand das so<br />

möchte, soll er – beziehungsweise sie – das so machen. Sie alle<br />

haben meinen Segen.<br />

Doch dann… ein Rückfall in die Vorsteinzeit. Nach einigem<br />

Geschwafel, dass die „Wissenschaft […] ein sehr anspruchsvoller<br />

und besonderer Beruf“ sei, der einen „10- bis 14-Stun-<br />

18<br />

<strong>11</strong>/20<strong>15</strong> Laborjournal

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!