atw 2017-12
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<strong>atw</strong> Vol. 62 (<strong>2017</strong>) | Issue <strong>12</strong> ı December<br />
RESEARCH AND INNOVATION 738<br />
Die dreifache Wirkung des CO 2<br />
Eike Roth<br />
CO 2 in der Atmosphäre wirkt auf dreifache Weise: Es absorbiert Strahlung und fügt dadurch der Atmosphäre (Wärme)<br />
Energie hinzu, es emittiert Strahlung und führt dadurch (Wärme)Energie aus der Atmosphäre ab, beides ist für das<br />
Klima auf der Erde wichtig, und das CO 2 hat auch nicht-klimatische Wirkungen auf das Leben auf der Erde. Aus diesen<br />
Wirkungen können bei fortgesetzter anthropogener CO 2 -Freisetzung prinzipiell erhebliche Folgen entstehen. In diesem<br />
Beitrag wird gezeigt, dass hinsichtlich der genauen Größe der einzelnen Effekte noch viele Fragen offen sind und die<br />
Folgen z. T. noch nicht ausreichend quantifiziert werden können. Für verantwortliche Entscheidungen wäre das aber<br />
erforderlich, insofern besteht dringender Handlungsbedarf.<br />
1 Der Treibhauseffekt (THE)<br />
Vorab etwas Physik, damit<br />
später einige Zusammenhänge<br />
klarer werden:<br />
„Fühlbare Wärme“ ist durch Konvektion<br />
und Leitung übertragene Wärmeenergie.<br />
Alles Andere gleich gelassen,<br />
führt jegliche Zufuhr oder Abfuhr<br />
fühlbarer Wärme zu bzw. von einem<br />
Körper unmittelbar zu einer Erwärmung<br />
bzw. Abkühlung des Körpers<br />
(man fühlt die Energiezufuhr bzw.<br />
-Abfuhr).<br />
„Latente Wärme“ ist die Energie,<br />
die ein Stoff durch Phasenübergänge<br />
(z. B. flüssig in gasförmig oder umgekehrt)<br />
aufnimmt oder abgibt.<br />
Während des Phasenüberganges ändert<br />
dieser Stoff seine Temperatur<br />
nicht (man fühlt also nichts), obwohl<br />
er zur Bewältigung des Phasenüberganges<br />
Energie aus seiner Umgebung<br />
aufnimmt oder an diese abgibt. Zum<br />
Beispiel wird bei Wasserverdunstung<br />
auf der Erdoberfläche die „Verdunstungswärme“<br />
als fühlbare Wärme<br />
der Erde entzogen, auf konstantem<br />
Temperaturniveau als latente Wärme<br />
im Wasserdampf gespeichert und<br />
mit diesem in die Atmosphäre eingebracht.<br />
Durch den Entzug der<br />
fühl baren Wärme kühlt sich die Erde<br />
dabei ab. Kondensiert anschließend<br />
der Wasserdampf (Wolkenbildung),<br />
wird – wieder auf konstantem Temperaturniveau<br />
– die latente Wärme als<br />
„Kondensationswärme“ frei und der<br />
Atmosphäre als fühlbare Wärme<br />
zugeführt. Letzteres erwärmt die<br />
Atmosphäre. In der Wirkung entspricht<br />
das insgesamt dem Übertrag<br />
von fühlbarer Wärme von der Erde in<br />
die Atmosphäre, doch erfolgt der<br />
Transport nicht per Leitung und Konvektion,<br />
sondern als latente Wärme im<br />
Wasserdampf. Bei „geeigneten“ Randbedingungen<br />
kann auf diesem Weg<br />
sehr viel mehr Wärme transportiert<br />
werden als durch Leitung und Konvektion.<br />
„Strahlungswärme“ ist durch<br />
Strah lung übertragene Wärmeenergie.<br />
Jede Absorption von Strahlung<br />
durch einen Körper bedeutet Energiezufuhr<br />
zu diesem Körper, jedes<br />
Aussenden von Strahlung von einem<br />
Körper bedeutet Energieabfuhr von<br />
diesem Körper. Alles Andere gleich<br />
gelassen, muss ein Körper sich durch<br />
jegliche zusätzliche Absorption erwärmen<br />
bzw. durch jegliche zusätzliche<br />
Abstrahlung abkühlen.<br />
Jeder Körper, der Strahlung absorbiert,<br />
sendet auch (Wärme)Strahlung<br />
aus. Die abgestrahlte Energiemenge<br />
wächst dabei mit der vierten Potenz<br />
der (absoluten) Temperatur. Bei<br />
festen und flüssigen Körpern und sehr<br />
großen gasförmigen Körpern deckt<br />
die Wärmeabstrahlung ein kontinuierliches<br />
Spektrum ab, dessen Maximum<br />
mit steigender Temperatur zu höheren<br />
Energien hin verschoben ist, oberund<br />
unterhalb dieses Maximums<br />
nimmt die Strahlungsintensität relativ<br />
rasch ab. Insbesondere strahlt die<br />
Sonne mit ca. 5800 K viel höher<br />
energetisch (also mit viel kürzeren<br />
Wellenlängen) ab als die Erde mit ca.<br />
300 K (viel längere Wellenlängen).<br />
Bei Gasen bei den auf der Erde<br />
relevanten Mengen, Temperaturen<br />
und Drücken ist das ein klein wenig<br />
anders: 1- und 2-atomige Gase (z. B.<br />
Ar, N 2 und O 2 ) absorbieren und<br />
strahlen praktisch gar nicht und 3-<br />
und mehr-atomige Gase (z. B. CO 2 ,<br />
H 2 0 oder CH 4 ) absorbieren und<br />
strahlen nur in konkreten, schmalen<br />
Energiebändern. Diese Bänder ändern<br />
sich nicht mit der Temperatur,<br />
die Abstrahlungsintensität steigt aber<br />
auch hier stark mit der Temperatur an.<br />
Wird ein Körper (egal, in welchem<br />
Aggregatzustand er ist) mit konstanter<br />
Leistung bestrahlt, stellt sich seine<br />
Temperatur so ein, dass er genau<br />
so viel Energie als Wärmestrahlung<br />
abstrahlt, wie er durch Absorption der<br />
eingehenden Strahlung erhält. Wird<br />
die eingehende Strahlung erhöht,<br />
erwärmt er sich, bis er wieder so viel<br />
Energie abstrahlt, wie er insgesamt<br />
erhält. Woher die eingehende Strahlung<br />
kommt, ist hierfür irrelevant.<br />
Gase, die optisch asymmetrisch<br />
sind, konkret Gase, die kurzwellige<br />
Strahlung (das Sonnenlicht) weitgehend<br />
ungehindert durchlassen,<br />
langwellige Strahlung (Wärmeabstrahlung<br />
von der Erde) aber zu einem<br />
erheblichen Teil absorbieren, werden<br />
definitionsgemäß als „Treibhausgase“<br />
bezeichnet. CO 2 ist eindeutig so ein<br />
Treibhausgas, H 2 O ist ein anderes,<br />
CH 4 ebenfalls, und es gibt noch viele<br />
andere. In unserer Atmosphäre sind<br />
Treibhausgase nur in sehr geringer<br />
Konzentration vorhanden, rund 99 %<br />
der Atmosphäre bestehen aus Stickstoff,<br />
Sauerstoff und Argon, die, wie<br />
gesagt, Strahlung weder absorbieren<br />
noch aussenden.<br />
Partikel in der Luft (flüssige und<br />
feste) reagieren symmetrisch auf<br />
Strahlung, d. h. sie absorbieren nicht<br />
nur hinaus gehende Wärmestrahlung,<br />
sondern auch herein kommendes<br />
Sonnenlicht. Der letztere Effekt überwiegt<br />
klimatisch bei Weitem, sodass<br />
Partikel in der Atmosphäre die Erde<br />
grundsätzlich abkühlen. In dieser<br />
Arbeit werden sie nicht weiter betrachtet,<br />
obwohl die Stärke ihrer<br />
kühlenden Wirkung auch eine wichtige,<br />
klimarelevante Frage ist. Auch<br />
die (ebenfalls abkühlend wirkende)<br />
Reflexion hereinkommender Strahlung<br />
in der Atmosphäre und an der<br />
Erdoberfläche wird hier nicht näher<br />
betrachtet.<br />
Dann eine zunächst<br />
überraschende Beobachtung:<br />
Unsere Erde ist mit etwa 15 °C<br />
angenehm warm (global und über das<br />
Jahr gemittelte bodennahe Lufttemperatur).<br />
Rechnet man mit der<br />
Stärke der Sonne, ihrer Entfernung<br />
und der Reflexion von Sonnenlicht in<br />
der Atmosphäre und an der Erdoberfläche<br />
nach, müsste die Erde aber<br />
ca. -18 °C kalt sein. Das wäre sehr<br />
ungemütlich.<br />
Und die Erklärung:<br />
In der Atmosphäre der Erde sind<br />
CO 2 (und andere Treibhausgase) vorhanden.<br />
Diese Treibhausgase verändern<br />
die Sonneneinstrahlung praktisch<br />
nicht, absorbieren aber einen<br />
Research and Innovation<br />
The Triple Effect of Carbon Dioxide ı Eike Roth