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Journal Club<br />

Chemische Ökologie in Stuttgart<br />

Ein Schnellkäfer der<br />

Art Idolus picipennis.<br />

Ähem,... sicher?<br />

Eigen-artiger<br />

Käferduft<br />

Foto: Christian König<br />

Im Schwarzwald gingen<br />

Schnellkäfer der Art Idolus picipennis<br />

in die Pheromonfallen<br />

Hohenheimer Entomologen, in<br />

Schwaben hingegen blieben<br />

sie leer. Der Grund: Die beiden<br />

äußerlich sehr ähnlichen<br />

Käferpopulationen gehören zu<br />

verschiedenen Arten, die auf<br />

unterschiedliche Sexualpheromone<br />

reagieren.<br />

Sexualpheromone sind Botenstoffe, die<br />

Paarungspartner anlocken. Vor allem bei<br />

Insekten spielen sie eine wichtige Rolle.<br />

Hat man die chemische Struktur dieses<br />

Kommunikationsmittels identifiziert, kann<br />

man das Pheromon auch synthetisch erzeugen<br />

und seine Lockwirkung nutzen, um<br />

die ahnungslosen Tiere einzufangen. Eine<br />

Pheromonfalle befreit den Kleider- oder<br />

Küchenschrank von Motten. Im größeren<br />

Stil kann man damit auch Schädlinge wie<br />

etwa Drahtwürmer vom Acker fernhalten.<br />

Drahtwürmer sind keine Würmer im<br />

eigentlichen Sinne, sondern die Larven<br />

des Schnellkäfers. Ihren Namen tragen<br />

Schnellkäfer nicht etwa, weil sie schnell<br />

laufen können. Vielmehr besitzen sie einen<br />

Sprungapparat, mit dem sie bei Gefahr<br />

hoch in die Luft schnellen. So können sie<br />

sich beispielsweise aus dem Schnabel eines<br />

Vogels befreien.<br />

Gefürchtete Arten<br />

Unter Landwirten sind einige Schnellkäferarten<br />

gefürchtet. Ihre Larven fressen<br />

die Wurzeln von Getreidepflanzen, Kartoffeln,<br />

Erdbeeren, Salat, Spargel, Zwiebeln,<br />

Gurken, Tomaten, Zuckerrüben und<br />

so weiter. Fängt man die adulten Tiere mit<br />

Pheromonfallen, bleibt auch der gefräßige<br />

Nachwuchs aus – und zwar ganz ohne den<br />

Einsatz von Insektiziden.<br />

30<br />

Christian König beim<br />

gaschromatographischen<br />

Pheromonbestimmen<br />

Foto: Anna-Lena Krause<br />

Doch nicht alle Schnellkäferarten sind<br />

Schädlinge. Von den weltweit rund 10.000<br />

Arten kommen etwa 180 in Deutschland<br />

vor. Darunter auch sehr seltene, besonders<br />

schützenswerte, über die nur wenig<br />

bekannt ist. An diesen Arten forschen die<br />

Tierökologen der Universität Hohenheim<br />

unter der Leitung von Johannes Steidle.<br />

Doch wie kann man das Vorkommen der<br />

teilweise nur wenige Millimeter kleinen,<br />

seltenen Käfer erfassen und überwachen?<br />

Die Schnellkäferart Idolus picipennis<br />

lebt bevorzugt auf Büschen in der Nähe<br />

von Blockhalden – das sind Ansammlungen<br />

großer Steine, die man beispielsweise<br />

in den Alpen, im Voralpenland und im<br />

Schwarzwald findet. Damit man die Tierchen<br />

nicht mühevoll im Gestrüpp auf felsigem<br />

Untergrund einsammeln muss, sind<br />

Fallen mit künstlichen Pheromonen praktische<br />

Hilfsmittel. Till Tolasch und seine<br />

Hohenheimer Arbeitsgruppe „Pheromone“<br />

nutzten sie, um das Vorkommen von Idolus<br />

picipennis im Schwarzwald sowie die<br />

Spezifität der Pheromone zu untersuchen.<br />

Dies gelang den Biologen so gut, dass<br />

sie befürchteten, durch weitere Pheromonfallenversuche<br />

der Population der seltenen<br />

Käfer in diesem Gebiet zu schaden.<br />

„Wir wussten auch von Sammlern, dass<br />

sie nur selten gefangen werden“, erzählt<br />

Tolaschs Kollege Christian<br />

König. Deshalb wichen sie<br />

für weitere Versuche auf die<br />

schwäbische Alb aus. Doch<br />

obwohl sie genau wussten,<br />

dass auch dort Schnellkäfer<br />

dieser Art vorkommen, blieben<br />

die Pheromonfallen am<br />

zweiten Standort leer.<br />

Um der mangelnden<br />

Anziehungskraft des Duftstoffes<br />

am schwäbischen<br />

Standort auf den Grund zu<br />

gehen, sammelten die Forscher<br />

dort einige Weibchen ein. Weibliche<br />

Schnellkäfer der Unterfamilie Elaterinae<br />

tragen an ihrem Legeapparat zwei kleine<br />

Pheromonreservoire. Diese präparierten<br />

die Forscher vorsichtig ab und lösten den<br />

Inhalt in Dichlormethan. Mittels gekoppelter<br />

Gaschromatographie/Massenspektrometrie<br />

(GC-MS) analysierten sie anschließend<br />

die chemische Zusammensetzung des<br />

Lockstoffes. „Und die war komplett anders<br />

als bei den Tieren, die im Schwarzwald<br />

leben“, betont König. Ein einziges Insekt<br />

reicht heute aus, um die chemische Zusammensetzung<br />

seines Lockstoffes zu identifizieren.<br />

Das war vor über 65 Jahren, als<br />

das erste Pheromon strukturell aufgeklärt<br />

wurde, noch undenkbar: Der deutsche Biochemiker<br />

Adolf Butenandt benötigte 1959<br />

dafür etwa 500.000 Seidenspinnerweibchen<br />

(Bombyx mori), aus deren Abdominaldrüsen<br />

er nach über 20 Jahren Forschung<br />

<strong>15</strong> mg flüssiges Pheromon isolierte.<br />

Farnesyl- statt Nerylverbindungen<br />

Die Hohenheimer Entomologen benötigten<br />

viel weniger Exemplare um herauszufinden,<br />

dass die Schnellkäfer aus dem<br />

Schwarzwald ganz andere Pheromone bilden<br />

als die Vertreter von der schwäbischen<br />

Alb: Während erstere sich von einer Mi-<br />

<strong>11</strong>/20<strong>15</strong> Laborjournal

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