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Special: Zellbiologie / Zellanalytik<br />

Verfahren bezeichnet man auch als Einzelzell-Kraftspektroskopie<br />

(Single-Cell Force<br />

Spectroscopy) oder kurz SCFS. Und in der<br />

AFM-Probenkammer kann man lebende<br />

Zellen in flüssigem Medium untersuchen.<br />

„Selbst zwischen genetisch identischen<br />

Zellen gibt es überraschenderweise starke<br />

Unterschiede bei den Adhäsionskräften“,<br />

berichtet Franz. Details dieser Art entgehen<br />

dem Forscher, wenn er ganze Zellpopulationen<br />

misst und somit bloß Mittelwerte<br />

Foto: AG Franz<br />

Anschließend muss man die am Cantilever<br />

fixierte Zelle zu einer Zelle navigieren,<br />

die sich ans Substrat angeheftet hat. Ein<br />

Vorteil: Mit der Zelle am Cantilever kann<br />

man nacheinander mehrere Zellen auf<br />

dem Substrat messen. Doch Franz mahnt,<br />

dass man natürlich in der statistischen<br />

Auswertung berücksichtigen müsse, dass<br />

bei diesen Messreihen die eine Zelle immer<br />

identisch ist. Man kommt also nicht<br />

umhin, zwischendrin auch die Zelle am<br />

sogenannte ‚Blebs‘. „Ich kenne auch kein<br />

schönes deutsches Wort dafür“, gibt Franz<br />

zu, „man könnte von Membranausstülpungen<br />

sprechen.“ Ein Bleb ist eine kleine<br />

Blase, die unter der Zellmembran entlangwandert.<br />

Innerhalb einiger Sekunden<br />

kann er die Zelle umrunden. Die genaue<br />

Funktion dieser Strukturen ist noch nicht<br />

geklärt, doch könnten sie eine Rolle beim<br />

Wanderverhalten während der Embryonalentwicklung<br />

spielen. Möglicherweise<br />

funktionieren Blebs dabei wie kleine Füßchen,<br />

die die Zelle zwischen anderen Zellen<br />

hindurchschieben. „Außerdem gibt es<br />

dort, wo die Blebs sind, kein Zytoskelett“,<br />

ergänzt Franz. Blebs machen Zellen also<br />

weicher und leichter verformbar. Und eine<br />

elastische Zelle wiederum kann sich auch<br />

einfacher durch das Gewebe bewegen –<br />

möglicherwiese spielen die Blebs daher<br />

nicht nur bei Zellwanderungen während<br />

der Embryonalentwicklung, sondern auch<br />

bei der Metastasenbildung eine Rolle.<br />

„Zellenkleber und -dehner“: Clemens Franz<br />

erhält. Franz ist sicher, dass solche Variationen<br />

zwischen den Zellen bislang noch<br />

unterschätzt werden. Daher kann man<br />

sich nicht auf die Ergebnisse einzelner<br />

Messungen verlassen, denn aufgrund der<br />

großen Unterschiede ist die Adhäsionskraft<br />

einer individuellen Zelle möglicherweise<br />

nicht repräsentativ für ein ganzes Gewebe.<br />

„Wenn wir aber zwanzig Zellpaare vermessen,<br />

dann kann man schon eine Menge<br />

damit anfangen“, nennt Franz einen Richtwert<br />

für die Anforderungen an die Statistik.<br />

Der Vorteil: arbeitet man mit frühen Stadien<br />

von Frosch- oder Fischembryonen, so<br />

hat man ohnehin nur sehr wenige Zellen<br />

zur Verfügung. Ein Flipping Assay wäre<br />

im 16-Zellstadium gar nicht durchführbar.<br />

Wohl aber die SCFS.<br />

Kniffelige Handarbeit<br />

Doch die Adhäsionsmessung mit dem<br />

AFM ist eine kniffelige Angelegenheit. Mit<br />

dem Cantilever muss man sich zunächst<br />

von Hand eine Zelle aus der Suspension<br />

herausangeln. Dabei hilft der Blick durch<br />

ein inverses Lichtmikroskop. „Sie schauen<br />

von unten auf die Probe“, erläutert Franz.<br />

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Cantilever auszuwechseln. Der muss zunächst<br />

aufwändig gereinigt werden, also<br />

hat man während der Experimente weitere<br />

Cantilever zum schnellen Auswechseln<br />

vorbereitet. „Den müssen Sie dann noch<br />

kalibrieren“, so Franz, „das dauert auch<br />

wieder einige Minuten“.<br />

Die Rolle der Blebs<br />

Unterm Strich schaffe man an einem<br />

Tag rund zehn Messungen, berichtet Franz<br />

aus seinem Laboralltag. Zu den Herstellern<br />

der Geräte hat die Arbeitsgruppe anscheinend<br />

einen guten Draht, denn dort geht<br />

man immer wieder auf die individuellen<br />

Kundenwünsche ein. Eine Neuerung am<br />

AFM ist ein Spiegel, der den seitlichen Blick<br />

in die Probenkammer mit dem Lichtmikroskop<br />

ermöglicht. „Wenn wir nämlich nur<br />

von unten auf die Probe schauen, können<br />

wir im Lichtmikroskop gar nicht sehen, was<br />

an der eigentlichen Kontaktfläche zwischen<br />

den Zellen passiert“, begründet Franz den<br />

Sonderwunsch seiner Arbeitsgruppe. Im<br />

März dieses Jahres hatte sein Team hierzu<br />

dann ein Paper vorgestellt (Integr. Biol.<br />

(Camb.) 7: 356-63). Dabei ging es um<br />

Elastizität ist auch ein Thema<br />

Im erwähnten Paper hatte Franz‘ Team<br />

Neuralleistenzellen aus Xenopus untersucht<br />

und die Zellhaftung gemessen. Wandernde<br />

Zellen sollten auch weniger stark aneinander<br />

haften, die Zelladhäsionskräfte also<br />

entsprechend geringer ausfallen. Doch<br />

korreliert die Stärke der Adhäsion auch<br />

mit der Lage der Blebs? Hier war nun der<br />

seitliche Blick auf die Kontaktfläche zwischen<br />

beiden Zellen notwendig, während<br />

im AFM die Kräfte gemessen wurden.<br />

Franz: „Wenn ein Bleb durch die Kontaktzone<br />

wandert, dann sinkt die Zelladhäsion<br />

rapide ab.“ Möglicherweise, so seine Hypothese,<br />

nutzen Zellen die Blebs, um die<br />

Stärke der Adhäsion zu regulieren und eine<br />

zu starke Haftung zu unterbinden. Franz<br />

hat auch eine Vermutung, wie Blebs die<br />

Zellkontakte schwächen: „Cadherine sind<br />

alleine nicht besonders stark in der Membran<br />

verankert; sie brauchen den Kontakt<br />

zu Zytoskelett-Elementen.“ Doch genau die<br />

werden in den Blebs ja beiseite gedrängt.<br />

Möglicherweise werden Cadherine, die<br />

Kontakt zu Nachbarzellen halten, dann<br />

einfach aus der Membran herausgezogen.<br />

Das ließe sich in künftigen Experimenten<br />

über Fluoreszenz-Label testen, indem man<br />

Cadherine der einen Zelle rot und die der<br />

anderen grün markiert. „Möglicherweise<br />

sehen wir dann, dass grüne oder rote<br />

Punkte von der einen Zelle auf die andere<br />

übergehen.“<br />

Franz setzt die AFM nicht nur ein, um<br />

Zell-Zell-Kontakte zu messen, sondern<br />

auch, um die Elastizität von Zellen zu bestimmen.<br />

Am Cantilever wird dann eine<br />

<strong>11</strong>/20<strong>15</strong> Laborjournal

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